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Alte Witwen, Steuerbetrüger und Millionen
Wer stiften geht, spart Steuern und verewigt sich
Von Karl Schem
Lore Jackstädt ist seit kurzem Ehrenbürgerin der Stadt Wuppertal, die einst auch Adolf Hitler zum Ehrenbürger gemacht hatte. Offiziell verlautbart das Presseamt, sie sei die elfte Ehrenbürgerin. Nach dem Kriege, wird schamhaft hinzugefügt. Die alte Dame ist Witwe. Nur Witwe. Weil ihr Mann Werner Jackstädt jedoch zunächst 135, inzwischen 180 Millionen Euro in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht hat, ehrt man seine Frau. Er ist ja tot. Die Seniorin wird gefeiert für finanzielle Hilfen bei der Sanierung des Opernhauses, dem Neubau des Frauenhauses oder für Kunstprojekte. Aller Ehren wert so ein Engagement. Und ein exemplarischer Anlass für eine polemische Betrachtung über das ständig wachsende Stiftungswesen in Deutschland.
Ehrenbürgerin Lore Jackstädt
Dass Dr. Werner Jackstädt mit dem Verkauf seines Unternehmens auch zahlreiche Arbeitsplätze durch den neuen Eigentümer über die Wupper gehen ließ, dass er einst mit den Nazis sympathisiert haben soll – allenfalls hinter vorgehaltener Hand wird darüber gemunkelt. Und nur Insider flüstern sich zu, dass neben den großen Fördersummen auch Kulturereignisse aus den Stiftungserträgen finanziert werden, die eigentlich kommunale Aufgaben wären. Bedacht werden vor allem die Spezis der Gremiumsmitglieder, die unter der Moderation des glücklosen Kämmerers Dr. Johannes Slawig, CDU, über die Geldvergabe zu entscheiden haben. Die alte Dame tut, was man ihr sagt, wird spekuliert. Nur wagt das keiner öffentlich zu sagen.
Eigeninteressen gehen vor
Ob CDU oder Steuerflüchtlinge mit „Familienstiftungen“ in Liechtenstein: Sie bringen ihre Schäflein im Verborgenen ins Trockene. Zum Schaden für die Allgemeinheit, die brav Steuern bezahlt. Für viele Stifter in Deutschland aber hat die alte Volksweisheit noch immer Berechtigung: Tue Gutes und rede darüber.
Online-Flyer Nr. 256 vom 30.06.2010
Alte Witwen, Steuerbetrüger und Millionen
Wer stiften geht, spart Steuern und verewigt sich
Von Karl Schem
Lore Jackstädt ist seit kurzem Ehrenbürgerin der Stadt Wuppertal, die einst auch Adolf Hitler zum Ehrenbürger gemacht hatte. Offiziell verlautbart das Presseamt, sie sei die elfte Ehrenbürgerin. Nach dem Kriege, wird schamhaft hinzugefügt. Die alte Dame ist Witwe. Nur Witwe. Weil ihr Mann Werner Jackstädt jedoch zunächst 135, inzwischen 180 Millionen Euro in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht hat, ehrt man seine Frau. Er ist ja tot. Die Seniorin wird gefeiert für finanzielle Hilfen bei der Sanierung des Opernhauses, dem Neubau des Frauenhauses oder für Kunstprojekte. Aller Ehren wert so ein Engagement. Und ein exemplarischer Anlass für eine polemische Betrachtung über das ständig wachsende Stiftungswesen in Deutschland.
Ehrenbürgerin Lore Jackstädt
Foto: Medienzentrum der Stadt
Wuppertal
Wuppertal
Dass öffentliche Aufgaben laut Stiftungssatzung eigentlich nicht finanziert werden dürften, juckt in Wuppertal niemanden. Allenfalls die Zukurzgekommenen, deren Anträge abschlägig beschieden werden. Entschieden werde nicht nach nachvollziehbaren Kriterien, sondern nach Willfährigkeit, wird behauptet. Aber wo kein Kläger ist… Von der Monopollokalzeitung ist, wie gewohnt, auch dazu nichts Kritisches zu erwarten. Hofberichterstattung hat hier Tradition seit 1933, als der „General“ die einzige zugelassene Journaille war. Man ist gegenseitig voneinander abhängig. Was nicht in der WZ (für Nichtwuppertaler = Westdeutsche Zeitung) gestanden hat, dem einstigen „Generalanzeiger“, hat nicht stattgefunden. Im Gegenzug bekommt die Redaktion Informationen exklusiv, gefiltert und geschönt. Allerdings - Wuppertal gibt es überall, wenn auch nicht jede Stadt auf eine so gut ausgestattete Stiftung zurückgreifen kann.
