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Gewalt in Syrien durch Angriffe bewaffneter Regierungsgegner geschürt
Mythos einer „friedlichen Revolution“
Von Joachim Guilliard
Das Bild willkürlicher Regierungsgewalt gegen eine friedliche Opposition ist fern der Realität. Die Eskalation der Gewalt in Syrien wurde von Beginn an durch Angriffe bewaffneter Regierungsgegner geschürt. Zahlreiche Berichte und die Zahl getöteter Polizisten und Soldaten belegen, dass die Eskalation der Gewalt von Beginn an auch durch Angriffe bewaffneter Regierungsgegner geschürt wurde. Parallel zu gewaltfreien Protesten gab es in den Brennpunkten von Anfang an bürgerkriegsartige Auseinandersetzungen, die hierzulande praktisch ausgeblendet wurden. Obwohl vom ersten Monat an ein Drittel der Getöteten Polizisten und Soldaten waren, erfuhr man fast ein Jahr lang nichts über die bewaffneten Angriffe auf öffentliche Einrichtungen am Rande von Demos, über Hinterhalte und Gefechte. Stattdessen erweckte man den Eindruck, die Armee ginge mit schweren Waffen gegen friedliche Demonstranten vor.
Am 26. Mai wurden in Al Hula, nahe Homs, bei den bisher schwersten Gewalttaten seit Beginn der von UN-Vermittler Kofi Annan vermittelten Waffenruhe über 100 Menschen getötet und 300 verwundet. Über ein Drittel der Opfer sind Kinder. Obwohl die UN-Beobachter, die den Ort später untersuchten, keine Aussagen über die Täter machen konnten, erklärten westliche Politiker und Medien sofort die syrische Regierung für verant-wortlich. Regierungstruppen hätten Wohngebiete, in denen Anti-Assad-Demonstrationen stattfanden, mit Panzern, Mörsern und schweren Maschinengewehren beschossen. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte zwar in einer Dringlichkeitssitzung die Gewalttat aufs schärfste, vermied aber eine Schuldzuweisung. Insbesondere Russland wies darauf hin, dass zunächst eine genauere Untersuchung erfolgen müsse.
Laut westlichen Medien Armeeopfer
in Al Hula
Was in Al Hula geschah, kann nur eine unabhängige Untersuchung klären. Mit Sicherheit falsch ist jedoch die Dar- stellung, die Armee sei mit Panzern und Artillerie gegen friedliche Demon-stranten vorgegangen. Tatsächlich war Al Hula an diesem Freitag Schauplatz stundenlanger Gefechte zwischen bewaffneten Aufständischen und der Armee gewesen. Rebellengruppen, die sich zur „freien syrischen Armee“ zählen und das Gebiet seit Monaten kontrollierten, hatten am Nachmittag Stellungen der Armee außerhalb der Ortschaft angegriffen. Wie der Spiegel in Übereinstimmung mit der syrischen Regierung berichtete, erlitten sie bei den von 14 bis 23 Uhr andauernden Gefechten schwere Verluste und mussten sich zurückziehen.[1]
Trotz Friedensplan – bewaffneter Aufstand von außen geschürt
In den letzten Monaten wurden die Aufständischen mit immer mehr und mit immer schwereren Waffen versorgt, finanziert von den Golfmonarchen und koordiniert, so die Washington Post, von den USA.[1b] Wie das letzte Treffen, des als „Freunde Syriens“ firmierenden Interventionsbündnisses in Istanbul unterstrich, ist das Ziel des „Regime Change“ keineswegs vom Tisch. Die arabischen Feudalherren, die USA und andere NATO-Staaten haben den bewaffneten Aufständischen über 100 Millionen Dollar für Sold und Ausrüstung zugesagt und, wie die Entwicklung zeigt, z.T. auch schon geliefert.
Neben Mörsern, Raketenwerfern und schweren Maschinengewehren erhalten sie laut dem israelischen Militärinformationsdienst DebkaFile auch modernste US-amerikanische Panzerabwehrwaffen, wodurch in letzter Zeit eine immer größere Zahl schwerer T72-Panzer explodierten. Der türkische Geheimdienst erhielt grünes Licht, die Kämpfer mit Sprengfallen auszurüsten und sie in deren Verwendung zu trainieren. [2] Auch moderne deutsche HK MG4 Maschinengewehre von Heckler & Koch, die die Bundeswehr nutzt, haben Rebellen, den Informanten von DebkaFile zufolge, im Einsatz.[3]
Seit Ankunft der ersten Uno-Beobachter am 12. April habe sich die Lage zuungunsten von Assads Regierung entwickelt, schreibt die NZZ. Da die Armee sich stark zurückhält und ihr das Waffenstillstands-Abkommen die Verwendung von schweren Waffen in besiedeltem Gebiet untersagt, konnten die bewaffneten Rebellengruppen ihre Positionen absichern und die von ihnen kontrollierten Gebiete ausdehnen.[4] Insgesamt 3.500 Angriffe von Aufständischen wurden seit dem 12. April dokumentiert. [5]
PR für Regime-Change
Ungeachtet dessen wird weiterhin nur die Regierungsseite ultimativ zu Einstellung der Kampfhandlungen und zum Rückzug ihrer Truppen aus den Städten aufgefordert, obwohl dies in den umkämpften Gebieten einer Kapitulation vor den bewaffneten Rebellengruppen gleichkäme. Diese hatten schon einmal, als die Beobachtermission der Arabischen Liga ins Land kam, den Rückzug der Armee zur militärischen Besetzung von Stadtvierteln genutzt.
Von Anfang an war die wichtigste Komponente in der Kampagne gegen die Assad-Regierung die Schaffung eines weithin akzeptierten Bildes des Konflikts, als ein brutaler Kampf der Regierung gegen eine friedliche Opposition, in dem Armee und Polizei mit Waffengewalt gegen unbewaffnete Demonstranten vorgehen und willkürlich ganze Stadtviertel angreifen. Dies geschieht mittels einer Berichterstattung, die – gestützt auf die Meldungen von PR-Gruppen der Opposition – die Gewalt der Sicherheitskräfte systematisch aufbauscht und die der Gegenseite weitgehend ausblendet. Berichte vieler Beobachter – von unabhängigen Journalisten über die Beobachtermission der Arabischen Liga bis hin zum französischen Botschafter und der International Crisis Group – belegen, dass die Nachrichten nicht nur stark einseitig, sondern oft sogar regelrecht gefälscht sind. [6] Die Flut von Berichten, die das Narrativ „Regierungsgewalt gegen friedliche Opposition“ täglich aufs Neue zu bestätigen schienen, untergruben und untergraben die Bemühungen für einen politischen Dialog und trugen – indem sie ins Land zurückwirkten – direkt zur Eskalation bei.
„Dynamik des Blutvergießens weitgehend im Dunkel“
Vor allem die Unterstützer der „syrischen Revolution“ aus linken Kreisen und der Friedensbewegung betonen nach wie vor den gewaltfreien Charakter der Protestbewegung. Dieses Bild sei jedoch schwer mit den Berichten unabhängiger Zeugen und der erbarmungslosen Ermordung zahlreicher Sicherheitskräfte in Einklang zu bringen, widersprach auch die International Crisis Group (ICG) bereits Anfang Juli 2011 dieser Darstellung. Plausibler sei es, dass „kriminelle Netzwerke, bewaffnete Islamisten-Gruppen, von außen unterstützte Elemente und einige, in Selbstverteidigung handelnde Demonstranten zu den Waffen gegriffen haben.“
Die beträchtlichen Verluste unter den Sicherheitskräften neben der großen Zahl von toten Zivilisten zeige, so die transatlantische Denkfabrik weiter, dass „die Dynamik des Blutvergießens weitgehend im Dunkel bleibe, verhüllt durch ein Übermaß von unglaubwürdigen Behauptungen und Gegenbehauptungen.“
Obwohl die ICG eng verbunden mit den führenden politischen Kreisen der NATO-Staaten ist und im Grunde auf Seiten der syrischen Opposition steht, kommt ihr Nahostteam in seiner am 13.Juli 2011 veröffentlichten Studie zu einer differenzierteren und der gängigen Berichterstattung gegenüber äußerst kritischen Betrachtung.
So zitiert sie einen gut informierten Beobachter, der die undurchsichtige Lage in den ersten Wochen der Unruhen sehr anschaulich zusammenfasste: "Es ist sehr chaotisch auf beiden Seiten. Auf den Straßen sind die Jugend und andere genuine Demonstranten, aber in einigen Fällen hat man auch ausländische Agenten, Fundamentalisten, Kriminelle und ähnliches. Auf Regierungsseite koordinieren sich die verschiedenen Sicherheitsdienste nicht unbedingt untereinander und einige scheinen Zivilisten bewaffnet zu haben. Die Sache wird noch dadurch verschlimmert, dass beide Seiten über das, was vor Ort passiert, lügen. Jeder stellt nur den anderen als allein Verantwortlichen hin.“ Die staatlichen Medien erzählen Stories, so die ICG weiter, „in denen sich die Sicherheitskräfte Provokateuren, Islamisten und kriminellen Banden entgegenstellen, um die einfache Bevölkerung zu schützen und Gesetz und Ordnung wieder herzustellen. Sie berichten zwar auch über Opfer unter friedlichen Demonstranten, machen aber vor allem die bewaffneten Gegner verantwortlich.
Die Gegenseite betone hingegen den friedlichen Charakter der Proteste und die Legitimität ihrer Forderungen. Sie bemühe sich um das Image einer Ägypten-ähnlichen Revolution und spiele die islamistische Agenda, den konfessionellen Charakter und die Anwendung von Gewalt diverser Gruppen runter. Sektiererische Slogans, z.B. gegen Allawiten oder Christen werden schlicht geleugnet während gleichzeitig jede Form weiblicher Beteiligung an den überwiegend von Männern getragenen Aktivitäten herausgestrichen wird.
