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Aktueller Online-Flyer vom 24. November 2024  

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Globales
Holocaustüberlebender Stéphane Hessel engagiert sich für Palästina
„We must always take sides.“
Von Dr. Maryam Dagmar Schatz

Wenn von Buchenwald die Rede ist, fällt vielen lediglich der Friedensnobelpreisträger von 1986, Elie Wiesel ein, der – wie es bei Wikipedia heisst – „überzeugte Zionist“. Weil die Medien es so wollen, denkt niemand dabei an einen Mann, der genau wie Elie Wiesel in Buchenwald war: Stéphane Hessel. Das möchte ich ändern.


Stéphane Hessel 2007
Quelle: http://bit.ly/aHTPVn
Buchenwald, die UNO und die Menschenrechte

Vor einem Jahr begleitete der Friedensnobelpreisträger von 1986, Elie Wiesel, Präsident Obama nach Buchenwald und hielt dort eine Rede. Er wurde von einem weiteren Buchenwald-Häftling begleitet, Bertrand Hertz. Interessant ist, wen man dort nicht gesehen hat: Stéphane Hessel, einen weiteren Buchenwald-Überlebenden. Der am 20. Oktober 1917 in Berlin Tiergarten geborene Hessel war genau wie die beiden in Buchenwald. Genau wie Elie Wiesel wurde Hessel durch den Lagerwiderstand gerettet, doch ist – im Gegensatz zu Elie Wiesel – Hessels beeindruckende Biographie nur wenigen bekannt, auch nicht, daß er – im Gegensatz zu Wiesel – dort regelmäßig zu Gast ist, aber leider meistens nur als „Zeitzeuge“ wahrgenommen wird.
 
Was ihn von Wiesel unterscheidet: Hessel hat aus der KZ-Erfahrung – und das unterscheidet sein Werk von demjenigen Wiesels – nicht die Konsequenz gezogen, sich nur für das eigene Volk einzusetzen, sondern für die Universalität der Menschenrechte einzutreten. Hessel klagt nicht nur an, Hessel gibt Hoffnung. Nicht nur für ein Volk, sondern universell. Das machte ihn zum Schüler und Weggefährten des Verfassers der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Friedensnobelpreisträgers von 1968, René Cassin. Später war Hessel eine Zeitlang Botschafter Frankreichs bei den Vereinten Nationen.
 
Heute…
 
Hessel engagiert sich nicht nur für die Rechte der PalästinenserInnen, sondern auch für das Recht der „sans papiers“, der MigrantInnen ohne verbrieftes Bleibereicht.Hier seine Antworten auf „drei Fragen“, die der Sender ARTE ihm stellte. Wer sich einen persönlichen Eindruck verschaffen will, dem vermitteln die drei Antworten wie dieses, im Jahr 2009 auf Deutsch geführte Interview, ein Bild von diesem wunderbaren Menschen. Sie wurden im Dezember 2008 aufgenommen, also einen Monat, nachdem Obama zum Präsidenten der USA gewählt wurde, und mit ihm die Hoffnung, daß die USA „eine armselige Ära endlich hinter sich lassen“ –  anläßlich der Verleihung des UNESCO/Bilbao-Preises für Menschenrechte an Hessel. Daß die Organisation ATD-Vierte Welt zusammen mit ihm geehrt wurde, dürfte ihm sehr recht gewesen sein.


Stéphane Hessel beantwortet 3 Fragen
Quelle: Arte/screenshot
 
Erinnern und Hoffnung schöpfen

1. Frage: „Welches ist Ihre schönste Erinnerung im Kampf um die Einhaltung der Menschenrechte?“
Antwort: „Eine schöne Erinnerung ist meine Begegnung mit René Cassin, zuerst in London, dann in New York – wie er uns mit Unterstützung seiner Freunde von der UN-Menschenrechtskommission zur Ratifizierung der Menschenrechtserklärung führte, die heute 60 Jahre alt ist, und noch immer Stand hält. Es ist die Erinnerung an diesen 10. Dezember, die mich als jungen Mann geprägt hat. Ich war damals einunddreißig und noch voller Idealismus.“
 
