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Bundesregierung soll gegen neuen Generalstabschef der Türkei intervenieren
Necdet Özel – ein Kriegsverbrecher?
Von Peter Kleinert
In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, haben Politiker der Linken, Menschen- und Völkerrechtler und in Friedensorganisationen Engagierte die Bundesregierung aufgefordert, bei der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) zu intervenieren. Grund ist die Ernennung des türkischen Generals Necdet Özel zum neuen Generalstabschef, weil dieser persönlich im Mai 1999 einen verheerenden Giftgaseinsatz gegen kurdische Guerillakämpfer angeordnet habe.
Necdet Özel - neuer Generalstabschef der Türkei
Online-Flyer Nr. 315 vom 17.08.2011
Bundesregierung soll gegen neuen Generalstabschef der Türkei intervenieren
Necdet Özel – ein Kriegsverbrecher?
Von Peter Kleinert
In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, haben Politiker der Linken, Menschen- und Völkerrechtler und in Friedensorganisationen Engagierte die Bundesregierung aufgefordert, bei der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) zu intervenieren. Grund ist die Ernennung des türkischen Generals Necdet Özel zum neuen Generalstabschef, weil dieser persönlich im Mai 1999 einen verheerenden Giftgaseinsatz gegen kurdische Guerillakämpfer angeordnet habe.
Necdet Özel - neuer Generalstabschef der Türkei
Quelle: www.odatv.com/
Ernannt hatte der türkische Präsident Abdullah Gül den bis dahin Obersten Befehlhabender der Jandarma (Gendarmerie), Necdet Özel, nach dem Rücktritt der gesamten türkischen Militärführung, weil Premier Recep Tayyip Erdogan ihn für diesen Posten auserkoren hatte. Gül ernannte gleichzeitig auch die neuen Stabschefs der Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe, wie ein Sprecher des Präsidenten mitteilte.
Menschenrechtsorganisationen und Parlamentsdelegationen berichten, wie es in dem offenen Brief heißt, dass sich in der Zeit der Verantwortung von General Özel als Chef der Jandarma "Menschenrechtsverletzungen - darunter Folter und extralegale Hinrichtungen - durch Kräfte der Jandarma häuften". Özel sei als kompromisslos bezüglich der "kurdischen Frage" bekannt. Schon am 11. Mai 1999 habe er - damals noch als Brigadegeneral der Armee - einen Einsatz gegen die kurdische Guerilla nahe dem Dorf Balikaya bei Silopi in der Provinz Sirnak befehligt. Dabei starben 20 PKK-Guerillas in einer Höhle, die mit Gasgranaten beschossen wurde.
Dass chemische Waffen zum Einsatz kamen, ist den Verfassern des offenen Briefes vorliegenden Berichten von Beteiligten zu entnehmen, ist aber auch auf einem Filmmitschnitt, der aus Armeekreisen stammt, zu sehen. Davon gibt es eine 42 Sekunden lange Version auf You Tube (1) und eine ca. 5 Minuten lange Version, die u.a. vom Fernsehsender Roj TV ausgestrahlt wurde (2). Auf einem Funkmitschnitt ist außerdem zu hören, wie der Kommandant den Befehl gibt, "die notwendigen Maßnahmen“ gegen Guerillas in einer Höhle "zu ergreifen“. Zu hören ist, wie die Soldaten sagten, dass sie nicht in die Höhle gehen könnten, weil die Wirkung des Gases noch andauere. Sie bekommen aber den Befehl dies trotzdem zu tun und erklären, dass sie in permanenter Gefahr wären, sich zu vergiften. Fotos von der Bergung der Leichen zeigen keine äußerlichen Verletzungen. (3) Die PKK-Guerilla hatte bereits 1999 öffentlich erklärt, dass dort chemische Kampfstoffe zum Einsatz gekommen seien.
Ulla Jelpke, damals Bundestagsabgeordnete der PDS, hatte diesen Vorfall in einer Anfrage an die damalige Bundesregierung thematisiert. Die Regierung antwortete der Abgeordneten sehr ausweichend und verwies darauf, dass die Türkei, wie die Bundesrepublik Deutschland, Vertragsstaat des am 29. April 1997 in Kraft getretenen Abkommens über das Verbot Chemischer Waffen (CWÜ) sei und somit den Überwachungsmechanismen der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) unterliege.(4)
Ähnlich verhielt sich die aktuelle Bundesregierung im Jahr 2010. Da hatte u.a. DER SPIEGEL berichtet, dass nahe der türkisch-irakischen Grenze, in der Provinz Hakkari, zwischen dem 8. und 15. September acht Menschen Opfer eines Einsatzes von chemischen Kampfmitteln durch das türkische Militär wurden. Augenzeugen berichteten von dem Vorfall. Sie beschrieben, dass Soldaten chemische Kampfstoffe in eine Höhle in der Nähe der Grenzstadt Cukurca schossen und dass einige Zeit später mehrere Menschen, Mitglieder der Guerilla der PKK, aus dieser Höhle geborgen wurden. Einige der bereits leblosen Körper seien zusätzlich von Panzerfahrzeugen überfahren und/oder beschossen worden. Ein forensisches Gutachten steht in Einklang mit den Aussagen der Augenzeugen.
Man habe als Form der Aufforderung an die Bundesregierung, die OPCW anzurufen, einen offenen Brief gewählt, erklären dessen UnterzeichnerInnen jetzt, weil sowohl die aktuelle Bundesregierung wie auch die 1999 im Amt befindliche auch in weiteren Fällen konkreter Anhaltspunkte und Indizien für Kriegsverbrechen der Türkischen Armee mit chemischen Kampfstoffen bis heute untätig geblieben und offensichtlich bemüht gewesen sei, "sämtliche Verdachtsmomente ohne Klärung der Sachverhalte und konsistente Argumentation zu entkräften und ernsthafte Untersuchungen zu verhindern".
"Unserer Ansicht nach ist ein Generalstabschef, der allem Anschein nach ein Kriegsverbrechen begangen hat, ein nicht tragbares Hindernis für eine friedliche Entwicklung und Demokratisierung der Türkei", heißt es am Schluß des offenen Briefes. "Auch hier wurde seitens der Bundesregierung verantwortliches Handeln, in Form ungenauer und haltloser Zurückweisungen der Fakten, unterlassen." (PK)
(4) (Drucksache 14/1197)
(5) Spiegel Online, 12.08.2010, http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,711506,00.html
Die bisherigen UnterzeichnerInnen des offenen Briefes sind:
Heidrun Dittrich, MdB Die Linke
Andrej Hunko, MdB Die Linke
Ulla Jelpke, MdB Die Linke
Ingrid Remmers, MdB Die Linke
Harald Weinberg, MdB Die Linke
Dr. Peter Strutynski, Bundesausschuss Friedensratschlag
Martin Dolzer, Soziologe
Prof. Dr. Werner Ruf, Friedensforscher
Yilmaz Kaba, Vorstand Die Linke, Niedersachsen
Murat Cakir, Kolumnist Özgür Gündem
Michael Knapp, Menschenrechtler
Bärbel Beuermann, MdL NRW
Ali Atalan, MdL NRW
Barbara Cárdenas, MdL Hessen
Cansu Özdemir, MdBü Hamburg
Marion Padua, Stadträtin, Linke Liste Nürnberg
Britta Eder, Rechtsanwältin
Dr. Heinz-Jürgen Schneider, Rechtsanwalt
Prof. Norman Paech, Völkerrechtler
Antje Steinberg, Lehrerin, GEW
Dr. Gisela Penteker, IPPNW
Online-Flyer Nr. 315 vom 17.08.2011