Die ausländischen Mainstream-Medien würden auch nicht gerade zur Aufklärung beitragen. Ausländische Journalisten stützen ihre Berichte auf zweifelhaftes Material oppositioneller Kreise. Sie haben Aktive als lokale "Korrespondenten“ angeheuert und mit Satellitentelefonen, Modems etc. ausgestattet, die dann unüberprüft als "Augenzeugen“ dienen. Dies habe in zahlreichen Fällen zu falschen oder irreführenden Berichten geführt – z.B. über Polizeigewalt gegen Proteste an Orten, wo ihren späteren Nachforschungen zufolge überhaupt keine Aktionen stattfanden. Die meisten Medien würden zwar regelmäßig formell darauf hinweisen, dass sie die Authentizität ihrer Informationen nicht bestätigen können, diese jedoch dennoch breit veröffentlichen. Auf diese Weise erhielten Berichte über Panzer, die Granaten auf Stadtviertel abfeuern oder Hubschrauber, die Zivilisten niedermähen, breite öffentliche Verbreitung. Viele Titelgeschichten erwiesen sich später als Fake. [7]
Bewaffnete Aufständische ausgeblendet
In den westlichen Medien tauchten bewaffnete Regimegegner erst Anfang des Jahres als relevante Akteure auf. Der Widerstand habe nun, nachdem das Regime fast ein Jahr getötet und gefoltert habe, begonnen sich zu bewaffnen und Selbstverteidigung zu üben, schrieb z.B. noch im Februar die syrische Autorin Rime Allaf von der Londoner Denkfabrik Chatham House in der New York Times.[8] Bei Amnesty International werden bewaffnete Oppositionsgruppen erst ab April des Jahres als Problem erwähnt und das auch nur am Rande.[9] Noch im Februar führte die Organisation eine erneute Kampagne gegen die Weigerung der russischen Regierung durch, einen Resolutionsentwurf den UN-Sicherheitsrat passieren zu lassen, der allein die syrische Regierung zum Gewaltverzicht aufforderte.[10] Es blieb Human Rights Watch vorbehalten, als erste westliche Menschenrechtsorganisation auch die Verbrechen oppositioneller Gruppen zu thematisieren, wenn auch erst ein volles Jahr nach Beginn der Unruhen.[11] Die New Yorker NGO meint allerdings, die Protestbewegung sei bis September 2011 überwiegend friedlich gewesen. Erst ab da hätte eine wachsende Zahl von Deserteuren und Ortsansässigen beschlossen, zu den Waffen zu greifen und sich gegen die Sicherheitskräfte zu wehren.
Auch kritische Beobachter, die die wachsende Militarisierung der Protestbewegung thematisieren, gehen meist davon aus, dass diese sich erst langsam im Zuge der Auseinandersetzungen entwickelte und sehen sie ebenfalls überwiegend als eine Reaktion auf das brutale Vorgehen von Polizei, Armee und Geheimdiensten an. „Die Brutalität des syrischen Regimes jedoch hat zur Militarisierung des Aufstands geführt“, heißt es z.B. in einem lesenswerten Papier von Lühr Henken und Peter Strutynski zur Gefahr von Kriegen gegen Syrien und Iran. „Der haushoch überlegene Repressionsapparat hat die Auseinandersetzung zunehmend auf das militärische Schlachtfeld gelockt, um seine Überlegenheit auszuspielen.“[12]
In der Tat sind in den Brennpunkten auch lokale bewaffnete Gruppen aufgrund der Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften entstanden. Der bewaffnete Aufstand wird im Wesentlichen aber von anderen Kräften getragen. Wie in Libyen waren diese von Beginn an aktiv und trugen maßgeblich zur Eskalation bei.
Beginn der Unruhen
Ähnlich wie in Libyen begann die Protestbewegung nicht in der Hauptstadt, sondern im März, also relativ spät, an der Peripherie, in der kleinen Stadt Daraa an der Grenze zu Jordanien, in einer religiös-konservativen, stammesbezogenen Region. Es hatte zwar bis dahin schon viele Aufrufe an die Syrer gegeben, sich den Protesten in den anderen arabischen Ländern anzuschließen, sie fanden jedoch kaum Resonanz.
Das änderte sich erst, nachdem in Daraa Anfang März eine Gruppe Jugendlicher, die regierungsfeindliche Parolen geschrieben hatten, festgenommen und misshandelt worden waren und der Gouverneur und die Polizei auch gegen die Eltern und örtliche Stammesführer vorgingen, die ihre Freilassung forderten. Nach einer kleineren Demonstration am 15.3. protestierten am Freitag 18.3. schon mehrere Tausend und forderten die Freilassung der Jugendlichen, sowie die Rückritte von Gouverneur und Polizeichef. Es kam zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei, die mehrere Tage anhielten. Unabhängige Untersuchungen darüber gibt es nicht, die Medienberichte, die sich überwiegend auf oppositionelle Augenzeugen beziehen, weichen teilweise erheblich voneinander ab. Während die New York Times z.B. am 18.3. von sechs getöteten Demonstranten sprach, hatte die BBC bis Mitternacht erst drei registriert.[13]
Den Berichten westlicher Medien zufolge setzten die Sicherheitskräfte ihre Schusswaffen gegen friedliche Demonstranten ein, laut syrischen Medien gegen bewaffnete Angreifer. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA machte Provokateure für die Eskalation verantwortlich, die die große Ansammlung von Demonstranten vor der Al-Omari-Moschee ausgenützt hätten, um öffentliche und private Einrichtungen anzugreifen. [14] Autos und Läden seien in Brand gesetzt worden, und als die Sicherheitskräfte eingriffen hätten, seien auch sie attackiert worden. [15]
Westliche Medien taten dies zwar als Propaganda ab. Eine Reihe von Berichten ausländischer Medien belegen jedoch, dass es in der Tat bewaffnete Angriffe auf Regierungskräfte und öffentliche Einrichtungen gab. Nach einem Bericht des israelischen, jeglicher Sympathie für die Assad-Regierung unverdächtigen Mediennetzwerkes Arutz Sheva („Kanal 7“) „eröffnete die Polizei am Freitag [18.3.] das Feuer auf bewaffnete Demonstranten, tötete vier und verwundete bis zu 100 weitere“. [16] Am Sonntag brannten Demonstranten die örtliche Parteizentrale der Baath-Partei und das Gerichtsgebäude nieder und griffen auch das Krankenhaus der Stadt sowie Büro und Wohnhaus des Gouverneurs an. Neben zwei weiteren Demonstranten wurden dabei, wie Arutz Sheva und die chinesische Agentur Xinhua übereinstimmend berichteten, auch sieben Polizisten getötet.[17]
Die Zahl der getöteten Polizisten überstieg somit in den prägenden ersten drei Tagen der Protestbewegung vermutlich die der Opfer unter den Demonstranten. Mit dem Bild friedlicher Proteste, die von Sicherheitskräften willkürlich mit brutaler Gewalt unterdrückt wurden, ist dies kaum zu vereinbaren. Angesichts der Toten in ihren Reihen, war ein rücksichtsloseres Vorgehen der Sicherheitskräfte nun schon vorgezeichnet.
Am Mittwoch darauf kam es erneut zu tödlichen Zusammenstößen an der Al-Omari-Moschee. Den Berichten westlicher Medien und Human Rights Watch zufolge, hatte die Polizei morgens erneut friedliche Demonstranten angegriffen und sogar die Moschee gestürmt, in der diese sich gesammelt hatten. Sieben Oppositionelle seien dabei erschossen worden.[18]
Das staatliche syrische Fernsehen meldete hingegen, dass die Sicherheitskräfte gegen eine „bewaffnete Bande“ vorgegangen seien, die in der Innenstadt nahe der Moschee eine Ambulanz angegriffen und dabei einen Arzt, einen Sanitäter und den Fahrer getötet hätten. Vier der Angreifer seien anschließend erschossen worden. [19] Die Polizei dementierte zwar den Sturm der Moschee, zeigte später jedoch Bilder von AK47-Gewehren, Handgranaten und Munition, die sie dort gefunden hätte. Dem Bericht von AP zufolge stand tatsächlich eine Ambulanz mit zerschmetterten Scheiben auf einer Straße in die Altstadt. [20]
Im Laufe des Tages eskalierten die Auseinandersetzungen offenbar weiter, die Berichte blieben widersprüchlich. Laut AP stieg die Zahl der Toten bis zum Abend auf 15. Reuters meldete jedoch 37 tote Demonstranten und AFP sogar über 100.[21] Zu dem Zeitpunkt waren die Schüler bereits freigelassen und der Provinzgouverneur gefeuert worden.[22] Bald darauf wurde auch der Polizeichef Atif Najib, ein Verwander von Präsident Assad, entlassen, sie mußten sich allerdings bisher noch vor keinem Gericht dafür verantworten.[23]
In den folgenden Tagen kam es auch in anderen Städten zu größeren Demonstration, die von Angriffen bewaffneter Gruppen begleitet waren. Am 25.3. wurde, wie u.a. Al Jazeera berichtete, das Haus des Gouverneurs von Homs in Brand gesetzt [24] und SANA zufolge ein Hauptquartier der Armee und ein Offiziersclub angegriffen. Unter den Opfern dieser Angriffe seien auch Zivilisten gewesen.[25] Am 26.3. wurden laut Al Jazeera auch in Latakia und Tafas Gebäude der Baath-Partei und Polizeireviere in Brand gesetzt.[26] Laut SANA hatten in Latakia „bewaffnete Gruppen“ Hausdächer besetzt und das Feuer auf Sicherheitskräfte und „Bürger“ eröffnet.[27] Über 150 Personen seien in die Krankenhäuser der Stadt eingeliefert worden, die meisten davon Sicherheitskräfte. Von den 90 Verwundeten, die im Universitätskrankenhaus behandelt werden mussten, waren nach Angaben von dessen Direktor, Dr. Munir Osman, 80 Sicherheitskräfte, die Verletzungen durch Schüsse, Messerstiche und Eisenstangen aufwiesen.[28] Doch auch ein Feuerwehrmann und ein Busfahrer seien von bewaffneten Regimegegnern angegriffen worden.[29] Offiziellen syrischen Stellen zufolge wurden an diesem Tag insgesamt 10 Angehörige der Sicherheitskräfte und Zivilisten sowie zwei der Angreifer getötet.[30]
Der Großmufti von Syrien, Ahmad Bader Hassoun, wies Vorwürfe, die Armee habe das Feuer eröffnet, zurück und erklärte, dass diese nur in Selbstverteidigung reagiert hätten.[31]
Berichten des staatlichen Fernsehens zufolge erschossen unbekannte Täter am 5.4. in Damaskus zwei Polizisten.[32] Drei Tage später wurden bei erneuten freitäglichen Zusammenstößen in Daraa 19 Polizisten getötet. Die Kämpfe begannen laut SANA, als „nicht identifizierbare Bewaffnete“ auf Polizisten wie auch Zivilisten feuerten, die nach dem Freitagsgebet eine friedliche Protestkundgebung gegen die Regierung durchführten.[33] Oppositionelle Augenzeugen meldeten an AP nur 16 tote Demonstranten.[34]
Am 10. April 2011 geriet eine Armeeeinheit auf der Straße von Latakia nach Tartus in der Nähe der Küstenstadt Baniyas in den ersten regelrechten Hinterhalt. Neun Soldaten wurden dabei von einer größeren Gruppe bewaffneter Kämpfer getötet und viele weitere verwundet.[35]
Mehrheit der Toten Kombattanten
Amnesty International schätzte in ihrem Status-Bericht zum 1. Quartal 2011, dass bis 19. April, d.h. im ersten Monat der Proteste, ungefähr 220 Leute getötet wurden, „die überwiegende Mehrheit erschossen durch, von Sicherheitskräften abgefeuerter scharfer Munition“. [36] In derselben Zeit wurden jedoch auch über 50 Sicherheitskräfte und eine größere Zahl Zivilisten von bewaffneten Regimegegnern getötet.[37] Da unter den Toten sicherlich auch viele Kämpfer waren, ergibt sich somit ein deutlich anderes Bild als AI und andere vermittelten. AI wischte die Verweise syrischer Behörden auf „bewaffnete Banden“ einfach als Propaganda zur Seite – sie würden damit nur die „Glaubwürdigkeit der offiziellen Untersuchungen untergraben.“
Anfang Juli bezifferte die ICG die Zahl der getöteten Zivilisten auf Basis der Angaben oppositioneller Kreise auf 1500.[38] Da die Angaben der Opposition meist nur bruchstückhaft belegt und häufig übertrieben sind,[39] erscheinen 1000 bis 1200 Tote zu diesem Zeitpunkt realistischer. Auf Seite der syrischen Sicherheitskräfte lag die Zahl der Toten Ende Juni nach Angaben eines Militärsprechers bei über 400. Da die Namen der Getöteten stets in den Medien veröffentlich werden und auch über ihre Beerdigungen ausführlich berichtet wird, sind diese Zahlen recht zuverlässig. Wenn man davon ausgeht, dass die Zahl bewaffneter Kämpfer unter den toten Zivilisten mindesten so groß ist, wie die der getöteten Sicherheitskräfte, so war die Mehrheit der Toten Kombattanten.
