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Kultur und Wissen
Dichter, Philosoph, Maler, Sozial – und Bildungsreformer:
Rabindranath Tagore
Von Jose Punnamparambil
Wenn ich über Tagore rede, kommt mir eine Erinnerung aus der Zeit meines
Rabindranath Tagore
Quelle: wikipedia
Hochschulstudiums in Kerala im Sinne. Ich war damals 18 Jahre alt und hatte viel von Rabindranath Tagore gehört. So ging ich eines Tages zu dem College-Bibliothek und lieh mir Tagor’s „Gitanjali“ aus. Als ich mich in das Buch einlas, Gedichte und Gedichte, kamen mir die Tränen herunter. Ich war so ergriffen und berührt. Die Tränen waren die Ausdrücke meiner inneren Gefühle. Ein Gedicht, das ich immer noch sinngemäß in der Erinnerung habe, zitiere ich jetzt aus der Übersetzung des bekannten deutschen Tagore-Übersetzers Martin Kämpchen:
'Wenn das Leben ausgedorrt ist, komm herab als Strom des Erbarmens.
Wenn alle Milde zerrinnt, komm
Im Nektar köstlicher Lieder.
Wenn Übermaß der Pflicht
die Welt in Dröhnen hüllt,
komm, Schweige-Herr, ins Herz
mit leisen Schritten.
Wenn der Geist verschlossen bleibt,
hart vor Geiz und kleinlich,
reiß auf das Tor, großmütiger Herr,
komm im Prunk eines Königs.
Wenn der Begierden Wirbelstaub
blendet und täuscht den Tor,
komm, o Reiner, Ewig-Wacher,
im mächtigen Schlag des Lichts.'
Ich habe später viele seiner Werke - Gedichte, Lieder, Romane, Theaterstücke undsoweiter - gelesen und wurde dadurch reicher.
Tagore war ein großer Dichter, er hat in seiner Lebzeit außer Gitanjali tausende von Gedichten und Liedern geschrieben. Er schrieb aber in seiner Muttersprache Bengali. Gitanjali, die Gedichtsammlung die ihm Literaturnobelpreis brachte, hatte er aber selbst ins Englische übertragen. Auch viele andere seiner Werke.
Tagore war aber nicht nur ein Dichter, er war auch ein Philosoph, Visionär, Maler, Sozial- und Bildungsreformer. Dazu noch war er ein Komponist und entwickelte eine Musikrichtung die wir heute die Rabindramusik nennen. Die Lieder die Tagore geschrieben hat sind eine perfekte Mischung aus Melodie und Lyrik, die beide eine untrennbare Einheit bilden und eine einzigartige musikalische Sprache sprechen. Ich hoffe dass wir einige Kostprobe davon heute haben werden.
Über Bildung hatte Tagore eine eigene Meinung und eigenes Konzept: Bildung
Jose Punnamparambil, Kölner
Journalist | Foto: H.-D. Hey
muss, nach seiner Auffassung, zu einem Verständnis der dem Kosmos zu Grunde liegenden Einheit führen, und demzufolge von einer Perspektive absehen, die Dinge im Konflikt miteinander sieht - wie z.B. der Mensch im Konflikt mit der Natur oder mit anderen Arten. So wurde die Tagore-Schule in Santiniketan errichtet, wo später die bekannte Universität Vishwa Bharati entstand. Die meisten Unterrichtstunden werden hier im Freien - im Schatten der mächtigen Bäume abgehalten.
Man kann vielleicht sagen, dass es Tagore war, der die Tür zur modernen Zeit in indischer Malerei geöffnet hat. Mehr als 2000 Bilder malte er zwischen 1928 und 1940. Durch seine Malerei versuchte Tagore seiner Vision von einer Welt ohne geografische und nationale Grenzen künstlerisch Ausdruck zu verleihen. Seine Malerei war wie das Motto von Visva Bharati, die Universität, die er gegründet hat, nämlich: „Wo sich die Welt in einem Nest zusammen findet.“
Rabindranath Tagore war ein großer Freund von Deutschland. Martin Kämpchen schreibt in seinem neu erschienen Band „Mein Lieber Meister“ über dieser Freundschaft: „Rabindranath Tagore hatte eine besondere Zuneigung zum deutschen Volk, denn es war von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges gedemütigt worden. Tagore hoffte, den Deutschen Trost und Mut zu spenden. Seine Affinität zu Deutschland war umso stärker, als sein Land ebenso von seinen Kolonisatoren, den Engländern, gedemütigt wurde. In beiden Ländern entdeckte er ein merkwürdiges Ungleichgewicht zwischen ihrer kulturellen Größe und der politischen Situation."
