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Freude für Kraft – Rüttgers weg – Linke drin
Kleine Nachlese zur NRW-Landtagswahl
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Ohne Hintersinn gesagt: Obwohl sie ein paar Zehntelprozent gewann, stürzte die FDP, politisch gesehen, tief ab aus den wolkigen Höhen ihres fünfjährigen desaströsen Regierungs-Gewursteles in Düsseldorf. Der Urheber des ominösen „Hochschulfreiheitsgesetzes“, das im Lande NRW Wissenschaftsfreiheit endgültig der Kapitalhoheit unterwirft, der schon erwähnte FDP-Minister Pinkwart, schaute denn auch am Wahlabend so geohrfeigt in die Kamera, als wäre er gerade beim kleinen Latinum durchgefallen.
FDP: Armen-Diffamierung lohnt sich nicht
Es hatte also doch nichts gefruchtet, mit dem Feindbild des am arbeitsamen Volkskörper schmarotzenden Hartz-IV-Parasiten Mittel- und Oberschichtaffekte gegen den „faulen Pöbel“ ausreichend nachhaltig zu mobilisieren. Von wegen: „Aufstieg durch Leistung“ - für das, was sich die Guidonisten letzthin so leisteten, von der Hetze gegen soziale Minderheiten bis zur wie selbstverständlich zur Schau getragenen Selbstprivilegierungs-Chuzpe dieser Kohlebagger, gibt’s den Abstieg aus der Düsseldorfer Landesregierung als leistungsgerechten Lohn.
Kölner Erwerbslosenfrühstück spendet für Westerwelle
Dabei hatte es an freiwilliger Hilfeleistung für Westerwelles Schampus-Populisten gerade in Köln doch nicht gefehlt, einschließlich einer ebenso großzügigen wie öffentlichen Parteispende. Die in ausschweifender Völlerei der spätrömischen Dekadenz verfallenen Armutsfeudalisten des Kölner Erwerbslosenfrühstücks etwa begrüßten Guido Westerwelle, den „Volkstribun der entrechteten Finanzelite“, anlässlich des FDP-Bundesparteitages vor der Kölner Messe in stilechter römischer Festgewandung mit einem jubilierenden „Salve Imperator Maximus“.
„Reuevolle Dekadenz“
Die geläuterten Hartzisten überreichten, als Zeichen des freiwilligen Verzichts auf eine dekadente Speisenfolge beim Kölner Erwerbslosenfrühstück, schließlich unter spätrömischen Lobgesängen einen symbolischen Scheck in Höhe von 111 Hartz-IV-Sesterzen an die “Freiheitspartei“ des „größten Moralphilosophen unserer Epoche“. Auch diese spontane Unterstützung reichte freilich nicht ganz aus; am Wahlabend sah die selbsternannte „Freiheitsstatue Deutschlands“ in Gestalt Guido Westerwelles schon halb demontiert aus.
FDP-Pleite: selbstverschuldet
Abgestraft ist damit auch eine Partei, deren „Politik“ sich für
geldbesitzende und geldvermehrende Klientel direkt und ohne störende
soziale oder intellektuelle Umwege „lohnen“ soll. Die da nölend
näseln, Leistung müsse sich wieder lohnen, meinen mit diesem Postulat
ja auch keineswegs die Leistung derjenigen, die kein Spitzengehalt,
sondern womöglich nur einen kargen Lohn beziehen, womit sie freilich
die Spitzengehälter der hochgemuten Anzugträger erst möglich machen.
„Friede den Palästen“, Protestplakat vor dem FDP-Bundesparteitag am 24. 4. 2010
Die alte Bürgerrechtsfraktion der FDP, die sich etwa mit den Namen
Burkhart Hirsch und Gerhart Baum verbindet, scheint marginalisiert zu
sein, und ein „sozialer Liberalismus“ im Stil der Freiburger Thesen ist längst Vergangenheit.
