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Arbeit und Soziales
Ohne Chancen – dafür sozial verfolgt
Jugend ohne Werdegang
Von Hans-Dieter Hey
Sklave oder Knast?
Ein Jugendlicher in einem kritischen Internetblock – vielleicht 20 Jahre alt - sagt, wie man sich in diesem Alter fühlt: „Das ist der moderne Sklavenhandel, freie Berufswahl wurde mit Hartz IV abgeschafft. Und diese Sanktionen auf null, dann bleibt zum Überleben nur noch eine kriminelle Laufbahn oder Sterben. Genau das will die FDP und die CDU SPD, Zustände wie in den USA, wo die Gefängnisse auch überfüllt sind und schon Jugendliche eine lebenslange Haftstrafe absitzen müssen. Entweder du wirst Sklave der Arbeitgeber oder Knast!!!!“
Ähnliche Äußerungen sind zahlreich im Internet und zeigen das Gesellschaftsbild, das Heran-Wachsende haben und das die sogenannten Er-Wachsenen ihnen bieten. Sie werden hin- und hergejagt zwischen befristeten Stellen und Praktikantenjobs, ohne Chance, für eine Familie, beruflichen Aufstieg oder gar ihre Rente vorzusorgen. Statistiker orakeln, dass die Geburtenzahl in diesem Jahr um 20.000 sinkt -- mit Trendgewissheit für die Zukunft. Für ausreichende Renten stehen danach immer weniger Erwerbstätige zur Verfügung.
Eigentlich hatten neoliberale Heilsapostel versprochen, dass der Markt schon alles wie von Geisterhand regele. Doch seit Helmut Kohl über Gerhard Schröder bis hin zu Angela Merkel ging die Entwicklung weg von der einstigen Sozialen Marktwirtschaft hin zum sogenannten Nachtwächterstaat, der sich fast ausschließlich um kurzfristige Renditen kümmerte – mit abnehmender Sozialverpflichtung. Ein Staat, der für eine stabile Zukunft unseres Landes immer weniger übrig hat. Nun ist die Soziale Marktwirtschaft Vergangenheit, und inzwischen wurde die Zukunft der Jugend diversen Bankenrettungen geopfert. Herr Ackermann bedankt sich.
Die Auszubildenden streiken für ihre Zukunft,
Quelle: Aktion Übernahme
Angesichts dieser über Jahre andauernden Entwicklung ist es der blanke Zynismus, wenn Arbeitsministerin von der Leyen in einem BILD-Interview vom 11. Januar äußert: „Man kann die jungen Menschen nicht einfach nach einer gescheiterten Maßnahme in der nächsten parken. Gerade sie brauchen eine Perspektive und nicht irgend einen Job. Die Mehrheit ist dafür auch hoch motiviert. Klar ist aber auch, dass wir bei denen, die nicht arbeiten wollen, genauer hinschauen werden und es nicht akzeptieren, wenn jemand ohne nachvollziehbaren Grund nicht oder nur wenige Stunden arbeitet.“
die Erwerbslosen streiken gegen Sanktionen,
Quelle: Ubuntianer/Youtube
Ernst Kistler und Falko Trischler haben sich dagegen mit der Realität beschäftigt und die biografischen Lücken von Jugendlichen zwischen 1984 und 2007 im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Sie kommen zu einem verheerenden Ergebnis: Die Lebensläufe werden immer brüchiger. Das wird für die Altersversorgung künftig enorme Probleme bereiten. So ist es offenbar auch nicht die zunehmende Alterung der Bevölkerung, wie immer wieder behauptet wird, (Anm.: die im übrigen wissenschaftlich nicht bewiesen ist), sondern es sind die lückenhaften Erwerbsbiographien der werktätigen Menschen. Doch gerade die Rentenversicherung verlangt Lebensläufe ohne Brüche.
