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Medien
Darf IW-Direktor Michael Hüther im ZDF für die Rente mit 67 werben?
Ganz einfach ist das!
Von Peter Schreiber

Zum Thema der Woche „Der Streit um die Rente mit 67“ hatte ZDF-Mann Peter Hahne am 22. August zwei sehr verschiedene Gäste nach Berlin eingeladen: die Abgeordnete der LINKEN, Sahra Wagenknecht, und den Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Professor Michael Hüther. Beim Zappen geriet NRhZ-Leser Peter Schreiber aus Thüringen in diese Sendung hinein. Er hat uns einen Kommentar geschickt. – Die Redaktion

Michael Hüther an der Spitze der Geschäftsführung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln


Quelle: www.iwkoeln.de

Wenn ich schon eine Fernbedienung habe, dann zappe ich natürlich. Dass mir dabei plötzlich das Blut in der rechten Hand gefriert und ich wie gebannt eine Sendung verfolge, ist eher selten im deutschen Fernsehen. Doch genau so war es diesmal, als das ZDF einloggte: Mitten in einen Satz von Sahra Wagenknecht habe ich hinein getroffen, nun will ich wissen, um was es geht. Rente erst mit 67, Arbeiten bis zum Umfallen. Das wollte ich genauer wissen, besonders da ich die Logik nicht verstehe, dass – obwohl so viele Menschen arbeitslos sind – die Alten trotzdem immer länger arbeiten sollen.

Sahra Wagenknecht, Abgeordnete der LINKEN, versucht einleuchtend zu erklären, dass wir keine Arbeitsplätze schaffen, wenn wie aus einem Arbeitsplatz drei Minijobs machen. Aber halt: Da ist ja noch der Diskussionspartner, ein Herr Professor Doktor, ein Herr Hüther, Direktor des Institutes der deutschen Wirtschaft Köln. Aha.


Sahra Wagenknecht
NRhZ-Archiv
Bisher dachte ich immer, dass ein Professor ein gebildeter Mensch wäre. Aber weit gefehlt! Immer wenn Sahra Wagenknecht etwas erklären will, kräht er sofort drauflos. Was war das? Sahra Wagenknecht will reden: Der Herr Professor poltert los, weiß sofort, dass alles Unsinn ist, was er selbst nicht denkt. Sahra Wagenknecht hält sich zurück; setzt neu an: Der Professor kräht wieder los. Sahra Wagenknecht bleibt ruhig, versucht erneut, auf seine Worte einzugehen: Der Doktor der Weisheit posaunt sofort auf sie ein. Lässt sie keinen Satz zuende sagen, weiß sofort alles immer besser. So einfach ist das, wenn man ein Professor für
                                                              irgendetwas ist.

Ein Schauspiel der ganz besonderen Art. Im ZDF? Unter Peter Hahne? Plötzlich interessiert mich das. Peter Hahne lacht breit. Wie so oft. Professor Hüther unterbricht Frau Wagenknech, Peter Hahne lacht, Hüther bleibt dabei: Er lässt Sahra Wagenknecht nicht ausreden. Und wenn, reflektiert er das Gesagte nicht und lässt keine halbe Sekunde Zeit bis zum nächsten Loskrähen. Ich warte auf den Wendepunkt, auf Peter Hahnes Eingreifen. Aber vergeblich. Hahne lacht immer nur, um nicht zu sagen: er verbündet sich mit dem “Professor für Kapitalismus“.

Später werde ich mich schlau machen: das ZDF hat die Sendung angekündigt als Diskussion sehr unterschiedlicher Ansichten. Von einer “Diskussion“ ist hier aber nichts zu spüren. Hüther agitiert in jeden Satz hinein; er verliert jedes Gefühl des Anstands und der Grundregeln der Kommunikation. Immer reinquaken! Auch die korrekte Art der LINKEN-Abgeordneten beeindruckt ihn nicht. So einfach ist das also, wenn man nicht mehr weiter weiß. Immer reinquaken, wenn’s um die Wahrheit geht.

