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Kommentar
Zu den Beschlüssen des Euro-Gipfels mit Königin Merkel an der Spitze:
Es reicht!
Von Dietmar Spengler
Es war einmal ein Land, das sich ohne Not dem Kapital verschrieben hatte. Um die Automatisierung der Wirtschaft zu fördern wurde vielen Menschen die existentiell notwendige Arbeit weggenommen. Gesetze, die ihre soziale Sicherung gewährleisteten, wurden demoliert und ein Großteil des Volkes in die Verarmung getrieben, andere durch den Abbau Arbeit sichernder Vorschriften ständiger Angst ausgesetzt.
„Enrichessez-vous!“ (Bereichert Euch!) hat Louis Philippe I., genannt der "Roi Citoyen“, einst den Bürgern zugerufen und nicht geahnt, dass er damit eine Lawine lostrat, deren Wucht nun den Zeitgenossen unter "Königin Angie" zu schaffen macht. Damit hatte sich, wie schon Balzac erkannte, der Pariser Großbourgeois etabliert, der im modernen Finanzkapitalisten sein Spiegelbild erfährt. Zu Marxens Zeiten hielt die herrschende Klasse störende "Elemente" mit Massakern an der verarmten Bevölkerung nieder, vergangenen Mittwoch wurden sie von Merkel und Co. mit Versprechen auf Wohlstand und bessere Zeiten vertröstet, obwohl diesen die Glaubwürdigkeit längst abhanden gekommen ist. Und trotzdem verfangen diese Parolen sobald eine Wahl ansteht. Der Kapitalismus erscheint wie eine Chimäre, wandelt sein Gewand, wird grün oder augenklapprig, und schon steht das Kreuz an der richtigen Stelle.
Online-Flyer Nr. 326 vom 02.11.2011
Zu den Beschlüssen des Euro-Gipfels mit Königin Merkel an der Spitze:
Es reicht!
Von Dietmar Spengler
Es war einmal ein Land, das sich ohne Not dem Kapital verschrieben hatte. Um die Automatisierung der Wirtschaft zu fördern wurde vielen Menschen die existentiell notwendige Arbeit weggenommen. Gesetze, die ihre soziale Sicherung gewährleisteten, wurden demoliert und ein Großteil des Volkes in die Verarmung getrieben, andere durch den Abbau Arbeit sichernder Vorschriften ständiger Angst ausgesetzt.
Cartoon: Kostas Koufogiorgos
Um die Entrechteten nicht auf die Straße zu treiben, wurden mindere Beschäftigungsformen eingeführt, die zugleich der Wirtschaft billige Arbeitskräfte bereitstellten. Weil die pure Arbeitskraft zu geringe Profite abwarf, wurde die Produktionswirtschaft von der Finanzwirtschaft abgelöst. Alle finanzmarktstörenden Mechanismen wurden abgebaut und der Geldwirtschaft universale Aktionsmöglichkeiten geboten. Die Einführung einer Einheits-währung eröffnete der Wirtschaft ungeahnte Exportchancen und den Banken unkontrollierbare Geschäfte. Schließlich bestimmten Banken, Börse und Ratingagenturen das Tagewerk und degradierten die Politik zur Marionette des Kapitals. Mittlerweile liegen Wohl und Wehe des Landes und seiner Menschen in den Händen von Spekulanten, die auf den Bankrott des Staates und auf fallende Preise wetten. Die Rede ist von der Bundesrepublik Deutschland.