Von der Schule in die Arbeitslosigkeit
Die Probleme beginnen inzwischen sehr früh. „Der Erwerbseinstieg hat sich seit den 1980er Jahren deutlich verändert“, sagen die Forscher. Da Arbeitslosigkeit bereits häufig schon nach der Schule eintritt, verschiebt sich schon der Berufsstart. Das Risiko nahm vor allem nach Helmut Kohls „blühenden Landschaften“ mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ab 1991 in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen deutlich zu. In den Jahren zwischen 2003 und 2007 waren schon ein fünftel der 20 – 30Jährigen mindestens zweieinhalb Jahre ohne Job gewesen. Und weil weder Berufserfahrung noch Rentenansprüche gesammelt werden konnten, verfestigt sich diese Situation dauerhaft. „Außerdem“ – so Kistler und Trischler – „ist bei den Unter-30-Jährigen“ der Anteil der Vollzeitbeschäftigten gesunken, und schon in dieser Lebensphase haben Frauen seltener eine Vollzeitstelle.“
die Studenten in Köln und anderswo streiken für das Kulturgut Bildung,
Quelle: Youtube
Noch stärker betroffen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund zwischen 15 und 25 Jahren. 12,5 Prozent von ihnen sind erwerbslos – doppelt soviel, als solche ohne Migrationshintergrund. Ein Drittel von ihnen erhält Hartz IV. Drei von 10 haben keinen ordentlichen Berufsabschluss. Qualifizierung hilft allerdings nicht immer: Auch hochqualifizierte Migranten finden seltener einen Job, so eine Studie des DGB. Das Migranten mit Studium schlechter dran sind, kann alle anderen Studierenden nicht beruhigen. Die werden durch den Bologna-Prozess zerrieben durch Mini-Studien nach kapitalistischer Verwertungsideologie – inzwischen weit weg von einem berechtigten Anspruch an das Kulturgut Bildung.
Während bereits am 8. September 2009 sich die Süddeutsche Zeitung auf einen Ländervergleich der OECD in Sachen Bildung beruft und titelt: „Deutschland spart Bildungssystem kaputt“, fordern der hessische Ministerpräsident Roland Koch und andere noch mehr Einsparungen. Die Folgen sehen wir als beklagenswerte Opfer im bildungsfernen Fernsehen wie beispielsweise Big-Brother, wo sich geistige Dünnbrettbohrer von Moderatoren und die Geistesreste der „Qualitätsoffensiven“ der Bundesagentur für Arbeit auf gleicher Höhe die Hände reichen. Oder in zunehmender Jugendkriminalität.
Zwanzig Jahre Arbeit für die Rente sind nicht genug
In der wichtigen Lebensarbeitsphase zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr dagegen hat sich wenig geändert. Mit einer Ausnahme, dass nämlich mehr Frauen Vollzeitstellen beanspruchen. Doch offenbar bleibt die Vollzeitbeschäftigung ein frommer Wunsch, weil die meisten von ihnen doch wieder in geringfügigen oder Teilzeit-Beschäftigungen landen. Die meisten Frauen in dieser wichtigen Beschäftigungsspanne bleiben immer noch dem Arbeitsmarkt fern.
Die Probleme spitzen sich erst in späteren Lebensabschnitten wieder zu. Die Mehrheit der Menschen geht nicht mehr aus der Erwerbstätigkeit in Rente, sondern aus der Arbeitslosigkeit – trotz der drohenden Zwangskürzungen der Altersversorgung. Niemand – warnen die Forscher – könne in diesem Land mehr auf stabile Erwerbsbiographien hoffen – vor allem nicht die Jugend im Osten des Landes.
Es ist ein Skandal deutscher Sozialpolitik (die aus den Erfahrungen der Weimarer Republik offenbar nichts gelernt hat), Jugendliche in solchen Existenzzwängen auch noch durch die Arbeitsagenturen zu sanktionieren, wenn sie beispielsweise keinen 1-Euro-Job annehmen. Die Kürzung des Arbeitslosengeldes II kann bis auf „0-Euro“ erfolgen. In Zeiten des bis 2004 gültigen Sozialhilfe-Gesetzbuches war die Kürzung unter das existenziell Notwendige noch gesetzlich ausgeschlossen. Deutschland ist inzwischen das Land mit den schärfsten Sanktionen gegen Erwerbslose in Europa – zu danken ist dies dem rot-grünen Sanktionsregime von Gerhard Schröder und Joseph Fischer ff.
und wann streikt endlich der DGB?