Sie tun (angeblich) Gutes…
…und alle Welt glaubt es oder soll es glauben, zumal es in den Berichten jener Zeitungen vom Typ der Wuppertaler WZ unkritisch vorgegaukelt wird, die sich überschlagen hat in Elogen über die Witwe Jackstädt. Früher wurden Stiftungen meist testamentarisch nach dem Tod des Stifters gegründet. Das hat sich inzwischen geradezu dramatisch geändert: Fast jeden Tag wird irgendwo in Deutschland eine Stiftung zugelassen. Dabei wollen die Stifter ihr Engagement noch zu Lebzeiten selbst aktiv gestalten und sich möglichst verewigen, indem sie sich öffentlich feiern, zu Ehrenbürgern machen oder Orden umhängen lassen. Zwar kennen die Stiftungssatzungen keine Eigentümer; es gibt keine Aktionäre oder Gesellschafter. Doch die Ziele der Förderrichtlinien werden vom Finanzier in einer Satzung "für alle Ewigkeit" festgelegt. Und ganz nebenbei spart man auch Steuern, nämlich bis zu 307.000 Euro durch Freibetrag. Es lohnt sich auch, Vermögen an eine Stiftung zu vererben oder zu verschenken. Dann entfallen Erbschafts- und Vermögenssteuer.
Anders als die Gründer der bereits im Jahre 917 gegründeten Hospitalstiftung im bayerischen Wemding oder der Fugger-Stiftung von 1521 in Augsburg, die keine Steuervergünstigungen erhalten haben dürften, mischen sich die modernen „Mäzene“ aktiv ein, vor allem in den großen Industriestiftungen. Nur sind es da nicht die ursprünglichen Stifter, sondern die Manager von heute, die die Stiftungserträge im Sinne ihrer Firmenpolitik ausrichten. Anträge von außen, die mit dem Thema Auto oder Wirtschaft etc. nichts zu tun haben, werden heutzutage, anders als noch vor wenigen Jahren, fast immer abgelehnt. Exemplarisch ist die Krupp-Stiftung. Sie streut ihr Füllhorn eher für die "Kulturhauptstadt" Essen aus als für kulturelle Initiativen außerhalb des Ruhrgebiets. Während die öffentlichen Haushalte kaum noch finanzielle Spielräume haben, bringen Stiftungen beträchtliche Mittel auf, die - wie etwa bei Bertelsmann - im Idealfall für Innovationen und Zukunftsthemen zur Verfügung stehen. Dass dabei Bertelsmann werbewirksam in die Medien gespült wird, ist Kalkül.
Eigeninteressen gehen vor
Nichtprofessionelle Antragsteller werden oft wie lästige Bittsteller behandelt. Die Verwalter der Stiftungsvermögen nutzen ihre Macht nicht selten skrupellos aus. Wer sich nicht fügt oder zu Willen ist, geht leer aus.
Exemplarisch: die Kulturstiftung der Deutschen Bank. Ausgerichtet auf Eigeninteressen des Hauses. Niemand scheint sich daran zu stören, dass die Lebensgefährten der Bigbosse wie einst Frau Seebacher-Brandt auf den Chefsessel der Stiftung gehievt werden. Und diese Leute entscheiden meist nach dem Nutzen, der für den Stiftungsgeber herausspringt. Das ist im kapitalistischen System legitim, bitter für die armen Antragsteller.