Rituelle „Extremisten“-Mantras
Der bald wohl ausgediente Einweg-Ministerpräsident Rüttgers gab sich,
frisch gestürzt, noch staatsmännisch und betonte, NRW brauche eine
“stabile Regierung“; das aber sei mit „Extremisten“ nicht zu machen. Damit meinte er natürlich nicht die ideologisch verbohrten Markt-Extremisten, mit denen er selbst fünf Jahre koaliert hat.
Casino-Kapitalismus
Und auch nicht die Grünen, die noch in den achtziger Jahren regelmäßig
die AdressatInnen solcher „Extremisten“- Durchsagen aus Unionskreisen
waren. Nein, die „Grünen“ sind, wie die euphorische Spitzenkandidatin
Löhrmann in unfreiwilliger Selbstenthüllung frohgemut in die Kameras
krähte, „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“.
“In der Mitte angekommen“: Grüne Ordnungsgaranten
Das freilich ist, im abträglichsten denkbaren Sinne, längst kein
Geheimnis mehr. Die Grünen stehen im Zentrum der herrschenden Ordnung,
sie gehören zu den zuverlässig stabilisierenden Betongewichten, die
dem real existierenden, sozial demontierten und kriegführenden Kapitalismus unabsehbar historische Dauer verleihen. Ohne Grüne kein Hartz IV – namentlich in Köln – und ohne Grüne keine weltweite Kriegsführung der BRD. Nicht trotzdem, sondern gerade deswegen, fahren die Grünen mittlerweile zweistellige Stimmergebnisse ein, in NRW fast doppelt soviel Prozentpunkte wie die FDP, die sie als „dritte Kraft“ hierzulande jedenfalls abgelöst haben.
Wer verhilft Frau Löhrmann zum Ministeramt?
So grenzte sich auch Frau Löhrmann demonstrativ von den „Extremisten“ ab, worunter sie spaßeshalber auf der einen Seite die FDP, auf der anderen die Linkspartei meinte. Mindestens an letzterer wird die Ministeranwärterin aber nicht vorbeikommen, wenn sie vor dem Hintergrund der Sitzverteilung im Landtag eine wie auch immer geartete Mehrheit für irgendeine Variante von „rot-grün“ hinbekommen will. Das scheint sie ansatzweise begriffen zu haben. „Herr Pinkwart ist nicht in der Lage, anderen zu diktieren, mit wem sie reden dürfen“, meinte Extremisten-Gegnerin Löhrmann nun schon am Dienstag abend, gezielt auf den gerupften Herrn Pinkwart von der FDP, der „Gespräche mit Extremen“ glaubte anderen untersagen zu können.
Zu dumm: Angstmache verfängt nicht
Nun freilich zu den viel erwähnten „Extremisten“. Vor denen hatte der mutmaßliche Abgangs-Ministerpräsident Rüttgers nicht nur in seiner ersten Erklärung nach dem Wahldebakel gewarnt. Beschwörend hatte er vielmehr noch in einem letzten Bettelbrief, der in Millionen Briefkästen landete, und in einem Propaganda-Titel der Post-AG-eigenen Verteilbroschüre „Einkauf aktuell“ auf Steuerkosten vor den „Unberechenbaren“, den „Erben der SED“, den „Extremisten“ und „Chaoten“ Furcht und Schrecken einzuflößen versucht. Diese drögen Rüttgers-Rüttelverse verfingen freilich ebenso wenig wie die wochenlange Hetze in nahezu allen Mainstream-Medien, vom
Balkenlettern-Boulevard bis hin zur öffentlich-rechtlichen Leitanstalt dieses Bundeslandes, die darauf abzielte, einen Einzug der Linkspartei in den Landtag unter allen Umständen, auf Biegen und Brechen, zu verhindern.
Kriegsministers Tagesbefehl
Schließlich warf sich am Freitag vor der Wahl auch noch Kriegsminister
Freiherr zu Guttenberg vor dem Pimmel-Brunnen am Kaufhof in die
Bresche gegen den inneren Feind, die Linksextremisten, die gegen
Kreuze in der Schule und gegen den Krieg in Afghanistan sind.
zu Guttenberg am Pimmelbrunnen
Die andächtigen CDU-Anhänger wurden nur durch ein Plakat des Aktivisten Walter Herrmann gestört, der die Verscherbelung von LEG-Wohnungen durch CDU und FDP anprangerte.