Foto: gesichter zei(ch/g)en
Eine Befragung des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, unter Arbeitsvermittlern hat ergeben, dass fast alle befragten Vermittler Sanktionen aus „pädagogischen Gründen“ für sinnvoll halten, auch wenn sie gar keine Pädagogen sind, sondern vorher bei der Telekom gearbeitet haben oder selbst arbeitslos waren. Ein wenig schmeckt dieses Ergebnis wie die mittelalterliche Folter, von der sich die heilige Inquisition die jeweils gewünschten Ergebnisse erhoffte. Die Kürzung es Arbeitslosengeldes auf „0“ ist keine pädagogische Maßnahme, sondern die Erpressung mittels staatlichen Gewaltmonopols, die persönlichen Zukunftsvisionen und Zielvorstellungen von Jugendlichen entsprechend dem gesellschaftlich gewünschten Verwertungszwang auf alle Ewigkeit zu brechen. Die zweifelhafte Praxis der Arbeitsagenturen führt bei Jugendlichen zu einer Sanktionsquote von 10 Prozent und ist damit dreimal so hoch wie bei den 25-64jährigen. Das hat mit Sozialpolitik nichts zu tun, sondern weist deutliche Tendenzen eine Unterdrückungsstaates aus, wenn nicht gar faschistoide Tendenzen.
Zeitgemäß und der politischen Situation angemessen denkende Arbeitsvermittler – die deutliche Minderheit – fragen sich allerdings inzwischen, ob es sinnvoll sei, „junge Menschen in den nächstbesten Job zu drängen, statt auf nachhaltige Integration und Qualifizierung zu setzen“. Schließlich sehen sie auch das Verschuldungsrisiko junger Menschen und den Anstieg der Kleinkriminalität. Und weil die Jugendkriminalität in Deutschland steigt, forderte „die Kanzlerin aller Deutschen“, Angela Merkel, rein vorsorglich in BILD-am-Sonntag im Jahr 2008 „Warnarreste“ und „Erziehungscamps“ - Sozialpolitik und Erziehung nach christlicher Art eben, wie wir inzwischen auch aus anderen Bezügen kennen.
Jetzt hätten wir die USA wieder als Vorbild. Gemessen an der Einwohnerzahl sitzen dort weltweit die meisten Menschen im Knast. In den letzten 30 Jahren ist ihre Zahl um 500 Prozent gestiegen, sagt Human Rights Watch. Darunter sind viele Jugendliche – inzwischen vom Kindesalter bis zur Todeszelle. In der Werbebroschüre eines Knastes in den USA heißt es: "Gefängnisse in Virginia sind offen für die Wirtschaft“, die Gefangenen seien "willige und erfahrene Arbeiter, die weder Betriebsrenten, noch Gesundheitsversicherungen oder Urlaub beanspruchen". Für viele dort der einzige Weg zur bezahlten Sklavenarbeit. (soz v. 3.2.2000). Und so, meint Cornelia Girndt von der Hans-Böckler-Stiftung „werde ein Gutteil der sozialen Problemlagen in Gefängnissen abgefangen.“ Und in Japan? Dort gibt es bereits Gefängnisse, die wie Altersheime eingerichtet sind. Die Insassen: Renter, die sich tägliches Essen zusammengeklaut hatten.
Spricht hier etwa Orwell – nein, die Realität. Mich wundert nur, dass es in Deutschland angesichts der Entwicklung noch so ruhig ist. Am 17. Mai hat der auf dem DGB-Bundeskongress mit 94,06 Prozent wiedergewählte DGB-Chef Michael Sommer aber schon mal die roten Trillerpfeifchen gewetzt. (HDH)
Online-Flyer Nr. 250 vom 19.05.2010
Ohne Chancen – dafür sozial verfolgt
Jugend ohne Werdegang
Von Hans-Dieter Hey
Sklave oder Knast?
