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Immer auf dem neuesten Stand digitaler Entwicklung
Der unabdingbare ultimative Techno-Koffer
Von Wolfgang Bittner
Zwar sind die Möglichkeiten, überall auf der Welt miteinander zu kommunizieren, sich zu vernetzen, topspeed zu surfen, zu chatten oder downzuloaden in letzter Zeit unendlich verbessert worden; kein Vergleich mit den vorsintflutlichen Apparaturen und Connections per Draht oder Briefpost noch vor wenigen Jahren. Doch vieles ist zugleich komplizierter, nervlich belastender und mühsamer geworden.
Heinrich Böll sagte vor wenigen Jahrzehnten, er brauche für seine schriftstellerische Arbeit lediglich Bleistift und Papier, die er im kleinsten Tante-Emma-Laden auf der ganzen Welt kaufen könne. Heute sehen wir nicht selten Menschen, die schwitzend ihre Kommunikations-Accessoires in speziellen Rollenkoffern hinter sich herziehen, wohin auch immer, um jederzeit kompatibel zu sein. Mein Freund Walter hat sich kürzlich ebenfalls so einen Spezialkoffer zugelegt, den er nun ständig mit sich führt. Als er mich wieder einmal besuchte, hatte ich Gelegenheit mich kundig zu machen, denn natürlich möchte ich nicht als weltfremder Technomuffel dastehen und den Segnungen der Kommunikationswirtschaft völlig entsagen.
Als erstes entnahm Walter seinem Koffer ein WAP-fähiges Mobiltelefon, ein sogenanntes Handy, wie es hierzulande heißt, von der Größe eines Schuhkartons mit integrierter Freisprechfunktion, Rufumleitung, Nummernanzeiger, Anrufbeantworter, Touchscreen, Online-by-call-Zugang, Terminator usw. Dann folgte ein Notebook mit DVD-Brenner, Netzwerkkarte, Infrarotschnittstelle, Bluetoth-Sprachsteuerung, Wireless-LAN, dazugehörigem Videobeamer, Flachbettscanner und Laserdrucker.
"Alles selbstverständlich auf dem neuesten Stand digitaler Technologie", erklärte Walter, während er noch den externen Ethernet-Adapter für den USB-Anschluss hervorzog und nach Steckdosen Ausschau hielt, um unverzüglich online zu gehen. Ich war froh, ihm einen T-IDSN-Anschluss kombiniert mit T-DSL anbieten zu können, denn mein Freund erwartete einige außerordentlich wichtige Mails, die es - wie er sagte - sofort zu beantworten galt.
Da Walter ambitionierter Raucher ist, förderte er noch ein exquisites Teakholzkistchen mit den neuerdings so beliebten besonders langen extra-super-light Zigarillos zutage, sowie einen Gegenstand, der mich an das Dampfbügeleisen meiner Mutter erinnerte, sich jedoch als Taschenfeuerzeug aus echtem Carraramarmor mit Golddoubléeinlagen herausstellte. Mein Freund wog das Gerät mit der Miene des Connaisseurs in der Hand. "Drei Kilogramm", meinte er achselzuckend, "aber es macht was her und versagt nie; ein Sonderangebot meines Computerspezialisten - ich konnte nicht nein sagen." Die Betätigung des Anzünders setzte zugleich eine Spieluhr mit etwas antiquiert anmutender Melodie in Gang, ich glaube es war "Üb immer Treu und Redlichkeit, bis an dein kühles Grab..."
Wie ich sah, befand sich in dem Techno-Koffer neben einem Aufladegenerator und einem Batteriefach ein weiteres geräumiges Fach; es enthalte - so erklärte Walter - seine nach Wertigkeit sortierten jederzeit griffbereiten Kredit- und Chipkarten für Bank, Sparkasse, Arbeitgeber, Computerausstatter, Wartungs- und Reparaturservice, Krankenkasse, Bahn, Post, Tankstelle, Parkhaus, Autosalon, Supermärkte, Partei, Gewerkschaft, Fitnesscenter, Sauna, Friseur, Videoverleih, Bücherei, Arzt, Apotheke usw.