Peter Hahne tut nichts dagegen. Er lacht. Und hilft dem Herrn Professor gern aus jeder Lage. Sahra Wagenknecht kommt auf den Punkt? Hahne sagt: Stopp, wir wollen einen Film einfügen! So einfach ist das, wenn man Angst hat vor der Logik!

In welchem Film befinde ich mich? Das Theater hört nicht auf, und ich wundere mich, dass Sahra Wagenknecht so ruhig bleibt. Aber sie weiß, dass sie es sein muss. Die ZDF-Zuschauer würden ihr nicht zugestehen, was Prof. Hüther sich erdreistet. Oder man könnte ansonsten vielleicht später die Aufnahmen zurechtschneiden, um sie lächerlich zu machen. Bei den Kapitalismus-Lobbyisten hingegen schneidet später keiner die Originalaufnahmen zu falschen Zusammenhängen zurecht.
Woran erinnert mich das? An meine Jahre in der BRD seit ich als ehemaliger politischer Gefangener (der DDR) zehn Jahre vor der Wende in den Westen kam. An mein Gespräch mit Graf Lambsdorff 1982; an meine Diskussionen mit allerlei Leuten. An die Beleidigungen in Ämtern und Behörden. An Gerichtsverfahren mit und ohne zugelassene Öffentlichkeit. An Polizeikontrollen durch Möchtegern-Rambos. An Antworten von Ministerien.
An all die Sprüche wie: Geh doch nach XYZ  wenn dir was nicht passt. Gelächter im Parlament, wenn jemand etwas sagt, was dem Kapitalismus die Lügen-Maske runterreißen könnte. Und immer unter die Gürtellinie: Frau Wagenknecht, wir sind hier nicht mehr in der DDR… Ein Kapitalismus-Professor als Rüpel, ein ZDF-Moderator als Aufpasser. So einfach ist das?
Mir reichts langsam: ist das die Demokratie, die Toleranz, die freiheitliche Grundordnung?

Nee, daran glaube ich schon lange nicht mehr. Aber in solch unverfrorener Weise hätte ich es nun ehrlich gesagt im Fernsehen nicht erwartet. Ich schäme mich als ehemaliger politischer Gefangener der DDR für diese Gesellschaftsordnung und ich schäme mich als Christ für Peter Hahne.

Gut, dass ich schon vor Wochen meinen Eintritt in die LINKE bekanntgegeben habe; sonst würde es jetzt heißen, ich werde Mitglied weil ich sauer auf das ZDF bin… Und auf Peter Hahne. - Aber nun erst recht! (PK)


Als engagierter Christ betreibt Peter Schreiber
eine Internetseite - 
http://www.bibelpoint.de/nadelstich/prof-hüther-vs-sahra-wagenknecht/. Dort hat er einen offenen Brief an Prof. Michael Hüther veröffentlicht. Der erste Absatz hier im Wortlaut: „…mit Entsetzen sah ich gestern die Sendung bei Peter Hahne auf ZDF. Sie haben in der ganzen Sendung nichts weiter gemacht, als Frau Sahra Wagenknecht keinen halben, geschweige denn ganzen Satz aussprechen lassen. Wie von Ehrgeiz völlig zerfressen hackten Sie lediglich um sich. Eine "Diskussion" ist das natürlich nicht. Wenn Sie sich zu einer solchen Diskussion bereiterklären, die unter der Maßgabe unterschiedlicher politischer Färbung zustandekam, müssen Sie schon den Anstand aufbringen, diese Prämisse als Grundlage zu akzeptieren. Dies aber ist Ihnen fremd und daher kam das zustande, was in meinen Augen - und sicher sehen das viele Zuschauer genauso - unterste Schublade ist: Nämlich offene Giftigkeit gegenüber anderen Denkansätzen, die wegen ihrer politischen Unkompliziertheit ein großes Wahrheitspotential aufweisen….“


Online-Flyer Nr. 264  vom 25.08.2010



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