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Ischinger-Bauer-Connection: Hochschulen für das Militär verpflichten
Bundeswehr-Klausel statt Zivilklausel
Von Dietrich Schulze
Wenn es nach der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) geht, ist es unterstützenswert, wenn die Hochschulen Forschung und Lehre friedlichen Zwecken widmen. Sie sollen aber gleichzeitig für das Militär forschen können. Am 2. November hat sie anlässlich ihres Besuches der Uni Tübingen erklärt: "Ich halte es für legitim und richtig, wenn unsere Hochschulen Forschung zu sicherheitsrelevanten Fragen betreiben, die sich im Rahmen demokratisch legitimierter Bundeswehreinsätze stellen".
Theresia Bauer - grüne Ministerin
für Wissenschaft, Forschung und
Kunst, die sich offenbar nicht an
ihre Wahlversprechen erinnern will
Online-Flyer Nr. 327 vom 09.11.2011
Ischinger-Bauer-Connection: Hochschulen für das Militär verpflichten
Bundeswehr-Klausel statt Zivilklausel
Von Dietrich Schulze
Wenn es nach der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) geht, ist es unterstützenswert, wenn die Hochschulen Forschung und Lehre friedlichen Zwecken widmen. Sie sollen aber gleichzeitig für das Militär forschen können. Am 2. November hat sie anlässlich ihres Besuches der Uni Tübingen erklärt: "Ich halte es für legitim und richtig, wenn unsere Hochschulen Forschung zu sicherheitsrelevanten Fragen betreiben, die sich im Rahmen demokratisch legitimierter Bundeswehreinsätze stellen".
Theresia Bauer - grüne Ministerin
für Wissenschaft, Forschung und
Kunst, die sich offenbar nicht an
ihre Wahlversprechen erinnern will
Quelle: www.gruene-heidelberg.de
Die Uni Tübingen verfolgt die gleiche perfide Absicht, Hochschultätigkeit für das Militär als vereinbar mit dem „friedlichen Zweck“ auszulegen. Die Ende 2009 für die Grundordnung beschlossene Zivilklausel wurde im Herbst 2010 rechtskräftig. Kurz danach wurde der Kriegsbefürworter und Chef der NATO-Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger zum Honorar-professor bestellt. Militärforschung für Auslandseinsätze mit Minidrohnen und medizinische Immunisierung von Soldaten gegen Chemiewaffen wird als verträglich mit der Zivilklausel angesehen. Damit wird die geforderte Friedensbindung als Kooperations-vereinbarung Bundeswehr/Hochschule pervertiert.
Das ist gleichbedeutend mit einer Umsetzung der regierungs-amtlichen CDU-Militärpolitik für den Hochschulbereich. Der Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Bundeswehr von einer Verteidigungs- in eine Angriffsarmee ist offensichtlich. Dazu verlangte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière von der Nation: "Die Kultur der militärischen Zurück-haltung sollte einer Kultur der Verantwortung weichen." Das meint bereitwillige Unterstützung von Kriegseinsätzen der Bundeswehr.
Kultur der Verantwortung
Das ist gleichbedeutend mit einer Umsetzung der regierungs-amtlichen CDU-Militärpolitik für den Hochschulbereich. Der Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Bundeswehr von einer Verteidigungs- in eine Angriffsarmee ist offensichtlich. Dazu verlangte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière von der Nation: "Die Kultur der militärischen Zurück-haltung sollte einer Kultur der Verantwortung weichen." Das meint bereitwillige Unterstützung von Kriegseinsätzen der Bundeswehr.
Wolfgang Ischinger – erst Chef der NATO-Sicherheitskonferenz nun Honorarprofessor
Quelle: http://de.indymedia.org
Theresia Bauer ist die erste Ministerin einer Rot-Grünen Landesregierung, die die Indienstnahme der Hochschulen für die Bundeswehr offen propagiert. Im Gegensatz dazu heißt es im Grünen Landtagswahlprogramm: „Die Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen des Landes sollen ausschließlich friedliche Zwecke verfolgen. Um dies deutlich zu machen, befürworten wir die Einführung von Zivilklauseln in den Satzungen aller solcher Einrichtungen.“ Das konnte nur als Absage an militärische Zwecke verstanden werden.
Vor und nach der Wahl
In diesem Sinne hatte Frau Bauer kurz vor der Landtagswahl zusammen mit dem jetzigen Ministerpräsidenten und dem Minister für Finanzen und Wirtschaft und weiteren 450 Persönlichkeiten des In- und Auslands das Präsidium des Karlsruher Instituts für Technologie KIT und dessen Gründungssenat aufgefordert, „dem Antrag der Studierenden der Uni Karlsruhe zur Aufnahme der Zivilklausel in die KIT Grundsatzung ‚Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen.‘ [Text Tübinger Zivilklausel] zuzustimmen.“
KIT-Zivilklausel
Bereits zwei Monate nach der Landtagswahl hatte Frau Bauer in einem Interview überraschend erklärt: "In der Hochschulpolitik waren wir Grünen meist näher an den Schwarzen als an der SPD". Und genau das hat sie anlässlich ihres Besuchs in Karlsruhe beim KIT demonstriert, indem sie sich gegen eine KIT-Zivilklausel aussprach. Einen Offenen Brief zum Antikriegstag mit der Erinnerung an die Wahlversprechen, unterzeichnet von zwanzig Studierendenvertretungen und Friedensgruppen und vierzig Hochschul-angehörigen und Personen der Friedensbewegung fand sie keiner Antwort wert.