Walter Herrmann Protestplakat
Fotos: Jochen Lubig
Derweil erklärte Guttenberg, wenn wir nicht in Afghanistan Krieg gegen
den Terror führen, schlägt demnächst die Terrorbombe am Kölner
Pimmelbrunnen ein, und wer also gegen den Afghanistan-Krieg ist,
leistet den Terroristen Vorschub - wie die Extremisten von der
Linkspartei.
Extremisten – mitten in Köln
Die diversen Kampagnen gegen die Partei Die.Linke kennt das Publikum
freilich schon von x anderen Landtagswahlen, nicht zuletzt aus Hessen,
und von den vergangenen Bundestagswahlen. Das Publikum, das zeitgleich
mit dem Guttenberg-Auftritt zur linken Abschlussveranstaltung mit
Gregor Gysi und Oskar Lafontaine gekommen war, schien sich allerdings
angesichts extremistischer Forderungen wie Verbot der Leiharbeit und
Schluss mit dem Afghanistan-Krieg überhaupt nicht richtig zu gruseln.
Typische „Extremisten" aus Köln..
...und anderswo
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Der Landtag errötet
Mit 5,8 Prozent ist die Linkspartei nun zwar nicht gerade triumphal,
aber deutlich ins Landesparlament eingezogen. Teilweise errang die
Linke in Kölner Stadtbezirken wie Chorweiler zweistellige Ergebnisse.
Die zunehmend sichtbare soziale Spaltung der Gesellschaft zeigt sich
nun auch wieder, wie noch ehedem in den fünfziger und sechziger
Jahren, immer deutlicher auch im Wahlverhalten in Stadtvierteln mit
gegensätzlicher sozialer Struktur. Gerade dieses parlamentarische
Entree der Linken im größten Bundesland, dem Land des „Reviers“,
geprägt von einer jahrzehntelangen SPD-Vorherrschaft, regional aber
auch tiefschwarzen Einfärbung, ist von mehr als nur symbolischer
Bedeutung. Die Linkspartei hat sich nun endgültig oder doch auf
längere Perspektive hin als mindestens „fünfte Kraft“ im
Parteienspektrum mit „Parlamentsfähigkeit“ etabliert.
Kraft-Gymnastik ohne linkes Bein
Das zu ignorieren ist nun auch für die siegreiche Frau Kraft nicht mehr möglich. Es sei denn, sie entscheidet sich für irgendeine Kombination, die zwar die Mehrheit der WählerInnen keinesfalls gewollt hat, die aber den unschlagbaren Vorteil aufwiese, ohne die Linke regieren zu können. Wohin es zu gehen hätte, verdeutlichte der Wahl-Pyrrhussiegerin Kraft schon bei der Wahlsendung des WDR die zuständige öffentlich-rechtlich ausgewogene Moderatorin des Senders, dessen Intendantin Monika Piel als journalistisches Spitzenformat höchstpersönlich einstündige Hofinterviews mit Angela Merkel führt. Die Wahlstudio-Moderatorin stellte, anknüpfend an die Extremisten-Warnung des auszuscheidenden Ministerpräsidenten Rüttgers, an Frau Kraft die verhörfähige Frage, wie sie es denn mit den “Extremisten“ halte. Da blieb nur die wolkige Ausflucht über die verantwortungsvoll zu führenden verantwortungsvollen Gespräche.
Ypsilanti ante portas?
Notfalls - frau will ja nicht Ypsilanti heißen, und wir wollen auch
nicht den Koch an die Wand malen - muss halt eine Große Koalition her.
