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Inland
Einflussnahme auf Journalisten nicht nur durch Geheimdienste
Bundeswehr noch intensiver als BND
Von Hans Georg
Diese Einflussarbeit wird in dem bei Berlin angesiedelten "Akademie für Information und Kommunikation" koordiniert. Dort arbeitet ein "Forum Dialog", das verschwiegene Kontakte zu Journalisten aus dem In- und Ausland sucht. Den angeworbenen Medienvertretern wird strikte Vertraulichkeit abverlangt. Der Leiter des militärischen Journalisten-Forums, Guido M., ist Vorstandsmitglied des "Weltverbands Deutschsprachiger Journalisten" (WDJ), einer Nachfolgeeinrichtung der von BND-Spitzeln durchsetzten "Internationalen Assoziation Deutschsprachiger Medien" (IADM). M. unterhält Arbeitskontakte zur rechtskonservativen Gustav-Siewerth-Akademie - Thema: Journalistenausbildung.
Wie ein Sprecher der Bundesregierung in der vergangenen Woche ankündigte, werde die Spitzelarbeit der deutschen Ausslandsspionage (BND) unter Inlandsjournalisten disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Ankündigung wurde in der deutschen Presse begrüßt, jedoch blieb weitgehend unerwähnt, dass sich die Restriktionen ausschließlich auf den BND beziehen. Sie verbieten lediglich, Medienvertreter aus dem Inland zu Zwecken der "Eigensicherung" anzuwerben. Geheimdienstliche Maßnahmen, bei denen Journalisten als Quellen für die übliche Nachrichtenarbeit dienen oder auf Dritte angesetzt werden, bleiben von den Einschränkungen unberührt.
Fortsetzen
Die Konzentration auf Verfehlungen bei der "Eigensicherung" des BND lässt zudem außer acht, dass in der Bundesrepublik mehrere Geheimdienstapparate in der Medienszene tätig sind, ohne deswegen Maßregelungen befürchten zu müssen. Vielmehr stellen die aktuellen Regierungsankündigungen mit ihren eingrenzenden Definitionen den darin ungenannten Spitzelorganisationen ausdrücklich frei, die verdeckten Praktiken fortzusetzen.
Unverfänglich
Bei ihren Medienaktivitäten verschwiegen geht die Bundeswehr-"Akademie für Infomation und Kommunikation" (AIK) vor. Hinter dem wissenschaftlich anmutenden Namen verbirgt sich ein Kreis militärischer Spezialisten, der aus den Abteilungen für "Psychologische Kriegführung" (PSK) und "Psychologische Verteidigung" (PSV) hervorgegangen ist. Nach illegalen Machenschaften unter journalistischer Tarnung mussten die geheimdienstlich operierenden Psycho-Stäbe Ende der 1990er Jahre abgeschaltet werden [1] - sie hatten mit "weißen", "grauen" und "schwarzen" Methoden [2] in der deutschen Öffentlichkeit gewirkt. Aus der anrüchigen Propagandastaffel im rheinischen Waldbröl wurde eine noble "Akademie" in Strausberg bei Berlin, wo - gänzlich unverfänglich - "Information und Kommunikation" betrieben wird.
Vertraulich
Die "Akademie" unterhält ein "Forum Dialog", dessen Veranstaltungen auf die Medienszene zielen: Gesucht werden "junge ausgewählte Nachwuchskräfte" aus Deutschland und dem Ausland, "insbesondere aus der Osthälfte Europas", die als Journalisten gegenwärtig oder in Zukunft "Multiplikatoren" sein könnten. Dabei werden sie von "Fachleuten" (Diplomaten, Ministerialbeamte, Offiziere und Wissenschaftler) angeleitet und thematisch geschult. Insbesondere die Herkunft der im Verlauf der "Weiterbildung" erhaltenen Informationen soll von den Teilnehmern nicht offenbart werden: "Aus Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen darf nicht in einer Weise zitiert werden, die eine auch nur ungefähre Zuordnung zu einzelnen Personen oder Institutionen (z.B. AIK, Bundeswehr) erlaubt", heißt es in den Seminarprogrammen des "Forums".[3] Gleichzeitig werden die Teilnehmer ermuntert, die geknüpften Kontakte nach Abschluss der Veranstaltung "informell" aufrechtzuerhalten und unter Kollegen für den verschwiegenen Militärapparat zu werben.
