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Treffen von "Business Crime Control" (BCC) - zum 20jährigen Bestehen
Speerspitze der Aufklärung
Von Markus Omar Braun
Wer die Vorzüge von investigativem Journalismus kennenlernen oder vielleicht sogar erste Schritte in diese Richtung wagen wollte, war am vergangen Samstag mit dem Besuch der BCC-Konferenz(1) in Frankfurt-Bockenheim richtig bedient. Bei der Vorstellung, sich das rückwärtige Ende von 10 Uhr des Morgens bis 8 Uhr des Abends plattzusitzen und einem Vortrag nach dem anderen zu lauschen, waren, das sei ehrlich eingestanden, dem Berichterstatter zunächst leichte Zweifel gekommen und er hatte schon einen Spaziergang oder zwei in Gedanken zur sinnvollen Unterbrechung eingeplant.
Dieter Schenk
Nicht so vor Ort. Eingeleitet wurde die Veranstaltung nämlich von Dieter Schenk. Dieser Herr, langjähriger Mitarbeiter des BKA, wusste die Zuhörer, die ihn und sein Anliegen noch nicht kannten, mit Berichten aus der anrüchigen Vergangenheit des BKA zu schocken. Wenn Linke und andere kritische Zeitgenossen sich abmühen, den neo-kolonialistischen Charakter der aktuellen Welt(un)ordnung theoretisch abzuleiten, so machte den Zuhörer in Dieter Schenks Bericht die Unverfroren- heit, mit der von Bundesregierung, Diplomaten und BKA bewusst Folterregimes nicht nur materiell unterstützt werden, hellwach. Herr Schenk, der in seinen vielfältigen Publikationen (2) auch über "Die braunen Wurzeln des BKA" berichtet hat, kann offensichtlich nicht nur über Wurzeln, sondern auch über deren Fortsetzung bis in die Gegenwart berichten. Nicht zuletzt dafür erhielt er 2007 den von der Humanistischen Union gestifteten "Fritz Bauer Preis".
Dieser eine der offensichtlich viel zu vielen alltäglichen sozialen Skandale unserer Republik, in der eben gar nicht viel mit rechten Dingen zugeht, verdient mehr als nur kursorische Erwähnung – was demnächst auch nachgeholt werden soll. So sei dem Berichterstatter auch verziehen, wenn er den weiteren Verlauf dieses von Nachrichten aus "unserem" Lande übervollen Tages nur in Schlaglichtern beleuchten kann: Dr. Hans See, mit Dieter Schenk einer der Mitgründer des BCC vor nun 20 Jahren, verdient nicht nur wegen seiner Arbeit in dieser Sache und Vereinigung, sondern auch im engen Verwobensein seines ganzen Lebenslaufs mit der westdeutschen Nachkriegsgeschichte mehr als einen Artikel. Hier (4) wie auch bei den anderen vorgestellten Referenten muss vorerst ein Hinweis auf Informationsmöglichkeiten im Internet oder auf dem Buchmarkt genügen.
Dr. Erich Schöndorf – ehemaliger
Staatsanwalt, jetzt Professor für Umweltrecht
Dr. Erich Schöndorf, ehemaliger Frankfurter Staatsanwalt und bekannt aus dem Holzschutzmittelprozess, informierte auf dem Treffen nicht nur über die rechtlichen Wägbarkeiten und Unwägbar-keiten der Rechtslage im Umweltstrafrecht, sondern wusste die Zuhörer auch mit Einblicken in die gesellschaft- liche Realität zu verblüffen, wenn er zum Beispiel erwähnte, wie in seiner Zeit als Staatsanwalt in einer durchsuchten Firma auf Anweisung von deren Rechtsabteilung flugs der Werksschutz erschien, um den armen von staatlicher Beschlagnahme bedrohten Aktenordnern gegen die polizeiliche Repression durch mit Pistolen Bewaffneten (!) Schutz zu gewähren – so weit sind einige Staaten Südamerikas gar nicht von unserer Realität entfernt (5). Das bestätigte manche Erzählung von Dieter Schenk, verband diesen aber auch mit wesentlichen Eindrücken aus den Vorträgen von Dr. Stephan Hessler (6) und Jürgen Roth (7).
Online-Flyer Nr. 302 vom 18.05.2011
Treffen von "Business Crime Control" (BCC) - zum 20jährigen Bestehen
Speerspitze der Aufklärung
Von Markus Omar Braun
Wer die Vorzüge von investigativem Journalismus kennenlernen oder vielleicht sogar erste Schritte in diese Richtung wagen wollte, war am vergangen Samstag mit dem Besuch der BCC-Konferenz(1) in Frankfurt-Bockenheim richtig bedient. Bei der Vorstellung, sich das rückwärtige Ende von 10 Uhr des Morgens bis 8 Uhr des Abends plattzusitzen und einem Vortrag nach dem anderen zu lauschen, waren, das sei ehrlich eingestanden, dem Berichterstatter zunächst leichte Zweifel gekommen und er hatte schon einen Spaziergang oder zwei in Gedanken zur sinnvollen Unterbrechung eingeplant.