2. Frage: „Welches ist Ihre schlimmste Erinnerung im Kampf um die Einhaltung der Menschenrechte?“
Antwort: „Eine sehr schlimme, traurige Erinnerung: ich habe letzten Monat eine Woche in Palästina verbracht, und gesehen, wie dieses Land von den Israelis gedemütigt, kolonisiert und besetzt wird. Dabei war die Gründung des Staates Israel 1948 für uns ein Triumph über die Nazis! Wenn ich heute mit ansehen muss, auf welch infame Weise die Israelis ihre Nachbarn behandeln und die Menschenrechte mit Füßen treten, stimmt mich das traurig. Ja, das ist eine sehr schlimme Erinnerung für mich.“
 
3. Frage: „Menschenrechte – wie sehen Sie die Zukunft?“
Antwort: „Ich hoffe, die Wahrung der Menschenrechte wird schon bald wieder das gemeinsame Ziel der Nationen der Welt, jetzt, wo die USA eine armselige Ära endlich hinter sich lassen. Die Zahl der Demokratien auf der Welt wächst und immer mehr junge Menschen engagieren sich für die Einhaltung der Menschenrechte. Wir müssen alles dafür tun, daß unsere Arbeit nicht umsonst war und Verletzungen der Menschenrechte bald der Vergangenheit angehören“. 


Stéphane Hessel bei der Eröffnung des Russeltribunals für Palästina
Quelle:screenshot
 
Goldstone-Report und Russel-Tribunal
 
Es versteht sich fast von selbst, daß Hessel sich auch für Gaza engagiert. Für die deutsche Übersetzung des Goldstone-Reports schrieb er das Vorwort:
 
„Da ich im Juni 2009 drei Tage in Gaza war, kann ich auch das persönliche Zeugnis von mir und meiner Frau, die mich begleitete, als volle Bestätigung dafür bringen, daß es sich um schwere Verletzungen seitens der israelischen Streitkräfte gehandelt hat, die man nicht anders bezeichnen kann als Kriegsverbrechen und in mehreren Fällen als ganz willkürlich vollstreckte Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
 
Und er fragt: „Wie lange kann dieser Staat – einst ein Objekt internationaler Bewunderung für seine Kreativität und Modernität – den auf ihm lastenden Ruf des Kriegsverbrechers aushalten? Wann schreitet an die Stelle der heutigen schändlichen Regierung ein weiser politischer und moralischer Führer, der es versteht, aus seinen palästinensischen Nachbarn Partner und Freunde zu machen und damit – nur damit! – seine eigene Sicherheit und Langlebigkeit zu begründen?“
 
Bei der Vorstellung der deutschen Fassung des Goldstone-Reports saß Hessel neben Herausgeber Abraham Melzer auf dem Podium und in diesem Interview mit dem Deutschlandradio stellte sich Hessel erneut ausdrücklich hinter den Report.
 
Stéphane Hessel engagiert sich auch im „Russel-Tribunal on Palestine“, das auf einer Pressekonferenz am 4. März 2009 in Brüssel ins Leben gerufen wurde und sich ausdrücklich auf das legendäre erste Tribunal gegen die Kriegsverbrechen in Vietnam beruft. Für die Kontinuität steht der jetzige Vorsitzende der Bertrand Russel Peace Foundation, Ken Coates.
 
Die Mitglieder des Tribunals haben auch sofort nach dem Überfall auf die Freiheitsflotille reagiert, diesen Überfall verurteilt und die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgefordert. Neben Stéphane Hessel haben den Appell u.a. unterschrieben: Nurit Peled, Ken Coates, Naomi Klein, Gisèle Halimi, Tariq Ali, Hans von Sponeck, Ken Loach.

Elie Wiesel: Manchmal müssen wir eingreifen
Quelle: palestine.ctsastl.org/screenshot
 
Elie Wiesel: „Immer müssen wir Partei ergreifen…“
 
Elie Wiesel sagte 1986 in seiner Nobelpreisrede folgendes:  „…die Welt wußte Bescheid und schwieg. Und deswegen schwor ich mir, niemals mehr zu schweigen, wenn Menschen Leid und Demütigung ertragen. Immer müssen wir Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Gepeinigten. Manchmal müssen wir uns einmischen. Wenn Menschenleben gefährdet sind, wenn Menschenwürde in Gefahr ist, werden nationale Grenzen und Empfindlichkeiten unwichtig.“
 
Drei mutige Frauen, die wunderbare Hedy Epstein, die Palästinenserin Sandra Mansour und die Erzieherin und Offiziersfrau J’Ann Allen,  luden – mit vorbereitender Unterstützung jüdischer Organisationen und Einzelpersonen – Wiesel anläßlich einer Veranstaltung in der Universität von St. Louis ein, mit ihnen nach Gaza zu kommen und seine Autorität in die Waagschale zu werfen. Die Bitte und seine Reaktion, bzw. Nicht-Reaktion kann hier besichtigt werden, der Bericht von Sandra Mansour kann hier nachgelesen werden. Bis heute hat Wiesel darauf nicht reagiert. Was hatte er in seiner Nobelpreisrede gesagt? „Immer müssen wir Partei ergreifen“?
 