Die übrigen Ziviltoten sind zudem keineswegs nur Oppositionelle und viele wurden von bewaffneten Regimegegnern getötet. Denn Anschläge und Attentate richten sich nicht allein gegen Sicherheitskräfte, sondern auch gegen politische Gegner und missliebige religiöse Gruppen.[40] Auch Wissenschaftler sind häufig Opfer von Anschlägen, hinter denen islamistische Gruppen vermutet werden.[41] Die türkische „Vereinigung von Universitätsräten“ (Universite Konseyleri Dernegi) veröffentlichte Anfang Oktober eine Protestresolution aus Anlass der Ermordung von 10 namentlich genannter Akademikern, meist Alawiten, innerhalb von nur sechs Wochen. Sie sehen darin eine Parallele zum Irak, wo seit 2003 über 300 Intellektuelle durch die Besatzer und islamistische Gruppen ermordet wurden. [42]
Dennoch wird die Gewalt bewaffneter Gruppen von Amnesty International ein ganzes Jahr lang an keiner Stelle erwähnt. Die syrischen Streitkräfte würden häufig Panzer und Artillerie einsetzen und willkürlich Kanonensalven und Granaten auf Wohngebiete von Städten abfeuern, heißt es stattdessen, nur weil es dort Massenproteste gab, so der Tenor der Berichte.[43]
Jürgen Todenhöfer – bis
1990 CDU-Bundestags-
abgeordneter
NRhZ-Archiv
Dabei gab es genügend glaubwürdige unab- hängige Quellen, die schon früh ein differen-zierteres Bild ermöglicht hätten. Jürgen Toden- höfer zitiert z.B. einen syrischen Ingenieur, nach dessen Information „die Rebellion von Anfang an bewaffnet gewesen“ war. Allein in den ersten drei Monaten seien über 200 Soldaten und Polizisten getötet worden. Er sei bei einer der Beerdigungen dabei gewesen. [44] Wie eine umfangreiche Korrespondenz zeigt, die der Nahostexpertin Sharmine Narwani vorliegt, haben syrische Aktivisten AI zudem regelmäßig und detailliert über Morde, Folter und Gewalt oppositioneller Gruppen informiert.[45]
Bei Human Rights Watch lief es kaum besser. Von Sharmine Narwani gefragt, warum für HRW organisierte Gewalt von Seiten der Opposition erst ab September einsetzt, gesteht ihr Syrienexperte, Ole Solvag, durchaus ein, dass sie Information hätten, wonach „es schon vor September Angriffe auf Regierungskräfte gab ... und gegen gefangene Soldaten und Zivilisten.“ Ihrer Ansicht seien die Angriffe aber von da an häufiger und organisierter geworden. Doch „selbst wenn manchmal Waffen in den Mengen waren und einige Demonstranten das Feuer auf Regierungskräfte eröffneten” meinte Solvag, würde das keineswegs den Schusswaffengebrauch der Sicherheitskräfte rechtfertigen – eine Ansicht, die europäische Polizeichefs wohl kaum teilen. [46]
Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen zivilen Opfern und getöteten Sicherheitskräften blieb in den folgenden Monaten ungefähr gleich. Im Oktober schätzte die UNO die Zahl der im Rahmen der Proteste getöteten Personen auf 3.000. In derselben Zeit wurden nach Angaben der syrischen Regierung 1.100 Soldaten und Sicherheitskräfte getötet. [47]
In ihrer letzten Schätzung, Ende März diesen Jahres, beziffert die UNO die Gesamtzahl aller Toten auf 9.000.[48] Damaskus zufolge sind unter den Toten 2.600 Angehörige von Polizei, Armee und sonstige Regierungskräfte.[49] [Da sie Ende Januar die eigene Erfassung von Opfern aufgrund der Schwierigkeiten, sie zu identifizieren, einstellte,[50] beruht die Zahl der UNO vermutlich hauptsächlich auf den Angaben des oppositionellen „Syrian Observatory for Human Rights“ (SOHR) in London. [51] Das SOHR meldete Mitte April 11.117 Tote, 7.972 Zivilisten und „3.145 Militärs und Bewaffnete, inklusive knapp 600 aufständische Kämpfer“. Die Zahl der getöteten Kämpfer wird zwar von diesem PR-Institut der Auslandsopposition sehr niedrig angesetzt, die der toten Sicherheitskräfte stimmt mit den Regierungsangaben überein.
Unabhängig von der Genauigkeit der Schätzungen zeigen diese Zahlen recht deutlich, dass es sich bei den Auseinandersetzungen nicht um ein einseitiges Vorgehen von Polizei und Armee gegen unbewaffneten Oppositionelle handeln kann, sondern vorwiegend um militärische Kämpfe zwischen zwei bewaffneten Parteien – und dies von Beginn an.
Wegen Befehlsverweigerung exekutiert?
Die schon früh zu beobachtende hohe Zahl von Toten unter den Sicherheitskräften schien bei den maßgeblichen westlichen Medien niemand zu irritieren. Die Medienabteilungen der Opposition bemühten sich, die tödlichen Angriffe auf Polizei- und Militärangehörige den Sicherheitskräften selbst in die Schuhe zu schieben, und die Mainstream-Medien spielten gerne mit. Immer wieder konnte man lesen, die Betroffenen seien erschossen worden, weil sie sich geweigert hätten, sich an der Repression zu beteiligen.
So ließen oppositionelle Kreise z.B. nach dem bereits erwähnten Hinterhalt bei Baniyas am 10. April 2011 verlauten, die Soldaten wären von Regierungskräften erschossen worden, weil sie Anzeichen von Illoyalität gezeigt hätten. Zahlreiche internationale Medien, darunter auch AFP und Guardian, nahmen diesen Ball gerne auf. Unabhängige Quellen bestätigten jedoch die Darstellung der Regierung.[52] Bei einem ähnlichen Hinterhalt in Homs, der ebenfalls als Ermordung ungehorsamer Soldaten hingestellt wurde, waren die Leichen alawitischer Offiziere anschließend verstümmelt worden.[53] Es ist kaum anzunehmen, so auch die ICG, dass das Regime den extremen Schritt tun würde, die Leichen der eigenen Leute zu schänden, allein schon wegen den verheerenden Auswirkungen auf die Truppenmoral. Wie die meisten unabhängigen Beobachter hält auch die ICG allgemein die Behauptungen der Opposition, dass die meisten Toten unter den Sicherheitskräften, Opfer standrechtlicher Erschießungen seien, für völlig unplausibel. Der gesamte Sicherheitsapparat ist bis heute intakt geblieben, die Zahl der Deserteure blieb relativ gering. Und mit Gewalt, gar Erschießungen lässt sich die Loyalität inmitten eines Bürgerkrieges nicht erzwingen.
Heckenschützen
Eine wichtige Rolle in den Berichten spielten bald auch nicht identifizierbare Heckenschützen, die sowohl auf Demonstranten als auch auf Regierungskräfte feuerten. [54] Die westlichen Medien übernahmen die Darstellung der Opposition, wonach es sich bei ihnen um Sicherheitskräfte in Zivil handele. Eine Erklärung, welchen Nutzen willkürliche Schüsse auf eine große Menschenmenge aus Sicht von Regierungskräften haben sollten, die Mühe hatten, wütende Demonstranten vom Sturm öffentlicher Einrichtungen abzuhalten, blieben sie jedoch schuldig. Da auch zahlreiche Polizisten unter den Opfern waren, erscheint es plausibler, dass es sich hierbei um Kräfte handelte, die gezielt eine Gewalteskalation herbeiführen wollten. Tödliche Schüsse mit Opfern auf beiden Seiten in einer ohnehin aufgeheizten Situation, in der eine allseits akzeptierte Aufklärung ausgeschlossen ist, sind dafür ein todsicheres Mittel.
