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Inland
Mein Wochenende bei der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland
Mit den Lieblingen vom Verfassungsschutz
Von Dr. Sabine Schiffer
Sabine Schiffer – besuchte die
Islamische Gemeinschaft in
Deutschland (IGD)
NRhZ-Archiv
Natürlich reizte es mich auch, Peter Scholl-Latour sprechen zu können. Jedoch ergab sich nach dem gemeinsamen Podium keine weitere Gelegenheit dazu – alle waren belagert mit Fragen, Gesprächen und guten Wünschen. Sicherlich werden es die islamopho- ben Internetbeschmutzer versuchen, zusätzlich aus der Anwesenheit von Oguz Ücüncü von Milli Görüs, Scholl-Latour und mir einen islamistischen Strick zu drehen, weil ja in einem Islamismus-Ver- dachtsfall ein Freispruch nichts zählt. Nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen Ücüncü und El-Zayat von der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD) einstellen musste, scheint das Stigma unberührt davon einfach weiter zu existieren – mit Folgen nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern für uns alle, weil sich eine Verdachtskultur vor der Unschuldsvermutung breit macht. Und wer bekommt schon mit, welche Probleme die langjährig Inkriminierten heute haben, den entstandenen Schaden überhaupt zu beziffern. Immerhin wurden sie aufgefordert Schadensersatzforderungen zu stellen.
Aiman Mazyek zu meiner Rechten scheint das einzige unbeschriebene Blatt – verfassungsschutzberichtstechnisch – unter den Muslimen auf dem Podium. All diese Geschichten habe ich im Kopf, wie ich da sitze und den riesigen Saal der Kölner Stadthalle sich füllen sehe. Ibrahim El-Zayat moderiert das Podium zum Leitthema der Veranstaltung: "Verbindung schaffen, Ausgrenzung stoppen“, das auch auf die demokratischen Bewegungen im Nahen Osten mittels der analytischen Kompetenz von Peter Scholl-Latour eingehen wollte. El-Zayat scheint die männliche Verkörperung des Phänomens, welches Angelika Königseder vom Zentrum für Antisemitismusforschung in folgendem Satz kondensierte: „Die kopftuchtragende Putzfrau hat uns nicht gestört, uns stört die kopftuchtragende Akademikerin!“ Auch ohne Kopftuch erfüllt El-Zayat genau das dahinter aufscheinende Profil, wie Al Khalifa auch und die vielen Ärztinnen, Ingenieure und Juristen, die die Veranstaltung der IGD besuchen. Sie sind ausgesprochen erfolgreich, beanspruchen ihren Platz in der Gesellschaft, tragen bei und wollen mitgestalten.
Diese Haltung des Mitgestaltenwollens ist unserem Geheimdienst, dem Verfassungsschutz, offensichtlich ein Dorn im Auge. Es ist auffällig, dass nicht so sehr die Nachthemd tragenden Dubiosprediger in deren Visier stehen, sondern diese Anzug tragenden, mehrere Sprachen sprechenden und das Bruttosozialprodukt steigernden erfolgreichen Muslime. Mögliche Vorbilder und die Konkurrenten des Mittelstandes, der sozialen Abstieg fürchtet und dessen steigender Rassismus ja entsprechend in den Studien "Deutsche Zustände“ von Wilhelm Heitmeyer & Co. nachgewiesen wurde. Auch die Aktivitäten des Verfassungsschutzes tragen zu einem islamfeindlichen Klima bei: Dazu gehört natürlich die Betonung des sogenannten islamistischen Terrors, auch wenn der in den Statistiken im Vergleich zu anderem Terror eine untergeordnete Rolle spielt. Dazu gehören aber auch Aktivitäten, wie sie angesichts des GIMPF-Strafprozesses in München offenbar wurden – dass nämlich der Kopf dieser "Globalen Islamischen Medienfront" ein V-Mann gewesen sein könnte, ähnlich wie es sich bei den "Sauerlandattentätern" herausstellte. Alles nur Hirngespinste oder handfeste Fehlleistungen?
