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Wie Minister Niebels BMZ Entwicklungshilfe für Wirtschaft und Konzerne leistet
Profite in Armutsregionen
Von Hans Georg
Mit einer breiten Debatte um sein neues "entwicklungspolitisches Konzept" intensiviert der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel (FDP), die Einbindung privater Unternehmen in die Netzwerke der sogenannten Entwicklungspolitik. Das neue Konzept, das der Minister Anfang August in seinem BMZ vorgestellt hat, beinhaltet Niebels Forderung, die Entwicklungshilfe künftig erheblich enger mit der Wirtschaft zu koordinieren. Dazu hat Niebels Ministerium schon zuvor ein ausführliches "Eckpunkte-Papier" erstellt.
Niebel stellt am 3. August die
entwicklungspolitische Konzeption
des BMZ vor
In diesem "Eckpunkte-Papier" enthalten sind Vorgaben, wie die Berliner Entwicklungspolitik zukünftig zugunsten expandie-render deutscher Firmen zu gestalten sei. Die aktuelle Debatte um das "entwicklungspolitische Konzept" soll Kreise, die nach wie vor unternehmenskritisch eingestellt sind, einbeziehen und damit Widerstände gegen Niebels Politik aushebeln. Zu den ökono-mischen Zielen des Entwicklungs-ministeriums gehören die gewinn-bringende Erschließung von Armutsmärkten sowie ein direkter Zugriff auf die Rohstoffe vor allem armer afrikanischer Länder. Niebel zufolge lässt sich der Ertrag der sogenannten Entwicklungshilfe für deutsche Firmen präzise in Euro beziffern.
Online-Flyer Nr. 316 vom 24.08.2011
Wie Minister Niebels BMZ Entwicklungshilfe für Wirtschaft und Konzerne leistet
Profite in Armutsregionen
Von Hans Georg
Mit einer breiten Debatte um sein neues "entwicklungspolitisches Konzept" intensiviert der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Dirk Niebel (FDP), die Einbindung privater Unternehmen in die Netzwerke der sogenannten Entwicklungspolitik. Das neue Konzept, das der Minister Anfang August in seinem BMZ vorgestellt hat, beinhaltet Niebels Forderung, die Entwicklungshilfe künftig erheblich enger mit der Wirtschaft zu koordinieren. Dazu hat Niebels Ministerium schon zuvor ein ausführliches "Eckpunkte-Papier" erstellt.
Niebel stellt am 3. August die
entwicklungspolitische Konzeption
des BMZ vor
Quelle: www.bmz.de/de/presse/
Eine breite Debatte
Anfang August hatte Niebel, sein neues entwicklungspolitisches Konzept der Öffentlichkeit präsentiert. Ihm zufolge enthält es die zentralen Leitlinien der Berliner Entwicklungspolitik für die nächsten Jahre. Jetzt beabsichtige er, sein Papier öffentlich "zur Diskussion" zu stellen und auch breitere Kreise der "Zivilgesellschaft" in die Debatte einzubeziehen, sagt Niebel. Die jeweiligen "Dialogformate" seien dabei gezielt "auf die einzelnen Adressatenkreise zugeschnitten". Mit den sogenannten Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungspolitik wolle das Ministerium "Hintergrundgespräche" führen, für Wirtschaftsvertreter werde es "Gesprächskreise" geben, das interessierte Publikum solle über einen "öffentlichen Social Media-Dialog im Internet" beteiligt werden, kündigt der Minister an. Er wünsche sich "ein breites gesellschaftliches Engagement für
Entwicklungszusammenarbeit".[1]
Die aktuelle Debatte soll auch alternativ orientierte entwicklungspolitische Kreise integrieren, die der von Niebel forcierten engen Kooperation zwischen Entwicklungspolitik und Wirtschaft nach wie vor skeptisch gegenüberstehen. Zum selben Zweck hat das Entwicklungsministerium bereits Ende Juli seine Zusammenarbeit mit dem Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) intensiviert.[2] Das neue entwicklungspolitische Konzept ist entsprechend mit allerlei wohlklingenden Phrasen garniert - etwa: "Eine bessere Welt ist möglich".[3]
BMZ und BDI
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hatte tatsächlich schon lange vor Niebels Amtszeit begonnen, seine Kooperation mit der Wirtschaft auszubauen. Das belegt nicht nur die Beschäftigung von Mitarbeitern großer Konzerne im BMZ. 1998 etwa war ein Angestellter der Siemens AG ein Jahr lang im Ministerium tätig, 1999 ein Angestellter des Konzerns für Elektrotechnik Asea Brown Boveri AG (ABB), Mitarbeiter weiterer Konzerne (Alstom, Berliner Wasserbetriebe) folgten in späteren Jahren. Bereits seit 1997 unterhält das BMZ außerdem einen regelmäßigen Personalaustausch mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), in dessen Rahmen BDI-Vertreter im BMZ, BMZ-Mitarbeiter hingegen im BDI eingesetzt werden. Dies soll der Bundesregierung zufolge "Wirtschaftsvertreter für Entwicklungspolitik und BMZ-Mitarbeiter für Wirtschaftsthemen (...) sensibilisieren".[4] Bereits im Jahr 1999 wurde auch die "PPP-Initiative" gestartet, die im Rahmen von Public Private Partnerships (PPP) deutsche Privatunternehmen gewinnbringend an Entwicklungsprojekten beteiligt.[5] Minister Niebel hat die BDI-BMZ-Kooperation nun weiter vertieft. Unter anderem haben BDI und BMZ im Sommer 2010 eine "German Healthcare Partnership" geschlossen. Sie widmet sich der Planung, der Ausstattung und dem Betrieb von Krankenhäusern in Entwicklungsländern und öffnet Unternehmen aus der Bundesrepublik den Zugang zum dortigen Gesundheitsmarkt.