Man kennt das ja vom „Notstand“, den uns einst die Mutter aller Großen
Koalitionen einbrockte. Dann wäre doch alles wieder im Lot. (HDH)
Online-Flyer Nr. 249 vom 12.05.2010
Freude für Kraft – Rüttgers weg – Linke drin
Kleine Nachlese zur NRW-Landtagswahl
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Ohne Hintersinn gesagt: Obwohl sie ein paar Zehntelprozent gewann, stürzte die FDP, politisch gesehen, tief ab aus den wolkigen Höhen ihres fünfjährigen desaströsen Regierungs-Gewursteles in Düsseldorf. Der Urheber des ominösen „Hochschulfreiheitsgesetzes“, das im Lande NRW Wissenschaftsfreiheit endgültig der Kapitalhoheit unterwirft, der schon erwähnte FDP-Minister Pinkwart, schaute denn auch am Wahlabend so geohrfeigt in die Kamera, als wäre er gerade beim kleinen Latinum durchgefallen.
FDP: Armen-Diffamierung lohnt sich nicht
Es hatte also doch nichts gefruchtet, mit dem Feindbild des am arbeitsamen Volkskörper schmarotzenden Hartz-IV-Parasiten Mittel- und Oberschichtaffekte gegen den „faulen Pöbel“ ausreichend nachhaltig zu mobilisieren. Von wegen: „Aufstieg durch Leistung“ - für das, was sich die Guidonisten letzthin so leisteten, von der Hetze gegen soziale Minderheiten bis zur wie selbstverständlich zur Schau getragenen Selbstprivilegierungs-Chuzpe dieser Kohlebagger, gibt’s den Abstieg aus der Düsseldorfer Landesregierung als leistungsgerechten Lohn.
Kölner Erwerbslosenfrühstück spendet für Westerwelle
Dabei hatte es an freiwilliger Hilfeleistung für Westerwelles Schampus-Populisten gerade in Köln doch nicht gefehlt, einschließlich einer ebenso großzügigen wie öffentlichen Parteispende. Die in ausschweifender Völlerei der spätrömischen Dekadenz verfallenen Armutsfeudalisten des Kölner Erwerbslosenfrühstücks etwa begrüßten Guido Westerwelle, den „Volkstribun der entrechteten Finanzelite“, anlässlich des FDP-Bundesparteitages vor der Kölner Messe in stilechter römischer Festgewandung mit einem jubilierenden „Salve Imperator Maximus“.
„Reuevolle Dekadenz“
Die geläuterten Hartzisten überreichten, als Zeichen des freiwilligen Verzichts auf eine dekadente Speisenfolge beim Kölner Erwerbslosenfrühstück, schließlich unter spätrömischen Lobgesängen einen symbolischen Scheck in Höhe von 111 Hartz-IV-Sesterzen an die “Freiheitspartei“ des „größten Moralphilosophen unserer Epoche“. Auch diese spontane Unterstützung reichte freilich nicht ganz aus; am Wahlabend sah die selbsternannte „Freiheitsstatue Deutschlands“ in Gestalt Guido Westerwelles schon halb demontiert aus.
FDP-Pleite: selbstverschuldet
Abgestraft ist damit auch eine Partei, deren „Politik“ sich für
geldbesitzende und geldvermehrende Klientel direkt und ohne störende
soziale oder intellektuelle Umwege „lohnen“ soll. Die da nölend
näseln, Leistung müsse sich wieder lohnen, meinen mit diesem Postulat
ja auch keineswegs die Leistung derjenigen, die kein Spitzengehalt,
sondern womöglich nur einen kargen Lohn beziehen, womit sie freilich
die Spitzengehälter der hochgemuten Anzugträger erst möglich machen.
„Friede den Palästen“, Protestplakat vor dem FDP-Bundesparteitag am 24. 4. 2010
Die alte Bürgerrechtsfraktion der FDP, die sich etwa mit den Namen
Burkhart Hirsch und Gerhart Baum verbindet, scheint marginalisiert zu
sein, und ein „sozialer Liberalismus“ im Stil der Freiburger Thesen ist längst Vergangenheit.