Anders sollte es bei den öffentlich-rechtlichen Stiftungen des Bundes und der Länder sein. Doch weit gefehlt. Z. B. hat die Bundeskulturstiftung so hohe Hürden, dass kleine gemeinnützige Organisationen sie erst gar nicht überwinden können. Sie sollen offenbar von vornherein abgeschreckt werden, überhaupt Anträge zu stellen. Dabei sind es weitgehend unsere Steuergelder, mit denen die Stiftungen arbeiten. Nur Erstaufführungen oder Erstveranstaltungen werden bezuschusst. Verschärft durch die Bedingung einer Wiederholung an anderer Stelle. Welcher ehrenamtlich geführte Verein kann so etwas schon organisieren? Zudem werden ausnahmslos nur Projekte zugelassen, die bei 50.000 Euro beginnen. Vielen Stiftungen gemein ist ferner das für die kleinen Organisationen fast unüberwindliche Hindernis Eigenbeteiligung. Nur wo schon ein Haufen ist, da dukatet der Teufel noch mal hin.
Gemeinnützigkeit im „Adlon“?
Dennoch: Es ist gut, weil wichtig, dass es Stiftungen gibt. Rund 130.000 in Deutschland. Die meisten von ihnen sind vergleichsweise klein: Mehr als die Hälfte von ihnen besitzen ein Kapital unter 500.000 Euro. Jede vierte Stiftung schüttet per annum weniger als 10.000 Euro aus. Was sie mit diesen Erträgen machen, darf oft als vorbildlich angesehen werden. Andererseits ist oft undurchschaubar bis kriminell, was manche Stiftung mit Spendengeldern anstellt. Inzwischen scheint das sogar der Gesetzgeber in Berlin erkannt zu haben, obwohl eine effektive Kontrolle noch immer aussteht. Denn unter dem Deckmantel hehrer Absichten versorgen sich Geschäftsführer ungeniert selbst mit hohen Gehältern, prächtigen Geschäftsräumen und Nobelkarossen. Und es sind beileibe nicht nur Stiftungen für geschundene Tiere, arme Waisenkinder in Afrika, Opfer von Naturkatastrophen etc., die barmherzige Spender ausnehmen wie Weihnachtsgänse. Es gibt Stiftungen, deren Mitarbeiter selbst in Entwicklungsländern auf keinen Komfort verzichten müssen. Rücksichtslos nehmen sie sich Vorfahrt, und zwar im doppelten Wortsinn. Es ist beschämend angesichts von Not und Armut drum herum.
Diffiziler sind die Usancen mancher Großstiftungen. Sie schalten und walten nach eigenem Gusto. Selbstverständlich im Rahmen der (selbstgesetzten) Förderrichtlinien. So erhalten ehrenamtliche Mitglieder ihrer Gremien Entschädigungen bar oder in Form ansehnlicher Sachleistungen. Gern lassen die so Bedachten sich öffentlich ob ihres vorbildlichen Engagements loben. Mit diesem Weihrauch nebeln die jeweiligen Stiftungen sich und potentielle Kontrolleure ein. Zur Selbstbeweihräucherung gehören Jahresberichte auf edlem Papier in aufwändigen Buchformaten.
Die Beiträge prominenter Grußauguste, gedruckt oder als Festrede, werden großzügig honoriert. Die Einladungen auf Büttenpapier zu noblen Präsentationen in Gourmettempeln bis hin zum Adlon in Berlin gehen „ans bessere Volk“. Die geladenen Gäste werden fürs Zuhören mit teuren Menüs belohnt und können oft in edel aufgemachten Teilnehmerlisten lesen, welche Bedeutung sie und ihre Tischnachbarn haben; Texte, die sie selbst schreiben durften. Die reinste Onanie.
Kontrolle – oft eine Farce
Abgehalfterte Politiker aller Couleur halten bei diesen luxuriösen Veranstaltungen ebenso nichtssagende wie fürstlich bezahlte Festreden. Gelegentlich sogar im Restaurant des Bundestages. Ungeniert erwartet werden werbewirksame Berichte willfähriger, weil eingeladener, also ausgesuchter Journalisten. Der PR-Effekt fürs Unternehmen ist eingeplant. Es sind immer auch Kontaktbörsen für neue Geschäfte und die Ausgaben für die Atzung steuerlich absetzbar.