Servicestelle, Verbindungsreferenten
Wie die gesamte deutsche Entwicklungspolitik noch stärker in den Dienst deutscher Unternehmen gestellt werden soll, ist einem dieses Jahr publizierten Strategiepapier des BMZ zu entnehmen. So will das Ministerium die "internationale(n) Rahmenbedingungen für mehr Handel, Investitionen und intensivere Wirtschaftsbeziehungen verbessern"; dies könne beispielsweise durch den "Ausbau der großen Verkehrskorridore in Afrika und Asien" und die "Vereinfachung von Grenzformalitäten" - für Waren, nicht für Migranten - geschehen.[6] Das "Geschäfts- und Investitionsklima" in den Entwicklungsländern müsse verbessert werden. Man werde deutsche Firmen bei der "Erschließung neuer Märkte" unterstützen. Dies gelte vor allem auch für Armutsregionen ("Märkte[...] am unteren Ende der Einkommenspyramide"). Selbst die vier Milliarden ärmsten Menschen der Welt verfügten immer noch über eine "aggregierte Kaufkraft" von fünf Billionen US-Dollar: "Dieser Markt ist bisher noch wenig erschlossen". Das BMZ werde, heißt es in dem Papier, eine neue "Servicestelle" für Unternehmen einrichten und "Verbindungsreferenten" in die Wirtschaft entsenden. Schließlich soll auch die Ausbildung von Fachkräften in Entwicklungsländern, die dort für deutsche Unternehmen tätig werden können, intensiviert werden.
Rückflüsse, Arbeitsplätze
Dem BMZ zufolge lässt sich der Ertrag erfolgreicher Entwicklungshilfe präzise beziffern. Wie das Ministerium mitteilt, werden rund zwei Drittel seines Haushalts von 6,2 Milliarden Euro "investiv eingesetzt".[7] Für die Erneuerung des Flughafens in der albanischen Hauptstadt Tirana etwa stellte Berlin ein Darlehen von 24 Millionen Euro zur Verfügung. Fast die Hälfte davon sei, heißt es, in Aufträge an deutsche Unternehmen geflossen. "Jeder Euro, den wir in die Wirtschaften unserer Partnerländer investieren", schreibt das BMZ, "bewirkt darüber hinausgehende Rückflüsse und Erträge in Deutschland." Die Zahlenangaben über die Summe der Rückflüsse schwanken; Minister Niebel behauptete kürzlich, "aus jedem Euro", der "für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben" werde, flössen "1,80 Euro in die deutsche Wirtschaft zurück".[8] Sicher ist, dass die Entwicklungspolitik zahlreiche Arbeitsplätze in Deutschland schafft - nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in Hilfsorganisationen und NGOs. Das BMZ spricht von Forschungsergebnissen, die 240.000 deutsche Arbeitsplätze direkt oder indirekt der Entwicklungspolitik gutschreiben.[9]
Rohstoffe
Das neue "entwicklungspolitische Konzept" des BMZ nennt auch konkrete Felder, auf denen die Entwicklungspolitik die Interessen deutscher Unternehmen prioritär bedienen soll. Dazu zählen etwa der "Aufbau von Märkten für erneuerbare Energien" in Armutsstaaten oder die "Mobilisierung deutscher Technologieangebote für eine kohlenstoffarme Wirtschaft in Schwellen- und Entwicklungsländern". Auch sollen "Machbarkeitsstudien und Vernetzungsprogramme für die deutsche und afrikanische Wirtschaft" angestoßen werden. Zu den Interessenschwerpunkten zählen insbesondere die Rohstoffbranchen afrikanischer Staaten. "Die meisten Rohstoffvorkommen befinden sich in Entwicklungsländern", erklärt der Entwicklungsminister; das BMZ soll in Zukunft gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und dem Auswärtigen Amt "Rohstoffpartnerschaften" entwickeln, die den deutschen Zugriff auf von der Industrie benötigte Ressourcen sicherstellen.[10] Erste "Rohstoffpartnerschaften" sind mittlerweile in Arbeit.Ein Bericht dazu folgt in der kommenden Woche. (PK)
[1] Dirk Niebel stellt entwicklungspolitische Konzeption des BMZ vor; www.bmz.de 03.08.2011
[2] BMZ und VENRO vereinbaren Dialog und Konsultation; www.bmz.de 26.07.2011
[3] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Chancen schaffen - Zukunft entwickeln; www.bmz.de
[4] Deutscher Bundestag, Drucksache 17/6216, 10.06.2011
[5] s. dazu Armutsgeschäfte (I)
[6], [7] Märkte entwickeln, Wohlstand schaffen, Armut reduzieren, Verantwortung übernehmen - Die Wirtschaft als Partner der Entwicklungspolitik. Politisches Eckpunkte-Papier zur Kooperation mit der Wirtschaft. BMZ-Strategiepapier 3/2011
[8] "Korruption tötet"; www.zeit.de 22.07.2011
[9] Märkte entwickeln, Wohlstand schaffen, Armut reduzieren, Verantwortung übernehmen - Die Wirtschaft als Partner der Entwicklungspolitik. Politisches Eckpunkte-Papier zur Kooperation mit der Wirtschaft. BMZ-Strategiepapier 3/2011
[10] "Wir sind auf die Rohstoffe der Entwicklungsländer angewiesen"; www.zeit.de 22.02.2011
Online-Flyer Nr. 316 vom 24.08.2011