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Deutsche Aufrüstung Saudi-Arabiens gegen innere Unruhen und den Iran
Hegemonialkampf am Golf
Von Hans Georg
Mit der geplanten Lieferung von 200 Kampfpanzern an Saudi-Arabien setzt die Bundesregierung ihre seit Jahren andauernde Aufrüstung der Diktaturen auf der Arabischen Halbinsel fort. Saudi-Arabien, das unter anderem Kriegsflieger ("Eurofighter") sowie Gefechtsstände aus deutsch-französischer Produktion bezieht, stand in der jüngsten Rangliste der Empfänger deutscher Rüstungsgüter - NATO-Staaten inklusive - auf Platz sechs. Die Vereinigten Arabischen Emirate erreichten dort zuletzt sogar Platz zwei - unmittelbar hinter den USA.
Online-Flyer Nr. 309 vom 06.07.2011
Deutsche Aufrüstung Saudi-Arabiens gegen innere Unruhen und den Iran
Hegemonialkampf am Golf
Von Hans Georg
Mit der geplanten Lieferung von 200 Kampfpanzern an Saudi-Arabien setzt die Bundesregierung ihre seit Jahren andauernde Aufrüstung der Diktaturen auf der Arabischen Halbinsel fort. Saudi-Arabien, das unter anderem Kriegsflieger ("Eurofighter") sowie Gefechtsstände aus deutsch-französischer Produktion bezieht, stand in der jüngsten Rangliste der Empfänger deutscher Rüstungsgüter - NATO-Staaten inklusive - auf Platz sechs. Die Vereinigten Arabischen Emirate erreichten dort zuletzt sogar Platz zwei - unmittelbar hinter den USA.
Saudi-Arabien, das bereits seit Jahrzehnten das deutsche Sturmgewehr G3 in Lizenz produzieren kann, erhält inzwischen auch eine Fabrik für die Lizenzproduktion des berüchtigten Nachfolgemodells G36 aus dem Hause der süddeutschen Waffenschmiede Heckler und Koch. Die Aufrüstung Saudi-Arabiens und der übrigen Golfdiktaturen folgt nicht nur Prämissen der Rüstungsindustrie, die ihre starke Stellung auf dem Weltmarkt - Deutschland ist drittgrößter Rüstungsexporteur überhaupt - behaupten will. Hintergrund sind geostrategische Überlegungen: Iran, seit der Zerschlagung des Irak potenzielle Vormacht in den Ressourcengebieten am Persischen Golf, soll von seinen lokalen Konkurrenten niedergehalten werden, um die westliche Hegemonie im Mittleren Osten zu sichern.
Leopard 2A7+
Seit am Wochenende Pläne der Bundesregierung bekannt wurden, die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2A7+ nach Saudi-Arabien zu genehmigen, äußern Politiker aus der Opposition, aber auch aus den Regierungsparteien heftigen Unmut. Die Pläne verstießen gegen die deutschen Richtlinien zum Rüstungsexport, die Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete untersagen, heißt es bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Auch von CDU-Bundestagsabgeordneten wie etwa dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, oder Bundestagspräsident Norbert Lammert ist zu hören, sie stünden dem Deal negativ gegenüber. Man könne sich nicht bei den Demokratiebewegungen in der arabischen Welt anbiedern und zugleich eines der autoritärsten Regime der Region mit Kampfpanzern versorgen - zumal Riad erst vor kurzem geholfen habe, die Demokratiebewegung in Bahrain niederzuschlagen.[1] Der Einwand wiegt umso schwerer, als der Leopard 2A7+ des Münchener Herstellers Krauss-Maffei Wegmann speziell für den Kampf in bebautem Gelände konstruiert und daher bestens für die Bekämpfung von Aufständen und inneren Unruhen geeignet ist. Über ihn heißt es etwa, er sei mit seinen Räumschaufeln das adäquate Gerät zum Vorgehen gegen "aggressive Demonstranten".[2] 44 Panzer sollen bereits an Saudi-Arabien verkauft worden sein; die Bundesregierung dementiert das nicht.
