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Aktueller Online-Flyer vom 24. November 2024  

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Kommentar
Antisemitische Äußerung eines FDP-Stadtverordneten im Frankfurter Römer
Ungerügt und undiskutiert
Von Jutta Ditfurth

Einen Tag nach all den Reden zur Reichsprogromnacht, blieb eine antisemitische Äußerung in der Sitzung des Frankfurter Stadtparlaments am 10. November ohne Folgen. Diskutiert wurde der Antrag NR 97 von CDU und Grünen über die dauerhafte kulturelle Nutzung des Hauses Gutleutstr. 8-12. In der Debatte machte der FDP-Stadtverordnete Stefan von Wangenheim Anmerkungen zur Geschichte des Hauses. Er sagte, das Haus habe früher einem Juden gehört, der dann "die Gunst der Stunde genutzt" und das Haus verkauft habe, um seine Flucht aus Deutschland zu bezahlen.
 

FDP-Stadtverordneter
Stefan von Wangenheim
Meine empörten Zwischenrufe, das sei schierer Antisemitismus, was denn an jener Stunde "günstig" gewesen sei, ob er das antisemitische Klischee des geschäftstüchtigen Juden bedienen wolle, dass er aufhören und die Sache erklären und sich entschuldigen solle, dass gerade Leute, die aus Familien wie seiner und meiner (wir sind verwandt) kämen, verantwortungsbewußt zu sein und Antisemitismus zu bekämpfen hätten, usw. blieben unbeantwortet.
 
Ich rief in einen toten Raum. Keine Fraktion berief den Ältetestenausschuss ein. Niemand vom Magistrat sagte auch nur ein Wort. Kein CDUler, kein Grüner rührte sich. Die antisemitische Aussage ging im Römer glatt und unbeanstandet durch, nur eine SPD-Stadtverordnete sprach in ihrem Redebeitrag von einer "Entgleisung".
 
Ich wurde vom Präsidium gerügt.
 
Aber es kam lautes Gegröhle und Stammtischgejohle bei FDP, CDU und Teilen der Grünen auf, als Wangenheim, statt sich zu erklären, im weiteren Verlauf seiner Rede abfällige Bemerkungen über mich machte.
 

Jutta Ditfurth
Quelle: www.jutta-ditfurth.de,
Foto: Kurt Steinhausen
Die Parlamentsmehrheit sollte sich künftig alle Reden zum Gedenken an die Reichspogromnacht und zur Verfolgung und Ermordung der deutschen und europäischen Juden schenken, wenn der Antisemitismus in den eigenen Reihen sie nicht stört und unbeanstandet durch das Stadtparlament ziehen kann.
 
Der Zigarettenfabrikant Adam Becker war Eigentümer des Hauses Gutleutstr. 8-12. Er verkaufte sein Haus 1933 an die NSDAP-Gauleitung Hessen-Nassau (das Haus hieß fortan Adolf-Hitler-Haus) und bezahlte davon seine Flucht aus Deutschland. Er nutzte also, wie Stefan von Wangenheim (Mitglied einer Partei, die so vielen NS-Faschisten nach 1945 ein wohliges politisches Zuhause bot) meint, die ungeheure "Gunst der Stunde", den angeblichen Vorteil der Situation.
 
Die den Massenmord vorbereitende Hetze gegen alle jüdischen Deutschen und jüdischen Europäer begann ja nicht erst im März 1933, als auf Massenkundgebungen der NSDAP behauptet wurde, "der Jude" habe "es gewagt, dem deutschen Volke den Krieg zu erklären". Am 1. April 1933 gab es in ganz Deutschland gewalttätige Boykottaktionen gegen jüdische Geschäfte, Büros, Arztpraxen. Die Botschaft war klar. Viele Juden begannen, ihre Flucht zu organisieren. Auch Adam Becker.
 
"Günstig" war die Stunde nur für ihre späteren Mörder.
 
Jutta Ditfurth ist Stadtverordnete von ÖkoLinX-ARL im Frankfurter Römer und Autorin einiger politisch engagierter Bücher, u.a. "Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen", die sie als deren Mitgründerin gut genug kennt.
 
Der FDP-Stadtverordnete Stefan von Wangenheim, geboren am 30. Juni 1955 in Wiesbaden, hat, wie er in einem Interview auf der Webseite www.alevi-frankfurt.com vor seiner Wahl ins Stadtparlament erzählte, "nach einer zweijährigen Bundeswehrzeit" in Heidelberg, Hamburg und Kiel Jura studiert. "Nach ein paar Jahren im Sportmarketing habe ich 15 Jahre lang im Immobilienbereich gearbeitet, zunächst bei einem Maklerunternehmen, dann 9 Jahre lang bei einer Bank hier in Frankfurt und bei einer Immobilienfondsgesellschaft. Seit drei Jahren bin ich Partner in einer Personalberatungsgesellschaft und vermittle Führungskräfte in der Wirtschaft". (PK)


Online-Flyer Nr. 328  vom 16.11.2011



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