Dass der Verfassungsschutz ganz aktiv Verdacht und Misstrauen pflegt, legt auch die hartnäckige "Beobachtung“ des Vorsitzenden der gut integrierten Erlanger Friedensmoschee sowie die des Imams der Vorzeigemoschee in Penzberg nahe. Die Münchner Journalistin Claudia Mende geht dem Eiertanz um Imam Idris von der Penzberger Moschee, Verfasser von "Grüß Gott, Herr Imam“ in einem Artikel auf www.qantara.de nach. Ihr Kollege vom Bayerischen Rundfunk, Stefan Meining, verfolgt in seinem Buch über "Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam in Deutschland“ die Szenerie ganz gemäß dem Blickwinkel des besagten Geheimdienstes. Misstrauen und Verschwörungsthesen dominieren auch dieses Thema bei seinen Sendungen bei Report München. Tja, was nun? Wie gefährlich kann ein erfolgreicher Muslim sein? Und was unterscheidet ihn von einem erfolgreichen Christen mit Beziehungen zu Fundamentalisten wie beispielweise Volker Kauder oder Günter Beckstein?
Einige Klischees konnte man in Köln und Stuttgart schon erfüllt sehen. Etwa die Ausstellung "Moderne Wissenschaft und Koran“, die nahe legt, dass das was die Wissenschaft inzwischen ermittelt hat, im Koran bereits formuliert oder zumindest angedeutet wurde – und sich Schöpfung und Evolution integrieren lassen. Das ist Kreationismus auf islamisch. Einer Ungläubigen, sprich gänzlich Religionslosen wie mir, ist diese Art der Weltsicht aber ebenso suspekt, wenn sie von christlichen Fundamentalisten propagiert wird – wie einst von der hessischen Kultusministerin Karin Wolff (CDU). Und in der Tat, auf Nachfrage lässt sich ermitteln, dass das saudische Frauenprojekt, das die Forschungsarbeit für die Ausstellung betrieb, von den Werken christlicher Kreationisten inspiriert wurde und erst daraufhin dieses Projekt entstand. Aber auch Harun Yahya dürfte einer der Inspiratoren für dieses Denken sein – denn das Internet ist voll von seinen vielfach übersetzten kreationistischen Webportalen. Nun, das mögen sich viele nicht unter befruchtenden internationalen Beziehungen vorgestellt haben – aber auch das ist möglich. Tja, und der Verantwortliche der IGD klärt mich im Nachgang der Veranstaltung auf, dass man die Stellfläche für die Ausstellung an die Frauen-Sektion aus Jiddah vermietet habe, ebenso wie die Kleider- und Bücherstände – während viele nicht einmal Zeit fanden, diese zu betrachten. Dazu bietet die ausgelegte Broschüre aber noch nachträglich Gelegenheit…
Dann bin ich überrascht, dass eine Journalistin in der Berichterstattung das Getrenntsitzen von Frauen und Männern betont. Das ist zwar gute Medientradition, war mir aber, aus dem rheinischen Katholizismus stammend, natürlich gar nicht aufgefallen, weil es ja dort in vielen Kirchen auch heute noch so ist – übrigens, ohne Schilder und irgendwie automatisch, wie auch hier.
Inzwischen sind wir in Stuttgart, wo der Verfassungsschutz für die Veranstaltung offensichtlich Werbung gemacht hat – im Gegensatz zu der in Köln, wo die Medien den Event ignorierten. In Stuttgart waren dagegen neben dem SWR auch Berichterstatter aus dem Printbereich anwesend. Alles, was das übliche Framing der IGD hätte in Frage stellen können, wurde konsequent weg gelassen – so beispielsweise die Anwesenheit von Frau Berg, die vor allem die Kinder zum Bemalen der Friedensbanderole einlud(2), sowie auch die Vorstellung diverser Projekte durch Houaida Taraji, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Von Zensur oder dem Schrei nach Meinungsfreiheit ist in einem solchen Zusammenhang selten die Rede.
Ja, und die Kürze der Formulierung produziert so ihre Schieflage hinzu: Wenn aus einer Ansprache, die dazu aufruft, „den Westen“ nicht „als verdorben zu betrachten“ und „sich nicht abzusondern“, folgende Kurzbeschreibung wird: „man solle sich nicht vom verdorbenen Westen absondern“, dann hat die eine andere Bedeutung als die Gehörte. Übrigens: Scheich Abdelfattah Mourou von Al-Nahda und Anwalt, der einige Jahre in Deutschland im Exil lebte und sehr gut Deutsch spricht, dennoch seinen Vortrag auf Arabisch hielt, stellte sich mir als „linker Scheich“ vor – im Gegensatz zu seinem Kollegen Ghannouchi, der kürzlich wieder in Tunesien einreiste. Wenn es auch nicht gerade erbitterte Flügelkämpfe sind, so bot sich dennoch die Möglichkeit, Informationen aus erster Hand zu erhalten. Ich nehme ja an, Vertreter des Verfassungsschutzes waren jeweils anwesend. Aber man musste sich anmelden, denn die zugelassene Teilnehmerzahl war zumindest in Stuttgart polizeilich genau begrenzt und wurde strengstens kontrolliert – aus Sicherheitsgründen. (PK)
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16374
(2) http://www.banderole-frieden.de/d/Home.html
Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen.