Ein Jugendlicher in einem kritischen Internetblock – vielleicht 20 Jahre alt - sagt, wie man sich in diesem Alter fühlt: „Das ist der moderne Sklavenhandel, freie Berufswahl wurde mit Hartz IV abgeschafft. Und diese Sanktionen auf null, dann bleibt zum Überleben nur noch eine kriminelle Laufbahn oder Sterben. Genau das will die FDP und die CDU SPD, Zustände wie in den USA, wo die Gefängnisse auch überfüllt sind und schon Jugendliche eine lebenslange Haftstrafe absitzen müssen. Entweder du wirst Sklave der Arbeitgeber oder Knast!!!!“
Ähnliche Äußerungen sind zahlreich im Internet und zeigen das Gesellschaftsbild, das Heran-Wachsende haben und das die sogenannten Er-Wachsenen ihnen bieten. Sie werden hin- und hergejagt zwischen befristeten Stellen und Praktikantenjobs, ohne Chance, für eine Familie, beruflichen Aufstieg oder gar ihre Rente vorzusorgen. Statistiker orakeln, dass die Geburtenzahl in diesem Jahr um 20.000 sinkt -- mit Trendgewissheit für die Zukunft. Für ausreichende Renten stehen danach immer weniger Erwerbstätige zur Verfügung.
Eigentlich hatten neoliberale Heilsapostel versprochen, dass der Markt schon alles wie von Geisterhand regele. Doch seit Helmut Kohl über Gerhard Schröder bis hin zu Angela Merkel ging die Entwicklung weg von der einstigen Sozialen Marktwirtschaft hin zum sogenannten Nachtwächterstaat, der sich fast ausschließlich um kurzfristige Renditen kümmerte – mit abnehmender Sozialverpflichtung. Ein Staat, der für eine stabile Zukunft unseres Landes immer weniger übrig hat. Nun ist die Soziale Marktwirtschaft Vergangenheit, und inzwischen wurde die Zukunft der Jugend diversen Bankenrettungen geopfert. Herr Ackermann bedankt sich.
Die Auszubildenden streiken für ihre Zukunft,
Quelle: Aktion Übernahme
Angesichts dieser über Jahre andauernden Entwicklung ist es der blanke Zynismus, wenn Arbeitsministerin von der Leyen in einem BILD-Interview vom 11. Januar äußert: „Man kann die jungen Menschen nicht einfach nach einer gescheiterten Maßnahme in der nächsten parken. Gerade sie brauchen eine Perspektive und nicht irgend einen Job. Die Mehrheit ist dafür auch hoch motiviert. Klar ist aber auch, dass wir bei denen, die nicht arbeiten wollen, genauer hinschauen werden und es nicht akzeptieren, wenn jemand ohne nachvollziehbaren Grund nicht oder nur wenige Stunden arbeitet.“
die Erwerbslosen streiken gegen Sanktionen,
Quelle: Ubuntianer/Youtube
Ernst Kistler und Falko Trischler haben sich dagegen mit der Realität beschäftigt und die biografischen Lücken von Jugendlichen zwischen 1984 und 2007 im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Sie kommen zu einem verheerenden Ergebnis: Die Lebensläufe werden immer brüchiger. Das wird für die Altersversorgung künftig enorme Probleme bereiten. So ist es offenbar auch nicht die zunehmende Alterung der Bevölkerung, wie immer wieder behauptet wird, (Anm.: die im übrigen wissenschaftlich nicht bewiesen ist), sondern es sind die lückenhaften Erwerbsbiographien der werktätigen Menschen. Doch gerade die Rentenversicherung verlangt Lebensläufe ohne Brüche.
