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Inland
Israel weigert sich weiter, die Tochter von Firas Maraghy anzuerkennen
16. Tag des Hungerstreiks vor der Botschaft
Von Peter Kleinert
Seit nunmehr 16 Tagen befindet sich der Palästinenser Firas Maraghy im Hungerstreik vor der Israelischen Botschaft in Berlin.(1) Dort protestiert er gegen die Weigerung ebendieser Botschaft, seine im Dezember 2009 geborene Tochter zu registrieren und ihr ein Reisedokument auszustellen. Zugleich geht es um die Sicherung seiner eigenen Rechte als Einwohner Ostjerusalems, das nach dem Krieg von 1967, in dem Israel die Westbank und den Gazastreifen besetzte, annektiert wurde. Diese Annexion hat die internationale Gemeinschaft zwar bis zum heute nicht anerkannt, Israel entscheidet aber seither über das Schicksal der palästinensischen Bewohner der Stadt. Firas Maraghy ist dadurch staatenlos und besitzt lediglich ein israelisches Reisedokument, ein so genanntes „Laissez Passer“.
Firas Maraghy mit seiner Tochter während des Hungerstreiks in der Auguste-Viktoria-Straße
Foto: privat
Maraghy, ein großer schlanker Mann Ende dreißig, sitzt seit dem 26. Juli vor der Botschaft im Berliner Bezirk Wilmersdorf. Hier findet man ihn bei Wind und Wetter – mal im T-Shirt, mal in Regenhose und Regenjacke. Ein Zelt zu errichten und eine Toilette anzumieten wurde ihm vom zuständigen Bezirksamt untersagt. Sogar seinen Platz schräg gegenüber der Botschaft musste er am 30.Juli aufgrund einer Beschwerde der Botschaft räumen. Seither sitzt er einen Baum weiter vor einem Spielplatz – und nicht mehr so gut sichtbar für vorbeifahrende Autos und das Botschaftspersonal.
Sogar die in Deutschland geschlossene Ehe nicht eingetragen
Als Maraghy im April 2010 in der israelischen Botschaft seine Tochter eintragen lassen wollte, teilte man ihm mit, er müsse mit ihr nach Israel fahren, um sie dort registrieren zu lassen. Er schrieb daraufhin einen Brief an den Botschafter, in dem er darauf beharrte, die infolge der Annexion Ostjerusalems für ihn zuständige Botschaft müsse ihrer Pflicht ihm gegenüber nachkommen.
Seine deutsche Frau schrieb zudem Briefe an Abgeordnete aller Fraktionen des Deutschen Bundestags, an das Auswärtige Amt und an das Bundeskanzleramt. Die wenigen Antworten waren laut Maraghy wenig hilfreich. Das Auswärtige Amt gab in einem Brief gar an, nicht zuständig zu sein und riet ihnen in einem zweiten, für einige Zeit als ganze Familie nach Jerusalem überzusiedeln. Die Eintragung vor Ort kann sich aber laut Maraghy ebenfalls über Jahre hinziehen. Möglicherweise würde seine Frau auch gar keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, da die israelischen Behörden im Mai 2009 auch die in Deutschland geschlossene Ehe einzutragen verweigerten.
Zu diesem Zeitpunkt wurde Firas Maraghy darüber hinaus beschieden, er gelte nur dann weiterhin als Einwohner Jerusalems, wenn er sich ab Mai 2011, wenn nämlich sein Reisedokument abläuft, für einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren in Jerusalem aufhalte. Für Maraghy ist der Verlust seines Rechts, in Jerusalem zu leben, eine grausame Vorstellung. Nach Deutschland ist er nur gekommen, da seine Frau hier studierte und nun promovieren möchte. Nie hatte er geplant, für immer hier zu bleiben. Maraghy argumentiert, er wolle sich nicht von seiner Familie trennen lassen, zugleich aber werde er keinesfalls sein Recht, in Jerusalem zu leben, aufgeben. Dasselbe Recht fordert er auch für seine Tochter.
Firas Maraghy sitzt seit dem 30.Juli aufgrund einer Beschwerde der Botschaft nun offenbar weit genug von ihr entfernt und für Botschaftsbesucher und -Personal nicht mehr so gut sichtbar.