Online-Flyer Nr. 299 vom 27.04.2011
Mein Wochenende bei der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland
Mit den Lieblingen vom Verfassungsschutz
Von Dr. Sabine Schiffer
Sabine Schiffer – besuchte die
Islamische Gemeinschaft in
Deutschland (IGD)
NRhZ-Archiv
Aiman Mazyek zu meiner Rechten scheint das einzige unbeschriebene Blatt – verfassungsschutzberichtstechnisch – unter den Muslimen auf dem Podium. All diese Geschichten habe ich im Kopf, wie ich da sitze und den riesigen Saal der Kölner Stadthalle sich füllen sehe. Ibrahim El-Zayat moderiert das Podium zum Leitthema der Veranstaltung: "Verbindung schaffen, Ausgrenzung stoppen“, das auch auf die demokratischen Bewegungen im Nahen Osten mittels der analytischen Kompetenz von Peter Scholl-Latour eingehen wollte. El-Zayat scheint die männliche Verkörperung des Phänomens, welches Angelika Königseder vom Zentrum für Antisemitismusforschung in folgendem Satz kondensierte: „Die kopftuchtragende Putzfrau hat uns nicht gestört, uns stört die kopftuchtragende Akademikerin!“ Auch ohne Kopftuch erfüllt El-Zayat genau das dahinter aufscheinende Profil, wie Al Khalifa auch und die vielen Ärztinnen, Ingenieure und Juristen, die die Veranstaltung der IGD besuchen. Sie sind ausgesprochen erfolgreich, beanspruchen ihren Platz in der Gesellschaft, tragen bei und wollen mitgestalten.
Diese Haltung des Mitgestaltenwollens ist unserem Geheimdienst, dem Verfassungsschutz, offensichtlich ein Dorn im Auge. Es ist auffällig, dass nicht so sehr die Nachthemd tragenden Dubiosprediger in deren Visier stehen, sondern diese Anzug tragenden, mehrere Sprachen sprechenden und das Bruttosozialprodukt steigernden erfolgreichen Muslime. Mögliche Vorbilder und die Konkurrenten des Mittelstandes, der sozialen Abstieg fürchtet und dessen steigender Rassismus ja entsprechend in den Studien "Deutsche Zustände“ von Wilhelm Heitmeyer & Co. nachgewiesen wurde. Auch die Aktivitäten des Verfassungsschutzes tragen zu einem islamfeindlichen Klima bei: Dazu gehört natürlich die Betonung des sogenannten islamistischen Terrors, auch wenn der in den Statistiken im Vergleich zu anderem Terror eine untergeordnete Rolle spielt. Dazu gehören aber auch Aktivitäten, wie sie angesichts des GIMPF-Strafprozesses in München offenbar wurden – dass nämlich der Kopf dieser "Globalen Islamischen Medienfront" ein V-Mann gewesen sein könnte, ähnlich wie es sich bei den "Sauerlandattentätern" herausstellte. Alles nur Hirngespinste oder handfeste Fehlleistungen?
Dass der Verfassungsschutz ganz aktiv Verdacht und Misstrauen pflegt, legt auch die hartnäckige "Beobachtung“ des Vorsitzenden der gut integrierten Erlanger Friedensmoschee sowie die des Imams der Vorzeigemoschee in Penzberg nahe. Die Münchner Journalistin Claudia Mende geht dem Eiertanz um Imam Idris von der Penzberger Moschee, Verfasser von "Grüß Gott, Herr Imam“ in einem Artikel auf www.qantara.de nach. Ihr Kollege vom Bayerischen Rundfunk, Stefan Meining, verfolgt in seinem Buch über "Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam in Deutschland“ die Szenerie ganz gemäß dem Blickwinkel des besagten Geheimdienstes. Misstrauen und Verschwörungsthesen dominieren auch dieses Thema bei seinen Sendungen bei Report München. Tja, was nun? Wie gefährlich kann ein erfolgreicher Muslim sein? Und was unterscheidet ihn von einem erfolgreichen Christen mit Beziehungen zu Fundamentalisten wie beispielweise Volker Kauder oder Günter Beckstein?