Von der Schule in die Arbeitslosigkeit
Die Probleme beginnen inzwischen sehr früh. „Der Erwerbseinstieg hat sich seit den 1980er Jahren deutlich verändert“, sagen die Forscher. Da Arbeitslosigkeit bereits häufig schon nach der Schule eintritt, verschiebt sich schon der Berufsstart. Das Risiko nahm vor allem nach Helmut Kohls „blühenden Landschaften“ mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ab 1991 in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen deutlich zu. In den Jahren zwischen 2003 und 2007 waren schon ein fünftel der 20 – 30Jährigen mindestens zweieinhalb Jahre ohne Job gewesen. Und weil weder Berufserfahrung noch Rentenansprüche gesammelt werden konnten, verfestigt sich diese Situation dauerhaft. „Außerdem“ – so Kistler und Trischler – „ist bei den Unter-30-Jährigen“ der Anteil der Vollzeitbeschäftigten gesunken, und schon in dieser Lebensphase haben Frauen seltener eine Vollzeitstelle.“
die Studenten in Köln und anderswo streiken für das Kulturgut Bildung,
Quelle: Youtube
Noch stärker betroffen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund zwischen 15 und 25 Jahren. 12,5 Prozent von ihnen sind erwerbslos – doppelt soviel, als solche ohne Migrationshintergrund. Ein Drittel von ihnen erhält Hartz IV. Drei von 10 haben keinen ordentlichen Berufsabschluss. Qualifizierung hilft allerdings nicht immer: Auch hochqualifizierte Migranten finden seltener einen Job, so eine Studie des DGB. Das Migranten mit Studium schlechter dran sind, kann alle anderen Studierenden nicht beruhigen. Die werden durch den Bologna-Prozess zerrieben durch Mini-Studien nach kapitalistischer Verwertungsideologie – inzwischen weit weg von einem berechtigten Anspruch an das Kulturgut Bildung.
Während bereits am 8. September 2009 sich die Süddeutsche Zeitung auf einen Ländervergleich der OECD in Sachen Bildung beruft und titelt: „Deutschland spart Bildungssystem kaputt“, fordern der hessische Ministerpräsident Roland Koch und andere noch mehr Einsparungen. Die Folgen sehen wir als beklagenswerte Opfer im bildungsfernen Fernsehen wie beispielsweise Big-Brother, wo sich geistige Dünnbrettbohrer von Moderatoren und die Geistesreste der „Qualitätsoffensiven“ der Bundesagentur für Arbeit auf gleicher Höhe die Hände reichen. Oder in zunehmender Jugendkriminalität.
Zwanzig Jahre Arbeit für die Rente sind nicht genug
In der wichtigen Lebensarbeitsphase zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr dagegen hat sich wenig geändert. Mit einer Ausnahme, dass nämlich mehr Frauen Vollzeitstellen beanspruchen. Doch offenbar bleibt die Vollzeitbeschäftigung ein frommer Wunsch, weil die meisten von ihnen doch wieder in geringfügigen oder Teilzeit-Beschäftigungen landen. Die meisten Frauen in dieser wichtigen Beschäftigungsspanne bleiben immer noch dem Arbeitsmarkt fern.
Die Probleme spitzen sich erst in späteren Lebensabschnitten wieder zu. Die Mehrheit der Menschen geht nicht mehr aus der Erwerbstätigkeit in Rente, sondern aus der Arbeitslosigkeit – trotz der drohenden Zwangskürzungen der Altersversorgung. Niemand – warnen die Forscher – könne in diesem Land mehr auf stabile Erwerbsbiographien hoffen – vor allem nicht die Jugend im Osten des Landes.
Es ist ein Skandal deutscher Sozialpolitik (die aus den Erfahrungen der Weimarer Republik offenbar nichts gelernt hat), Jugendliche in solchen Existenzzwängen auch noch durch die Arbeitsagenturen zu sanktionieren, wenn sie beispielsweise keinen 1-Euro-Job annehmen. Die Kürzung des Arbeitslosengeldes II kann bis auf „0-Euro“ erfolgen. In Zeiten des bis 2004 gültigen Sozialhilfe-Gesetzbuches war die Kürzung unter das existenziell Notwendige noch gesetzlich ausgeschlossen. Deutschland ist inzwischen das Land mit den schärfsten Sanktionen gegen Erwerbslose in Europa – zu danken ist dies dem rot-grünen Sanktionsregime von Gerhard Schröder und Joseph Fischer ff.
und wann streikt endlich der DGB?