Es ist kein Geheimnis, dass insbesondere die USA und Saudi Arabien schon seit Jahren syrische Regimegegner unterstützen. Schon im April sahen Al Jazeera-Korrespondent Ali Hashem und seine Crew auch, wie bewaffnete Kämpfer vom Libanon kommend heimlich nach Syrien eindrangen. Dies waren sicherlich nicht die ersten. Im Mai konnten Hashem und seine Leute auch filmen, wie Dutzende Männer mit Kalaschnikows und Raketenwerfern den Grenzfluss zwischen Libanon und Syrien überquerten und mit syrischen Armeeinheiten zusammenstießen. Der katarische Sender weigerte sich jedoch, diesen Filmbericht, der ein ganz anderes Licht auf die Vorgänge in Syrien legt, zu senden. Hashems Chef befahl ihm barsch, „zu vergessen, dass da bewaffnete Männer waren“. Er quittierte daraufhin, wie viele seiner Kollegen, seinen Job.[55]
Bereits am 11. März, d.h. eine Woche vor den ersten gewaltsamen Zusammenstößen, berichtete Reuters über Waffenlieferungen aus dem Irak, die von der syrischen Polizei entdeckt worden waren.[56]. Ende März wurden aus dem Libanon kommende Boote voller Waffen vor der syrischen Küste abgefangen.[57] Im April stellte die syrische Polizei weitere umfangreiche Waffenmengen sicher.[58] Auch libanesische Behörden berichteten Anfang April, sie hätten mehrere Waffenlieferungen an der Grenze zu Syrien gestoppt und bestätigten damit die Existenz eines frühen regen Waffenschmuggels.[59]
Fazit
Offensichtlich entspricht das weit verbreitete Bild von einem Konflikt, der allein auf Grund des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte eskalierte und schließlich als Reaktion darauf auch Teile der Opposition zu den Waffen greifen ließ, nicht der Realität. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass es organisierte, vom Ausland unterstützte Kräfte gab, die – ähnlich wie einen Monat zuvor in Libyen – bereits die ersten Proteste Mitte März nutzten, um mit bewaffneten Angriffen gewaltsame Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften und schließlich einen Aufstand zu provozieren. Polizei und Armee waren daher von Anfang an mit bewaffneten Gruppen konfrontiert. Der hohe Anteil von Toten auf ihrer Seite legt zudem nahe, dass sich ihre Kampfhandlungen auch auf diese konzentrierten und nicht auf friedliche Demonstranten.
Ein Beamter des Verteidigungsministeriums meinte gegenüber der ICG, „wäre das aktuelle Ziel, einfach in die Menge zu schießen und sie niederzumähen, so hätte es Dutzende wenn nicht Hunderte Opfer während jeder einzelnen Demonstration gegeben.“ [60] Ein US-Beamter stimmte dem in gewissem Maße zu: „Viel von dem, was geschah, ist auf Disziplinlosigkeit und darauf, dass die Sicherheitskräfte nicht wussten, wie sie einer solchen Situation begegnen können, zurückzuführen. Dies ist weit von Hama [in den 1980er Jahren] entfernt – dies ist kein Regime, das seine Bevölkerung massakrieren will.“[61] Einige Offiziere versicherten der ICG zudem, dass sie angesichts der ernsten Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, eine wesentlich schärfere Reaktion bevorzugt hätten. Man kann davon ausgehen, dass so manche Einheit dies auch auf eigene Faust tat.
Online-Flyer Nr. 357 vom 06.06.2012
Gewalt in Syrien durch Angriffe bewaffneter Regierungsgegner geschürt
Mythos einer „friedlichen Revolution“
Von Joachim Guilliard
Das Bild willkürlicher Regierungsgewalt gegen eine friedliche Opposition ist fern der Realität. Die Eskalation der Gewalt in Syrien wurde von Beginn an durch Angriffe bewaffneter Regierungsgegner geschürt. Zahlreiche Berichte und die Zahl getöteter Polizisten und Soldaten belegen, dass die Eskalation der Gewalt von Beginn an auch durch Angriffe bewaffneter Regierungsgegner geschürt wurde. Parallel zu gewaltfreien Protesten gab es in den Brennpunkten von Anfang an bürgerkriegsartige Auseinandersetzungen, die hierzulande praktisch ausgeblendet wurden. Obwohl vom ersten Monat an ein Drittel der Getöteten Polizisten und Soldaten waren, erfuhr man fast ein Jahr lang nichts über die bewaffneten Angriffe auf öffentliche Einrichtungen am Rande von Demos, über Hinterhalte und Gefechte. Stattdessen erweckte man den Eindruck, die Armee ginge mit schweren Waffen gegen friedliche Demonstranten vor.
In der Tat spricht vieles gegen eine Verantwortung der Armee für das Gros der Opfer. Warum sollte die Regierung ein solches sinnloses Verbrechen begehen und sich damit der einzigen echten Gefahr für ihren Machterhalt – eine militärische Intervention – einen großen Schritt näher bringen? Während die äußeren Umstände Erinnerungen an das arrangierte „Massaker von Racak“ wecken, mit dem der Weg in den Jugoslawienkrieg geebnet wurde, sehen viele in der Art der meisten Morde – Kopfschüsse und durchschnittene Kehlen – Parallelen zu den fürchterlichen, ethnisch-religiös aufgeladenen Mordwellen im benachbarten Irak.
Laut westlichen Medien Armeeopfer
in Al Hula
NRhZ-Archiv
Trotz Friedensplan – bewaffneter Aufstand von außen geschürt
In den letzten Monaten wurden die Aufständischen mit immer mehr und mit immer schwereren Waffen versorgt, finanziert von den Golfmonarchen und koordiniert, so die Washington Post, von den USA.[1b] Wie das letzte Treffen, des als „Freunde Syriens“ firmierenden Interventionsbündnisses in Istanbul unterstrich, ist das Ziel des „Regime Change“ keineswegs vom Tisch. Die arabischen Feudalherren, die USA und andere NATO-Staaten haben den bewaffneten Aufständischen über 100 Millionen Dollar für Sold und Ausrüstung zugesagt und, wie die Entwicklung zeigt, z.T. auch schon geliefert.
Neben Mörsern, Raketenwerfern und schweren Maschinengewehren erhalten sie laut dem israelischen Militärinformationsdienst DebkaFile auch modernste US-amerikanische Panzerabwehrwaffen, wodurch in letzter Zeit eine immer größere Zahl schwerer T72-Panzer explodierten. Der türkische Geheimdienst erhielt grünes Licht, die Kämpfer mit Sprengfallen auszurüsten und sie in deren Verwendung zu trainieren. [2] Auch moderne deutsche HK MG4 Maschinengewehre von Heckler & Koch, die die Bundeswehr nutzt, haben Rebellen, den Informanten von DebkaFile zufolge, im Einsatz.[3]
Seit Ankunft der ersten Uno-Beobachter am 12. April habe sich die Lage zuungunsten von Assads Regierung entwickelt, schreibt die NZZ. Da die Armee sich stark zurückhält und ihr das Waffenstillstands-Abkommen die Verwendung von schweren Waffen in besiedeltem Gebiet untersagt, konnten die bewaffneten Rebellengruppen ihre Positionen absichern und die von ihnen kontrollierten Gebiete ausdehnen.[4] Insgesamt 3.500 Angriffe von Aufständischen wurden seit dem 12. April dokumentiert. [5]
PR für Regime-Change
Ungeachtet dessen wird weiterhin nur die Regierungsseite ultimativ zu Einstellung der Kampfhandlungen und zum Rückzug ihrer Truppen aus den Städten aufgefordert, obwohl dies in den umkämpften Gebieten einer Kapitulation vor den bewaffneten Rebellengruppen gleichkäme. Diese hatten schon einmal, als die Beobachtermission der Arabischen Liga ins Land kam, den Rückzug der Armee zur militärischen Besetzung von Stadtvierteln genutzt.
Von Anfang an war die wichtigste Komponente in der Kampagne gegen die Assad-Regierung die Schaffung eines weithin akzeptierten Bildes des Konflikts, als ein brutaler Kampf der Regierung gegen eine friedliche Opposition, in dem Armee und Polizei mit Waffengewalt gegen unbewaffnete Demonstranten vorgehen und willkürlich ganze Stadtviertel angreifen. Dies geschieht mittels einer Berichterstattung, die – gestützt auf die Meldungen von PR-Gruppen der Opposition – die Gewalt der Sicherheitskräfte systematisch aufbauscht und die der Gegenseite weitgehend ausblendet. Berichte vieler Beobachter – von unabhängigen Journalisten über die Beobachtermission der Arabischen Liga bis hin zum französischen Botschafter und der International Crisis Group – belegen, dass die Nachrichten nicht nur stark einseitig, sondern oft sogar regelrecht gefälscht sind. [6] Die Flut von Berichten, die das Narrativ „Regierungsgewalt gegen friedliche Opposition“ täglich aufs Neue zu bestätigen schienen, untergruben und untergraben die Bemühungen für einen politischen Dialog und trugen – indem sie ins Land zurückwirkten – direkt zur Eskalation bei.
„Dynamik des Blutvergießens weitgehend im Dunkel“
Vor allem die Unterstützer der „syrischen Revolution“ aus linken Kreisen und der Friedensbewegung betonen nach wie vor den gewaltfreien Charakter der Protestbewegung. Dieses Bild sei jedoch schwer mit den Berichten unabhängiger Zeugen und der erbarmungslosen Ermordung zahlreicher Sicherheitskräfte in Einklang zu bringen, widersprach auch die International Crisis Group (ICG) bereits Anfang Juli 2011 dieser Darstellung. Plausibler sei es, dass „kriminelle Netzwerke, bewaffnete Islamisten-Gruppen, von außen unterstützte Elemente und einige, in Selbstverteidigung handelnde Demonstranten zu den Waffen gegriffen haben.“
Die beträchtlichen Verluste unter den Sicherheitskräften neben der großen Zahl von toten Zivilisten zeige, so die transatlantische Denkfabrik weiter, dass „die Dynamik des Blutvergießens weitgehend im Dunkel bleibe, verhüllt durch ein Übermaß von unglaubwürdigen Behauptungen und Gegenbehauptungen.“
Obwohl die ICG eng verbunden mit den führenden politischen Kreisen der NATO-Staaten ist und im Grunde auf Seiten der syrischen Opposition steht, kommt ihr Nahostteam in seiner am 13.Juli 2011 veröffentlichten Studie zu einer differenzierteren und der gängigen Berichterstattung gegenüber äußerst kritischen Betrachtung.
