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Inland
US-Deserteur Shepherd erhebt Klage gegen Ablehnung seines Asylantrages
Verstoß gegen Grund- und Menschenrechte
Von Peter Kleinert

US-Deserteur André Shepherd hat am Donnerstag seinen Rechtsanwalt damit beauftragt, Klage gegen die ihm zwei Tage zuvor zugestellte ablehnende Asylentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu erheben. Auf einer von Connection e.V., PRO ASYL und dem Military Counseling Network in Frankfurt/M. ausgerichteten Pressekonferenz erklärte er seine Gründe. Zugleich verurteilten Friedens- , Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen, die André Shepherd unterstützen, scharf den Bescheid des Bundesamtes und kündigten ihre Hilfe im Klageverfahren an.
 

André Shepherd
Quelle: www.connection-ev.de/
"Hier zeigt sich, dass die deutschen Behörden jeden Konflikt mit den USA vermeiden wollen, auf Kosten derjenigen, die sich mit ihrer ganzen Person gegen den Krieg im Irak stellen, der auch von der damaligen Bundesregierung für völkerrechtswidrig gehalten wurde", so Rudi Friedrich vom Kriegsdienstverweigerungs-netzwerk Connection e.V. Rechtsanwalt Reinhard Marx: "Mit der Ablehnung und der europarechtswidrigen Auslegung der EU-Qualifikationsrichtlinie versucht das Bundesamt, den in der Richtlinie vorgesehenen Schutz für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer zunichte zu machen. Dahinter steht offenbar die Absicht der Bundesregierung, deutsche Rechtsgrundsätze vor das
                                                                       Europarecht zu stellen."
 
"Hiermit wird ein völkerrechtswidriger Krieg nachträglich durch Deutschland legitimiert", ergänzte Chris Capps vom Military Counseling Network, "auf Kosten derjenigen, die ihrem Gewissen verpflichtet sind und sich dem Völkerrecht entsprechend verhalten. Es ist geradezu unerträglich, dass deutsche Behörden das Völkerrecht derart mit Füßen treten, wenn es wirklich darauf ankommt."


Pressekonferenz mit Rudi Friedrich (Connection e.V.), Übersetzerin Heike Makowski, André Shepherd, Rechtsanwalt Reinhard Marx und Tim Huber (von links nach rechts)
Foto: Frank Bärmann
 
André Shepherd selbst zeigte sich enttäuscht, aber zugleich auch bereit, die Auseinandersetzung weiterzuführen: "Ich hatte gehofft, bereits durch das Bundesamt für Migration Anerkennung für meinen Asylantrag zu finden. Ich bin nach wie vor nicht bereit, mich an einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beteiligen und halte es für mein Recht, dies ohne Strafandrohung zu verweigern. Das US-Militär gab mir keine andere Chance, als die Armee unerlaubt zu verlassen und hier in Deutschland um Schutz zu suchen."
 
"Ich musste raus aus dem Militär"
 
Der 33-jährige André Shepherd war 2004 zur US-Armee gegangen und nach seiner Ausbildung sechs Monate als Mechaniker für Apache-Hubschrauber im Irak eingesetzt. Nachdem er zurück zu seiner Einheit nach Katterbach (Bayern) gekommen war, setzte er sich intensiv damit auseinander, wie das US-Militär im Irak gegen die Zivilbevölkerung vorgeht. "Schließlich wusste ich", so Shepherd, "wenn ich noch einmal in den Irak gehe, werde ich für den Tod und das Elend Anderer verantwortlich sein. Für mich war daher der Weg eindeutig: Ich musste raus aus dem Militär." Am 26. November 2008 beantragte André Shepherd Asyl in Deutschland. Er beruft sich mit seinem Antrag auf die Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union, die seit Oktober 2006 in Kraft ist. Mit ihr sollen die geschützt werden, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg oder völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen und mit Verfolgung rechnen müssen.
 
Für den Asylantrag legte Shepherd auch Dokumente vor, die völkerrechtswidrige Handlungen durch die Apache-Hubschrauber belegen. Außerdem wies er darauf hin, dass die Piloten einer Geheimhaltungspflicht unterliegen, er also nicht über die konkreten Einsätze informiert wurde. Mit der Veröffentlichung des sogenannten "Collateral Murder"-Videos am 5. April 2010 konnte jedoch ein klarer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit von André Shepherd und den Einsätzen von Apache-Hubschraubern hergestellt werden, auch wenn nicht konkret benannt werden kann, aus welcher Einheit der dort verwendete Hubschrauber stammt.
 
