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Wenn Politikwissenschaftler Herfried Münkler Platz im SPIEGEL bekommt...
...darf Goliath an die neue Ostfront
Von Elise Hendrick
Herfried Münkler von der Humboldt-Universität Berlin hat im SPIEGEL 19/2010 – diesem sich ständig unterbietenden Glanzbeispiel der deutschen Quantitätspresse – endlich das geliefert, worauf ein ganz bestimmter Jahrgang der deutschen Generalität vergeblich wartete: Eine praktische Anleitung, wie man an der Ostfront siegen kann. Eine etwas weiter östliche Ostfront, aber Ostfront bleibt Ostfront, und es ist ja nie zu spät, Versäumtes nachzuholen.
Quelle: www.biblepicturegallery.com
„Der tückische David“ heißt der Text, und darin wird ausführlich skizziert, wie man als fremde Besatzungsmacht dem einheimischen Widerstand den Garaus machen kann. – Wenn das der Führer gewußt hätte!
Online-Flyer Nr. 250 vom 19.05.2010
Wenn Politikwissenschaftler Herfried Münkler Platz im SPIEGEL bekommt...
...darf Goliath an die neue Ostfront
Von Elise Hendrick
Herfried Münkler von der Humboldt-Universität Berlin hat im SPIEGEL 19/2010 – diesem sich ständig unterbietenden Glanzbeispiel der deutschen Quantitätspresse – endlich das geliefert, worauf ein ganz bestimmter Jahrgang der deutschen Generalität vergeblich wartete: Eine praktische Anleitung, wie man an der Ostfront siegen kann. Eine etwas weiter östliche Ostfront, aber Ostfront bleibt Ostfront, und es ist ja nie zu spät, Versäumtes nachzuholen.
Quelle: www.biblepicturegallery.com
Aggressor zu sein, konstatiert Münkler, der diesen häßlichen Ausdruck tunlichst meidet und lieber von „Goliath“ redet, ist kein beneidenswertes Los. Man steht als schwer bewaffneter Migrant von irgendwelchen fremden Leuten umgeben, deren Sprache man nicht versteht, und die einen am allerliebsten gleich wieder loswerden möchten (das gebührende Mitleid bringen diese tückischen Davids natürlich nie und nimmer auf). Schlimmer als der deutsche Soldat an der neuen Ostfront hat es kein abgeschobener Sinti.
„Eigentlich hatte Goliath schon verloren, bevor der Kampf begann, weil er eben Goliath war. Immerhin hätte er präventiv handeln können: Argwöhnisch geworden, weil der Knabe zunächst im Bach nach Steinen suchte, hätte er antizipieren können, dass ihn ein Kiesel aus seiner Schleuder treffen und kampfunfähig machen könnte. Er hätte also, um dem zuvorzukommen, seinen Speer auf den Jugendlichen schleudern und ihn töten können. Doch dann hätte es geheißen, der Krieger Goliath habe ein unschuldiges Kind beim Spielen am Bach getötet. Das hätte nicht bloß sein Hässlichkeits-Image verstärkt, sondern ihn auch Ehre und Ansehen gekostet. Womöglich hätten sich sogar seien Kriegskameraden von ihm abgewandt(!!). Nicht als strahlender Sieger, sondern mit dem Odium des Kriegsverbrechens belastet, wäre er nach Hause zurückgekehrt.“
Hierbei ist vorsichtshalber anzumerken, daß das nicht satirisch gemeint ist. Der Münkler meint es wirklich ernst. Daß der Goliath das mit dem rechtswidrigen Überfall vielleicht besser gelassen hätte, fällt ihm natürlich nicht ein. Und Kriegsverbrecher zu sein, ist für ihn nur ein Image-Problem – das sind die erhabenen Werte des Abendlandes, die wir diesen primitiven Afghanern jetzt mühsam beibringen!
Ja, selbst dann, wenn man den Widerstand besiegt, schreibt Münkler mit rührendem Selbstmitleid, hat man ein (aus der Geschichte wohl bekanntes) „Legitimationsproblem“. Für die Bevölkerung ist man ja immer noch die fremde Besatzungsmacht, die ihre Landsleute umgebracht, und die Überlebenden der Gewalt käuflicher Massenmörder unterworfen hat, und zwar selbst dann, wenn man sich „Wohlwollen erkaufen“ will, indem man seinen Verpflichtungen nach dem 4. Genfer Abkommen durch die Errichtung einiger Schulen und Polykliniken teilweise nachkommt. Der Undank dieser wilden Ostvölker kennt wahrlich keine Grenzen.
Dafür hat Münkler jetzt die Lösung:
„Materielle Hilfe für die afghanische Bevölkerung muss konditioniert sein, verknüpft mit eindeutigen Loyalitätsbeweisen (sprich: Beweisen der Kollaborationsbereitschaft). Im Idealfall konkurrieren dann in einem Distrikt die Dörfer, die sich dem Westen angeschlossen haben, mit denen, in denen die Gegner des Westens das Sagen haben."
Mit anderen Worten: Wir scheißen auf die Genfer Abkommen! Ärztliche und sonstige Grundversorgung kriegen nur die Käuflichen. Wer kollaboriert und denunziert, dem soll es einigermaßen gut gehn. Wer aber die Besatzung ablehnt, soll verrecken. „Es muss sichtbar werden, dass sich die Entscheidung für den Westen lohnt und die gegen ihn einen hohen Preis hat. Kopf und Seele kann man nur gewinnen, wenn der Leib etwas zu verlieren hat.“ Wenn man einen an den Eiern packt, folgen Kopf und Seele gleich danach, wie es der Stalin mal so schön auf den Punkt gebracht hat.
Münkler hat recht: Man muß aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Hätte sich damals die Kollaboration mehr gelohnt, wäre die letzte deutsche Goliathkampagne vielleicht anders ausgegangen.
Käuflichkeit muß sich wieder lohnen! Nur so kann Münklers demokratischer Verfassungsstaat verhindern, daß sich die Geschichte wiederholt.
Élise Hendrick lebt als freiberufliche Übersetzerin, Lektorin und Publizistin im US-Exil in Cincinnati/USA. In ihrem deutschsprachigen Politblog "Meldungen aus dem Exil" http://meldungen-aus-dem-exil.noblogs.org/
veröffentlicht sie satirische und analytische Texte zu aktuellen Themen. Ihre Gedichte sind in dem Lyrikblog Versivitalotta [http://versivitalotta.noblogs.org]. E-Mail: elise.hendrick@gmail.com Twitter: @translator_eli. (PK)
veröffentlicht sie satirische und analytische Texte zu aktuellen Themen. Ihre Gedichte sind in dem Lyrikblog Versivitalotta [http://versivitalotta.noblogs.org]. E-Mail: elise.hendrick@gmail.com Twitter: @translator_eli. (PK)
Online-Flyer Nr. 250 vom 19.05.2010