Ausdruck für indische Musik und Tanz auf der Auftaktveranstaltung
im Rautenstrauch-Jost-Museum Köln | Film: Hans-Dieter Hey
Darum war es dem Dichter wichtig, Deutschland, sobald es nach dem ersten Weltkrieg möglich war, zu besuchen. Im Jahr 1920 versuchte er, Deutschland von Holland aus zu erreichen. Doch hatte er nicht früh genug ein Visum beantragt. Darum musste er weiterreisen. Im Jahr darauf, 1921, reiste er etwa einen Monat lang durch Deutschland. Danach besuchte er Deutschland wieder in den Jahren 1926 und 1930. Der Besuch von 1921 hatte eine große öffentliche Wirkung. Tagore hielt Vorträge vor überfüllten Sälen, man riss sich darum, ihn zu sehen und zu sprechen. Empfänge, Ehrungen nicht nur von der literarischen Welt, sondern auch von Universitäten, Politikern und Adeligen waren üblich. Allerdings aus diesen Besuchen ergaben sich dauernde Freundschaften und Korrespondenz nur mit drei Personen: Graf Keyserling, Paul Geheeb und Helene Meyer-Frank.
Wie gesagt, Tagore war nicht nur ein literarisches Genie sondern auch ein Philosoph und Visionär. Er hatte gute Kontakte zu Albert Einstein, mit dem er über philosophische Fragen ein paar wichtige Gespräche geführt hat. Um seine Weltsicht zu verdeutlichen, zitiere ich aus einer Rede, die er 1921 hielt:
„Uns muss die Frage nach einem einzigen Land beschäftigen, die Frage nach unserer Erde, wo es unterschiedlichen Rassen wie auch Einzelpersonen möglich sein muss, sich frei zu entfalten und gleichzeitig Solidarität mit dem Völkerbund zu üben. Es geht darum, eine Einheit zu schaffen, die noch mächtiger ist, mit einem noch weiteren Horizont und noch größerem Mitgefühl.... Die Wissenschaft der Meteorologie kennt die Wahrheit, wenn sie bestätigt, dass die Atmosphäre der Erde überall die gleiche ist, auch wenn sie die unterschiedlichsten Teile des Universums auf unterschiedliche Art beeinflusst. Gleichermaßen müssen wir begreifen, dass die Seele des Menschen das Eine ist, das auf unterschiedliche Art zum Leben erwacht und das notwendig ist, um ihre grundlegende Einheit zum Tragen zu bringen. Diese Wahrheit wird, sobald wir sie selbstlos begreifen, uns helfen, alle wirklichen Unterschiede zwischen den Menschen zu respektieren, ohne unser Bewusstsein um unsere eigene Person aufzugeben und zu erkennen, dass die Vollkommenheit der Einheit nicht Konformität bedeutet, sondern Harmonie.“. (Tagore Educateur: Appel en faveur d’une Université Internationale, Mai 1921, p143/4; éditions Delachaux & Niestle S.A., Neuchâtel et Paris, 1922) Aus einem Beitrag von Ilke Angela Marechal in Indien Perspektive (Sonder-Ausgabe „Rabindranath Tagore“) 2/2010
Mit der 150sten Geburtstagsfeier in diesem Jahr wird Tagore hoffentlich eine Renaissance in Deutschland erleben. Einer der die folgenden Zeilen geschrieben hat, verdient größere Aufmerksamkeit in Deutschland als es bis jetzt der Fall war. Ich zitiere aus Gitanjali Nr. 35:
'Wo der Geist ohne Furcht ist,
Und Menschen das Haupt aufrecht tragen,
Wo das Wissen frei ist,
Wo noch nicht enge Mauern die Welt in Teile zerbrechen,
Wo Worte aus der Tiefe der Wahrheit kommen,
Wo rastloses Streben sich streckt nach Vollendung,
Wo der klare Strom der Vernunft noch nicht im öden Wüstensand
Toter Gewohnheit versickert,
Wo der Geist vorwärtsgeführt wird durch Dich,
In immer weitere Horizonte von Gedanken und Tat -
Zu diesem Himmel der Freiheit, mein Vater,
Lass mein Land erwachen!'
