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Kultur und Wissen
Warum Anders Behring Breivik ein Fan von Henrik M. Broder wurde:
Die Moslems sind unser Unglück
Von Knut Mellenthin

Als hätte er vorausgesehen, dass der norwegische Mörder Anders Behring Breivik eines Tages Henryk M. Broder in seinem "Manifest" als eins seiner Vorbilder zitieren würde, hat Knut Mellenthin im Januar 2007 dessen Buch "Hurra, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken." in "analyse & kritik" kritisch rezensiert.(1) Der damalige SPIEGEL-Autor, der heute bei den Springer-Zeitungen "Die Welt“, "Welt am Sonntag“ und "Welt Online“ sein Geld verdient, wurde von Breivik als Kronzeuge für eine "schleichende Islamisierung Europas"(2) herangezogen, der sich Europa widerstandslos ergebe.(3) – Die Redaktion


Henryk M. Broder
NRhZ-Archiv
 
Ohne lange um Erlaubnis zu fragen, wirft sich der Autor sofort auf die Couch, und Sekunden später offenbart er uns gnadenlos sein Problem: "Um ein Haar wäre auch ich ein Terrorist geworden. Alle Voraussetzungen waren gegeben." (S. 7) "Ich wäre der idealtypische Amokläufer gewesen." (S. 8) Aber es konnte aus dieser Traumlaufbahn nichts werden, "weil mir schon im Biologieunterricht beim Sezieren eines Regenwurms schlecht wurde. Da ich nicht Terrorist werden konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als Journalist zu werden." (S. 9)
 
Eine vermutlich gar nicht so seltene Berufsentscheidung von idealtypischen Amokläufern, die kein Blut sehen können und die es aus irgendwelchen Gründen nicht in die Politik zieht. Der Spiegel-Journalist Henryk Broder hat ein Buch "von der Lust am Einknicken" geschrieben. Gemeint ist die "vorauseilende Selbstaufgabe" Europas vor den moslemischen Horden - die von den europäischen Politik-Eliten und Medien bereitwillig hingenommene, ja sogar feige vorangetriebene "Transformation Europas in einen islamischen Kontinent". Es geht also um ein Phantom, das wenig mit der Wirklichkeit und viel mit der Produktion von Wahnvorstellungen und Hass zu tun hat.
 
In Deutschland ist Broders Buch ein Bestseller. In Ländern wie Großbritannien oder Frankreich hätte man von den 167 Seiten überhaupt nicht Notiz genommen. Das Thema wird dort schon seit einigen Jahren von Autoren mit erheblich mehr geistigem Tiefgang bearbeitet. Deutschland hinkt wieder einmal mit großem Abstand hinter dem Weltniveau her.
 
Das Kultbuch dieser Szene hat vor zwei Jahren die britische Historikerin Gisèle Littman, bekannter unter ihrem Künstlernamen Bat Ye'or, veröffentlicht: "Eurabia - The Euro Arab Axis". Die Autorin hat den Begriff "Eurabia" zwar nicht erfunden, wohl aber dessen Anwendung als Schimpfwort für die "Islamisierung" Europas. Sie behauptet, dass seit der sogenannten Ölkrise von 1973 eine geheime Verschwörung zwischen den europäischen und arabischen Eliten bestehe. Europa habe sich dadurch vom Bündnis mit den USA gelöst und sei "in den arabisch-islamischen Einflussbereich übergewechselt". Deshalb führe Europa, so Bat Ye'or, einen "versteckten Krieg gegen Israel". Als hervorragenden Beweis nennt sie, dass die Europäer die Forderung nach einem Palästinenserstaat akzeptieren.
 
Die in dieser Szene herrschende Geisteshaltung zeigt sich in reißerisch-wahnhaften Artikelüberschriften wie "How Europe Died", "While Europe Slept", "Europe's Suicide?", "The Slow Death of Europe", "Eurabia is no Fairytale", "The Rapid Islamization of Europe", "Eurabian Nightmares", "Goodbye Europe, Hello Eurabia", "The Muslim Brotherhood's Conquest of Europe" oder "Why Al-Qaeda Will Dominate the European Union". Im Zentrum dieser Weltanschauung steht die im 19. Jahrhundert entstandene vulgärdarwinistische Theorie vom ewigen Kampf der Rassen und Kulturen, in dem die Schwachen untergehen und die Stärkeren über kurz oder lang die Weltherrschaft an sich reißen. Und da der Westen "schwach, dekadent und nicht einmal bedingt abwehrbereit" ist (Broder, S. 24), hat er gegenüber dem Islam bereits kapituliert.
 