Die Manager der bedeutenden Stiftungen sind mit lukrativen Gehältern und reichlich Personal versehen. Das ist routiniert im Ablehnen von Finanzierungsbitten ehrenamtlicher Antragssteller: Scheinheilig mit guten Wünschen für das Gelingen. Die schlecht bezahlten Bürokraten in den aufsichtführenden Bezirksregierungen sind dagegen schlicht überfordert, ihre Kontrollfunktion zu erfüllen. Denn inzwischen ist eine ganze Branche damit beschäftigt, potentielle Stifter zu beraten, Fundraising zu betreiben - es gibt sogar einen eigenen Verband - oder die Gelder anzulegen und zu verwalten. Etwa durch den Stifterverband für die deutsche Wissenschaft.
Wer seine Stiftung dort ansiedelt, weil er nicht in der Lage ist, sein Geld selbst zu verwalten, Jahresberichte zu erstellen und die richtigen Projekte für Förderung auszusuchen, der ist nicht davor gefeit, dass die Profis, denen er sein Geld anvertraut, dieses in den Sand setzen. So verloren im Zuge der Wirtschaftskrise selbst vermeintlich gut geführte Stiftungen erhebliche Vermögenswerte. Die Stiftungsfunkitonäre bekommen dennoch ihr Honorar oder Gehalt. Sie sind die wahren Nutznießer der Stiftungserträge, während jene gemeinnützigen Organisationen, die bei ihrer Arbeit auf Förderhilfe angewiesen sind, leer ausgehen.
Über mehr als eine Milliarde Vermögen verfügen allein die fünf größten Stiftungen in Deutschland: Volkswagen Stiftung, Bosch- und Bertelsmann Stiftung, Bundeskulturstiftung und Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Dass die Industrie-Stiftungen mehr und mehr Veranstaltungen alimentieren, die sie selber initiieren und die mit ihren wirtschaftlichen Interessen eng verbunden sind, wird inzwischen immer ungenierter gepflegt. Peanuts im Vergleich jedoch zu den Stiftungen der Steuerverbrecher, die die Errungenschaften und Leistungen des eigenen Staates gern in Anspruch nehmen, aber mit ihren Vermögen Stiftungen in jenem Kleinstaat gründen, der nicht einmal halb so viele Einwohner (32.000) hat wie Stiftungen (76.000).
Mafiöse Verhältnisse
Investigative Journalisten - selten noch vorhanden - deckten auf, dass der ungekrönte Stiftungskönig von Liechtenstein, Dr. Herbert Batliner, illegale Parteispenden der CDU verschleiert hat. Von geradezu mafiösen Verhältnissen war die Rede. Deutsche Staatsanwälte ermittelten gegen den Erfinder der „Familienstiftungen“ wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Höhe von 250 Millionen Euro. Mit den Familienstiftungen konnten und können Millionäre ihr Vermögen dem Fiskus entziehen. Dass sich das lohnt, erhellt die Tatsache, dass die Gründung solcher Stiftungen im Gegensatz zu den gemeinnützigen Pendants in der Bundesrepublik richtig Geld kostet - bei dem frommen Katholiken Batlinger mindestens 30.000 Schweizer Franken. Noch lohnender ist der Liechtensteiner Deal für die „Stiftungsgeber“: Sie sparen Steuern, kassieren beträchtliche Zinsen und sorgen für ihr Erben.
Ob CDU oder Steuerflüchtlinge mit „Familienstiftungen“ in Liechtenstein: Sie bringen ihre Schäflein im Verborgenen ins Trockene. Zum Schaden für die Allgemeinheit, die brav Steuern bezahlt. Für viele Stifter in Deutschland aber hat die alte Volksweisheit noch immer Berechtigung: Tue Gutes und rede darüber.
Das kann man auch der hier drunter gestellten Einladung der Stiftung Mercator entnehmen. Von dem Geld, das diese Stiftung für ihr "Sommerfest" ausgibt, könnte mancher "e.V" seinen Jahresetat bestreiten. Sollten auch abgelehnte Antragsteller zu "Musik, Aktivitäten", Essen und Trinken eingeladen werden und dann auch noch hingehen, müssten die schon Masochisten sein. (PK)
Online-Flyer Nr. 256 vom 30.06.2010