Aber wenden wir uns lieber wieder Stéphane Hessel zu und dem, was er uns vorschlägt: die Unterstützung der Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“, die einen bemerkenswerten, durch den Angriff auf die Flottille noch verstärkten internationalen Erfolg hat, wenn man sich die Liste der Organisationen und Firmen anschaut. Wie das jüdische Internetportal haGalil schreibt, hat mittlerweile sogar die Deutsche Bank ihre Investitionen beim israelischen Rüstungskonzern Elbit zurückgezogen – womit sie nicht alleine stünde. Der Wert der Aktie scheint zu fallen. Offizielle Ankündigungen von Sanktionen auf die Boykottbewegung kann man hier nachlesen.
 
Hessel in der Huffington-Post:
 
„Die Bürger der Welt müssen antworten, wo die Regierungen versagt haben. Israels illegaler und unmoralischer Angriff auf den humanitären Hilfskonvoi, die Freiheitsflottille, bei dem mindestens neun Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden, hat zu Recht die Welt erschüttert. Der Zivil-Konvoi von 6 Schiffen beförderte 10.000 Tonnen an dringend benötigter humanitärer Hilfe und beinahe 700 Bürger aus 40 Ländern. Die Flottille war ein ehrgeiziger Versuch, die Blockade, die durch Israel über die 1,5 Millionen Palästinenser im besetzten Gaza-Streifen 2007 verhängt wurde, zu brechen. Am Bord mit angesehenen Parlamentariern ,religiösen Führern, Autoren, Journalisten, einem Friedensnobelpreisträger und einer Holocaust-Überlebenden hatte sich der Konvoi nicht nur vorgenommen, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen, sondern er wollte auch die über Gaza verhängte humanitäre Krise ins internationalen Rampenlicht zu rücken und sie beenden. Es ist nicht zu leugnen, dass das letztgenannte Ziel gelungen ist, wenn auch mit tragischen Folgen. (Quelle)
 
Der israelische Angriff auf den unbewaffneten Hilfskonvoi in internationalen Gewässern ist "eine klare Verletzung des humanitären Völkerrechts, des Seerrechts, und –  nach den meisten Auslegungen –  eine Verletzung des internationalen Strafrechts", um die Worte von Richard Falk zu gebrauchen, dem Professor für internationales Recht und UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, in den besetzten palästinensischen Gebieten. Es ist eine traurige Realität, dass sich die Regierungen der Welt viel zu lange an den Verbrechen Israels mitschuldig gemacht haben, oder sich gegenüber ihnen apathisch verhalten und ihre Kultur der Straflosigkeit unter dem Schutzschild der unzweifelhaften Rückenstärkung durch die USA begünstigen. Ihrer ersten Verurteilung ungeachtet hat die US-Regierung erneut auf die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats Druck ausgeübt, eine mehrdeutige Sprache zu verwenden, die Israel von der Verantwortung entlastet und eine Gleichheit zwischen dem Aggressor und dem Opfer schafft.
 
Typischerweise beschuldigte auch in diesem Fall die israelische Regierung die Opfer ihres Überfalls eines Angriffs auf die israelischen Soldaten und beteuerte das Recht der Soldaten auf „Selbstverteidigung". Der prominente Jurist und Direktor des Sydney Centre for International Law der Sydney Law School, Professor Ben Saul, widerlegt voll und ganz Israels Anspruch, und sagt: "Rechtlich gesehen werden Regierungs-Streitkräfte, die sich auf ein Schiff abseilen, um es illegal gefangen zu nehmen, nicht anders als andere Verbrecher behandelt. Das Recht auf Selbstverteidigung steht in solchen Situationen auf der Seite der Passagiere an Bord: eine Person ist rechtlich befugt, sich gegen ihre eigene rechtswidrige Gefangennahme, Entführung und Inhaftierung zu wehren." Er fügt hinzu, dass „wenn israelische Streitkräfte Menschen töteten, verletzten sie nicht nur das Menschenrecht auf Leben, sondern sie begehen dadurch auch ein schweres internationales Verbrechen. Gemäß Artikel 3 des Übereinkommens von Rom für die Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeverkehr-Navigation von 1988, hat jede Person die gewaltsame Beschlagnahme oder die Übernahme der Kontrolle über ein Schiff als internationales Verbrechen zu betrachten, und überdies ist es ein Verbrechen, bei einer solchen Aktion Personen zu verletzen oder zu töten."
 