Einige Klischees konnte man in Köln und Stuttgart schon erfüllt sehen. Etwa die Ausstellung "Moderne Wissenschaft und Koran“, die nahe legt, dass das was die Wissenschaft inzwischen ermittelt hat, im Koran bereits formuliert oder zumindest angedeutet wurde – und sich Schöpfung und Evolution integrieren lassen. Das ist Kreationismus auf islamisch. Einer Ungläubigen, sprich gänzlich Religionslosen wie mir, ist diese Art der Weltsicht aber ebenso suspekt, wenn sie von christlichen Fundamentalisten propagiert wird – wie einst von der hessischen Kultusministerin Karin Wolff (CDU). Und in der Tat, auf Nachfrage lässt sich ermitteln, dass das saudische Frauenprojekt, das die Forschungsarbeit für die Ausstellung betrieb, von den Werken christlicher Kreationisten inspiriert wurde und erst daraufhin dieses Projekt entstand. Aber auch Harun Yahya dürfte einer der Inspiratoren für dieses Denken sein – denn das Internet ist voll von seinen vielfach übersetzten kreationistischen Webportalen. Nun, das mögen sich viele nicht unter befruchtenden internationalen Beziehungen vorgestellt haben – aber auch das ist möglich. Tja, und der Verantwortliche der IGD klärt mich im Nachgang der Veranstaltung auf, dass man die Stellfläche für die Ausstellung an die Frauen-Sektion aus Jiddah vermietet habe, ebenso wie die Kleider- und Bücherstände – während viele nicht einmal Zeit fanden, diese zu betrachten. Dazu bietet die ausgelegte Broschüre aber noch nachträglich Gelegenheit…
Dann bin ich überrascht, dass eine Journalistin in der Berichterstattung das Getrenntsitzen von Frauen und Männern betont. Das ist zwar gute Medientradition, war mir aber, aus dem rheinischen Katholizismus stammend, natürlich gar nicht aufgefallen, weil es ja dort in vielen Kirchen auch heute noch so ist – übrigens, ohne Schilder und irgendwie automatisch, wie auch hier.
Inzwischen sind wir in Stuttgart, wo der Verfassungsschutz für die Veranstaltung offensichtlich Werbung gemacht hat – im Gegensatz zu der in Köln, wo die Medien den Event ignorierten. In Stuttgart waren dagegen neben dem SWR auch Berichterstatter aus dem Printbereich anwesend. Alles, was das übliche Framing der IGD hätte in Frage stellen können, wurde konsequent weg gelassen – so beispielsweise die Anwesenheit von Frau Berg, die vor allem die Kinder zum Bemalen der Friedensbanderole einlud(2), sowie auch die Vorstellung diverser Projekte durch Houaida Taraji, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Von Zensur oder dem Schrei nach Meinungsfreiheit ist in einem solchen Zusammenhang selten die Rede.
Ja, und die Kürze der Formulierung produziert so ihre Schieflage hinzu: Wenn aus einer Ansprache, die dazu aufruft, „den Westen“ nicht „als verdorben zu betrachten“ und „sich nicht abzusondern“, folgende Kurzbeschreibung wird: „man solle sich nicht vom verdorbenen Westen absondern“, dann hat die eine andere Bedeutung als die Gehörte. Übrigens: Scheich Abdelfattah Mourou von Al-Nahda und Anwalt, der einige Jahre in Deutschland im Exil lebte und sehr gut Deutsch spricht, dennoch seinen Vortrag auf Arabisch hielt, stellte sich mir als „linker Scheich“ vor – im Gegensatz zu seinem Kollegen Ghannouchi, der kürzlich wieder in Tunesien einreiste. Wenn es auch nicht gerade erbitterte Flügelkämpfe sind, so bot sich dennoch die Möglichkeit, Informationen aus erster Hand zu erhalten. Ich nehme ja an, Vertreter des Verfassungsschutzes waren jeweils anwesend. Aber man musste sich anmelden, denn die zugelassene Teilnehmerzahl war zumindest in Stuttgart polizeilich genau begrenzt und wurde strengstens kontrolliert – aus Sicherheitsgründen. (PK)
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16374
(2) http://www.banderole-frieden.de/d/Home.html
Dr. Sabine Schiffer ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung in Erlangen.
Online-Flyer Nr. 299 vom 27.04.2011