Rituelle „Extremisten“-Mantras
Der bald wohl ausgediente Einweg-Ministerpräsident Rüttgers gab sich,
frisch gestürzt, noch staatsmännisch und betonte, NRW brauche eine
“stabile Regierung“; das aber sei mit „Extremisten“ nicht zu machen. Damit meinte er natürlich nicht die ideologisch verbohrten Markt-Extremisten, mit denen er selbst fünf Jahre koaliert hat.
Casino-Kapitalismus
Und auch nicht die Grünen, die noch in den achtziger Jahren regelmäßig
die AdressatInnen solcher „Extremisten“- Durchsagen aus Unionskreisen
waren. Nein, die „Grünen“ sind, wie die euphorische Spitzenkandidatin
Löhrmann in unfreiwilliger Selbstenthüllung frohgemut in die Kameras
krähte, „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“.
“In der Mitte angekommen“: Grüne Ordnungsgaranten
Das freilich ist, im abträglichsten denkbaren Sinne, längst kein
Geheimnis mehr. Die Grünen stehen im Zentrum der herrschenden Ordnung,
sie gehören zu den zuverlässig stabilisierenden Betongewichten, die
dem real existierenden, sozial demontierten und kriegführenden Kapitalismus unabsehbar historische Dauer verleihen. Ohne Grüne kein Hartz IV – namentlich in Köln – und ohne Grüne keine weltweite Kriegsführung der BRD. Nicht trotzdem, sondern gerade deswegen, fahren die Grünen mittlerweile zweistellige Stimmergebnisse ein, in NRW fast doppelt soviel Prozentpunkte wie die FDP, die sie als „dritte Kraft“ hierzulande jedenfalls abgelöst haben.
Wer verhilft Frau Löhrmann zum Ministeramt?
So grenzte sich auch Frau Löhrmann demonstrativ von den „Extremisten“ ab, worunter sie spaßeshalber auf der einen Seite die FDP, auf der anderen die Linkspartei meinte. Mindestens an letzterer wird die Ministeranwärterin aber nicht vorbeikommen, wenn sie vor dem Hintergrund der Sitzverteilung im Landtag eine wie auch immer geartete Mehrheit für irgendeine Variante von „rot-grün“ hinbekommen will. Das scheint sie ansatzweise begriffen zu haben. „Herr Pinkwart ist nicht in der Lage, anderen zu diktieren, mit wem sie reden dürfen“, meinte Extremisten-Gegnerin Löhrmann nun schon am Dienstag abend, gezielt auf den gerupften Herrn Pinkwart von der FDP, der „Gespräche mit Extremen“ glaubte anderen untersagen zu können.
Zu dumm: Angstmache verfängt nicht
Nun freilich zu den viel erwähnten „Extremisten“. Vor denen hatte der mutmaßliche Abgangs-Ministerpräsident Rüttgers nicht nur in seiner ersten Erklärung nach dem Wahldebakel gewarnt. Beschwörend hatte er vielmehr noch in einem letzten Bettelbrief, der in Millionen Briefkästen landete, und in einem Propaganda-Titel der Post-AG-eigenen Verteilbroschüre „Einkauf aktuell“ auf Steuerkosten vor den „Unberechenbaren“, den „Erben der SED“, den „Extremisten“ und „Chaoten“ Furcht und Schrecken einzuflößen versucht. Diese drögen Rüttgers-Rüttelverse verfingen freilich ebenso wenig wie die wochenlange Hetze in nahezu allen Mainstream-Medien, vom
Balkenlettern-Boulevard bis hin zur öffentlich-rechtlichen Leitanstalt dieses Bundeslandes, die darauf abzielte, einen Einzug der Linkspartei in den Landtag unter allen Umständen, auf Biegen und Brechen, zu verhindern.
Kriegsministers Tagesbefehl
Schließlich warf sich am Freitag vor der Wahl auch noch Kriegsminister
Freiherr zu Guttenberg vor dem Pimmel-Brunnen am Kaufhof in die
Bresche gegen den inneren Feind, die Linksextremisten, die gegen
Kreuze in der Schule und gegen den Krieg in Afghanistan sind.
zu Guttenberg am Pimmelbrunnen
Die andächtigen CDU-Anhänger wurden nur durch ein Plakat des Aktivisten Walter Herrmann gestört, der die Verscherbelung von LEG-Wohnungen durch CDU und FDP anprangerte.
