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Frank Wehrheims Insider-Bericht zur Frankfurter Steuerfahnder-Affäre
Archipel Steufa
Von Markus Omar Braun
Eigentlich ist die Bezeichnung nicht korrekt: Archipel Steufa, Steufa für Steuerfahndung. Als die mittlerweile berühmten Frankfurter Steuerfahnder Wehrheim, Schmenger, Wehner und das Ehepaar Feser ins "Straflager" abgeschoben worden waren, waren sie ja offiziell keine Steuerfahnder mehr. Sie arbeiteten in einer non-entity, einer Kunstbehörde ohne Zweck, außer einem: Aufbewahrung und Abstrafung kritischer, zu aktiver Beamter.
Inside Steuerfahndung" –
Titel des Buches von Frank
Wehrheim und Michael Gösele
Whistleblower aus der Steuerfahndung
Steuervergehen: Vergehen der Wohlhabenden
Online-Flyer Nr. 307 vom 22.06.2011
Frank Wehrheims Insider-Bericht zur Frankfurter Steuerfahnder-Affäre
Archipel Steufa
Von Markus Omar Braun
Eigentlich ist die Bezeichnung nicht korrekt: Archipel Steufa, Steufa für Steuerfahndung. Als die mittlerweile berühmten Frankfurter Steuerfahnder Wehrheim, Schmenger, Wehner und das Ehepaar Feser ins "Straflager" abgeschoben worden waren, waren sie ja offiziell keine Steuerfahnder mehr. Sie arbeiteten in einer non-entity, einer Kunstbehörde ohne Zweck, außer einem: Aufbewahrung und Abstrafung kritischer, zu aktiver Beamter.
Inside Steuerfahndung" –
Titel des Buches von Frank
Wehrheim und Michael Gösele
Wie kam nun Frank Wehrheim mit seinen Kollegen dazu, zu jenem Beamtendasein verurteilt zu werden, das der volkstümliche Witz gerne als vieler Beamten Traum darstellt, welches für die Frankfurter Steuerfahnder aber eher zum Albtraum geriet? Er berichtet darüber in seinem neuen Buch, das er gemeinsam mit Michael Gösele verfasst hat: "Inside Steuerfahndung" (1). Frank Wehrheim hatte das Erscheinen des Buches auf der Tagung des BCC Business Crime Control e.V. am 14. Mai dieses Jahres in Frankfurt am Main angekündigt. (2) Auf demselben Treffen sprach auch Rudolf Schmenger. Er ist wohl zurzeit der Bekannteste der Gruppe der berühmten Frankfurter Steuerfahnder, die allesamt Opfer eines offensichtlich von weiter oben gesteuerten und/oder gebilligten Mobbing wurden. (3) Im Jahre 2009 wurden Rudolf Schmenger und Frank Wehrheim für die Zivilcourage, die sie vor und nach ihrem Gang in die Öffentlichkeit bewiesen, mit dem Whistleblower-Preis ausgezeichnet. (4)
Steuervergehen: Vergehen der Wohlhabenden
Als Frank Wehrheim 1971 mit 22 Jahren in den gehobenen Dienst der Finanzverwaltung eintrat, hätte er sich auch mit der "kriminellen Fantasie" (merke wohl: nicht "Energie"), von der er selber in seinem Insider-Bericht spricht, nicht im geringsten die Karriere ausmalen können, die ihn erwarten sollte. Nachdem er 1975 zur Steuerfahndung wechselte und 1980 dann eigenständig Fälle bearbeiten durfte, war er zuerst mit der Alltagsarbeit der Steuerfahndung befasst, das heißt mit Freiberuflern, kleinen Unternehmern usf. Im Buch sind die vielfältigen Facetten dieser Ansicht unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit in der ersten Hälfte aufgezeichnet. Auch hier paarte sich schon manchmal das Wirtschaftsvergehen mit dem Steuerbetrug, welcher häufig nur die Wirtschaftsstraftat decken musste. In großen Stil kamen da ganz andere Dinge in Frank Wehrheims Karriere vor, unter anderem die illegale Belieferung Pakistans mit Atomtechnologie durch eine hessische mittelständische Firma und die Coop-Affäre, in denen beide Male die Steueraffäre nur die eine Seite einer viel größeren Sache war.