Nachhaltig
Bei der Strausberger Einflussarbeit unter Journalisten werden umstrittene Ziele staatlicher Militärpolitik medial zubereitet und probeweise in die zivile Öffentlichkeit transportiert - eine Grenzüberschreitung am Rande propagandistischer Medienausrichtung. So finden sich in den "Seminarzeitungen", die Teilnehmer der Strausberger "Kommunikations"-Kurse erstellen, einschlägige Beiträge aus dem bellizistischen Repertoire, das als "Friedenssicherung" firmiert. Unter diesem Titel plädierten in der "Seminarzeitung" vom Mai 2005 journalistische "Forums"-Teilnehmer für "langfristige" Auslandseinsätze der Bundeswehr: Um die "Nachhaltigkeit des Engagements zu gewährleisten", solle die "militärische, polizeiliche und zivile Komponente" der Militäroperationen "getrennt, aber ineinander greifend, realisiert werden".[4]
Töten
Inhaltlich ausgerichtet sind die Seminare des "Forums" an dem von der AIK seit Jahren propagierten "erweiterten Sicherheitsbegriff". Danach bestehe zwischen äußerer und innerer Sicherheit keine strikte Trennlinie, weshalb die Bundeswehr so "transformiert" werden müsse, dass sie jederzeit im Inland aktivierbar ist und im Ausland gemäß deutscher Interessen intervenieren kann. Laut AIK-Kommandeur Rainer Senger soll die deutsche Öffentlichkeit "darauf vorbereit werden", dass deutsche Soldaten bei ihren Einsätzen "in größerer Zahl sterben" und "andere Menschen töten" - eine vorbereitende Arbeit, die offensichtlich verschwiegener journalistischer Einsätze an der Heimatfront bedarf.[5]
Komplementär
Regelmäßiger Gast der Journalisten-Foren der AIK ist Hans-Ulrich Seidt, Referatsleiter im Auswärtigen Amt, der über "deutsche Geopolitik" und die "Krisenregionen des 21. Jahrhunderts" referiert. Über die Frage, wie vor diesem Hintergrund mit "nichtstaatlichen Gewaltakteuren", also "Rebellen, Terroristen, Kriegsherren" und der sogenannten organisierten Kriminalität umgegangen werden soll, spricht der Journalist Otfried Nassauer, gleichzeitig Leiter des Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Ihm geht es insbesondere darum, "asymmetrische Antworten" auf die von den genannten "Gewaltakteuren" praktizierten Methoden des Guerillakriegs ("asymmetrische Risiken") zu finden und dabei die Möglichkeiten zivil-militärischer Zusammenarbeit auszuloten ("Komplementaritäten bei militärischen und nicht-militärischen Fähigkeiten"). Nassauer befindet sich in prominenter, wenn auch wenig journalistischer Gesellschaft: In Berlin-Strausberg erklärt der ehemalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck den Seminarteilnehmern die "zukünftige Rolle der Geheimdienste". Exkursionen ins Auswärtige Amt, ins Bundesverteidigungsministerium (BMVg) oder zum Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam runden die Veranstaltungen ab.