Walter Herrmann Protestplakat
Fotos: Jochen Lubig
Derweil erklärte Guttenberg, wenn wir nicht in Afghanistan Krieg gegen
den Terror führen, schlägt demnächst die Terrorbombe am Kölner
Pimmelbrunnen ein, und wer also gegen den Afghanistan-Krieg ist,
leistet den Terroristen Vorschub - wie die Extremisten von der
Linkspartei.
Extremisten – mitten in Köln
Die diversen Kampagnen gegen die Partei Die.Linke kennt das Publikum
freilich schon von x anderen Landtagswahlen, nicht zuletzt aus Hessen,
und von den vergangenen Bundestagswahlen. Das Publikum, das zeitgleich
mit dem Guttenberg-Auftritt zur linken Abschlussveranstaltung mit
Gregor Gysi und Oskar Lafontaine gekommen war, schien sich allerdings
angesichts extremistischer Forderungen wie Verbot der Leiharbeit und
Schluss mit dem Afghanistan-Krieg überhaupt nicht richtig zu gruseln.
Typische „Extremisten" aus Köln..
...und anderswo
Fotos: gesichter zei(ch/g)en
Der Landtag errötet
Mit 5,8 Prozent ist die Linkspartei nun zwar nicht gerade triumphal,
aber deutlich ins Landesparlament eingezogen. Teilweise errang die
Linke in Kölner Stadtbezirken wie Chorweiler zweistellige Ergebnisse.
Die zunehmend sichtbare soziale Spaltung der Gesellschaft zeigt sich
nun auch wieder, wie noch ehedem in den fünfziger und sechziger
Jahren, immer deutlicher auch im Wahlverhalten in Stadtvierteln mit
gegensätzlicher sozialer Struktur. Gerade dieses parlamentarische
Entree der Linken im größten Bundesland, dem Land des „Reviers“,
geprägt von einer jahrzehntelangen SPD-Vorherrschaft, regional aber
auch tiefschwarzen Einfärbung, ist von mehr als nur symbolischer
Bedeutung. Die Linkspartei hat sich nun endgültig oder doch auf
längere Perspektive hin als mindestens „fünfte Kraft“ im
Parteienspektrum mit „Parlamentsfähigkeit“ etabliert.
Kraft-Gymnastik ohne linkes Bein
Das zu ignorieren ist nun auch für die siegreiche Frau Kraft nicht mehr möglich. Es sei denn, sie entscheidet sich für irgendeine Kombination, die zwar die Mehrheit der WählerInnen keinesfalls gewollt hat, die aber den unschlagbaren Vorteil aufwiese, ohne die Linke regieren zu können. Wohin es zu gehen hätte, verdeutlichte der Wahl-Pyrrhussiegerin Kraft schon bei der Wahlsendung des WDR die zuständige öffentlich-rechtlich ausgewogene Moderatorin des Senders, dessen Intendantin Monika Piel als journalistisches Spitzenformat höchstpersönlich einstündige Hofinterviews mit Angela Merkel führt. Die Wahlstudio-Moderatorin stellte, anknüpfend an die Extremisten-Warnung des auszuscheidenden Ministerpräsidenten Rüttgers, an Frau Kraft die verhörfähige Frage, wie sie es denn mit den “Extremisten“ halte. Da blieb nur die wolkige Ausflucht über die verantwortungsvoll zu führenden verantwortungsvollen Gespräche.
Ypsilanti ante portas?
Notfalls - frau will ja nicht Ypsilanti heißen, und wir wollen auch
nicht den Koch an die Wand malen - muss halt eine Große Koalition her.
Man kennt das ja vom „Notstand“, den uns einst die Mutter aller Großen
Koalitionen einbrockte. Dann wäre doch alles wieder im Lot. (HDH)
Online-Flyer Nr. 249 vom 12.05.2010