Walter wies mich noch auf seinen Camcorder und eine Digitalkamera hin. "Für alle Fälle", sagte er. "Heutzutage muss man auf alles gefasst und immer gerüstet sein." Er ist zwar weder Journalist noch Fotoreporter, sondern in immerhin leitender Position im städtischen Einwohnermeldeamt tätig, hielt sich aber seit jeher auf dem neuesten Stand unserer technischen Entwicklung.
Leider hatte ich vergessen, dass Walter Kaffeetrinker ist, und in herkömmlicher Weise eine Kanne Darjeelingtee aufgebrüht. Doch das war für meinen Freund überhaupt kein Problem; er hatte seine handliche Kaffeemaschine mit integriertem Zweilitertank bei sich. Als er mein verdutztes Gesicht bemerkte, sagte er lachend: "Für den kleinen Durst unterwegs. Und für solche kleinen Notfälle wie diesen." Im Handumdrehen sprudelte das Wasser, schon war der Kaffee fertig.
Bedauerlich, dass wir unsere angeregte Unterhaltung nicht fortsetzen konnten, weil mein Freund mehrere dringende Faxe und Mails zu beantworten hatte, die in der Zwischenzeit eingingen, darunter die zu überarbeitende Einkaufsliste von seiner Frau. Bevor er mich verließ, gab er mir allerdings noch die Adresse seines Techno-Ausstatters, den er mir wärmstens ans Herz legte. "Wenn du nicht unwiderruflich ins Hintertreffen geraten willst", sagte er beim Abschied, "ist diese Mindestausstattung, die es selbstverständlich ständig zu aktualisieren gilt, ein unabdingbares Muss." Und er fügte, indem er mir auf die Schulter klopfte, wohlwollend hinzu: "Du bist doch ein moderner Mensch."
Online-Flyer Nr. 43 vom 09.05.2006
Immer auf dem neuesten Stand digitaler Entwicklung
Der unabdingbare ultimative Techno-Koffer
Von Wolfgang Bittner
Zwar sind die Möglichkeiten, überall auf der Welt miteinander zu kommunizieren, sich zu vernetzen, topspeed zu surfen, zu chatten oder downzuloaden in letzter Zeit unendlich verbessert worden; kein Vergleich mit den vorsintflutlichen Apparaturen und Connections per Draht oder Briefpost noch vor wenigen Jahren. Doch vieles ist zugleich komplizierter, nervlich belastender und mühsamer geworden.
Heinrich Böll sagte vor wenigen Jahrzehnten, er brauche für seine schriftstellerische Arbeit lediglich Bleistift und Papier, die er im kleinsten Tante-Emma-Laden auf der ganzen Welt kaufen könne. Heute sehen wir nicht selten Menschen, die schwitzend ihre Kommunikations-Accessoires in speziellen Rollenkoffern hinter sich herziehen, wohin auch immer, um jederzeit kompatibel zu sein. Mein Freund Walter hat sich kürzlich ebenfalls so einen Spezialkoffer zugelegt, den er nun ständig mit sich führt. Als er mich wieder einmal besuchte, hatte ich Gelegenheit mich kundig zu machen, denn natürlich möchte ich nicht als weltfremder Technomuffel dastehen und den Segnungen der Kommunikationswirtschaft völlig entsagen.
Als erstes entnahm Walter seinem Koffer ein WAP-fähiges Mobiltelefon, ein sogenanntes Handy, wie es hierzulande heißt, von der Größe eines Schuhkartons mit integrierter Freisprechfunktion, Rufumleitung, Nummernanzeiger, Anrufbeantworter, Touchscreen, Online-by-call-Zugang, Terminator usw. Dann folgte ein Notebook mit DVD-Brenner, Netzwerkkarte, Infrarotschnittstelle, Bluetoth-Sprachsteuerung, Wireless-LAN, dazugehörigem Videobeamer, Flachbettscanner und Laserdrucker.