Unbewusst
Geleitet wird das bei der "Gruppe wissenschaftliche Grundlagen" der AIK angesiedelte "Forum Dialog" von Guido M., der vor allem den journalistischen Nachwuchs im Blick hat; regelmäßige Arbeitskontakte bestehen zum Journalistik-Studiengang der Universität Gießen, zum Fachbereich Politikwissenschaft der Universität Bonn sowie zur Gustav-Siewerth-Akademie in Weilheim-Bierbronnen (Baden-Württemberg). Das katholische Privatinstitut hat sich unter Mitwirkung von Prof. Dr. Guido Knopp (Zweites Deutsches Fernsehen/ZDF) nach eigener Aussage die Ausbildung "verantwortungsbewusster Journalisten" [6] und deren ideelle Ausrichtung an den "Grundlagen der abendländisch-christlichen Kultur" zur Aufgabe gemacht; Ziel sei letztlich die "Überwindung" aller "vielfach sogar unbewusstenmarxistischen/neomarxistischen Gedankengänge", heißt es in einer Selbstdarstellung.[7]
Extrem nationalistisch
Forums-Leiter Guido M. dürfte die Kooperation mit der streng konservativen Hochschule durchaus genehm sein - er hatte auch in der Vergangenheit keine Berührungsängste mit dem rechten Milieu. M. wurde Mitte der 1990er Jahre als Referent der Paneuropa-Jugend angekündigt [8] und wird einige Jahre später als Leiter einer Podiumsdiskussion mit Alfred Mechtersheimer ("Deutschland-Bewegung") und Franz Uhle-Wettler ("Die Republikaner") erwähnt. Weil Mechtersheimer und Uhle-Wettler extrem nationalistischen Zirkeln zugerechnet werden, hatte der ebenfalls geladene Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) seine Teilnahme abgesagt. Den politisch Verantwortlichen und offensichtlich auch dem Medien-Spezialisten Guido M. empfahl Beck, "dringend eine Diskussion über Grundlagen der politischen Bildungsarbeit" zu führen.[9]
Steuerung
Enge Kontakte unterhält M. auch zu Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten: In seiner Funktion als AIK-Referent mit Medienaufgaben wurde er zu Besprechungen des Bundeskriminalamts und des amerikanischen FBI geladen; 2002 tauchte er im Rahmen der AIK-Veranstaltungsreihe "Strausberger Gespräche" auf einer Konferenz über die "neuen Herausforderungen" der Bundeswehr auf - gemeinsam mit dem Verfassungsschutz (VS).[10] Daneben ist M. im Vorstand des "Weltverbands Deutschsprachiger Journalisten" (WDJ) tätig, einer Nachfolgeeinrichtung der von BND-Spitzeln durchsetzten "Internationalen Assoziation Deutschsprachiger Medien" (IADM) - viel Arbeit für einen zukünftigen Untersuchungsausschuss über die verschwiegene Steuerung der deutschen Öffentlichkeit mit "weißen", "grauen" und "schwarzen" Medien.
[1] s. dazu Rechtzeitig ordnen und Aufklärung
[2] Als "weiß" bezeichnen die militärischen Propagandaspezialisten Informationen, deren Urheber sich zu erkennen geben. "Grau" sind Informationen, die unterschiedlichen Urhebern zugerechnet werden und die Öffentlichkeit irreführen können. "Schwarzes" Informationsmaterial verschleiert den Urheber vollständig, wird also zur bewussten Täuschung produziert.
[3] Im Februar und im Mai 2005 fanden zwei aufeinander abgestimmte Seminare statt: "Transatlantik 21" und "Friedenssicherung 21". Beide Seminarprogramme enthalten gleichlautende Verpflichtungserklärungen sowie Arbeits- und Verhaltensanweisungen an die Teilnehmer. Vgl. AIK/Bereich Grundlagen und Entwicklung: Friedenssicherung-21. Perspektiven der internationalen Friedenssicherung. Tagung zu Sicherheit und Kommunikation der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK) und der Universität Bonn, Strausberg, 16.-22.5.2005, S. 3 und AIK/Verband Deutsch-Amerikanischer Clubs (VDAC): Transatlantik-21. Amerikanisch-deutsch-internationale Nachwuchstagung zu den künftigen transatlantischen Beziehungen und zur sicherheitspolitischen Kommunikation, Strausberg, 23.-27.2.2005, S. 2.