Vor Liechtenstein war Luxemburg
Nach kurzem Streifen der Parteispendenaffäre wenden sich Wehrheim/Gösele in der zweiten Hälfte des Buches dann der Frankfurter Steuerfahnder-Affäre zu. Die fing erst einmal für die Steuerfahnderganz harmlos und eher aufregend an: 1995 kam durch einen Erpressungsversuch eines ehemaligen Mitarbeiters der Commerzbank-Tochter in Luxemburg ein Skandal ins Rollen, der einiges in der Republik erschüttern sollte. Dabei erwies sich die Bank selber im wahrsten Sinne des Wortes als Hort organisierter Kriminalität: Waren doch die Finanzberater wohlhabender Commerzbank-Kunden von ihren Vorgesetzten angewiesen worden, ein bankinternes Steuerflucht-Modell aggressiv zu bewerben. Nicht umsonst waren viele dieser Kunden nun empört, als sie und nicht die Bank im Fokus der Steuerermittler standen – weil eben ihre Daten aus dem Fundus des Erpressers teilweise rekonstruiert wurden. Als wiederum diese Kunden ihrem Zorn Ausdruck verliehen, zeichnete sich das Bild eines großen, von der Commerzbank initiierten und betreuten Betruges ab. Grund genug für die Frankfurter Steuerfahndung, die Commerzbank-Zentrale in Frankfurt "hopp" zu nehmen: Unerhört in Deutschland: einfache Steuerfahnder durchsuchen die Vorstandsetage einer der feinsten Bankadressen überhaupt. In Worten des Vorstandsvorsitzenden (an Rudolf Schmenger): "Wissen Sie eigentlich, wem ich heute Abend diniere? Dem Bundeskanzler!" (Damals war es Kohl). Darauf Schmenger: "Dann bestellen Sie ihm 'mal schöne Grüße von der Frankfurter Steuerfahndung!"
"Das Imperium schlägt zurück"
Das war zu viel. Nicht nur für die Commerzbank-Chefs, sondern auch für ihre Freunde. Einer ihrer – ganz offiziellen – Freunde wurde 1999 Ministerpräsident von Hessen. Im Jahre 2001 war es dann soweit: Jetzt sollte endlich Schluss sein mit den naseweisen Umtrieben der übermütigen Beamten in der Frankfurter Steuerfahndung. Die Direktive, Verzeihung: Amtsverfügung 2001/18 verfügte einfach, dass in der Verfolgung von Steuerflucht-Sachen nur bei hohen Volumina (nämlich ab Schwellen von 500.000 Euro bzw. Einzelüberweisungen ab 300.000 Euro) der Anfangsverdacht verfolgt werden dürfe. Ein faktischer Stopp der Ermittlungen. Scheinbegründung: Sparen. Folge in 2008: Jeder danach abgearbeitete Fall hat laut Aussage des Landesfinanzministers Weimar 208 Euro erbracht! In diesem Jahre 2008 wurde nun also deutlich ausgedrückt, woran gespart werden sollte: an Verfolgung. Das Land Hessen ausnahmsweise einmal bürgerfreundlich – gegenüber bestimmten Bürgerkreisen, versteht sich. Da wird Bürger immer noch mit Bourgeois übersetzt, bei diesen sehr klassenbewussten Menschen.
Service(ab)stelle (Un)Recht
Schmenger, Wehrheim und Kollegen hatten es gewagt, nicht kleine, arme Wichte zu kriminalisieren, sondern die Oberschlipsis unseres blitzsauberen BRDistans dingfest zu machen. (6) Womit wir in der Welt der Romane von Sjöwall/Wahlöö wären. Oder in der Welt der Dreigroschenoper, reiche Abteilung. Dafür waren die Steuerfahnder bald in der Welt der Dreigroschenoper, Abteilung Opfer; zum Schluss im erwähnten Archipel Steufa, als Zeitungleser auf Staatskosten. (7) Durch diverse Drohungen und Intrigen wurde der Zusammenhalt der zuvor hervorragend arbeitenden Steuerfahndungsabteilung von 70 Männern und Frauen zerschlagen. Mit diversen Druckmitteln und Intrigen wurde dann die Gruppe der "renitenten" Mitarbeiter erst auf 15, dann auf elf reduziert, welche in der "Servicestelle Recht" landeten, besagtem Archipel Gulag bzw. Steufa. Als von diesen im Jahre 2005 nur ein einziger – in nichtöffentlicher Sitzung – aussagen sollte, lagen also alle Hoffnungen seiner Kollegen im "Archipel" auf ihm.