So zitiert sie einen gut informierten Beobachter, der die undurchsichtige Lage in den ersten Wochen der Unruhen sehr anschaulich zusammenfasste: "Es ist sehr chaotisch auf beiden Seiten. Auf den Straßen sind die Jugend und andere genuine Demonstranten, aber in einigen Fällen hat man auch ausländische Agenten, Fundamentalisten, Kriminelle und ähnliches. Auf Regierungsseite koordinieren sich die verschiedenen Sicherheitsdienste nicht unbedingt untereinander und einige scheinen Zivilisten bewaffnet zu haben. Die Sache wird noch dadurch verschlimmert, dass beide Seiten über das, was vor Ort passiert, lügen. Jeder stellt nur den anderen als allein Verantwortlichen hin.“ Die staatlichen Medien erzählen Stories, so die ICG weiter, „in denen sich die Sicherheitskräfte Provokateuren, Islamisten und kriminellen Banden entgegenstellen, um die einfache Bevölkerung zu schützen und Gesetz und Ordnung wieder herzustellen. Sie berichten zwar auch über Opfer unter friedlichen Demonstranten, machen aber vor allem die bewaffneten Gegner verantwortlich.
Die Gegenseite betone hingegen den friedlichen Charakter der Proteste und die Legitimität ihrer Forderungen. Sie bemühe sich um das Image einer Ägypten-ähnlichen Revolution und spiele die islamistische Agenda, den konfessionellen Charakter und die Anwendung von Gewalt diverser Gruppen runter. Sektiererische Slogans, z.B. gegen Allawiten oder Christen werden schlicht geleugnet während gleichzeitig jede Form weiblicher Beteiligung an den überwiegend von Männern getragenen Aktivitäten herausgestrichen wird.
Die ausländischen Mainstream-Medien würden auch nicht gerade zur Aufklärung beitragen. Ausländische Journalisten stützen ihre Berichte auf zweifelhaftes Material oppositioneller Kreise. Sie haben Aktive als lokale "Korrespondenten“ angeheuert und mit Satellitentelefonen, Modems etc. ausgestattet, die dann unüberprüft als "Augenzeugen“ dienen. Dies habe in zahlreichen Fällen zu falschen oder irreführenden Berichten geführt – z.B. über Polizeigewalt gegen Proteste an Orten, wo ihren späteren Nachforschungen zufolge überhaupt keine Aktionen stattfanden. Die meisten Medien würden zwar regelmäßig formell darauf hinweisen, dass sie die Authentizität ihrer Informationen nicht bestätigen können, diese jedoch dennoch breit veröffentlichen. Auf diese Weise erhielten Berichte über Panzer, die Granaten auf Stadtviertel abfeuern oder Hubschrauber, die Zivilisten niedermähen, breite öffentliche Verbreitung. Viele Titelgeschichten erwiesen sich später als Fake. [7]
Bewaffnete Aufständische ausgeblendet
In den westlichen Medien tauchten bewaffnete Regimegegner erst Anfang des Jahres als relevante Akteure auf. Der Widerstand habe nun, nachdem das Regime fast ein Jahr getötet und gefoltert habe, begonnen sich zu bewaffnen und Selbstverteidigung zu üben, schrieb z.B. noch im Februar die syrische Autorin Rime Allaf von der Londoner Denkfabrik Chatham House in der New York Times.[8] Bei Amnesty International werden bewaffnete Oppositionsgruppen erst ab April des Jahres als Problem erwähnt und das auch nur am Rande.[9] Noch im Februar führte die Organisation eine erneute Kampagne gegen die Weigerung der russischen Regierung durch, einen Resolutionsentwurf den UN-Sicherheitsrat passieren zu lassen, der allein die syrische Regierung zum Gewaltverzicht aufforderte.[10] Es blieb Human Rights Watch vorbehalten, als erste westliche Menschenrechtsorganisation auch die Verbrechen oppositioneller Gruppen zu thematisieren, wenn auch erst ein volles Jahr nach Beginn der Unruhen.[11] Die New Yorker NGO meint allerdings, die Protestbewegung sei bis September 2011 überwiegend friedlich gewesen. Erst ab da hätte eine wachsende Zahl von Deserteuren und Ortsansässigen beschlossen, zu den Waffen zu greifen und sich gegen die Sicherheitskräfte zu wehren.
Auch kritische Beobachter, die die wachsende Militarisierung der Protestbewegung thematisieren, gehen meist davon aus, dass diese sich erst langsam im Zuge der Auseinandersetzungen entwickelte und sehen sie ebenfalls überwiegend als eine Reaktion auf das brutale Vorgehen von Polizei, Armee und Geheimdiensten an. „Die Brutalität des syrischen Regimes jedoch hat zur Militarisierung des Aufstands geführt“, heißt es z.B. in einem lesenswerten Papier von Lühr Henken und Peter Strutynski zur Gefahr von Kriegen gegen Syrien und Iran. „Der haushoch überlegene Repressionsapparat hat die Auseinandersetzung zunehmend auf das militärische Schlachtfeld gelockt, um seine Überlegenheit auszuspielen.“[12]
In der Tat sind in den Brennpunkten auch lokale bewaffnete Gruppen aufgrund der Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften entstanden. Der bewaffnete Aufstand wird im Wesentlichen aber von anderen Kräften getragen. Wie in Libyen waren diese von Beginn an aktiv und trugen maßgeblich zur Eskalation bei.
Beginn der Unruhen
Ähnlich wie in Libyen begann die Protestbewegung nicht in der Hauptstadt, sondern im März, also relativ spät, an der Peripherie, in der kleinen Stadt Daraa an der Grenze zu Jordanien, in einer religiös-konservativen, stammesbezogenen Region. Es hatte zwar bis dahin schon viele Aufrufe an die Syrer gegeben, sich den Protesten in den anderen arabischen Ländern anzuschließen, sie fanden jedoch kaum Resonanz.
Das änderte sich erst, nachdem in Daraa Anfang März eine Gruppe Jugendlicher, die regierungsfeindliche Parolen geschrieben hatten, festgenommen und misshandelt worden waren und der Gouverneur und die Polizei auch gegen die Eltern und örtliche Stammesführer vorgingen, die ihre Freilassung forderten. Nach einer kleineren Demonstration am 15.3. protestierten am Freitag 18.3. schon mehrere Tausend und forderten die Freilassung der Jugendlichen, sowie die Rückritte von Gouverneur und Polizeichef. Es kam zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei, die mehrere Tage anhielten. Unabhängige Untersuchungen darüber gibt es nicht, die Medienberichte, die sich überwiegend auf oppositionelle Augenzeugen beziehen, weichen teilweise erheblich voneinander ab. Während die New York Times z.B. am 18.3. von sechs getöteten Demonstranten sprach, hatte die BBC bis Mitternacht erst drei registriert.[13]
Den Berichten westlicher Medien zufolge setzten die Sicherheitskräfte ihre Schusswaffen gegen friedliche Demonstranten ein, laut syrischen Medien gegen bewaffnete Angreifer. Die staatliche Nachrichtenagentur SANA machte Provokateure für die Eskalation verantwortlich, die die große Ansammlung von Demonstranten vor der Al-Omari-Moschee ausgenützt hätten, um öffentliche und private Einrichtungen anzugreifen. [14] Autos und Läden seien in Brand gesetzt worden, und als die Sicherheitskräfte eingriffen hätten, seien auch sie attackiert worden. [15]
Westliche Medien taten dies zwar als Propaganda ab. Eine Reihe von Berichten ausländischer Medien belegen jedoch, dass es in der Tat bewaffnete Angriffe auf Regierungskräfte und öffentliche Einrichtungen gab. Nach einem Bericht des israelischen, jeglicher Sympathie für die Assad-Regierung unverdächtigen Mediennetzwerkes Arutz Sheva („Kanal 7“) „eröffnete die Polizei am Freitag [18.3.] das Feuer auf bewaffnete Demonstranten, tötete vier und verwundete bis zu 100 weitere“. [16] Am Sonntag brannten Demonstranten die örtliche Parteizentrale der Baath-Partei und das Gerichtsgebäude nieder und griffen auch das Krankenhaus der Stadt sowie Büro und Wohnhaus des Gouverneurs an. Neben zwei weiteren Demonstranten wurden dabei, wie Arutz Sheva und die chinesische Agentur Xinhua übereinstimmend berichteten, auch sieben Polizisten getötet.[17]
Die Zahl der getöteten Polizisten überstieg somit in den prägenden ersten drei Tagen der Protestbewegung vermutlich die der Opfer unter den Demonstranten. Mit dem Bild friedlicher Proteste, die von Sicherheitskräften willkürlich mit brutaler Gewalt unterdrückt wurden, ist dies kaum zu vereinbaren. Angesichts der Toten in ihren Reihen, war ein rücksichtsloseres Vorgehen der Sicherheitskräfte nun schon vorgezeichnet.
