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Inland
Marwa El Sherbinys Familie kämpft weiter für Gerechtigkeit und gegen Rassismus
Klage gegen zwei Richter
Von H.- Eberhard Schultz und Khaled Abou Bakr Othman

Das Oberlandesgericht Dresden wird demnächst über die Klage und die Wiederaufnahme von Ermittlungen gegen zwei Richter des Landgerichts wegen fahrlässiger Tötung entscheiden müssen - die Staatsanwaltschaft Dresden über eine neue Strafanzeige gegen den Mörder der im Landgerichtssaal  erstochenen, aus Ägypten stammenden Mutter und Apothekerin Marwa El Sherbiny. In dem skandalösen Fall geht es, wie die NRhZ mehrfach berichtete, auch um Volksverhetzung, Beschimpfung von Religionsgesellschaften und mehr. Hier die nahezu im Wortlaut übernommene Pressemitteilung der Anwälte ihrer Familie. – Die Redaktion
 

Marwa El Sherbiny und ihr dreijähriger
Sohn, vor dessen Augen sie am 1. Juli
2009 im einer Gerichtsverhandlung
erstochen wurde
NRhZ-Archiv
1. Namens und in Vollmacht der Mutter und des Bruders der am 01.07.2009 im Sitzungssaal des Landgericht Dresden von Alex Wiens ermordeten Marwa El Sherbiny habe ich beim Oberlandesgericht Dresden den Antrag gestellt, die öffentliche Klage zu erheben gegen die beschuldigten Richter, den Präsidenten des Landgerichts , Gerd Halfar, und den Vorsitzenden Richter in der Hauptverhandlung Tom Maciejewski gegen Alex Wiens; hilfsweise zumindest die eingestellten Ermittlungen wieder aufzunehmen. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumung gestellt; die früheren Rechtsanwälte der Familie in Deutschland hatten diese nicht ausreichend darüber belehrt, dass sie innerhalb eines Monats nach Zurückweisung der Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch den Generalstaatsanwalt (Bescheid vom 23.04.2010) den Antrag bei Gericht hätten stellen müssen.
 
Verantwortlichkeit der Richter
 
In der Antragsschrift wird in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begründet, warum die bisherigen Ermittlungen völlig unzureichend waren. Sie stützten sich ausschließlich auf das Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen Alex Wiens ohne die Verantwortlichkeit der Richter eigenständig zu prüfen, die es versäumt haben, zu verhindern, dass der verurteilte Wiens ein großes Messer in den Gerichtssaal mitgeführt hat, und rechtzeitig einzugreifen, bevor Wiens Marwa mit mehr als einem Dutzend Messerstichen ermorden und den ihr zu Hilfe eilenden Ehemann ebenfalls lebensgefährlich verletzen konnte.
 
Die Staatsanwaltschaft hat gemeint, der Überfall sei völlig unerwartet gekommen, eine Gewaltbereitschaft des wegen Beleidigung vor Gericht stehenden Wiens sei bis zu seinem plötzlichen Überfall nicht erkennbar gewesen. Tatsächlich waren jedoch schon mit der Strafanzeige ausreichende Belege nicht nur für die rassistische Einstellung des verurteilten Wiens vorgelegt worden, der der „verrückten Islamistin“ „jedes Lebensrecht“ abgesprochen und erklärt hatte „sie dürfen in Deutschland nicht leben“ und „keiner auf der Welt kann mir vorschreiben, dass ich Feinde in meiner Nähe tolerieren muss“ Hinzu kommt auch:
 
Die Polizeibeamten, die von Marwa wegen der rassistischen Ausfälle des verurteilten Wiens ihr gegenüber auf den Spielplatz gerufen worden waren, konnten diesen erst unter Androhung von Gewalt daran hindern, sich der später Ermordeten zu nähern.
 
Grundrecht auf Leben und Prozessgrundrechte verletzt
 
Durch die unzutreffende Entscheidung der Staatsanwaltschaft sind die Grundrechte der Antragsteller verletzt, insbesondere das Grundrecht auf Leben sowie Verletzung der Prozessgrundrechte eines rechtsstaatlichen Verfahrens und rechtliches Gehör. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen bestimmte, das menschliche Leben gefährdende Verhaltensweisen vom Staat nicht nur unter Strafandrohung gestellt werden, sondern es müssen auch die Maßnahmen zur Kontrolle der Einhaltung dieser Strafvorschriften geeignet und zureichend sein. Dies war nach Ansicht der Familie der Ermordeten und vieler Beobachter offensichtlich nicht der Fall.
 