KIT ohne Zivilklausel
Für KIT ist jetzt der Gesetzentwurf der Landesregierung für die vollständige organisatorisch-finanzielle Verschmelzung des (Kern)Forschungszentrums mit der Uni Karlsruhe zum KIT vorgelegt worden - ohne die versprochene Zivilklausel und mit fast vollständiger Beseitigung der Mitbestimmungsrechte unter dem Segel der Freiheit, genannt Autonomie. Autonomie für wen? Für die Wirtschaft (Aufsichtsratsmitglied Dieter Zetsche, Daimler) und für die Bundeswehr mit einer Verwaltung, die in deren Interessen mit immer mehr Zeitverträgen und morgen mittels betriebsbedingter Kündigungen (TU9- Forderung) die Beschäftigten unterdrücken und die Studierenden ebenso wie in Tübingen auf die neudeutsche zivilmilitärische Außen- und Innenpolitik vorbereiten. Das alles wohlgemerkt bei öffentlicher Grundfinanzierung und öffentlichem Bildungsauftrag. Presse-Kommentar des UStA zum Gesetz-entwurf: „Exakt null“ ihrer Forderungen sieht jedoch die Studentenvertretung verwirklicht.“
Militärisch-industrieller Forschungskomplex
Mit KIT ist die Schaffung eines militärisch-industriellen Forschungskomplexes in vollem Gange. Dazu kommt die Ungeheuerlichkeit, dass hier Kernforschung und Waffenforschung unter einem Dach durchgesetzt wird. Völlig unberührt von Atomausstieg und Energiewende wird im KIT weiter an Atomreaktoren der 4. Generation geforscht. Im Projekt „unbemannte kognitive Fahrzeuge“, gesteuert von einem Münchener und einem Karlsruher Rüstungs-wissenschaftler, wird nachweislich an Drohnen für militärische Zwecke geforscht. Bei Projektgründung war von der früheren Landesregierung gegenüber MdL Gisela Splett (Grüne) und MdL Johannes Stober (SPD) jegliche militärische Anwendung abgestritten worden. Die jetzige Staats-sekretärin hatte diesen Widerspruch verbunden mit der geforderten Zivilklausel kürzlich im Kabinett vorgetragen. Das alles wurde vom Grün-Roten Kabinett ignoriert.
Der 86-jährige antifaschistische Widerstandskämpfer Martin Löwenberg aus München, der als Konsequenz aus Verfolgung und Zwangsarbeit gegen den deutschen Militarismus kämpft, hatte in einer bewegenden Grußbotschaft Ende Oktober zum Zivilklausel-Kongress in der Uni Tübingen die Forderung nach Beendigung der Ischinger-Honorar-professur unterstützt, den ver.di-Bundeskongress-Beschluss nach Zivilklauseln für alle Hochschulen begrüßt und sich über die bei der Hamburger Protestbewegung erstmals sichtbare Einheit zwischen Studierenden und Beschäftigten gegen Studiengebühren, befristete Verträge und Einschränkung der Hochschul-freiheit gefreut. „Für diese Einheit aller Menschen und politischen Gruppierungen für Freiheit und Demokratie, gegen Rüstung und Krieg und für ausschließlich zivile Konflikt-lösungen“ habe er sich ein Leben lang eingesetzt. An solchen Vorbildern können wir uns alle orientieren und aus seinem Weg persönlich Mut schöpfen.
Krieg ist Frieden
Wenn von Theresia Bauer in Stuttgart und Wolfgang Ischinger in Tübingen/ München Kriegseinsätze der Bundeswehr und die Hochschulforschung dafür als Friedenspolitik und für KIT Karlsruhe die Unterordnung als Autonomie deklariert werden, dann beginnt jetzt Orwell 1984 „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“. Das gilt es zu erkennen und den Wider- stand zu verstärken.
Beide haben jedenfalls in verantwortlichen Positionen für Hochschulen, die dem Frieden, dem Allgemeinwohl und der Verständigung zwischen den Völkern dienen sollen, nichts zu suchen. Der eklatante Bruch eines Wahlversprechens muss die Ablösung der Ministerin zur Folge haben, ebenso wie die Ischinger-Bestellung rückgängig zu machen ist.
Die Zivilklausel gehört in das KIT-Gesetz und in das Landeshochschulgesetz. Bestehende Zivilklauseln, in Baden-Württemberg für die Unis Tübingen und Konstanz, gilt es zu schützen. (PK)
Dr.-Ing. Dietrich Schulze war von 1966-2005 im Kernforschungszentrum Karlsruhe (jetzt KIT Campus Nord) tätig, anfangs als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hochenergiephysik-Projekten und später als Betriebsrats-vorsitzender. Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. www.natwiss.de und arbeitet in der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten – Webdokumentation www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf.
Kontakt: dietrich.schulze@gmx.de
Kontakt: dietrich.schulze@gmx.de
Dietrich Schulzes oben stehender Beitrag wurde mit folgendem Anschreiben auch an die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Theresia Bauer, geschickt:
Sehr geehrte Frau Ministerin,
wir beziehen uns auf unser Schreiben vom 26. August, auf das Sie nicht geantwortet haben. Auch auf eine entsprechende Pressenachfrage gibt es keine Reaktion.
Der Vorgang ist für uns von solcher grundsätzlicher Bedeutung, dass sich die Initiative veranlasst sah, eine Presse-Erklärung heraus zu geben, die wir Ihnen in der Anlage überreichen.
Mit freundlichen Grüßen
im Namen der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten
Dietrich Schulze Dagmar Hamdi
Zur Kenntnis an:
Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Fraktionsvorsitzende der Koalition
Online-Flyer Nr. 327 vom 09.11.2011