Henryk Broder beschwört in grotesker Maßlosigkeit "eine Kultur der Angst, des Bedauerns und der Entschuldigung, wie sie Deutschland noch nie erlebt hatte" (S. 33) Gemeint ist, wie könnte es anders sein, die Unterwerfung der Deutschen vor den Moslems, ihre übermäßige Dialogbereitschaft und Toleranz. Untersuchungen und Tatsachen, die im Gegenteil dafür sprechen, dass Moslems hierzulande massiv diskriminiert werden und klassischen rassistischen Vorurteilen ausgesetzt sind, kommen auf den 167 Seiten nirgendwo vor. Deutlicher könnte Broder gar nicht machen, dass er kein Interesse hat, das Thema ernsthaft zu diskutieren.
 
Broder will auf keinen Fall eine differenzierte Betrachtung zulassen. Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus verhöhnt er zunächst als "feinsinnig" (S. 11), was man im Kontext getrost mit "schwachsinnig" und "völlig überflüssig" übersetzen kann. Er fährt fort mit dem Kalauer, der Unterschied zwischen Islam und Islamismus entspreche vermutlich dem zwischen Alkohol und Alkoholismus (S. 53). Und er landet schließlich bei der von ihm offensichtlich geteilten Unterstellung, "dass der Islamismus den Islam nicht missbrauchen, sondern ihn wörtlich nehmen könnte" (S 54). Wer ist schuld, wenn moslemische Kinder ihre deutschen Mitschüler beschimpfen und verprügeln? Der Islam. Der umgekehrte Fall taucht in Broders Buch selbstverständlich gar nicht erst auf. Nach diesem Muster reiht der Autor völlig einseitig Fallbeispiele aneinander, von denen die meisten ursächlich kaum etwas mit dem Islam zu tun haben, um seine Grundthese vom unvermeidlichen "Clash of Civilizations" zu untermauern. Den der Westen nach Ansicht Broders schon verloren hat: "Der freie Westen, der sonst bei jedem Hakenkreuz auf einer Hauswand 'Wehret den Anfängen!' ruft, hat gezeigt, dass er der islamischen Offensive nichts entgegenzusetzen hat." (S. 20) Das könnte auch in einem NPD-Flugblatt stehen.
 
Auf Seite 148 schließlich hält Broder seine LeserInnen und Leser für gehirngewaschen genug, um sie mit Lars Hedegaard und Helle Merete Brix bekannt zu machen - zwei rechtspopulistischen, durchgeknallten Dänen. Sie prognostizieren allen Ernstes, Dänemark könnte "das erste europäische Land sein, das dazu genötigt wird, die Gesetze, Regeln und Doktrinen der Umma, der islamischen Nation, anzunehmen". Und Deutschland, so Broder, könne bald folgen.
 
Der verhinderte Amokläufer gibt sich resignativ. Aber in Wirklichkeit ist sein Buch als Aufschrei "Deutsche, wehrt euch endlich!" zu lesen - und wird von einem Großteil seiner Fans wohl auch so verstanden werden. "Sich wehren" heißt im Kleinen: Die frechen Türken hier in ihre Schranken weisen. Und im weltpolitischen Kontext: Irak, Afghanistan, Iran. Das ist die eigentliche Message des Journalisten, der kein Blut sehen kann. (PK)
 
Henryk M. Broder: "Hurra, wir kapitulieren! Von der Lust am Einknicken." Verlag Wolf Jobst Siedler jr., Berlin. 2006.
 
(1) analyse & kritik, Januar 2007 http://www.knutmellenthin.de/artikel/archiv/rechte/die-moslems-sind-unser-unglueck-januar-2007.html
(2) http://www.stern.de/panorama/anfeindungen-gegen-islamkritiker-deutschlands-duemmste-debatte-1711484.html
(3) "Broder und sein mörderischer Fan" von Evelyn Hecht-Galinski http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16776


Online-Flyer Nr. 313  vom 03.08.2011



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