[4] Friedenssicherung-21. Perspektiven der internationalen Friedenssicherung. Berlin - Stettin - Strausberg. 16.-22. Mai 2005
[5] s. dazu Neues Steuerungsniveau
[6] Die Formulierung erinnert stark an den Kommunikationstheoretiker und ehemaligen Mitarbeiter der SS-Auslandsspionage Franz Ronneberger. Er hatte 1941 der jugoslawischen Presse vorgeworfen, von "verantwortungslosen, unmoralischen, sensationslüsternen, nur dem Geschäft verfallenen Menschen" beherrscht zu sein und durch ihre positive Berichterstattung über den Staatsstreich linker Militärs gegen die amtierende deutschfreundliche Regierung den Angriff Hitlerdeutschlands provoziert zu haben. 1977 lobte er die "Disziplin" der deutschen Journalisten, die sich während der Entführung des ehemaligen SS-Offiziers und Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die "Rote Armee Fraktion" (RAF) der von der Bundesregierung verhängten "Nachrichtensperre" widerstandslos gebeugt hatten. Vgl. Peer Heinelt: 'PR-Päpste'. Die kontinuierlichen Karrieren von Carl Hundhausen, Albert Oeckl und Franz Ronneberger, Berlin 2003
[7] www.gsa-journalistik.de
[8] s. dazu Deutsche Medienhilfe und Deutschkultur
[9] Schneetreiben in Dresden; Jungle World 29.01.1998
[10] Thomas Beck u.a. (Hg.): Strausberger Gespräche. Ein Tagungsbericht, Beiträge zur inneren Sicherheit 19, Brühl/Rheinland 2003
Online-Flyer Nr. 46 vom 30.05.2006
Einflussnahme auf Journalisten nicht nur durch Geheimdienste
Bundeswehr noch intensiver als BND
Von Hans Georg
Diese Einflussarbeit wird in dem bei Berlin angesiedelten "Akademie für Information und Kommunikation" koordiniert. Dort arbeitet ein "Forum Dialog", das verschwiegene Kontakte zu Journalisten aus dem In- und Ausland sucht. Den angeworbenen Medienvertretern wird strikte Vertraulichkeit abverlangt. Der Leiter des militärischen Journalisten-Forums, Guido M., ist Vorstandsmitglied des "Weltverbands Deutschsprachiger Journalisten" (WDJ), einer Nachfolgeeinrichtung der von BND-Spitzeln durchsetzten "Internationalen Assoziation Deutschsprachiger Medien" (IADM). M. unterhält Arbeitskontakte zur rechtskonservativen Gustav-Siewerth-Akademie - Thema: Journalistenausbildung.
Wie ein Sprecher der Bundesregierung in der vergangenen Woche ankündigte, werde die Spitzelarbeit der deutschen Ausslandsspionage (BND) unter Inlandsjournalisten disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Ankündigung wurde in der deutschen Presse begrüßt, jedoch blieb weitgehend unerwähnt, dass sich die Restriktionen ausschließlich auf den BND beziehen. Sie verbieten lediglich, Medienvertreter aus dem Inland zu Zwecken der "Eigensicherung" anzuwerben. Geheimdienstliche Maßnahmen, bei denen Journalisten als Quellen für die übliche Nachrichtenarbeit dienen oder auf Dritte angesetzt werden, bleiben von den Einschränkungen unberührt.
Fortsetzen
Die Konzentration auf Verfehlungen bei der "Eigensicherung" des BND lässt zudem außer acht, dass in der Bundesrepublik mehrere Geheimdienstapparate in der Medienszene tätig sind, ohne deswegen Maßregelungen befürchten zu müssen. Vielmehr stellen die aktuellen Regierungsankündigungen mit ihren eingrenzenden Definitionen den darin ungenannten Spitzelorganisationen ausdrücklich frei, die verdeckten Praktiken fortzusetzen.