Foto: gesichter zei(ch/g)en
Eine Befragung des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB, unter Arbeitsvermittlern hat ergeben, dass fast alle befragten Vermittler Sanktionen aus „pädagogischen Gründen“ für sinnvoll halten, auch wenn sie gar keine Pädagogen sind, sondern vorher bei der Telekom gearbeitet haben oder selbst arbeitslos waren. Ein wenig schmeckt dieses Ergebnis wie die mittelalterliche Folter, von der sich die heilige Inquisition die jeweils gewünschten Ergebnisse erhoffte. Die Kürzung es Arbeitslosengeldes auf „0“ ist keine pädagogische Maßnahme, sondern die Erpressung mittels staatlichen Gewaltmonopols, die persönlichen Zukunftsvisionen und Zielvorstellungen von Jugendlichen entsprechend dem gesellschaftlich gewünschten Verwertungszwang auf alle Ewigkeit zu brechen. Die zweifelhafte Praxis der Arbeitsagenturen führt bei Jugendlichen zu einer Sanktionsquote von 10 Prozent und ist damit dreimal so hoch wie bei den 25-64jährigen. Das hat mit Sozialpolitik nichts zu tun, sondern weist deutliche Tendenzen eine Unterdrückungsstaates aus, wenn nicht gar faschistoide Tendenzen.
Zeitgemäß und der politischen Situation angemessen denkende Arbeitsvermittler – die deutliche Minderheit – fragen sich allerdings inzwischen, ob es sinnvoll sei, „junge Menschen in den nächstbesten Job zu drängen, statt auf nachhaltige Integration und Qualifizierung zu setzen“. Schließlich sehen sie auch das Verschuldungsrisiko junger Menschen und den Anstieg der Kleinkriminalität. Und weil die Jugendkriminalität in Deutschland steigt, forderte „die Kanzlerin aller Deutschen“, Angela Merkel, rein vorsorglich in BILD-am-Sonntag im Jahr 2008 „Warnarreste“ und „Erziehungscamps“ - Sozialpolitik und Erziehung nach christlicher Art eben, wie wir inzwischen auch aus anderen Bezügen kennen.
Jetzt hätten wir die USA wieder als Vorbild. Gemessen an der Einwohnerzahl sitzen dort weltweit die meisten Menschen im Knast. In den letzten 30 Jahren ist ihre Zahl um 500 Prozent gestiegen, sagt Human Rights Watch. Darunter sind viele Jugendliche – inzwischen vom Kindesalter bis zur Todeszelle. In der Werbebroschüre eines Knastes in den USA heißt es: "Gefängnisse in Virginia sind offen für die Wirtschaft“, die Gefangenen seien "willige und erfahrene Arbeiter, die weder Betriebsrenten, noch Gesundheitsversicherungen oder Urlaub beanspruchen". Für viele dort der einzige Weg zur bezahlten Sklavenarbeit. (soz v. 3.2.2000). Und so, meint Cornelia Girndt von der Hans-Böckler-Stiftung „werde ein Gutteil der sozialen Problemlagen in Gefängnissen abgefangen.“ Und in Japan? Dort gibt es bereits Gefängnisse, die wie Altersheime eingerichtet sind. Die Insassen: Renter, die sich tägliches Essen zusammengeklaut hatten.
Spricht hier etwa Orwell – nein, die Realität. Mich wundert nur, dass es in Deutschland angesichts der Entwicklung noch so ruhig ist. Am 17. Mai hat der auf dem DGB-Bundeskongress mit 94,06 Prozent wiedergewählte DGB-Chef Michael Sommer aber schon mal die roten Trillerpfeifchen gewetzt. (HDH)
Online-Flyer Nr. 250 vom 19.05.2010