Am Mittwoch darauf kam es erneut zu tödlichen Zusammenstößen an der Al-Omari-Moschee. Den Berichten westlicher Medien und Human Rights Watch zufolge, hatte die Polizei morgens erneut friedliche Demonstranten angegriffen und sogar die Moschee gestürmt, in der diese sich gesammelt hatten. Sieben Oppositionelle seien dabei erschossen worden.[18]
Das staatliche syrische Fernsehen meldete hingegen, dass die Sicherheitskräfte gegen eine „bewaffnete Bande“ vorgegangen seien, die in der Innenstadt nahe der Moschee eine Ambulanz angegriffen und dabei einen Arzt, einen Sanitäter und den Fahrer getötet hätten. Vier der Angreifer seien anschließend erschossen worden. [19] Die Polizei dementierte zwar den Sturm der Moschee, zeigte später jedoch Bilder von AK47-Gewehren, Handgranaten und Munition, die sie dort gefunden hätte. Dem Bericht von AP zufolge stand tatsächlich eine Ambulanz mit zerschmetterten Scheiben auf einer Straße in die Altstadt. [20]
Im Laufe des Tages eskalierten die Auseinandersetzungen offenbar weiter, die Berichte blieben widersprüchlich. Laut AP stieg die Zahl der Toten bis zum Abend auf 15. Reuters meldete jedoch 37 tote Demonstranten und AFP sogar über 100.[21] Zu dem Zeitpunkt waren die Schüler bereits freigelassen und der Provinzgouverneur gefeuert worden.[22] Bald darauf wurde auch der Polizeichef Atif Najib, ein Verwander von Präsident Assad, entlassen, sie mußten sich allerdings bisher noch vor keinem Gericht dafür verantworten.[23]
In den folgenden Tagen kam es auch in anderen Städten zu größeren Demonstration, die von Angriffen bewaffneter Gruppen begleitet waren. Am 25.3. wurde, wie u.a. Al Jazeera berichtete, das Haus des Gouverneurs von Homs in Brand gesetzt [24] und SANA zufolge ein Hauptquartier der Armee und ein Offiziersclub angegriffen. Unter den Opfern dieser Angriffe seien auch Zivilisten gewesen.[25] Am 26.3. wurden laut Al Jazeera auch in Latakia und Tafas Gebäude der Baath-Partei und Polizeireviere in Brand gesetzt.[26] Laut SANA hatten in Latakia „bewaffnete Gruppen“ Hausdächer besetzt und das Feuer auf Sicherheitskräfte und „Bürger“ eröffnet.[27] Über 150 Personen seien in die Krankenhäuser der Stadt eingeliefert worden, die meisten davon Sicherheitskräfte. Von den 90 Verwundeten, die im Universitätskrankenhaus behandelt werden mussten, waren nach Angaben von dessen Direktor, Dr. Munir Osman, 80 Sicherheitskräfte, die Verletzungen durch Schüsse, Messerstiche und Eisenstangen aufwiesen.[28] Doch auch ein Feuerwehrmann und ein Busfahrer seien von bewaffneten Regimegegnern angegriffen worden.[29] Offiziellen syrischen Stellen zufolge wurden an diesem Tag insgesamt 10 Angehörige der Sicherheitskräfte und Zivilisten sowie zwei der Angreifer getötet.[30]
Der Großmufti von Syrien, Ahmad Bader Hassoun, wies Vorwürfe, die Armee habe das Feuer eröffnet, zurück und erklärte, dass diese nur in Selbstverteidigung reagiert hätten.[31]
Berichten des staatlichen Fernsehens zufolge erschossen unbekannte Täter am 5.4. in Damaskus zwei Polizisten.[32] Drei Tage später wurden bei erneuten freitäglichen Zusammenstößen in Daraa 19 Polizisten getötet. Die Kämpfe begannen laut SANA, als „nicht identifizierbare Bewaffnete“ auf Polizisten wie auch Zivilisten feuerten, die nach dem Freitagsgebet eine friedliche Protestkundgebung gegen die Regierung durchführten.[33] Oppositionelle Augenzeugen meldeten an AP nur 16 tote Demonstranten.[34]
Am 10. April 2011 geriet eine Armeeeinheit auf der Straße von Latakia nach Tartus in der Nähe der Küstenstadt Baniyas in den ersten regelrechten Hinterhalt. Neun Soldaten wurden dabei von einer größeren Gruppe bewaffneter Kämpfer getötet und viele weitere verwundet.[35]
Mehrheit der Toten Kombattanten
Amnesty International schätzte in ihrem Status-Bericht zum 1. Quartal 2011, dass bis 19. April, d.h. im ersten Monat der Proteste, ungefähr 220 Leute getötet wurden, „die überwiegende Mehrheit erschossen durch, von Sicherheitskräften abgefeuerter scharfer Munition“. [36] In derselben Zeit wurden jedoch auch über 50 Sicherheitskräfte und eine größere Zahl Zivilisten von bewaffneten Regimegegnern getötet.[37] Da unter den Toten sicherlich auch viele Kämpfer waren, ergibt sich somit ein deutlich anderes Bild als AI und andere vermittelten. AI wischte die Verweise syrischer Behörden auf „bewaffnete Banden“ einfach als Propaganda zur Seite – sie würden damit nur die „Glaubwürdigkeit der offiziellen Untersuchungen untergraben.“
Anfang Juli bezifferte die ICG die Zahl der getöteten Zivilisten auf Basis der Angaben oppositioneller Kreise auf 1500.[38] Da die Angaben der Opposition meist nur bruchstückhaft belegt und häufig übertrieben sind,[39] erscheinen 1000 bis 1200 Tote zu diesem Zeitpunkt realistischer. Auf Seite der syrischen Sicherheitskräfte lag die Zahl der Toten Ende Juni nach Angaben eines Militärsprechers bei über 400. Da die Namen der Getöteten stets in den Medien veröffentlich werden und auch über ihre Beerdigungen ausführlich berichtet wird, sind diese Zahlen recht zuverlässig. Wenn man davon ausgeht, dass die Zahl bewaffneter Kämpfer unter den toten Zivilisten mindesten so groß ist, wie die der getöteten Sicherheitskräfte, so war die Mehrheit der Toten Kombattanten.
Die übrigen Ziviltoten sind zudem keineswegs nur Oppositionelle und viele wurden von bewaffneten Regimegegnern getötet. Denn Anschläge und Attentate richten sich nicht allein gegen Sicherheitskräfte, sondern auch gegen politische Gegner und missliebige religiöse Gruppen.[40] Auch Wissenschaftler sind häufig Opfer von Anschlägen, hinter denen islamistische Gruppen vermutet werden.[41] Die türkische „Vereinigung von Universitätsräten“ (Universite Konseyleri Dernegi) veröffentlichte Anfang Oktober eine Protestresolution aus Anlass der Ermordung von 10 namentlich genannter Akademikern, meist Alawiten, innerhalb von nur sechs Wochen. Sie sehen darin eine Parallele zum Irak, wo seit 2003 über 300 Intellektuelle durch die Besatzer und islamistische Gruppen ermordet wurden. [42]
Dennoch wird die Gewalt bewaffneter Gruppen von Amnesty International ein ganzes Jahr lang an keiner Stelle erwähnt. Die syrischen Streitkräfte würden häufig Panzer und Artillerie einsetzen und willkürlich Kanonensalven und Granaten auf Wohngebiete von Städten abfeuern, heißt es stattdessen, nur weil es dort Massenproteste gab, so der Tenor der Berichte.[43]
Jürgen Todenhöfer – bis
1990 CDU-Bundestags-
abgeordneter
NRhZ-Archiv
Bei Human Rights Watch lief es kaum besser. Von Sharmine Narwani gefragt, warum für HRW organisierte Gewalt von Seiten der Opposition erst ab September einsetzt, gesteht ihr Syrienexperte, Ole Solvag, durchaus ein, dass sie Information hätten, wonach „es schon vor September Angriffe auf Regierungskräfte gab ... und gegen gefangene Soldaten und Zivilisten.“ Ihrer Ansicht seien die Angriffe aber von da an häufiger und organisierter geworden. Doch „selbst wenn manchmal Waffen in den Mengen waren und einige Demonstranten das Feuer auf Regierungskräfte eröffneten” meinte Solvag, würde das keineswegs den Schusswaffengebrauch der Sicherheitskräfte rechtfertigen – eine Ansicht, die europäische Polizeichefs wohl kaum teilen. [46]
Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen zivilen Opfern und getöteten Sicherheitskräften blieb in den folgenden Monaten ungefähr gleich. Im Oktober schätzte die UNO die Zahl der im Rahmen der Proteste getöteten Personen auf 3.000. In derselben Zeit wurden nach Angaben der syrischen Regierung 1.100 Soldaten und Sicherheitskräfte getötet. [47]
In ihrer letzten Schätzung, Ende März diesen Jahres, beziffert die UNO die Gesamtzahl aller Toten auf 9.000.[48] Damaskus zufolge sind unter den Toten 2.600 Angehörige von Polizei, Armee und sonstige Regierungskräfte.[49] [Da sie Ende Januar die eigene Erfassung von Opfern aufgrund der Schwierigkeiten, sie zu identifizieren, einstellte,[50] beruht die Zahl der UNO vermutlich hauptsächlich auf den Angaben des oppositionellen „Syrian Observatory for Human Rights“ (SOHR) in London. [51] Das SOHR meldete Mitte April 11.117 Tote, 7.972 Zivilisten und „3.145 Militärs und Bewaffnete, inklusive knapp 600 aufständische Kämpfer“. Die Zahl der getöteten Kämpfer wird zwar von diesem PR-Institut der Auslandsopposition sehr niedrig angesetzt, die der toten Sicherheitskräfte stimmt mit den Regierungsangaben überein.
Unabhängig von der Genauigkeit der Schätzungen zeigen diese Zahlen recht deutlich, dass es sich bei den Auseinandersetzungen nicht um ein einseitiges Vorgehen von Polizei und Armee gegen unbewaffneten Oppositionelle handeln kann, sondern vorwiegend um militärische Kämpfe zwischen zwei bewaffneten Parteien – und dies von Beginn an.
Wegen Befehlsverweigerung exekutiert?
Die schon früh zu beobachtende hohe Zahl von Toten unter den Sicherheitskräften schien bei den maßgeblichen westlichen Medien niemand zu irritieren. Die Medienabteilungen der Opposition bemühten sich, die tödlichen Angriffe auf Polizei- und Militärangehörige den Sicherheitskräften selbst in die Schuhe zu schieben, und die Mainstream-Medien spielten gerne mit. Immer wieder konnte man lesen, die Betroffenen seien erschossen worden, weil sie sich geweigert hätten, sich an der Repression zu beteiligen.