Ein Staat, der seine 122 Milliardäre (2011) und 400.500 Millionäre mit Subventionen, Umverteilung und Steuerfreiheit hegt und pflegt; ein Staat, der der Spekulation mit Volksvermögen Tür und Tor geöffnet hat; der Börsen-gewinne, die der Gesellschaft keinerlei Aktiva bringen und nur der schnellen Bereicherung der ohnehin Privilegierten dienen, nur mit einer Miniabgabe besteuert; ein Staat, der die Einführung einer wirksamen Erbschaftssteuer auf die lange Bank geschoben hat; ein Staat, der das Spiel der risikofreudigen Anleihe-Besitzer subventioniert und kalkulierbar macht mit Garantien, die von den Massen in prekären Arbeitsverhältnissen aufgebracht werden; ein Staat, der für seine Ärmsten ein popeliges Almosen bereitstellt, das zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist; ein Staat, der die Wohlstandsgarantie für Alle nie im Sinne hatte - dieser Staat ist seines Namens nicht wert! Er ist zu einer Organisation verkommen, wie sie Darwin in seinem evolutionstheore-tischen Werk nur der dem Menschlichen absenten Natur zuweist, wo die Selektion den Schwächeren auffrisst! Denn in freier "Wildbahn" herrscht das Recht des Stärkeren.
„Bereichert euch, solange das Volk noch zahlt“ rufen die von Gier und Spekulationslust gedopten Hochverdiener an den Börsencountern den nicht minder angetörnten Anlegern zu und verschieben per Mausklick Milliarden-summen auf die gewünschten Konten. Gefahrlos und ohne Risiko vermehren diese Magiere der modernen Finanzwirtschaft fragwürdige Vermögen. Denn für Ausfälle und Fehlspekulation haften die Steuerzahler mit Rettungsgeld. Und dies "alternativlos"! Wo es "Börsenseminare speziell für Frauen“ gibt, wo im Ratgeberformat "Börsen-Techniken“ angeboten werden, die „von der Dummheit vieler Anleger“ zu profitieren versprechen, wo "Fit für die Börse-Lernboxen“ für den Nachwuchs den Eltern empfohlen werden, da sind wir zuhause.
Dass man in der BRD gegen Bahnhöfe, Windräder, Atomkraftwerke demonstriert, gegen Volksarmut aber kein Hund auf die Straße geht, ist bezeichnend dafür, dass gesellschaftlich relevante Prioritäten abhanden gekommen sind. Wie ist es möglich, dass eine Gesellschaft ihr stärkstes Instrument zur Selbstbestimmung, die parlamentarische Demokratie, aus der Hand gibt und stattdessen sich in mythische Verhältnisse zurückzieht? Wie kommt ein Volk dazu, sich von seinen politischen Repräsentanten und den hinter diesen stehenden Profiteuren derart an der Nase herumführen zu lassen und wie gebannt, in seinem heimischen Fernsehsessel verharrend, dem finalen Crash entgegenfiebert? Schuld trägt nicht etwa das so oft herbei beschworene „man kann ja nichts machen“, vielmehr der sich bereitwillig entmündigende Bürger selbst. In 30jähriger Politisierungsaskese hat der Wahlbürger sein ohnehin wenig entwickeltes kritisches Bewusstsein an den Nagel gehängt.
Von kritischer Bildung will der Zeitgenosse nichts mehr wissen. Fischer und Schröder haben es ihm vorgemacht. Für die war der Linkstrip nur ein Step auf der Karriereleiter. Heute paktieren die Ehemalsrevoluzzer mit dem Großkapital und verdienen dabei nicht schlecht (zuletzt Frau Scheel von den Grünen). In solchen Zeiten landen Mandels „Einführung in den Marxismus“ und Pohrts „Harte Zeiten. Neues von Dauerzustand“ in der Flohmarktkiste, wo sie dem Raritätensammler auch nicht einen Euro wert sind. Die roten und blauen Bände vermodern im Keller oder dienen denen, die im Ikea-Land noch nicht angekommen sind, als Bettständer.
Man braucht sich nicht zu wundern, dass eine Gesellschaft, der das Interesse am eigenen Wohl abhandengekommen ist, ideale Beute skrupelloser Egomanen und Renditejäger geworden ist. Frühkapitalistische Zustände haben den Menschen ins Bewusstlosen-Stadium zurück katapultiert.
Da bleibt einem nur noch den alte Bert Brecht zu zitieren: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen: Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ (PK)
Dietmar Spengler aus Köln ist promovierter Kunsthistoriker im Ruhestand und kann das Räsonieren nicht lassen!
Online-Flyer Nr. 326 vom 02.11.2011