Unverfänglich
Bei ihren Medienaktivitäten verschwiegen geht die Bundeswehr-"Akademie für Infomation und Kommunikation" (AIK) vor. Hinter dem wissenschaftlich anmutenden Namen verbirgt sich ein Kreis militärischer Spezialisten, der aus den Abteilungen für "Psychologische Kriegführung" (PSK) und "Psychologische Verteidigung" (PSV) hervorgegangen ist. Nach illegalen Machenschaften unter journalistischer Tarnung mussten die geheimdienstlich operierenden Psycho-Stäbe Ende der 1990er Jahre abgeschaltet werden [1] - sie hatten mit "weißen", "grauen" und "schwarzen" Methoden [2] in der deutschen Öffentlichkeit gewirkt. Aus der anrüchigen Propagandastaffel im rheinischen Waldbröl wurde eine noble "Akademie" in Strausberg bei Berlin, wo - gänzlich unverfänglich - "Information und Kommunikation" betrieben wird.
Vertraulich
Die "Akademie" unterhält ein "Forum Dialog", dessen Veranstaltungen auf die Medienszene zielen: Gesucht werden "junge ausgewählte Nachwuchskräfte" aus Deutschland und dem Ausland, "insbesondere aus der Osthälfte Europas", die als Journalisten gegenwärtig oder in Zukunft "Multiplikatoren" sein könnten. Dabei werden sie von "Fachleuten" (Diplomaten, Ministerialbeamte, Offiziere und Wissenschaftler) angeleitet und thematisch geschult. Insbesondere die Herkunft der im Verlauf der "Weiterbildung" erhaltenen Informationen soll von den Teilnehmern nicht offenbart werden: "Aus Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen darf nicht in einer Weise zitiert werden, die eine auch nur ungefähre Zuordnung zu einzelnen Personen oder Institutionen (z.B. AIK, Bundeswehr) erlaubt", heißt es in den Seminarprogrammen des "Forums".[3] Gleichzeitig werden die Teilnehmer ermuntert, die geknüpften Kontakte nach Abschluss der Veranstaltung "informell" aufrechtzuerhalten und unter Kollegen für den verschwiegenen Militärapparat zu werben.
Nachhaltig
Bei der Strausberger Einflussarbeit unter Journalisten werden umstrittene Ziele staatlicher Militärpolitik medial zubereitet und probeweise in die zivile Öffentlichkeit transportiert - eine Grenzüberschreitung am Rande propagandistischer Medienausrichtung. So finden sich in den "Seminarzeitungen", die Teilnehmer der Strausberger "Kommunikations"-Kurse erstellen, einschlägige Beiträge aus dem bellizistischen Repertoire, das als "Friedenssicherung" firmiert. Unter diesem Titel plädierten in der "Seminarzeitung" vom Mai 2005 journalistische "Forums"-Teilnehmer für "langfristige" Auslandseinsätze der Bundeswehr: Um die "Nachhaltigkeit des Engagements zu gewährleisten", solle die "militärische, polizeiliche und zivile Komponente" der Militäroperationen "getrennt, aber ineinander greifend, realisiert werden".[4]
Töten
Inhaltlich ausgerichtet sind die Seminare des "Forums" an dem von der AIK seit Jahren propagierten "erweiterten Sicherheitsbegriff". Danach bestehe zwischen äußerer und innerer Sicherheit keine strikte Trennlinie, weshalb die Bundeswehr so "transformiert" werden müsse, dass sie jederzeit im Inland aktivierbar ist und im Ausland gemäß deutscher Interessen intervenieren kann. Laut AIK-Kommandeur Rainer Senger soll die deutsche Öffentlichkeit "darauf vorbereit werden", dass deutsche Soldaten bei ihren Einsätzen "in größerer Zahl sterben" und "andere Menschen töten" - eine vorbereitende Arbeit, die offensichtlich verschwiegener journalistischer Einsätze an der Heimatfront bedarf.[5]
Komplementär