Foto: privat
Nach über zwei Wochen Hungerstreik sieht Maraghy sehr geschwächt aus, ist aber zugleich voller Tatendrang. Dass er selten allein ist und unterschiedlichste Menschen ihn besuchen kommen, scheint ihm immer neue Kraft zu geben. Auch die Polizisten, die sich zum Schutz der Botschaft dort befinden, fragen regelmäßig nach seinem Befinden. Am Samstag der ersten Woche seines Hungerstreiks versammelten sich zudem etwa 40 Personen in Solidarität mit ihm. Und auch am Donnerstag letzter Woche hielten etwa 50 Personen, darunter viele Juden und Israelis, ein Plakat mit Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Richtung der Botschaft: „1) Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. 2) Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“ Auch die Medien interessieren sich zunehmend für den Fall.
Petition der „Jüdischen Stimme“ an den Botschafter
Es stimmt jedoch sehr nachdenklich, dass es den offiziellen Stellen in Berlin offenbar so schwer fällt, Firas Maraghy ärztliche Hilfe zukommen zu lassen. Nach langer Suche erklärte sich der Ehemann eines Mitgliedes der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ bereit, ihn zu untersuchen.
Eine im Internet kursierende Petition der „Jüdischen Stimme“ an den Israelischen Botschafter Yoram Ben-Ze’ev hat bereits etwa 800 Unterschriften, eine weitere, an den Berliner Polizeipräsidenten gerichtete, in der gegen die Umsetzung von Herrn Maraghy protestiert wird, findet sich ebenfalls im Internet. Die „Jüdische Stimme“ hat einen offenen Brief an den israelischen Botschafter formuliert, in dem sie sich mit Herrn Maraghy solidarisch erklärt. Hier heißt es u.a.: „Nach deutschen Rechtsvorstellungen kann man über eine solche Situation, die dem hier grundgesetzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie eklatant widerspricht, nur den Kopf schütteln. Außerdem – darauf weist Herr Maraghy zu Recht hin – widerspricht dieses Vorgehen dem Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Firas Maraghy sieht keinen anderen Ausweg als den Hungerstreik. Wir, die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, bezweifeln entschieden, dass eine Lösung der komplizierten Situation in Israel und Palästina dadurch herbeigeführt werden kann, dass die Jerusalemer Palästinenser durch bürokratische Maßnahmen wie in diesem Fall aus ihrer Heimat herausgedrängt werden. Der Zweck – die Judaisierung Jerusalems mittels Heraussäuberung der alteingesessenen Bevölkerung – ist allzu offensichtlich. Deshalb unterstützen wir Herrn Maraghy in seinem Anliegen und hoffen, dass das durch seinen Hungerstreik ausgelöste öffentliche Interesse zu einer Lösung seines Falls beiträgt.“
Die Botschaft hingegen antwortet auf sämtliche bei ihr eingehende Protestschreiben mit einem standardisierten Brief, in dem sie darauf beharrt, Herr Maraghy müsse seine Tochter beim Innenministerium in Jerusalem eintragen lassen. Man bedauere dessen Entscheidung, einen Hungerstreik durchzuführen. Die „Jüdische Stimme“ will sich mit dieser Antwort nicht zufriedenstellen lassen und hat bereits einen neuen Brief formuliert.
(1)http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15491
Online-Flyer Nr. 262 vom 11.08.2010
Israel weigert sich weiter, die Tochter von Firas Maraghy anzuerkennen
16. Tag des Hungerstreiks vor der Botschaft
Von Peter Kleinert
Seit nunmehr 16 Tagen befindet sich der Palästinenser Firas Maraghy im Hungerstreik vor der Israelischen Botschaft in Berlin.(1) Dort protestiert er gegen die Weigerung ebendieser Botschaft, seine im Dezember 2009 geborene Tochter zu registrieren und ihr ein Reisedokument auszustellen. Zugleich geht es um die Sicherung seiner eigenen Rechte als Einwohner Ostjerusalems, das nach dem Krieg von 1967, in dem Israel die Westbank und den Gazastreifen besetzte, annektiert wurde. Diese Annexion hat die internationale Gemeinschaft zwar bis zum heute nicht anerkannt, Israel entscheidet aber seither über das Schicksal der palästinensischen Bewohner der Stadt. Firas Maraghy ist dadurch staatenlos und besitzt lediglich ein israelisches Reisedokument, ein so genanntes „Laissez Passer“.
