Eine Demo mit drei Personen, acht Minuten lang, kostet 2000 Euro
Einübung in politische Prozesse
von Norbert Arbeiter
Am 1. Februar 2011 war die vierte (!) Verhandlungsrunde am Amtsgericht Recklinghausen gegen den Beklagten Wolfgang Porrmann. Den Vorsitz im Saal 127, hatte wie bei den vorherigen Verhandlungen Richter Borowiak. Dieser Rechtsstreit sollte klären, ob eine Spontan-Demo von drei Personen vor der Dattelner Stadthalle einen Rechtsbruch darstellt. Das Versammlungsrecht schreibt vor, dass eine Versammlung ab drei Personen vorher angemeldet werden muss. Der Beklagte konnte aber durch die Zeugenbefragung glaubhaft beweisen, dass zunächst nur zwei Personen in einem Auto zur Demo fuhren und eine dritte Person spontan unterwegs, drei Minuten vor dem Ziel, „aufgesammelt“ wurde. Also waren in diesem Fall zwei Personen los gefahren - faktisch ohne Anmeldeverpflichtung. Der Richter sah das anders: Es sei eine Eilversammlung mit drei Personen gewesen und die hätte aus dem Auto heraus telefonisch angemeldet werden müssen.
Als W. Porrmann vor der Stadthalle am 17. März 2010 sein Plakat ausrollte, kam nach ca. einer Minute ein Polizeibeamter, sprach den Beklagten
W. Porrmann
Alle Fotos: Norbert Arbeiter
Die drei „Spontan-Demonstranten“ machten dann eine „Spontananmeldung“ bei dem Beamten vor Ort, und der spontan gewählte "Versammlungsleiter" W. Porrmann unterschrieb das Formular. Jetzt war die Demo nach acht Minuten "rechtens“ und die Beamten zogen ab - mit der Andeutung einer Strafanzeige. Die Folge davon waren vier Verhandlungstermine, dieser Aktuelle sogar mit vier Zeugen in der Beweisaufnahme.
Die Rechtsanwältin des Beklagten gab in ihrem Plädoyer zu bedenken: das Versammlungsrecht betont im Besonderen die Versammlungsfreiheit. Die fristgerechte Anmeldepflicht soll mögliche Gefahren für die Allgemeinheit verhindern helfen. Die beeindruckende Masse von drei Personen in diesem Fall, kann also nicht vom Gesetzgeber gemeint sein. Auch verlief alles friedlich und war nach 40 Minuten beendet. Die ersten acht Minuten mit so einem Aufwand zu ahnden, halte sie für nicht angemessen.
Wolfgang Porrman mit seiner Anwältin vor dem Sitzungssaal
Die Staatsanwältin (diesmal eine Neue), erweckte in ihrem Plädoyer den Eindruck, dass die Entscheidung schon vor Prozessbeginn gefallen war. Der Richter entsprach ihr dann auch mit einem Schuldspruch mit 15 Tagessätzen zu je 20 Euro und den gesamten Prozesskosten - nach Einschätzung der Anwältin ca. zweitausend Euro Gesamtkosten. Eine Revision wurde zugelassen.
Alle anwesenden Unterstützer von Wolfgang Poormann waren sehr aufgebracht. Einer sagte: "Das alles im Namen des Volkes, eine Schande!" Andere sprachen von einer "Einübung in politische Prozesse", weil derartige Prozesse auffällig zunehmen. Hier werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, während prominente oder superreiche Milliardenbetrüger mit der Justiz sogenannte „Deals“ eingingen, wobei nie ein Urteil gesprochen werde. (PK)
Mehr Infos in einem vorherigen NRhZ-Artikel aus dem Jahr 2010
Online-Flyer Nr. 287 vom 03.02.2011