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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Lokales
Die Wasserkonzerne und Berlins Senat haben längst nicht alles offen gelegt
Und was macht Klaus Wowereit?
Von Peter Kleinert

"Heut' ist ein wunderschöner Tag", denn: "Am heutigen Dienstag werden
gemäß dem vor einem Jahr verkündeten Gesetz zur Offenlegung der Verträge
über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe alle
diesbezüglichen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden ungültig - falls
sie bis jetzt noch nicht veröffentlicht sind. Wir sind überzeugt, dass noch vieles im Dunkeln liegt, was das Licht der Öffentlichkeit scheuen muss", erklärt Wassertisch-Sprecherin Ulrike von Wiesenau in einer Pressemitteilung vom 13. März.


Berliner Bürgermeister und Manfred
Schmidt-Gast Wowereit
Für diese Regelung der Offenlegung aller Verträge hatten sich, wie berichtet, im Volksentscheid am 13. Februar 2011 über 666.000 Berlinerinnen und Berliner ausgesprochen. Allerdings trübt nun eine Aktion der privaten Anteilseigner der Berliner Wasserbetriebe, des Atomkonzerns RWE und des Pariser Wasser- und Abfallwirtschaftskonzerns Veolia, die optimistische Stimmung der Berliner WasserverbraucherInnen. Die Konzerne wollen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das durch den Volksentscheid durchgesetzte Gesetz klagen.
 
Kriegserklärung an die Bevölkerung
 
"Die Klage von RWE und Veolia kommt für uns nicht überraschend, denn das war höchst absehbar. Die Klage ist für uns eine Kriegserklärung an die Berliner Bevölkerung und Eingeständnis zugleich. Wir sind überzeugt, dass noch vieles im Dunkeln liegt, was das Licht der Öffentlichkeit scheuen muss", so Ulrike von Wiesenau. "Es geht um nichts weniger als um die grösste Teilprivatisierung innerhalb der EU und den Musterfall eines PPP-Vertrages, der den Konzernen ohne unternehmerisches Risiko hohe Gewinngarantien und Entscheidungsbefugnisse zu Lasten der Allgemeinheit einräumt".
 
Der Berliner Wassertisch nimmt die Klage zum Anlass, um den Blick auf die Berliner Politik zu richten. Bisher haben die Senatsparteien immer verlauten lassen, "nach bestem Wissen und Gewissen" sei alles offengelegt. Wenn dem so wäre, machte die Klage von RWE/Veolia keinen Sinn. Im Sonderausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses warten die Mitglieder seit Wochen auf eine klärende Antwort des Senats. "Wir verlangen eine Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit zu diesem Vorgang. Er muss auf der Seite des Volkes stehen, sonst hat er verloren!", verlangt Gerlinde Schermer, Wassertisch-Aktivistin und von Anfang an Gegnerin der Teilprivatisierung.
 
Wowereit und der Event-Manager Schmidt
 
Was Wowereit vom "Offenlegen" hält, dürften die Berliner BürgerInnen am heutigen Mittwoch, 14. März, kaum erfahren, wenn der Rechtsausschuss ihres Abgeordnetenhauses sich aller Voraussicht nach nicht mit der Frage befassen darf, warum ihr Regierender Bürgermeister im Jahr 2004 auf der Finca des Event-Managers Manfred Schmidt bei Barcelona einen kostenlosen "Kurzurlaub" verbringen durfte, der durch Christian Wulff und dessen Sprecher Olaf Glaeseker bekannt wurde. "Ich sehe nicht, dass der Rechtsausschuss hier zuständig ist“, erklärte die Ausschussvorsitzende Cornelia Seibelt (CDU) laut FOCUS Online vom 13. März, als die Grünen dieses Thema auf die Tagesordnung setzen wollten. Ob das mit der Fraktion der Linken, Wowereits früherem Koalitions- partner, für ihn auch so gut gelaufen wäre, bezweifelt man in der Opposition. Aber Deutschland hat sich der UN-Konvention zur Korruption bisher immer noch nicht angeschlossen, was aktuell sogar Wowereits Parteifreund, der Bundestags-abgeordnete Marco von Bülow, Autor des Buches über die "Selbstentmachtung“ von Politikern "Wir Abnicker“ am Dienstag im ARD-Morgenmagazin nachdrücklich bedauerte.
 
Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Linken, dem früheren Koalitionspartner von Wowereits SPD, erklärte jetzt zum Thema Berliner Wasser eher vorsichtig: "Wir fordern, dass der Senat eine Strategie zum Umgang mit den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben entwickelt und zur öffentlichen Debatte stellt", während der Berliner Wassertisch konsequent fordert: "Wir Berliner wollen unser Wasser zurück! So lautete der Volksentscheid! Veolia und RWE müssen raus aus dem Berliner Wasser."
 
Verhinderung der vollständigen Offenlegung
 
Ziel der angekündigten Klage der privaten Teilhaber RWE und Veolia der Berliner Wasserbetriebe vor dem Bundesverfassungsgericht ist offensichtlich eine Verhinderung der vollständigen Offenlegung der durch die Initiative des "Berliner Wassertisch" aufgedeckten Geheimverträge. RWE und Veolia möchten laut "Wassertisch" durch ihre Klage einerseits geklärt wissen, „was exakt von der Veröffentlichungspflicht erfasst ist und was nicht“ und andererseits verhindern, dass „eine Nichterfüllung von Veröffentlichungspflichten zur Unwirksamkeit von Verträgen“ führt.
 
Erst in der letzten Sitzung des Sonderausschusses "Wasserverträge“ hatte der Wassertisch-Wirtschaftsexperte Rainer Heinrich die Veröffentlichung des Gewinnerwartungstableaus bis 2028 angemahnt. Da das Gewinnerwartungs-tableau in Verbindung mit der Gewinngarantie ihnen als Sicherheit gedient habe, um die Kredite für den Kauf der Wasserbetriebe zu erhalten, könnten die Konzerne nicht riskieren, dass es seine Gültigkeit verliert. Andererseits können sie es nicht veröffentlichen, da die Gewinngarantie laut Wassertisch als Banksicherheit gegen das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses verstößt.
 
RWE und Veolia in einer Zwickmühle
 
Weitere Nebenabsprachen wie die über den Verkauf von Grundstücken, Patenten etc. liegen laut Wassertisch-Kenntnis ebenfalls noch nicht offen: "Die Wasserkonzerne RWE und Veolia befinden sich in einer Zwickmühle. Legen sie alles offen, wird die Rechtswidrigkeit der Verträge und die Skrupellosigkeit der verantwortlichen PolitikerInnen und Konzernlenker deutlich, mit der sie gegen die Interessen der Bürger verstoßen haben; tun sie es nicht, verlieren die Wasserkonzerne ihre Ansprüche. Bislang haben sowohl der Senat als auch RWE und Veolia den Gang nach Karlsruhe vermieden, da sie nicht gegen den politischen Willen von 98,2 % der Berliner Bevölkerung klagen wollten, die für das Offenlegungsgesetz gestimmt haben. Doch offensichtlich ist ihnen die öffentliche Meinung mittlerweile egal."
 
Der Berliner Wassertisch bewertet die Klage deshalb als Verzweiflungstat der Konzerne: „Das PPP-Geschäftsmodell verträgt einfach keine Transparenz. Das Offenlegungsgesetz war für die verantwortlichen PolitikerInnen und die Konzerne der Super-Gau.“

Öffentlicher Diskussionsabend am 27. März

NRhZ-Archiv
 
In der nächsten Sitzung des Sonderausschusses Wasserverträge am 16.3. steht deshalb "die verfas-sungswidrige Unterbrechung der demokratischen Legitimationskette für die Unternehmensführung der Berliner Wasserbetriebe" auf der Tagesordnung. Und noch interessanter für die Ber- linerInnen, die an Veolia und RWE inzwischen nach der PPP-Teilprivatisierung den höchsten Wasserpreis in Deutschland zahlen müssen, dürfte ein öffentlicher Diskussionsabend mit Vertretern von Wissenschaftsverbänden und dem Berliner Wassertisch am 27. März, 19:00 Uhr, im "taz Café", Rudi-Dutschke-Straße 23, in Berlin-Kreuzberg werden. Auf dem Podium werden laut Einladung diskutieren:
Dr. Meyer-Guckel, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.
Martin Kaul, taz-Bewegungsredakteur
Reiner Braun, Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW e.V.)
Torsten Bultmann, Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) und
Rainer Heinrich, Dipl.-Kfm., Berliner Wassertisch
Moderation: Christian Füller, taz-Bildungsredakteur
 