Brief des Mörders
 
2. Gleichzeitig habe ich Strafanzeige erstattet, wegen eines Schreibens des verurteilten Wiens, das dieser im Rahmen des vorangegangenen Beleidigungsverfahrens an das Gericht geschickt hatte und es u. a. heißt: „Jeder weiß, dass Islam geferliche und verrückte Religion ist, deren Angehörige die anderen „Nichtislamisten“ für unrichtige Menschen halten, die entweder zu bekehren oder zu vernichten gilt. Ganz zu schweigen dass derjenige der Islamisten, die in Deutschland leben, auf keinen Fall wollen das Land und deren Kultur zu akzeptieren wie es ist, sondern geben sich alle Mühe, es unbedingt nach seinen Geschmack und seinen verrückten-religiösen Vorstellungen zu verändern, anstatt sich selbst anzupassen. Angesichts dess allen ist durchaus verständlich, dass ich sie für Feinde halte und versuche nach Möglichkeit nicht mit ihnen in Kontakt zu kommen. Falls sie trotzdem in meine Privatsphäre eindringen wollen, trotz meiner Warnungen, werde ich schnell nervös. Keiner auf ganzer Welt kann mir vorschreiben, dass ich Feinde in meiner Nähe tolerieren muss... Um Wahrheit zu gestehen soll ich noch sagen, dass der Wahnsinn der Islamisten nicht nur von Religion bedingt ist, sondern auch erste Stelle von ihrer Rasse selbst, andernfalls würde ihre Kultur sich anders entwickeln.“
 

Gedenken an Marwa El Sherbini
NRhZ-Archiv
Dieses Schreiben wurde zwar zu den Akten genommen und als Rechtsmittel bewertet, jedoch unverständlicherweise ohne weitere strafrechtliche Konsequenzen draus zu ziehen. Es ist offensichtlich, dass der Inhalt die Straftatbestände der Volksverhetzung und der Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft erfüllt. Auch wenn eine Strafe hierfür neben der Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Mordes an Marwa El Sherbiny nicht besonders ins Gewicht fallen würde, wäre es wichtig, derartigen rassistischen, islamfeindlichen Äußerungen eine klare strafrechtliche Antwort zu geben.
 
Von der Familie wird u. a. beklagt, dass der Brief mit den oben zitierten Drohungen die Hände der Richter passierte, ohne dass die daran dachten, das Opfer zu warnen; sie bemängeln weiter das Fehlen von Sicherheitskräften und einen Metalldetektor, der die Tragödie von Anfang an verhindert hätte – diese wurden erst nach dem Mord im Landgericht Dresden eingeführt, wie die strengen Sicherheitsvorkehrungen bei dem anschließenden Mordprozess ausgerechnet auch gegen die Familie der Ermordeten als Nebenkläger und sogar ihre Rechtsanwälte…
 

Marwa El Sherbini und ihr Mann Elwi, der
im Gerichtssaal vom Mörder und einem
Polizisten schwer verletzt wurde
NRhZ-Archiv
Die Familie fragt auch: „Ist es human, dass nach so einer Tragödie mit der völlig zerstörten Familie – eine schwangere Frau tot mit 18 Messerstichen in ihren Bauch, Vater mit einen Schuss und 16 Messerstichen zwischen Tod und Leben, ein drei Jahre altes Kind bedeckt mit den Blut seiner Mutter – alle Verantwort-lichen nach Hause gingen, ohne irgendjemanden zu informieren: obwohl ihre Pässe, ihre persönlichen Informationen die Nationalität enthielten, wurde niemand über den Mord informiert, weder am Arbeitsplatz noch die Nachbarn, noch die Botschaft“
 
Sie klagen an, dass außer dem Mörder, der zu Recht verurteilt worden sei, andere Verantwortliche für die Tragödie unbehelligt und unbestraft herumlaufen dürfen: „Wir sind tief verletzt, wir wollen nicht, dass dies irgendeiner muslimischen Frau in Europa passiert, wir möchten unsere Würde schützen, so wie wir niemals wünschten, dass irgendjemand so viel Schmerz erfährt.“
 
Bitte um Unterstützung der kritischen Öffentlichkeit
 
In diesem Sinne bitten wir die kritische Öffentlichkeit um Unterstützung für den Kampf der Familie um Gerechtigkeit und gegen Rassismus – es sollte ein Anliegen unseres demokratischen Rechtstaates sein, nachdem der rassistische Mord und seine Begleitumstände von der offiziellen Politik bei uns erst zur Kenntnis genommen wurden, nachdem es in Ägypten zu ersten massiven Protesten gekommen war.
 
3. Die Familie der Ermordeten Marwa El Sherbiny hatte bereits in einer Erklärung zum Jahrestag der Ermordung gefragt: „Ist das wirklich Gerechtigkeit?“. (PK)
 
H.- Eberhard Schultz und Khaled Abou Bakr Othman sind Rechtsanwälte in Berlin und Kairo


Online-Flyer Nr. 279  vom 08.12.2010



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