Trotz der Erklärung des UN-Generalsekretärs Ban-Ki-Moon, die die Aufhebung der illegalen Gaza-Blockade Israels fordert, hat der Sicherheitsrat nicht zu einem bedingungslosen Ende der Blockade aufgerufen und erlaubte somit Israel, ungestraft schwere Kriegsverbrechen zu begehen, welche auch im UN-Goldstone-Bericht dokumentiert sind.
 
Das Fehlen von sinnvollen Maßnahmen seitens der Regierungen der Welt, Israel mittels internationalen Rechts zur Rechenschaft zu ziehen, öffnet einen Weg für die Bürger mit Gewissen: diese Verantwortung auf sich zu nehmen, wie das gegen die Apartheid in Südafrika geschah. Die gewaltlosen Bürgerinitiativen, verkörpert durch die Flottille und durch verschiedene Boykott- und Investitionsstopp-Kampagnen auf der ganzen Welt, repräsentieren den vielversprechendsten Weg, um das Scheitern der Regierungen der Welt zu überwinden und sich gegen die Kompromisslosigkeit und das gesetzlose Verhalten Israels durchzusetzen.
 
Mit dem schamlosen Angriff auf das Schiff mit humanitären Hilfsgütern hat Israel unfreiwillig eine beispiellose Sensibilisierung und Verurteilung, nicht nur seiner verheerenden Belagerung des Gaza Streifens, sondern auch den weiteren Kontext der israelischen Besatzungspraktiken in den palästinensischen Gebieten bewirkt, genauso wie mit seiner Leugnung der palästinensischen Flüchtlingsrechte und seiner Apartheid-Politik gegen die indigenen, "nichtjüdischen" Bürger Israels.
 
Die Freiheits-Flottille erinnert an die zivilgesellschaftlichen Initiativen der Solidarität, die den Segregationsgesetzen in den USA und der Apartheid in Südafrika ein Ende setzten –  eine Analogie, die nicht zu übersehen ist. Wie das Apartheid-Regime Südafrikas, hat Israel diesen gewaltlosen Akt als "vorsätzliche Provokation" abgestempelt. Wie im Falle von Südafrika, stammte die Forderung nach internationaler Solidarität, in Form von Boykott, Investitionsstopp und Sanktionen (Boycott - Divestment - Sanctions BDS), aus einer überwältigenden Mehrheit der palästinensischen Zivilgesellschaften und Organisationen und ist 2005 von den Bürgern mit Gewissen und von sozialen Bewegungen weltweit begeistert angenommen worden. Die BDS-Initiative ruft zu einer wirksamen Isolierung Israels auf, zur Isolierung seiner Geschäfts-Komplizen, akademischen und kulturellen Institutionen, sowie der Unternehmen, welche von seinen Menschenrechtsverletzungen und illegalen Politik profitieren, solange diese Politik fortgesetzt wird.
 
Ich bin überzeugt, dass die BDS-Initiative eine moralische Strategie ist, die ihr Erfolgspotential bereits unter Beweis gestellt hat. In jüngster Zeit hat sich die Deutsche Bank als bisher letzte von einer Reihe europäischer Finanzinstitute und großer Pensionsfonds aus dem israelischen Rüstungsunternehmen Elbit Systems zurückgezogen. Letzte Woche verkündeten zwei große italienische Supermarktketten einen Boykott der Produkte aus illegalen israelischen Siedlungen. Im vergangenen Monat sagten zwei Künstler – Elvis Costello und Gil Scott-Heron –i ihren Auftritt in Israel ab. An den bekannten südafrikanischen Anti-Apartheid-Kampf erinnernd, fordern gegenwärtig Studenten an den Universitäten aktiv ihre Verwaltungen auf, Investitionsstopp-Strategien zu verabschieden.
 