Von "Blackouts" und "Bekloppten"
Nur dass er erst einmal im Finanzministerium vorsprechen sollte, dann in der Sitzung, wohl vom schlimmen Stress einen Blackout bekam, und seitdem im Innenministerium seine Traumstelle in der Sportförderung einnehmen durfte. Wer könnte da etwas vermuten? Da die Eheleute Heiko und Tina Feser, Marco Wehner und Rudolf Schmenger nicht mehr so einfach loszuwerden waren, entsann sich wohl jemand eines psychiatrischen Gefälligkeitsgutachters. Schwups, waren die vier amtlich für "bekloppt" erklärt – und sind es für die Finanzverwaltung noch heute, allesamt im Ruhestand. Wen stört es da in Wiesbadener Ministerien, dass die vier längst von ordentlichen Ärzten rehabilitiert worden sind, der Gutachter aber längst, auch gerichtlich, entlarvt worden ist? Wieder einmal alles wie bei Sjöwahl/Wahlöö, nur "in echt". Summa summarum also ein echter Wirtschafts- und Verwaltungskrimi, bloß eben nicht erfunden.
Ach so: die Untersuchungsausschüsse gab es auch, jene Beerdigungsveranstaltungen ihrer selbst. Manche sagen "der King" lebe; warum eigentlich nicht Kafka? Dessen Albträume jedenfalls sind leider quicklebendig. (PK)
(1) Frank Wehrheim, Michael Gösele: Inside Steuerfahndung. Ein Steuerfahnder verrät erstmals die Methoden und Geheimnisse der Behörde. Riva Verlag/FinanzBuch Verlag, München 2011, 19,99 Euro. Das Buch auf dem Webauftritt des Verlages:
Die Bestelldaten des Buches beim Großhändler Libri (der die meisten kleinen selbständigen Buchhändler Deutschlands über Nacht beliefert):
Die persönliche Website von Frank Wehrheim: http://www.frank-wehrheim.de/
(2) Die Neue Rheinische Zeitung berichtete von dem Treffen:
Die Website des Vereins BCC:
(3) Die Frankfurter Steuerfahnder wurden insbesondere durch dieses, recht informative Interview beim Stern – "Eiskalt abserviert" – bundesweit mit ihrer (Leidens-)Geschichte bekannt:
(4) Was ist ein Whistleblower? Ein erklärender Artikel der Neuen Rheinischen Zeitung:
Ein kurzer Bericht über die Preisverleihung 2009 mit Schmenger und Wehrheim:
Die Begründung der Jury:
Ein dazu erschienenes Buch von Dieter Deisenroth (Richter am BVerwG), Annette Falter (Hrsg.): Whistleblower in der Steuerfahndung. Preisverleihung 2009: Rudolf Schmenger und Frank Wehrheim. BWV – Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2009. 14,80 Euro. Das Buch auf der Website des Verlages:
Das Buch mit den Libri-Daten:
Ein Skriptum von Deutschlandradio zum Thema Whistleblowing: "Vorsicht, Zivilcourage! Vom gefährlichen Leben der Whistleblower" von Michael Reitz zum Herunterladen:
(5) In der Süddeutschen wurde die "Sau" zuerst "durchs Dorf getrieben" (wenn Journalisten den Propagandabüttel machen):
Eine recht ordentliche Analyse dieses kleinen Skandals eines Hartz-IV-Blogs:
(6) Eine interessante Chronik der ganzen Affäre: http://www.anstageslicht.de/index.php?UP_ID=14&NAVZU_ID=57&STORY_ID=57&M_STORY_ID=638
(7) Besser als manches Fachbuch ist die Analyse der entarteten Verwaltung im ersten Asterix-Film „Das Haus, das Verrückte macht“ bzw. „Passierschein A38“, zum Beispiel hier auf youtube:
Der Autor, Jahrgang '67, seit 1999 Muslim (praktizierend), Diplom-Mathematiker, lebt zur Zeit in Frankfurt am Main.
Online-Flyer Nr. 307 vom 22.06.2011