Andere Einsichten in Polizeiarbeit
Dieter Schenk
NRhZ-Archiv
Unbekannte Opfer der Ostpolitik
Stattdessen – ein proppevolles Programm zwang zur Disziplin – die Vorstellung von Günther Kozica, dem diesjährigen durch den BCC-Preis Geehrten (3). Der Fall Slaviatours, leider allgemein viel zu wenig bekannt, hat diesen Herrn und seine mittlerweile leider verstorbene Frau materiell fast vollständig zugrunde gerichtet – der Leviathan, der Menschen frisst und Regelungen ausscheidet, hat auch hier zugeschlagen und schlägt Herrn Kozica wohl immer noch. Er, der als Reiseunternehmer in Kontrakt mit der sowjet-staatlichen Donauschifferei 1982 einen Anwerbungsversuch des KGB ablehnte und dafür mit ökonomischer Ruinierung durch doppelte Zahlung einer Millionensumme abgestraft werden sollte, erlebte nach scheinbar anfänglicher Unterstützung durch die bundesdeutsche Regierung die Zerstörung seiner Existenz aus Staatsräson der damaligen schwarzgelben Koalition ("Freiheit statt Sozialismus") und ähnliche Behandlung dann auch unter der rotgrünen "Reformregierung". Regierungswechsel in Berlin hin, Systemwechsel im Osten her – dieser Mann und diese Frau mussten einfach bluten. Wer denn sonst, wenn nicht normale Menschen? Bewundernswert, wie Herr Kozica, jetzt im 78. Jahr seines zuletzt auch sehr schweren Lebens, Lebensmut und Selbstachtung bewahrt hat, nach wie vor ungebeugt auf der Wahrheit und damit der ihm zustehenden Rehabilitierung besteht, aber zugleich keinen persönlichen Hass und keine Verbitterung zeigt.
Illustres Podium – bei den Gründern angefangen
Umweltstrafrecht aus erster Hand
Dr. Erich Schöndorf – ehemaliger
Staatsanwalt, jetzt Professor für Umweltrecht
Quelle: www.aussichten-online.de
Globalisierung der Korruption
Dr. Hessler wies auf ein eigenartiges Phänomen der Globalisierung der Märkte und Konzerne hin, nämlich dass die weltumspannende Arbeit der Big Players, der heutigen Weltkonzerne, weniger dazu führt, dass der "Manchester-Kapitalismus" der Entwicklungs- und Schwellenländer durch "unsere" Führungskräfte und "unsere" vermeintlich hohe Wirtschaftsmoral gemildert wird. Vielmehr führt der internationale Einsatz der Managerelite regelmäßig dazu, dass diese eben auch fleißig Korruptionstechniken, Geldwäschepraktiken usw. auf Weltniveau lernt und diesbezügliche "Fortschritte" von "emerging markets" dann nach Europa oder in die USA reimportiert. Margrit Lichtinghagen (8), ehemals Oberstaatsanwältin in Bochum und mit einem Zumwinkel-Prozess betraut, dann durch Intrigen in ihrem Amt erfolgreich ans Amtsgericht Essen als Richterin vergrault, wollte zwar über „Die Rolle der Staatsanwaltschaften im Kampfe gegen Wirtschaftskriminalität“ referieren, war aber durch Unfall und Erkrankung daran verhindert.
Deutschland - Mafialand
Stattdessen erläuterte Jürgen Roth, warum es in Deutschland ganz ohne Todesdrohungen gegen die ermittelnden Staatsanwälte zu einem faktischen Ermittlungsstopp in Sachen organisierter Kriminalität gekommen ist. Neben Hinweisen auf dann schon erstaunliche Querverbindungen der Politik mit dem anrüchigen grenzüberschreitenden Geschäft diskutierte er, wie zuvor und danach auch andere Referenten, das erstaunliche Faktum der Weisungsgebundenheit der deutschen Staatsanwaltschaft (d.h. dass jede staatsanwaltschaftliche Ermittlung auf Weisung des Dienstvorgesetzten, spätestens aber des jeweiligen Justizministers meistens des betr. Landes, ohne Angabe von Gründen unbedingt einzustellen ist) und deren verheerende Folgen für die Strafermittlung gegen Gauner in Schlips und Zwirn. Verschlimmert wird diese prekäre Lage noch durch die tägliche Bedrohung der aufdeckenden Journalisten infolge vermehrter Beleidigungsklagen von Seiten der von der Berichterstattung betroffenen Personen und der Förderung solcher Klagen und ihres Erfolgs durch die in dieser Beziehung international zurzeit einzigartige deutsche Rechtssprechung.