Bundesamt: Kriegsverbrechen allenfalls Vermutungen
 
In seiner ablehnenden Entscheidung schrieb das Bundesamt: "Ob die von ihm betreuten Hubschrauber und ihre Besatzungen aber tatsächlich an konkreten (völker-)rechtswidrigen Handlungen beteiligt waren, ist weder ausreichend dargestellt worden, noch sonstwie konkret feststellbar. Den Angaben des Antragstellers zufolge war es ihm selbst auch während seines ersten Irak-Einsatzes nicht möglich, Einzelheiten zu den Einsätzen der von ihm bzw. seiner Einheit gewarteten Hubschrauber in Erfahrung zu bringen. Entsprechend stellen sich die Erwägungen des Antragstellers zur möglichen Beteiligung "seiner" Hubschrauber an etwaigen Rechtsverstößen und Kriegsverbrechen allenfalls als Vermutungen oder hypothetische Möglichkeit dar."
 
"Hiermit wird dem Antragsteller praktisch aufgebürdet, konkrete Beweise vorzulegen" so Bernd Mesovic von PRO ASYL, "absolut inakzeptabel für ein Asylverfahren, in dem es gerade darauf nicht ankommt. Das Bundesverwaltungsgericht hat deutlich darauf verwiesen, dass die Glaubhaftmachung völlig ausreichen muss. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist die Frage, wie heute Deserteure geschützt werden, die an völkerrechtswidrigen Handlungen nicht mitwirken wollen, von eminenter Bedeutung."
 
Gewissensentscheidung gegen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
 
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hält die Asyl-Verweigerung für grund- und menschenrechtswidrig. Die Entscheidung widerspricht dem Grundrechtsanspruch auf Asyl für politische Verfolgte. André Shepherd hat eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst in der US-Armee getroffen, da diese einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak geführt hat, in den der jetzige Deserteur verwickelt war.
 
Martin Singe vom Komitee: "Die Begründung der Asyl-Ablehnung gipfelt in dem Satz "Auf die Frage, ob der Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak gegen das Völkerrecht verstieß oder nicht, kam es vorliegend nicht an“ (Pressemitteilung des BAMF vom 4.4.2011). Während die Friedensbewegung den Irak-Krieg von Anfang an als völkerrechtswidrig gebrandmarkt hatte, ist diese Tatsache inzwischen unter Völkerrechtlern weitgehend unbestritten. Die fortgesetzte Besatzung des Iraks ist trotz formaler UN-Legitimierung Ergebnis dieses völkerrechtswidrigen Krieges. Weiterhin finden völkerrechtswidrige Militäreinsätze statt, bei denen auch Zivilisten getötet werden. Der Deserteur Shepherd hat das Recht, selbst zu bestimmen, wie weit seine Gewissensentscheidung gegen diesen Krieg und die anschließende Besatzung mit fortgesetzter Gewaltanwendung reicht. Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit und speziell auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe haben im Grundgesetz eine herausragende Bedeutung, besonders im Kontext des Friedensgebotes des Grundgesetzes. Dies muss auch für Asylentscheidungen gegenüber Deserteuren eine zentrale Rolle spielen", so Martin Singe.
 
Beispiel Bundeswehrmajor Pfaff
 
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 2005 sogar im Fall der Verweigerung eines Bundeswehrmajors gegen seinen Einsatz im Kontext des Irak-Krieges ausdrücklich anerkannt, dass dessen Gewissensentscheidung gegen den Krieg begründet und anzuerkennen sei (BVerwG 2WD 12.04). Seine Degradierung musste rückgängig gemacht werden. Auch Major Pfaff musste damals "lediglich“ Unterstützungsleistungen für den Krieg erbringen. Im Geiste dieses höchstrichterlichen Urteils zum Irak-Krieg müsse auch der Fall Shepherd gesehen und beurteilt werden. Jeder Soldat trägt für sein Tun und die damit verbundenen Folgen die volle Verantwortung!
 
Die Folgen der Asylverweigerung sind laut Grundrechtekomitee nicht abzusehen. André Shepherd dürfe nicht an die US-Armee und -Justiz ausgeliefert werden: "Er würde umgehend zu einem Opfer politischer Verfolgung."
 
"Wir werden weitergehen", sagt André Shepherd. "Auch andere Soldaten sollen die Gewissheit haben, dass eine Entscheidung, sich nicht weiter an völkerrechtswidrigen Kriegen oder Verbrechen zu beteiligen, unterstützt wird. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie im Zweifelsfall Schutz erhalten." (PK)
 
Unterstützung und Spenden für den Rechtshilfefonds für den anstehenden Prozess von André Shepherd sind unter www.Connection-eV.de/aktion-usa.php möglich. 


Online-Flyer Nr. 297  vom 13.04.2011



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