Firas Maraghy mit seiner Tochter während des Hungerstreiks in der Auguste-Viktoria-Straße
Foto: privat
Maraghy, ein großer schlanker Mann Ende dreißig, sitzt seit dem 26. Juli vor der Botschaft im Berliner Bezirk Wilmersdorf. Hier findet man ihn bei Wind und Wetter – mal im T-Shirt, mal in Regenhose und Regenjacke. Ein Zelt zu errichten und eine Toilette anzumieten wurde ihm vom zuständigen Bezirksamt untersagt. Sogar seinen Platz schräg gegenüber der Botschaft musste er am 30.Juli aufgrund einer Beschwerde der Botschaft räumen. Seither sitzt er einen Baum weiter vor einem Spielplatz – und nicht mehr so gut sichtbar für vorbeifahrende Autos und das Botschaftspersonal.
Sogar die in Deutschland geschlossene Ehe nicht eingetragen
Als Maraghy im April 2010 in der israelischen Botschaft seine Tochter eintragen lassen wollte, teilte man ihm mit, er müsse mit ihr nach Israel fahren, um sie dort registrieren zu lassen. Er schrieb daraufhin einen Brief an den Botschafter, in dem er darauf beharrte, die infolge der Annexion Ostjerusalems für ihn zuständige Botschaft müsse ihrer Pflicht ihm gegenüber nachkommen.
Seine deutsche Frau schrieb zudem Briefe an Abgeordnete aller Fraktionen des Deutschen Bundestags, an das Auswärtige Amt und an das Bundeskanzleramt. Die wenigen Antworten waren laut Maraghy wenig hilfreich. Das Auswärtige Amt gab in einem Brief gar an, nicht zuständig zu sein und riet ihnen in einem zweiten, für einige Zeit als ganze Familie nach Jerusalem überzusiedeln. Die Eintragung vor Ort kann sich aber laut Maraghy ebenfalls über Jahre hinziehen. Möglicherweise würde seine Frau auch gar keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, da die israelischen Behörden im Mai 2009 auch die in Deutschland geschlossene Ehe einzutragen verweigerten.
Zu diesem Zeitpunkt wurde Firas Maraghy darüber hinaus beschieden, er gelte nur dann weiterhin als Einwohner Jerusalems, wenn er sich ab Mai 2011, wenn nämlich sein Reisedokument abläuft, für einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren in Jerusalem aufhalte. Für Maraghy ist der Verlust seines Rechts, in Jerusalem zu leben, eine grausame Vorstellung. Nach Deutschland ist er nur gekommen, da seine Frau hier studierte und nun promovieren möchte. Nie hatte er geplant, für immer hier zu bleiben. Maraghy argumentiert, er wolle sich nicht von seiner Familie trennen lassen, zugleich aber werde er keinesfalls sein Recht, in Jerusalem zu leben, aufgeben. Dasselbe Recht fordert er auch für seine Tochter.
Firas Maraghy sitzt seit dem 30.Juli aufgrund einer Beschwerde der Botschaft nun offenbar weit genug von ihr entfernt und für Botschaftsbesucher und -Personal nicht mehr so gut sichtbar.
Foto: privat
Nach über zwei Wochen Hungerstreik sieht Maraghy sehr geschwächt aus, ist aber zugleich voller Tatendrang. Dass er selten allein ist und unterschiedlichste Menschen ihn besuchen kommen, scheint ihm immer neue Kraft zu geben. Auch die Polizisten, die sich zum Schutz der Botschaft dort befinden, fragen regelmäßig nach seinem Befinden. Am Samstag der ersten Woche seines Hungerstreiks versammelten sich zudem etwa 40 Personen in Solidarität mit ihm. Und auch am Donnerstag letzter Woche hielten etwa 50 Personen, darunter viele Juden und Israelis, ein Plakat mit Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Richtung der Botschaft: „1) Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. 2) Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.“ Auch die Medien interessieren sich zunehmend für den Fall.