Franz Kafka und die Frankfurter Steuerfahndung
In diesem Zusammenhang wies Prof. See auf den Rechtshilfefonds des BCC, aber auch das spezielle Spendenkonto für die Unterstützung von Jürgen Roth hin, der zur Zeit wieder Opfer einer solchen Klagewelle zu werden droht, welche auch zu seiner wirtschaftlichen Vernichtung führen könne. Was die Brücke zum nächsten und letzten Referenten, dem ehemaligen Steuerfahnder Rudolf Schmenger aus dem Hessischen, schlägt: Herr Schmenger (9) ergänzte die seltsamen Eindrücke von der Staatsanwaltschaft mit seinen äußerst kafkaesken Erlebnissen aus der Steuerfahnderzeit. Er wies auf die Fragwürdigkeit einer Feindbildvorstellung – "die korrupten oder faulen oder was auch immer Beamten von der Polizei, der Staatsanwaltschaft" – und erläuterte im Detail, welche Daumenschrauben denjenigen Beamten regelmäßig angesetzt werden, die auch gegen Großkopferte ermitteln. Ingesamt gipfelte sein Vortrag auch im Resümee, dass die Deutschen aus ihrer Vergangenheit wenig gelernt hätten, nämlich wohl weder kritischen Geist noch die Bedeutung von Gewissen und Zivilcourage.
Viel gelernt, viel zu lernen, viel zu tun
Nicht nur das Podium war hochkarätig besetzt, auch im Publikum fand sich so mancher mit interessanter Vita oder großem Fachwissen. An dieser Stelle nur dem Namen nach und mit Verweis auf Buch oder Website seien genannt: Axel Köhler-Schnura (10), Mitbegründer der Coordination gegen Bayer Gefahren (CBG) (11), Dr. Hans-Joachim Selenz, Ex-Vorstand der Preussag und Salzgitter AG (12), und Frank Wehrheim, der ehemalige Vorgesetzte und Mitkämpfer von Rudolf Schmenger (13). Alle anderen, die hier keine Erwähnung finden konnten, seien um Entschuldigung gebeten, ebenfalls alle im Bericht Erwähnten, da ja ihren Anliegen durch die gebotene Kürze kaum Gerechtigkeit widerfahren konnte. Auf jeden Fall wird klar geworden sein, warum der Berichterstatter wie das ganze Publikum den Ausklang mit Kabarett von Heinrich Pachl nicht nur genoss, sondern den Veranstaltungsort bis dahin entgegen seiner ursprünglichen Absicht keinen Moment verlassen hatte. Den Lesern sei hiermit die weitere Aufmerksamkeit gegenüber BCC, aber auch dessen Unterstützung durch Spende und Mitgliedschaft ans Herz gelegt. (PK)
Anmerkungen
(1) Im Internet: http://www.wirtschaftsverbrechen.de/
(5) Dr. Schöndorf ist Professor an der FH Frankfurt: http://www.fh-frankfurt.de/de/fachbereiche/fb3/ansprechpartnerinnen/professoreninnen/schoendorf.html
Hier seine Bücher bei Libri: http://www.libri.de/shop/action/quickSearch?facetNodeId=-1&searchString=erich+sch%C3%B6ndorf&mainsearchSubmit=Los!
Libri ist der Großhändler der meisten kleinen Buchhändler; mit der Libri-Nummer kann man also meistens bei der Buchhandlung um die Ecke auf den nächsten Werktag jedes beim Großhändler vorrätige Buch bestellen. Besser als Amazon u. a. Monopolisten im Internet.
(6) Er hat zurzeit an der JLU Gießen eine Vertretung inne:
http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb03/institute/institut-fur-politikwissenschaft/Personen/hessler; ferner ist er neben seiner Arbeit im Vorstand von BCC noch für den wissenschaftlichen Beirat von attac tätig:
(7) Im Internet: http://www.juergen-roth.com/ und http://www.mafialand.de
(8) Bei Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Margrit_Lichtinghagen
(9) Information zum Fall Schmenger et coll.:
Ihm und seinem ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten wurde ein Preis verliehen:
bzw. die Begründung : http://www.vdw-ev.de/images/stories/vdwdokumente/aktuelles/jurybegruendung%20whistleblower-preis%202009.pdf
Interview mit ihm in der NRhZ 2005: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=1026
(12) Prof. Dr. Selenz wurde Opfer seiner Beharrlichkeit, als er gefälschte Bilanzen nicht absegnen wollte. Seine Reise durch eine der deutschen Parallelwelten hat er in seinem Buch beschrieben:
Neu im Druck sein Erfahrungsbericht:
Der Autor, Jahrgang '67, seit 1999 Muslim (praktizierend), Diplom-Mathematiker, lebt zur Zeit in Frankfurt am Main.
Online-Flyer Nr. 302 vom 18.05.2011