In der Einladung erhalten mögliche TeilnehmerInnen vorab per Flugblatt unter der Überschrift "Gekaufte Gutachten - Hat die Zivilgesellschaft noch Zugang zur Ressource Wissen? Oder monopolisieren Konzerne über Drittmittel und Stiftungsprofessuren die universitäre Expertise?" folgende Hintergrundinformationen :
 
Private Akteure
 
Private Akteure engagieren sich nach Einschätzung des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft so viel wie nie zuvor für Wissenschaft und akademische Bildung. Die Co-Finanzierung der Universitäten gewinnt durch sogenannte Drittmittel angesichts der öffentlichen Finanzmittelknappheit eine immer größere Bedeutung. Mittlerweile ist die Drittmittelquote in der internen Evaluation der Hochschulen ein Kriterium geworden, das ihr Forschungs- und Lehrprofil in einem erheblichen Maße mitprägt. Die finanziellen Zuwendungen ermöglichen jedoch nicht nur neue Forschungsmöglichkeiten – sie schaffen auch neue Probleme. Selbst der Stifterverband sieht hier mittlerweile Handlungsbedarf und gibt "Empfehlungen" an porivate Förderer heraus, in denen er nachdrücklich darauf hinweist, dass die enge Verzahnung von Forschung und Praxis nicht die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden darf.
 
Ökonomisierung der Wissenschaften
 
Die sogenannte Ökonomisierung der Wissenschaften birgt jedoch nicht nur die Gefahr, dass die Universitäten sich auf wirtschaftlich lohnende Forschungsfelder beschränken und ihrem Leitbild einer nachhaltigen, "gesellschaftlich und ethisch orientierten sowie dem Humanismus verpflichteten Forschung und Lehre" (TU-Berlin) nicht mehr gerecht werden – es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie ihre Aufgabe, politische Akteure zu beraten, ebenfalls vermehrt nach wirtschaftlichen Interessen ausrichten. Auch hier hat naturgemäß die Wirtschaft aufgrund ihrer höheren Finanzkraft wesentlich mehr Möglichkeiten, auf die gegenwärtig noch hoch angesehene Institution Universität einzuwirken als die übrigen Teilnehmer der Zivilgesellschaft.
 
Affären
 
Die von der taz aufgedeckten Affären um die Stiftungsprofessuren der Deutschen Bank an Humboldt- und Technischer Universität und um die Gutachten des Wirtschaftsethikers der Humboldt-Universität, Prof. Dr. Joachim Schwalbach, werfen die Frage auf, ob die bisherige Praxis der Drittmittelvergabe ausreichend vor Missbrauch schützt. Sind Initiativen wie Guttenberg-Plag oder Vroni-Plag Anzeichen dafür, dass sich an den Universitäten zunehmend eine Grauzone bildet, in der eine wirksame hochschulinterne Qualitätskontrolle nicht mehr gewährleistet werden kann? Kann die Freiheit von Forschung und Lehre in einem Universitäts-Wettbewerb verteidigt werden, der nicht allein nach wissenschaftlichen, sondern vermehrt nach wirtschaftlichen Kriterien entschieden wird? Welche Rolle spielen die Universitäten im demokratischen Gefüge der Bundesrepublik? Wie kann die Gesellschaft die wissenschaftlichen Hochschulen vor einer einseitigen politischen Instrumentalisierung schützen und sicherstellen, dass im Interesse einer sachlichen und offenen politischen Diskussion auch weniger finanzkräftige Akteure der Zivilgesellschaft Zugang zu ihren Wissensressourcen erhalten?
 
Eingeleitet wird die Diskussion mit einer Fallstudie über ein Gutachten, das der HU-Wirtschaftsprofessor Joachim Schwalbach nach dem erfolgreichen Wasser-Volksentscheid im Auftrag der IHK-Berlin zur Bewertung der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB)" erstellt hat. (PK)


Online-Flyer Nr. 345  vom 14.03.2012



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