Eurofighter, Gefechtsstände, Airbus Military
Tatsächlich ist die Aufrüstung Saudi-Arabiens und der anderen Golfdiktaturen durch Deutschland schon eine Weile im Gange. Riad gehört zu den traditionellen Kunden deutscher Waffenschmieden, hat allerdings seine Einfuhren aus der Bundesrepublik in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2008 führt Saudi-Arabien auf dem achten Platz unter den Empfängern deutschen Kriegsgeräts, die Vereinigten Arabischen Emirate auf Platz neun. Im Jahr 2009 schaffte Saudi-Arabien den Sprung auf Platz sechs, die Vereinigten Arabischen Emirate sogar auf Platz zwei. Dabei sind in der Rangliste sämtliche NATO-Staaten enthalten. Riad hat unter anderem 72 Eurofighter gekauft, an deren Produktion sich deutsche Konzerne beteiligen. Die saudische Luftwaffe benutzt die Kriegsflieger bereits; dies straft die Behauptung Lügen, der aktuelle Panzer-Deal sei der erste Verkauf schweren Kriegsgeräts an Riad. Die Golfdiktatur gehört mittlerweile zum festen Kundenstamm von Cassidian, der Militärsparte des deutsch-französischen EADS-Konzerns, die in der saudischen Hauptstadt eigens eine Außenstelle eingerichtet hat. Neben Gefechtsständen zur bodengestützten Luftverteidigung setzte Cassidian in Saudi-Arabien auch ein milliardenschweres Grenzabschottungssystem ab - ein Geschäft, das die Bundespolizei mit einem grenzpolizeilichen Ausbildungseinsatz in Riad ermöglichte (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Die saudische Luftwaffe hat mittlerweile ein deutsch-französisches Tankflugzeug, einen Airbus Military A330 MRTT, in Betrieb.
Sturmgewehre, Maschinenpistolen
Neben schwerem Gerät verfügt Saudi-Arabien auch über kleinere Waffen aus deutscher Produktion. Die Rüstungsexportberichte der vergangenen Jahre - denjenigen für 2010 hält die Bundesregierung noch zurück - verzeichnen stets Ausfuhren großen Umfangs von Gewehren, Maschinenpistolen oder Maschinengewehren samt Ersatzteilen und Munition nach Riad. Dasselbe trifft auch auf die anderen Diktaturen des Golf Cooperation Council (GCC) zu, also auf Bahrain, Kuwait, Oman, Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Riad hat 1969 sogar die Erlaubnis erhalten, die Sturmgewehre G3 aus der süddeutschen Waffenschmiede Heckler und Koch in Lizenz zu produzieren. Da das G3 aber nicht mehr dem modernsten Stand der Tötungstechnologie entspricht, bekommt Saudi-Arabien jetzt eine komplette Produktionsanlage für das Nachfolgemodell G36 (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Ob deutsche Schusswaffen etwa bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain zum Einsatz kamen, ist nicht bekannt. Zur Verfügung standen sie dort jedoch ebenso wie in Oman oder in Ägypten, das allein 2009 rund 900 Maschinenpistolen aus dem Hause Heckler und Koch erhielt.[5]
Wachstum durch Export
In Berlin ist nach den Unmutsbekundungen über den aktuellen Panzerverkauf beschwichtigend zu hören, bei dem Deal habe vor allem die auf Ausfuhren jeglicher Art zielende Wirtschaftspolitik ihre Finger im Spiel. Das ist nicht ganz falsch. Da die Militäretats in Europa heute, wenn überhaupt, nur mäßig wachsen, streben deutsche Rüstungskonzerne nach umfangreicherem Export. Unlängst hat sich Cassidian dazu geäußert. Zwar wuchs der Umsatz der EADS-Militärsparte 2010 um gut elf Prozent auf sechs Milliarden Euro. Die Neuaufträge gingen allerdings erheblich zurück, die Rendite sank ebenfalls. "Wir müssen jetzt dahin, wo die Militärausgaben zweistellig steigen", ließ sich der deutsche Cassidian-Chef vernehmen; dies sei "etwa in Indien, Brasilien oder dem Mittleren Osten der Fall".[6] Die Firma will den Umsatzanteil außereuropäischer Kunden bis zum Jahr 2020 auf gut 60 Prozent verdoppeln und auf diese Weise einen Gesamtumsatz von bis zu zwölf Milliarden Euro erreichen. Ähnliches ist auch bei dem deutschen Panzerbauer Rheinmetall zu hören. Um vor allem die arabischen Märkte besser erschließen zu können, baut Rheinmetall gemeinsam mit einer Reihe weiterer deutscher Konzerne Fabriken in Algerien, die neben den Daimler-Modellen "Sprinter" und "Unimog" auch den Transportpanzer "Fuchs" produzieren sollen (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Auch damit ist in diesen Tagen der Bundessicherheitsrat befasst.