Regelmäßiger Gast der Journalisten-Foren der AIK ist Hans-Ulrich Seidt, Referatsleiter im Auswärtigen Amt, der über "deutsche Geopolitik" und die "Krisenregionen des 21. Jahrhunderts" referiert. Über die Frage, wie vor diesem Hintergrund mit "nichtstaatlichen Gewaltakteuren", also "Rebellen, Terroristen, Kriegsherren" und der sogenannten organisierten Kriminalität umgegangen werden soll, spricht der Journalist Otfried Nassauer, gleichzeitig Leiter des Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Ihm geht es insbesondere darum, "asymmetrische Antworten" auf die von den genannten "Gewaltakteuren" praktizierten Methoden des Guerillakriegs ("asymmetrische Risiken") zu finden und dabei die Möglichkeiten zivil-militärischer Zusammenarbeit auszuloten ("Komplementaritäten bei militärischen und nicht-militärischen Fähigkeiten"). Nassauer befindet sich in prominenter, wenn auch wenig journalistischer Gesellschaft: In Berlin-Strausberg erklärt der ehemalige BND-Präsident Hans-Georg Wieck den Seminarteilnehmern die "zukünftige Rolle der Geheimdienste". Exkursionen ins Auswärtige Amt, ins Bundesverteidigungsministerium (BMVg) oder zum Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam runden die Veranstaltungen ab.
Unbewusst
Geleitet wird das bei der "Gruppe wissenschaftliche Grundlagen" der AIK angesiedelte "Forum Dialog" von Guido M., der vor allem den journalistischen Nachwuchs im Blick hat; regelmäßige Arbeitskontakte bestehen zum Journalistik-Studiengang der Universität Gießen, zum Fachbereich Politikwissenschaft der Universität Bonn sowie zur Gustav-Siewerth-Akademie in Weilheim-Bierbronnen (Baden-Württemberg). Das katholische Privatinstitut hat sich unter Mitwirkung von Prof. Dr. Guido Knopp (Zweites Deutsches Fernsehen/ZDF) nach eigener Aussage die Ausbildung "verantwortungsbewusster Journalisten" [6] und deren ideelle Ausrichtung an den "Grundlagen der abendländisch-christlichen Kultur" zur Aufgabe gemacht; Ziel sei letztlich die "Überwindung" aller "vielfach sogar unbewusstenmarxistischen/neomarxistischen Gedankengänge", heißt es in einer Selbstdarstellung.[7]
Extrem nationalistisch
Forums-Leiter Guido M. dürfte die Kooperation mit der streng konservativen Hochschule durchaus genehm sein - er hatte auch in der Vergangenheit keine Berührungsängste mit dem rechten Milieu. M. wurde Mitte der 1990er Jahre als Referent der Paneuropa-Jugend angekündigt [8] und wird einige Jahre später als Leiter einer Podiumsdiskussion mit Alfred Mechtersheimer ("Deutschland-Bewegung") und Franz Uhle-Wettler ("Die Republikaner") erwähnt. Weil Mechtersheimer und Uhle-Wettler extrem nationalistischen Zirkeln zugerechnet werden, hatte der ebenfalls geladene Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) seine Teilnahme abgesagt. Den politisch Verantwortlichen und offensichtlich auch dem Medien-Spezialisten Guido M. empfahl Beck, "dringend eine Diskussion über Grundlagen der politischen Bildungsarbeit" zu führen.[9]
Steuerung
Enge Kontakte unterhält M. auch zu Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten: In seiner Funktion als AIK-Referent mit Medienaufgaben wurde er zu Besprechungen des Bundeskriminalamts und des amerikanischen FBI geladen; 2002 tauchte er im Rahmen der AIK-Veranstaltungsreihe "Strausberger Gespräche" auf einer Konferenz über die "neuen Herausforderungen" der Bundeswehr auf - gemeinsam mit dem Verfassungsschutz (VS).[10] Daneben ist M. im Vorstand des "Weltverbands Deutschsprachiger Journalisten" (WDJ) tätig, einer Nachfolgeeinrichtung der von BND-Spitzeln durchsetzten "Internationalen Assoziation Deutschsprachiger Medien" (IADM) - viel Arbeit für einen zukünftigen Untersuchungsausschuss über die verschwiegene Steuerung der deutschen Öffentlichkeit mit "weißen", "grauen" und "schwarzen" Medien.