Ich bin sicher, dass Tagore damit nicht nur Indien gemeint hat. Herzlichen Dank!“ (PK)
Online-Flyer Nr. 305 vom 08.06.2011
Dichter, Philosoph, Maler, Sozial – und Bildungsreformer:
Rabindranath Tagore
Von Jose Punnamparambil
Wenn ich über Tagore rede, kommt mir eine Erinnerung aus der Zeit meines
Rabindranath Tagore
Quelle: wikipedia
'Wenn das Leben ausgedorrt ist, komm herab als Strom des Erbarmens.
Wenn alle Milde zerrinnt, komm
Im Nektar köstlicher Lieder.
Wenn Übermaß der Pflicht
die Welt in Dröhnen hüllt,
komm, Schweige-Herr, ins Herz
mit leisen Schritten.
Wenn der Geist verschlossen bleibt,
hart vor Geiz und kleinlich,
reiß auf das Tor, großmütiger Herr,
komm im Prunk eines Königs.
Wenn der Begierden Wirbelstaub
blendet und täuscht den Tor,
komm, o Reiner, Ewig-Wacher,
im mächtigen Schlag des Lichts.'
Ich habe später viele seiner Werke - Gedichte, Lieder, Romane, Theaterstücke undsoweiter - gelesen und wurde dadurch reicher.
Tagore war ein großer Dichter, er hat in seiner Lebzeit außer Gitanjali tausende von Gedichten und Liedern geschrieben. Er schrieb aber in seiner Muttersprache Bengali. Gitanjali, die Gedichtsammlung die ihm Literaturnobelpreis brachte, hatte er aber selbst ins Englische übertragen. Auch viele andere seiner Werke.
Tagore war aber nicht nur ein Dichter, er war auch ein Philosoph, Visionär, Maler, Sozial- und Bildungsreformer. Dazu noch war er ein Komponist und entwickelte eine Musikrichtung die wir heute die Rabindramusik nennen. Die Lieder die Tagore geschrieben hat sind eine perfekte Mischung aus Melodie und Lyrik, die beide eine untrennbare Einheit bilden und eine einzigartige musikalische Sprache sprechen. Ich hoffe dass wir einige Kostprobe davon heute haben werden.
Über Bildung hatte Tagore eine eigene Meinung und eigenes Konzept: Bildung
Jose Punnamparambil, Kölner
Journalist | Foto: H.-D. Hey
Man kann vielleicht sagen, dass es Tagore war, der die Tür zur modernen Zeit in indischer Malerei geöffnet hat. Mehr als 2000 Bilder malte er zwischen 1928 und 1940. Durch seine Malerei versuchte Tagore seiner Vision von einer Welt ohne geografische und nationale Grenzen künstlerisch Ausdruck zu verleihen. Seine Malerei war wie das Motto von Visva Bharati, die Universität, die er gegründet hat, nämlich: „Wo sich die Welt in einem Nest zusammen findet.“
Rabindranath Tagore war ein großer Freund von Deutschland. Martin Kämpchen schreibt in seinem neu erschienen Band „Mein Lieber Meister“ über dieser Freundschaft: „Rabindranath Tagore hatte eine besondere Zuneigung zum deutschen Volk, denn es war von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges gedemütigt worden. Tagore hoffte, den Deutschen Trost und Mut zu spenden. Seine Affinität zu Deutschland war umso stärker, als sein Land ebenso von seinen Kolonisatoren, den Engländern, gedemütigt wurde. In beiden Ländern entdeckte er ein merkwürdiges Ungleichgewicht zwischen ihrer kulturellen Größe und der politischen Situation."