So ließen oppositionelle Kreise z.B. nach dem bereits erwähnten Hinterhalt bei Baniyas am 10. April 2011 verlauten, die Soldaten wären von Regierungskräften erschossen worden, weil sie Anzeichen von Illoyalität gezeigt hätten. Zahlreiche internationale Medien, darunter auch AFP und Guardian, nahmen diesen Ball gerne auf. Unabhängige Quellen bestätigten jedoch die Darstellung der Regierung.[52] Bei einem ähnlichen Hinterhalt in Homs, der ebenfalls als Ermordung ungehorsamer Soldaten hingestellt wurde, waren die Leichen alawitischer Offiziere anschließend verstümmelt worden.[53] Es ist kaum anzunehmen, so auch die ICG, dass das Regime den extremen Schritt tun würde, die Leichen der eigenen Leute zu schänden, allein schon wegen den verheerenden Auswirkungen auf die Truppenmoral. Wie die meisten unabhängigen Beobachter hält auch die ICG allgemein die Behauptungen der Opposition, dass die meisten Toten unter den Sicherheitskräften, Opfer standrechtlicher Erschießungen seien, für völlig unplausibel. Der gesamte Sicherheitsapparat ist bis heute intakt geblieben, die Zahl der Deserteure blieb relativ gering. Und mit Gewalt, gar Erschießungen lässt sich die Loyalität inmitten eines Bürgerkrieges nicht erzwingen.
Heckenschützen
Eine wichtige Rolle in den Berichten spielten bald auch nicht identifizierbare Heckenschützen, die sowohl auf Demonstranten als auch auf Regierungskräfte feuerten. [54] Die westlichen Medien übernahmen die Darstellung der Opposition, wonach es sich bei ihnen um Sicherheitskräfte in Zivil handele. Eine Erklärung, welchen Nutzen willkürliche Schüsse auf eine große Menschenmenge aus Sicht von Regierungskräften haben sollten, die Mühe hatten, wütende Demonstranten vom Sturm öffentlicher Einrichtungen abzuhalten, blieben sie jedoch schuldig. Da auch zahlreiche Polizisten unter den Opfern waren, erscheint es plausibler, dass es sich hierbei um Kräfte handelte, die gezielt eine Gewalteskalation herbeiführen wollten. Tödliche Schüsse mit Opfern auf beiden Seiten in einer ohnehin aufgeheizten Situation, in der eine allseits akzeptierte Aufklärung ausgeschlossen ist, sind dafür ein todsicheres Mittel.
Es ist kein Geheimnis, dass insbesondere die USA und Saudi Arabien schon seit Jahren syrische Regimegegner unterstützen. Schon im April sahen Al Jazeera-Korrespondent Ali Hashem und seine Crew auch, wie bewaffnete Kämpfer vom Libanon kommend heimlich nach Syrien eindrangen. Dies waren sicherlich nicht die ersten. Im Mai konnten Hashem und seine Leute auch filmen, wie Dutzende Männer mit Kalaschnikows und Raketenwerfern den Grenzfluss zwischen Libanon und Syrien überquerten und mit syrischen Armeeinheiten zusammenstießen. Der katarische Sender weigerte sich jedoch, diesen Filmbericht, der ein ganz anderes Licht auf die Vorgänge in Syrien legt, zu senden. Hashems Chef befahl ihm barsch, „zu vergessen, dass da bewaffnete Männer waren“. Er quittierte daraufhin, wie viele seiner Kollegen, seinen Job.[55]
Bereits am 11. März, d.h. eine Woche vor den ersten gewaltsamen Zusammenstößen, berichtete Reuters über Waffenlieferungen aus dem Irak, die von der syrischen Polizei entdeckt worden waren.[56]. Ende März wurden aus dem Libanon kommende Boote voller Waffen vor der syrischen Küste abgefangen.[57] Im April stellte die syrische Polizei weitere umfangreiche Waffenmengen sicher.[58] Auch libanesische Behörden berichteten Anfang April, sie hätten mehrere Waffenlieferungen an der Grenze zu Syrien gestoppt und bestätigten damit die Existenz eines frühen regen Waffenschmuggels.[59]
Fazit
Offensichtlich entspricht das weit verbreitete Bild von einem Konflikt, der allein auf Grund des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte eskalierte und schließlich als Reaktion darauf auch Teile der Opposition zu den Waffen greifen ließ, nicht der Realität. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass es organisierte, vom Ausland unterstützte Kräfte gab, die – ähnlich wie einen Monat zuvor in Libyen – bereits die ersten Proteste Mitte März nutzten, um mit bewaffneten Angriffen gewaltsame Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften und schließlich einen Aufstand zu provozieren. Polizei und Armee waren daher von Anfang an mit bewaffneten Gruppen konfrontiert. Der hohe Anteil von Toten auf ihrer Seite legt zudem nahe, dass sich ihre Kampfhandlungen auch auf diese konzentrierten und nicht auf friedliche Demonstranten.
Ein Beamter des Verteidigungsministeriums meinte gegenüber der ICG, „wäre das aktuelle Ziel, einfach in die Menge zu schießen und sie niederzumähen, so hätte es Dutzende wenn nicht Hunderte Opfer während jeder einzelnen Demonstration gegeben.“ [60] Ein US-Beamter stimmte dem in gewissem Maße zu: „Viel von dem, was geschah, ist auf Disziplinlosigkeit und darauf, dass die Sicherheitskräfte nicht wussten, wie sie einer solchen Situation begegnen können, zurückzuführen. Dies ist weit von Hama [in den 1980er Jahren] entfernt – dies ist kein Regime, das seine Bevölkerung massakrieren will.“[61] Einige Offiziere versicherten der ICG zudem, dass sie angesichts der ernsten Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, eine wesentlich schärfere Reaktion bevorzugt hätten. Man kann davon ausgehen, dass so manche Einheit dies auch auf eigene Faust tat.
Die syrische Armee traf der Aufstand wohl in der Tat völlig unvorbereitet. Auch die Kommandeure der Faruk Brigade erklärten David Enders, ihr Vorteil sei es, dass das Militär für solche Kämpfe gar nicht ausgerüstet und ausgebildet ist, sondern im Wesentlichen darauf ausgerichtet, das Land gegen israelische Angriffe zu verteidigen.
Für viele Beobachter sprechen die Häuserruinen in den Brennpunkten der Kämpfe wie Homs, wo mit schwerer Artillerie Stadtteile in Trümmer gelegt wurden klar für eine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt. Sie gehen allerdings davon aus, dass es dabei im Grunde nur um die Verfolgung terrorbereiter Aktivisten ging. Tatsächlich versuchten Aufständische „befreite Gebiete“ zu schaffen. In Libyen waren die von Rebellen kontrollierten Gebiete Voraussetzung und Basis für die NATO-Intervention, die den Umsturz herbei bombte. „Offensichtlich verfolgt die syrische Führung das Ziel, keinen Meter Boden preiszugeben, um zu vermeiden, dass sie dasselbe Schicksal ereilt“ so der Friedensforscher Reinhard Mutz.[62]
All dies sagt selbstverständlich nichts über das Ausmaß an allgemeiner Repression und möglichen umfassenden Menschenrechtsverletzungen durch diverse Kräfte des Staates, wie die berüchtigten Einheiten des Geheimdiensts, aus. Ohne Zweifel waren es vielerorts auch die Sicherheitskräfte, die mit unverhältnismäßiger Gewalt, massenhaften Festnahmen, Misshandlungen etc. zur Eskalation beitrugen. Dies bestätigte indirekt auch die syrische Regierung, indem sie nach dem Gouverneur von Daara Ende März auch dessen Kollegen von Homs seines Amtes enthob.[63]
Für die Frage einer politischen Lösung des Konflikts ist jedoch entscheidend, dass sich diese repressive Gewalt im Kontext bewaffneter Auseinandersetzungen entwickelte, die in den Brennpunkten rasch Bürgerkriegscharakter annahmen. Dort wurden Anwohner in einen militärischen Aufstand verwickelt, den die meisten nicht wollten, und teilweise auch direkt Opfer der Gewalt bewaffneter Rebellen. Für einen großen Teil der örtlichen Bevölkerung bedeutete daher die Rückeroberung von Stadtvierteln und Ortschaften durch die Armee, wie glaubwürdige Äußerungen und Berichte belegen, die Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung.
Auch wenn es willkürliche Gewalt keinesfalls rechtfertigt, angesichts der vielen Toten in den eigenen Reihen ist die brutale Reaktion diverser Sicherheitskräfte auch keine syrische Besonderheit. Man stelle sich einmal vor, so Pepe Escobar von der Asia Times – Daraa und Homs lägen in Texas.
Die frühen militärischen Aktionen sprechen auch nicht gegen den überwiegend gewaltfreien Charakter der Oppositionsgruppen, die für demokratische Reformen kämpfen. Bedeutende Teile hatten sich auch rasch sowohl vom Agieren der bewaffneten Gangs wie auch von Forderungen nach ausländischer Intervention distanziert. Doch hatten sie bald nicht mehr viel zu melden. Mouna Ghanem, Vizepräsidentin der oppositionellen Bewegung “Building the Syrian State” (http://binaa-syria.com/B/en) und Teilnehmerin bei den Verhandlungen von Oppositionsgruppen mit Kofi Annan, beklagte z.B. gegenüber der Irish Times, dass nun ganze Stadtviertel und Ortschaften von bewaffneten Rebellen besetzt seien, die die schrumpfende genuine Protestbewegung an den Rand gedrängt hätten. Scharfmacher in der Regierung würden auf die zunehmende Militarisierung des Aufstands mit der Eskalation ihrer militärischen Maßnahmen zu dessen Niederschlagung antworten, mit dem Ziel eine „Sicherheitslösung“ durchzusetzen. „Die Ordnung bricht zusammen, in einem Land, das das sicherste in der Region war. Leute von Homs und Hama, die im Sommer noch gemeinsam Ferien am Meer verbrachten „gingen anschließend zurück in sich bekämpfende Stadtviertel und schießen nun vielleicht sogar aufeinander.“[64]
Obwohl Assad vielen Forderungen der Opposition in der Folge ganz oder teilweise nachkam, u.a. den Ausnahmezustand beendete, Gefangene freiließ, Parteien zuließ und eine liberalere Verfassung verabschieden ließ – verweigerten neben der Auslandsopposition auch radikalere, überwiegend von jungen Leuten getragene Teile der inländischen Protestbewegung, sehr früh schon jeglichen Dialog und fordern seither ultimativ den Sturz Assads .Sie begründen dies vor allem damit, nicht mit einem Regime verhandeln zu können, dass friedliche Proteste blutig niederschlagen lasse.