"Alles selbstverständlich auf dem neuesten Stand digitaler Technologie", erklärte Walter, während er noch den externen Ethernet-Adapter für den USB-Anschluss hervorzog und nach Steckdosen Ausschau hielt, um unverzüglich online zu gehen. Ich war froh, ihm einen T-IDSN-Anschluss kombiniert mit T-DSL anbieten zu können, denn mein Freund erwartete einige außerordentlich wichtige Mails, die es - wie er sagte - sofort zu beantworten galt.
Da Walter ambitionierter Raucher ist, förderte er noch ein exquisites Teakholzkistchen mit den neuerdings so beliebten besonders langen extra-super-light Zigarillos zutage, sowie einen Gegenstand, der mich an das Dampfbügeleisen meiner Mutter erinnerte, sich jedoch als Taschenfeuerzeug aus echtem Carraramarmor mit Golddoubléeinlagen herausstellte. Mein Freund wog das Gerät mit der Miene des Connaisseurs in der Hand. "Drei Kilogramm", meinte er achselzuckend, "aber es macht was her und versagt nie; ein Sonderangebot meines Computerspezialisten - ich konnte nicht nein sagen." Die Betätigung des Anzünders setzte zugleich eine Spieluhr mit etwas antiquiert anmutender Melodie in Gang, ich glaube es war "Üb immer Treu und Redlichkeit, bis an dein kühles Grab..."
Wie ich sah, befand sich in dem Techno-Koffer neben einem Aufladegenerator und einem Batteriefach ein weiteres geräumiges Fach; es enthalte - so erklärte Walter - seine nach Wertigkeit sortierten jederzeit griffbereiten Kredit- und Chipkarten für Bank, Sparkasse, Arbeitgeber, Computerausstatter, Wartungs- und Reparaturservice, Krankenkasse, Bahn, Post, Tankstelle, Parkhaus, Autosalon, Supermärkte, Partei, Gewerkschaft, Fitnesscenter, Sauna, Friseur, Videoverleih, Bücherei, Arzt, Apotheke usw.
Walter wies mich noch auf seinen Camcorder und eine Digitalkamera hin. "Für alle Fälle", sagte er. "Heutzutage muss man auf alles gefasst und immer gerüstet sein." Er ist zwar weder Journalist noch Fotoreporter, sondern in immerhin leitender Position im städtischen Einwohnermeldeamt tätig, hielt sich aber seit jeher auf dem neuesten Stand unserer technischen Entwicklung.
Leider hatte ich vergessen, dass Walter Kaffeetrinker ist, und in herkömmlicher Weise eine Kanne Darjeelingtee aufgebrüht. Doch das war für meinen Freund überhaupt kein Problem; er hatte seine handliche Kaffeemaschine mit integriertem Zweilitertank bei sich. Als er mein verdutztes Gesicht bemerkte, sagte er lachend: "Für den kleinen Durst unterwegs. Und für solche kleinen Notfälle wie diesen." Im Handumdrehen sprudelte das Wasser, schon war der Kaffee fertig.
Bedauerlich, dass wir unsere angeregte Unterhaltung nicht fortsetzen konnten, weil mein Freund mehrere dringende Faxe und Mails zu beantworten hatte, die in der Zwischenzeit eingingen, darunter die zu überarbeitende Einkaufsliste von seiner Frau. Bevor er mich verließ, gab er mir allerdings noch die Adresse seines Techno-Ausstatters, den er mir wärmstens ans Herz legte. "Wenn du nicht unwiderruflich ins Hintertreffen geraten willst", sagte er beim Abschied, "ist diese Mindestausstattung, die es selbstverständlich ständig zu aktualisieren gilt, ein unabdingbares Muss." Und er fügte, indem er mir auf die Schulter klopfte, wohlwollend hinzu: "Du bist doch ein moderner Mensch."
Online-Flyer Nr. 43 vom 09.05.2006