Ich schließe mich den aufrichtigen Worten des schottischen Schriftstellers Iain Banks an, der als Reaktion auf den grausamen Angriff Israels auf die Freiheits-Flottille vorschlug, der beste Weg für internationale Künstler, Schriftsteller und Akademiker "Israel von seiner moralischen Verkommenheit und ethischen Isolation zu überzeugen" sei „einfach nichts mehr mit dieser kriminellen Regierung zu tun haben." – Soweit Stéphane Hessel.


Aus meiner Küche
Quelle: Autorin
 
Ich persönlich finde Konsumboykotte schwierig und kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, daß das manchmal eher der Selbstvergewisserung dient: „Ich habe die Jaffa-Orangen nicht gekauft – hey, ich hab‘s den Israelis aber gegeben…“. Ausserdem habe ich dann immer das Schicksal des Boykottsiegels „Made in Germany“ im Hinterkopf und hätte mir eher gewünscht, daß MuslimInnen und JüdInnen sich auch hier zusammentun – gibt es doch auch hier gemeinsame Interessen: wo z.B. den Muslimen das Schächten verboten ist, ist es auch den Juden verboten; auch manche Jüdinnen gehen gerne zu von Musliminnen eingerichteten Frauenschwimmen (Lesenwert hier die Kommentare von „Schmetterlingsfrau“, die es nicht erträgt, daß eine Jüdin friedlich mit Musliminnen schwimmt). Das Schweizer Schandplebiszit gegen Minarette – zu dem der Europarat erfreulich klare Worte gefunden hat – hat einen antisemitischen Zwilling: das Schächtverbot. Wie aus dem sehr lesenswerten Artikel – auch – hervorgeht, hätte man dieses Verbot, angetriggert von einem schweizerischen „Antisemitenverein“,  schon längst aufheben können.
 
Und ich fände es erfreulicher, über Initiativen wie das von Daniel Barenboim geleitete East-Western-Divan-Orchestra oder den Arabisch-Jüdischen Waldorf-Kindergarten Ein Bustan zu berichten. Nur sieht es leider nicht so aus, daß Israel zurzeit zu der von Barenboim erhofften „salomonischen Weisheit“ findet. Und ich befürchte auch eine noch schlimmere Wagenburg-Mentalität der gegenwärtigen israelischen Regierung als bisher, deswegen bin  ich selber bis jetzt wirklich unschlüssig.
 
„We must always take sides…“ – gegen die Unversöhnlichen auf beiden Seiten, die KriegstreiberInnen und die falschen FreundInnen an der Seite Israels, und uns an die Seite derjenigen begeben, die wollen, daß Israel „es versteht, aus seinen palästinensischen Nachbarn Partner und Freunde zu machen und damit – nur damit! – seine eigene Sicherheit und Langlebigkeit zu begründen.“ An der Seite von Felicia Langer, der jüdischen UnterstützerInnen des Kindergartens „Ein Bustan“ und ähnlicher Inititativen , an der Seite von Hajo Meyer, Evelyn Hecht-Galinski, Edith Lutz, Naomi Klein, Gisèle Halimi, Daniel Barenboim, Hedy Epstein und Stéphane Hessel. Und das heisst dann auch: „Sometimes we must interfere“ – manchmal müssen wir eingreifen. (PK)
 
 
Aus disziplinarrechtlichen Gründen muss ich darauf hinweisen, dass ich hier ausschließlich meine Privatmeinung vertrete. 
Für die Übersetzung des Artikels aus der Huffington Post bedanke ich mich bei Csilla Kász.

Dr. med. Dagmar Schatz ist gebürtige Kölnerin, seit 21 Jahren Muslimin - islamischer Name "Maryam" - und seit 20 Jahren Sanitätsoffizier bei der Bundeswehr, jetzt mit Dienstgrad Oberfeldarzt. Im Internet hat sie unter ihrem nom de plume "bigberta", einige Bekanntheit erlangt, schreibt aber jetzt nur noch unter ihrem "Klarnamen".
 
Zu dem Artikel passend finden Sie in dieser NRhZ den Film „Die eiserne Mauer“ von Mohammed Alatar.


Online-Flyer Nr. 256  vom 30.06.2010



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