Westliche Hegemonie
Dennoch sind Rüstungsexporte selbstverständlich nur unter der Voraussetzung möglich, dass damit außenpolitische Zielvorstellungen der Bundesregierung nicht konterkariert werden. Allerdings liegt insbesondere die Aufrüstung der Golfdiktaturen im Interesse Berlins. Seit die USA gemeinsam mit einigen Verbündeten den Irak in Schutt und Asche bombten, ist - bezogen auf sein wirtschaftliches und politisches Potenzial - Iran die stärkste Macht am Golf. Aufgrund der Widerspenstigkeiten des Regimes in Teheran steht damit die westliche Hegemonie in den Ressourcengebieten des Mittleren Ostens in Frage. Dies wiederum veranlasst Berlin und Washington dazu, die arabischen Diktaturen gegen Teheran in Stellung zu bringen. So kommt es nicht nur, dass mangelnde Frauenrechte in Iran ein im Westen sehr beliebtes Thema, gänzlich fehlende Frauenrechte in Saudi-Arabien jedoch kein Gegenstand der Aufmerksamkeit westlicher Politiker sind. Die Gefährdung der westlichen Hegemonie ist ebenfalls die Ursache dafür, dass der Westen Iran mit Sanktionen überzieht, Saudi-Arabien und die übrigen Diktaturen der Arabischen Halbinsel aber umfassend aufrüstet - damit sie Teheran in Schach halten können (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Die Leopard 2A7+ tragen deshalb nicht nur dazu bei, das von Protesten bedrohte Vasallenregime in Riad gegen innere Unruhen zu stabilisieren. Sie dienen auch der Hochrüstung des Regimes gegen eine Bedrohung der westlichen Hegemonie. (PK)
[1] s. dazu Maschinenpistolen und Munition und Nur Rhetorik
[2] Panzer-Video preist Vorgehen gegen "aggressive Demonstranten"; www.handelsblatt.com 05.07.2011
[3] s. dazu Stabile Verhältnisse
[4] s. dazu Sturmgewehre
[5] s. dazu Nutznießer der Repression
[6] EADS rüstet in fernen Ländern auf; www.ftd.de 29.03.2011. S. auch Stabile Verhältnisse
[7] s. dazu Hoflieferant autoritärer Regime
[8] s. dazu Hegemonialkampf am Golf, Vom fragilen Nutzen der Golfdiktaturen und Kampf der Titanen. In Form inoffizieller "Einschätzungen" wird dies inzwischen aus Berliner Regierungskreisen an die Medien lanciert. So heißt es etwa unter Berufung auf ungenannte Hauptstadtquellen: "Saudi-Arabien sei ein Faktor zur Eindämmung des iranischen Einflusses, welcher seit dem Fall des irakischen Herrschers Saddam Hussein noch gewachsen sei." Opposition gegen Panzer-Export; Frankfurter Allgemeine Zeitung 05.07.2011
Diesen Beitrag haben wir übernommen von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58103
Online-Flyer Nr. 309 vom 06.07.2011