[1] s. dazu Rechtzeitig ordnen und Aufklärung
[2] Als "weiß" bezeichnen die militärischen Propagandaspezialisten Informationen, deren Urheber sich zu erkennen geben. "Grau" sind Informationen, die unterschiedlichen Urhebern zugerechnet werden und die Öffentlichkeit irreführen können. "Schwarzes" Informationsmaterial verschleiert den Urheber vollständig, wird also zur bewussten Täuschung produziert.
[3] Im Februar und im Mai 2005 fanden zwei aufeinander abgestimmte Seminare statt: "Transatlantik 21" und "Friedenssicherung 21". Beide Seminarprogramme enthalten gleichlautende Verpflichtungserklärungen sowie Arbeits- und Verhaltensanweisungen an die Teilnehmer. Vgl. AIK/Bereich Grundlagen und Entwicklung: Friedenssicherung-21. Perspektiven der internationalen Friedenssicherung. Tagung zu Sicherheit und Kommunikation der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation (AIK) und der Universität Bonn, Strausberg, 16.-22.5.2005, S. 3 und AIK/Verband Deutsch-Amerikanischer Clubs (VDAC): Transatlantik-21. Amerikanisch-deutsch-internationale Nachwuchstagung zu den künftigen transatlantischen Beziehungen und zur sicherheitspolitischen Kommunikation, Strausberg, 23.-27.2.2005, S. 2.
[4] Friedenssicherung-21. Perspektiven der internationalen Friedenssicherung. Berlin - Stettin - Strausberg. 16.-22. Mai 2005
[5] s. dazu Neues Steuerungsniveau
[6] Die Formulierung erinnert stark an den Kommunikationstheoretiker und ehemaligen Mitarbeiter der SS-Auslandsspionage Franz Ronneberger. Er hatte 1941 der jugoslawischen Presse vorgeworfen, von "verantwortungslosen, unmoralischen, sensationslüsternen, nur dem Geschäft verfallenen Menschen" beherrscht zu sein und durch ihre positive Berichterstattung über den Staatsstreich linker Militärs gegen die amtierende deutschfreundliche Regierung den Angriff Hitlerdeutschlands provoziert zu haben. 1977 lobte er die "Disziplin" der deutschen Journalisten, die sich während der Entführung des ehemaligen SS-Offiziers und Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer durch die "Rote Armee Fraktion" (RAF) der von der Bundesregierung verhängten "Nachrichtensperre" widerstandslos gebeugt hatten. Vgl. Peer Heinelt: 'PR-Päpste'. Die kontinuierlichen Karrieren von Carl Hundhausen, Albert Oeckl und Franz Ronneberger, Berlin 2003
[7] www.gsa-journalistik.de
[8] s. dazu Deutsche Medienhilfe und Deutschkultur
[9] Schneetreiben in Dresden; Jungle World 29.01.1998
[10] Thomas Beck u.a. (Hg.): Strausberger Gespräche. Ein Tagungsbericht, Beiträge zur inneren Sicherheit 19, Brühl/Rheinland 2003
Online-Flyer Nr. 46 vom 30.05.2006