Petition der „Jüdischen Stimme“ an den Botschafter
Es stimmt jedoch sehr nachdenklich, dass es den offiziellen Stellen in Berlin offenbar so schwer fällt, Firas Maraghy ärztliche Hilfe zukommen zu lassen. Nach langer Suche erklärte sich der Ehemann eines Mitgliedes der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ bereit, ihn zu untersuchen.
Eine im Internet kursierende Petition der „Jüdischen Stimme“ an den Israelischen Botschafter Yoram Ben-Ze’ev hat bereits etwa 800 Unterschriften, eine weitere, an den Berliner Polizeipräsidenten gerichtete, in der gegen die Umsetzung von Herrn Maraghy protestiert wird, findet sich ebenfalls im Internet. Die „Jüdische Stimme“ hat einen offenen Brief an den israelischen Botschafter formuliert, in dem sie sich mit Herrn Maraghy solidarisch erklärt. Hier heißt es u.a.: „Nach deutschen Rechtsvorstellungen kann man über eine solche Situation, die dem hier grundgesetzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie eklatant widerspricht, nur den Kopf schütteln. Außerdem – darauf weist Herr Maraghy zu Recht hin – widerspricht dieses Vorgehen dem Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Firas Maraghy sieht keinen anderen Ausweg als den Hungerstreik. Wir, die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, bezweifeln entschieden, dass eine Lösung der komplizierten Situation in Israel und Palästina dadurch herbeigeführt werden kann, dass die Jerusalemer Palästinenser durch bürokratische Maßnahmen wie in diesem Fall aus ihrer Heimat herausgedrängt werden. Der Zweck – die Judaisierung Jerusalems mittels Heraussäuberung der alteingesessenen Bevölkerung – ist allzu offensichtlich. Deshalb unterstützen wir Herrn Maraghy in seinem Anliegen und hoffen, dass das durch seinen Hungerstreik ausgelöste öffentliche Interesse zu einer Lösung seines Falls beiträgt.“
Die Botschaft hingegen antwortet auf sämtliche bei ihr eingehende Protestschreiben mit einem standardisierten Brief, in dem sie darauf beharrt, Herr Maraghy müsse seine Tochter beim Innenministerium in Jerusalem eintragen lassen. Man bedauere dessen Entscheidung, einen Hungerstreik durchzuführen. Die „Jüdische Stimme“ will sich mit dieser Antwort nicht zufriedenstellen lassen und hat bereits einen neuen Brief formuliert.
Nicht erwähnt wurde bisher in den Briefen der Botschaft als Grund für ihr Verhalten ein Ereignis in Firas Biografie, über das Raif Hussein, Vorsitzender der Palästinensischen Gemeinde Deutschland (PGD) in einem Interview mit der jungen Welt berichtete: „Der 39jährige ist ein Kind der ersten Intifada. Bevor er Jerusalem gemeinsam mit seiner deutschen Frau, die er dort kennenlernte, verlassen hat, war er fünf Jahre aus politischen Gründen inhaftiert. Er hatte sich an Protesten gegen die israelische Besatzung beteiligt – man braucht auch nur Mitglied einer palästinensischen Organisation zu sein, schon wird man verhaftet. Firas Maraghy will nicht hinnehmen, daß die Israelis jetzt eine schleichende ethnische Säuberung in Jerusalem vornehmen. Viele Palästinenser in der ganzen Welt mußten Ähnliches erleben.“ (PK)
Protestkundgebung
Heute - am Mittwochnachmittag - erhielten wir von Firas’ Frau folgende Nachricht:
Am Donnerstag, den 12.08., versammeln wir uns um 15.30 Uhr zu einer Protestkundgebung bei Firas vor der israelischen Botschaft (Auguste-Viktoria-Str. 74-76, Ecke Flinsberger Platz). Wir brauchen viele Teilnehmer, denn Firas hungert nun bereits seit mehr als zwei Wochen.
Bitte unbedingt diese Mail weiterleiten!!! (PK)
(1)http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15491
Die Petition an den Israelischen Botschafter und damit die Möglichkeit, sich mit Firas Maraghy und seiner Familie zu solidarisieren, findet sich unter:
Die Adresse der Petition an den Berliner Polizeipräsidenten findet sich unter:
Adresse für Protestmails: botschaft@israel.de
Online-Flyer Nr. 262 vom 11.08.2010