Ausdruck für indische Musik und Tanz auf der Auftaktveranstaltung
im Rautenstrauch-Jost-Museum Köln | Film: Hans-Dieter Hey
Darum war es dem Dichter wichtig, Deutschland, sobald es nach dem ersten Weltkrieg möglich war, zu besuchen. Im Jahr 1920 versuchte er, Deutschland von Holland aus zu erreichen. Doch hatte er nicht früh genug ein Visum beantragt. Darum musste er weiterreisen. Im Jahr darauf, 1921, reiste er etwa einen Monat lang durch Deutschland. Danach besuchte er Deutschland wieder in den Jahren 1926 und 1930. Der Besuch von 1921 hatte eine große öffentliche Wirkung. Tagore hielt Vorträge vor überfüllten Sälen, man riss sich darum, ihn zu sehen und zu sprechen. Empfänge, Ehrungen nicht nur von der literarischen Welt, sondern auch von Universitäten, Politikern und Adeligen waren üblich. Allerdings aus diesen Besuchen ergaben sich dauernde Freundschaften und Korrespondenz nur mit drei Personen: Graf Keyserling, Paul Geheeb und Helene Meyer-Frank.
Wie gesagt, Tagore war nicht nur ein literarisches Genie sondern auch ein Philosoph und Visionär. Er hatte gute Kontakte zu Albert Einstein, mit dem er über philosophische Fragen ein paar wichtige Gespräche geführt hat. Um seine Weltsicht zu verdeutlichen, zitiere ich aus einer Rede, die er 1921 hielt:
„Uns muss die Frage nach einem einzigen Land beschäftigen, die Frage nach unserer Erde, wo es unterschiedlichen Rassen wie auch Einzelpersonen möglich sein muss, sich frei zu entfalten und gleichzeitig Solidarität mit dem Völkerbund zu üben. Es geht darum, eine Einheit zu schaffen, die noch mächtiger ist, mit einem noch weiteren Horizont und noch größerem Mitgefühl.... Die Wissenschaft der Meteorologie kennt die Wahrheit, wenn sie bestätigt, dass die Atmosphäre der Erde überall die gleiche ist, auch wenn sie die unterschiedlichsten Teile des Universums auf unterschiedliche Art beeinflusst. Gleichermaßen müssen wir begreifen, dass die Seele des Menschen das Eine ist, das auf unterschiedliche Art zum Leben erwacht und das notwendig ist, um ihre grundlegende Einheit zum Tragen zu bringen. Diese Wahrheit wird, sobald wir sie selbstlos begreifen, uns helfen, alle wirklichen Unterschiede zwischen den Menschen zu respektieren, ohne unser Bewusstsein um unsere eigene Person aufzugeben und zu erkennen, dass die Vollkommenheit der Einheit nicht Konformität bedeutet, sondern Harmonie.“. (Tagore Educateur: Appel en faveur d’une Université Internationale, Mai 1921, p143/4; éditions Delachaux & Niestle S.A., Neuchâtel et Paris, 1922) Aus einem Beitrag von Ilke Angela Marechal in Indien Perspektive (Sonder-Ausgabe „Rabindranath Tagore“) 2/2010
Mit der 150sten Geburtstagsfeier in diesem Jahr wird Tagore hoffentlich eine Renaissance in Deutschland erleben. Einer der die folgenden Zeilen geschrieben hat, verdient größere Aufmerksamkeit in Deutschland als es bis jetzt der Fall war. Ich zitiere aus Gitanjali Nr. 35:
'Wo der Geist ohne Furcht ist,
Und Menschen das Haupt aufrecht tragen,
Wo das Wissen frei ist,
Wo noch nicht enge Mauern die Welt in Teile zerbrechen,
Wo Worte aus der Tiefe der Wahrheit kommen,
Wo rastloses Streben sich streckt nach Vollendung,
Wo der klare Strom der Vernunft noch nicht im öden Wüstensand
Toter Gewohnheit versickert,
Wo der Geist vorwärtsgeführt wird durch Dich,
In immer weitere Horizonte von Gedanken und Tat -
Zu diesem Himmel der Freiheit, mein Vater,
Lass mein Land erwachen!'
Ich bin sicher, dass Tagore damit nicht nur Indien gemeint hat. Herzlichen Dank!“ (PK)
Online-Flyer Nr. 305 vom 08.06.2011