Während viele Oppositionelle die Beteiligung an den Protesten aufgrund der immer weiteren Eskalation einstellten, haben andere die Gewalt von oppositioneller Seite weiterhin abgestritten oder heruntergespielt, u.a. auch die Lokalen Koordinierungskomitees, die von einigen deutschen Linken und der Kampagne „Adopt a Revolution“ unterstützt werden. Sie gaben den bewaffneten Elementen damit nicht nur vor Ort, sondern auch in der internationalen Öffentlichkeit volle Deckung.
Die Korrektur der falschen Darstellung des Konfliktes – durch
Für viele Beobachter sprechen die Häuserruinen in den Brennpunkten der Kämpfe wie Homs, wo mit schwerer Artillerie Stadtteile in Trümmer gelegt wurden klar für eine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt. Sie gehen allerdings davon aus, dass es dabei im Grunde nur um die Verfolgung terrorbereiter Aktivisten ging. Tatsächlich versuchten Aufständische „befreite Gebiete“ zu schaffen. In Libyen waren die von Rebellen kontrollierten Gebiete Voraussetzung und Basis für die NATO-Intervention, die den Umsturz herbei bombte. „Offensichtlich verfolgt die syrische Führung das Ziel, keinen Meter Boden preiszugeben, um zu vermeiden, dass sie dasselbe Schicksal ereilt“ so der Friedensforscher Reinhard Mutz.[62]
All dies sagt selbstverständlich nichts über das Ausmaß an allgemeiner Repression und möglichen umfassenden Menschenrechtsverletzungen durch diverse Kräfte des Staates, wie die berüchtigten Einheiten des Geheimdiensts, aus. Ohne Zweifel waren es vielerorts auch die Sicherheitskräfte, die mit unverhältnismäßiger Gewalt, massenhaften Festnahmen, Misshandlungen etc. zur Eskalation beitrugen. Dies bestätigte indirekt auch die syrische Regierung, indem sie nach dem Gouverneur von Daara Ende März auch dessen Kollegen von Homs seines Amtes enthob.[63]
Für die Frage einer politischen Lösung des Konflikts ist jedoch entscheidend, dass sich diese repressive Gewalt im Kontext bewaffneter Auseinandersetzungen entwickelte, die in den Brennpunkten rasch Bürgerkriegscharakter annahmen. Dort wurden Anwohner in einen militärischen Aufstand verwickelt, den die meisten nicht wollten, und teilweise auch direkt Opfer der Gewalt bewaffneter Rebellen. Für einen großen Teil der örtlichen Bevölkerung bedeutete daher die Rückeroberung von Stadtvierteln und Ortschaften durch die Armee, wie glaubwürdige Äußerungen und Berichte belegen, die Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung.
Auch wenn es willkürliche Gewalt keinesfalls rechtfertigt, angesichts der vielen Toten in den eigenen Reihen ist die brutale Reaktion diverser Sicherheitskräfte auch keine syrische Besonderheit. Man stelle sich einmal vor, so Pepe Escobar von der Asia Times – Daraa und Homs lägen in Texas.
Die frühen militärischen Aktionen sprechen auch nicht gegen den überwiegend gewaltfreien Charakter der Oppositionsgruppen, die für demokratische Reformen kämpfen. Bedeutende Teile hatten sich auch rasch sowohl vom Agieren der bewaffneten Gangs wie auch von Forderungen nach ausländischer Intervention distanziert. Doch hatten sie bald nicht mehr viel zu melden. Mouna Ghanem, Vizepräsidentin der oppositionellen Bewegung “Building the Syrian State” (http://binaa-syria.com/B/en) und Teilnehmerin bei den Verhandlungen von Oppositionsgruppen mit Kofi Annan, beklagte z.B. gegenüber der Irish Times, dass nun ganze Stadtviertel und Ortschaften von bewaffneten Rebellen besetzt seien, die die schrumpfende genuine Protestbewegung an den Rand gedrängt hätten. Scharfmacher in der Regierung würden auf die zunehmende Militarisierung des Aufstands mit der Eskalation ihrer militärischen Maßnahmen zu dessen Niederschlagung antworten, mit dem Ziel eine „Sicherheitslösung“ durchzusetzen. „Die Ordnung bricht zusammen, in einem Land, das das sicherste in der Region war. Leute von Homs und Hama, die im Sommer noch gemeinsam Ferien am Meer verbrachten „gingen anschließend zurück in sich bekämpfende Stadtviertel und schießen nun vielleicht sogar aufeinander.“[64]
Obwohl Assad vielen Forderungen der Opposition in der Folge ganz oder teilweise nachkam, u.a. den Ausnahmezustand beendete, Gefangene freiließ, Parteien zuließ und eine liberalere Verfassung verabschieden ließ – verweigerten neben der Auslandsopposition auch radikalere, überwiegend von jungen Leuten getragene Teile der inländischen Protestbewegung, sehr früh schon jeglichen Dialog und fordern seither ultimativ den Sturz Assads .Sie begründen dies vor allem damit, nicht mit einem Regime verhandeln zu können, dass friedliche Proteste blutig niederschlagen lasse.
Während viele Oppositionelle die Beteiligung an den Protesten aufgrund der immer weiteren Eskalation einstellten, haben andere die Gewalt von oppositioneller Seite weiterhin abgestritten oder heruntergespielt, u.a. auch die Lokalen Koordinierungskomitees, die von einigen deutschen Linken und der Kampagne „Adopt a Revolution“ unterstützt werden. Sie gaben den bewaffneten Elementen damit nicht nur vor Ort, sondern auch in der internationalen Öffentlichkeit volle Deckung.
Die Korrektur der falschen Darstellung des Konfliktes – durch
Menschenrechtsorganisationen, Medien und Sympathisanten der Opposition – wäre ein entscheidender Beitrag für eine politische Lösung. (PK)
Anmerkungen:
[1] Ulrike Putz, Rekonstruktion: Die Todesnacht von Hula, Spiegel online, 27.05.2012
[1b] Syrian rebels get influx of arms with gulf neighbors’ money, U.S. coordination, Washington Post, 16.5.2012
[2] Obama secretly approves top-of-the-line anti-tank arms for Syrian rebels, DEBKAfile 22.5.2012
[3] US-Arab exercise drills Iran landing. Syrian rebels obtain German machine guns, DEBKAfile 28.5.2012
[4] Ein Wendepunkt in Syrien?, Neue Zürcher Zeitung, 29.5.2012
[5] Patrick Cockburn, Syria After the Massacre - Long War Looms, Counterpunch, 28.5.2012
[6] Aisling Byrne, (Conflicts Forum, Beirut), A mistaken case for Syrian regime change, Asia Times, 5.1.2011
[7] Popular Protest in North Africa and the Middle East VII – The Syrian Regimes Slow-motion Suicide, International Crisis Group (ICG), 13.7.2011
[8] Rime Allaf, This Time, Assad Has Overreached, NYT, 7.2.2012
[9] Russia must act to help stop the bloodshed in Syria, AI, nach der Vereinbarung der Waffenruhe am 12 4.2012
[10] Amnesty International Rejects Russia’s “Unconscionable” Threat for Second Veto of U.N. Security Council Action to Stop the Syria Bloodshed, AI, 1.2.2012, Syria: Why The Security Council Matters, AI, 31.1.2012
[11] Syria: Armed Opposition Groups Committing Abuses -- End Kidnappings, Forced Confessions, and Executions, Human Rights Watch, 20.3.2012
[12] Lühr Henken und Peter Strutynski, Iran und Syrien: Die Kriegsgefahr wächst – Was können, was sollten Friedensforschung und Friedensbewegung tun?
[13] Middle East unrest: Three killed at protest in Syria, BBC, 18.3.2011
[14] In Syria, Crackdown After Protests, NYT, 18.3.2011
[15] Violence erupts at protests in Syria, Aljazeera, 18.3.2011
[16] Syria: Seven Police Killed, Buildings Torched in Protests, Israel National News/Arutz Sheva, 21.3.2011, Syria Protests Continue As Thousands Take To Streets, The Huffington Post, 20.3.2011, Syrian protesters set fire to ruling party’s headquarters, Palace of Justice , Globe and Mail, 20.3.2011
[17] Seven policemen killed in Syria protests, PTI (Press Trust of India), 21.3.2012, 7 Syrian policemen killed in Sunday clashes, report, Ya Libnan, 21.3.2011
Siehe auch Michel Chossudovsky, Syria: Who is Behind The Protest Movement?, Global Research, 3.5.2011
Siehe auch Michel Chossudovsky, Syria: Who is Behind The Protest Movement?, Global Research, 3.5.2011
[18] Thousands chant "freedom" despite Assad reform offer, Reuters, 24.3.2011
[19] Syria: Security Forces Kill Dozens of Protesters, Human Rights Watch HRW, 24.3.2011
[20] 15 dead in new clashes in southern Syria city, Associated Press, 23.3.2011
[21] Thousands chant "freedom" despite Assad reform offer, Reuters, 24.3.2011, More than 100 killed in Syria protest city, AFP, 24.3.2011
[22] Syrian president fires Daraa governor after violence at mosque, CNN, 23.3.2011
[23] ICG, Popular Protest …, a.a.O Ex-Dara'a gov. barred from leaving Syria, PressTV, 13.6.2011
[24] "Syrian protesters target Baath Party offices". Al Jazeera. 26 Mar 2011, "25 March 2011 Syrian Protests". AFP/NOW Lebanon. 25.3.2011.
[25] "Armed Gang Attacks People's Army Headquarter, Several Attackers killed... Another Armed Gang Attacks Officers Club in Homs and Opens Fire, Martyring a Citizen". Syrian Arab News Agency, 25.3.2011
[26] Syrian protesters target Baath Party offices". Al Jazeera. 26.3.2011
[27] "Damascus was Quite on Saturday". DP-news, 27.3.2011
[28] Armed group seizes rooftops in Lattakia, open fire at passers-by, citizens and security forces personnel, Champress, 27.3.2011
[29] Testimonies of Lattakia citizens on criminal and terrorizing acts of armed groups, Champress, 28.3.2011
[30] Official Source: Ten peoples, security forces and citizens, martyr in attacks by armed gangs, Champress, 27.3.2011
[31] arab. Medien, zitiert nach Wikipedia Timeline Jan-Apr. 2011
[32] Two Syrian police killed by gunmen – state TV". Reuters. Beirut. 5.4.2011
[33] At least 19 police killed in Syria clashes, RIA Novosti, 8.4.2011
[34] Syria says 19 police killed in southern city, AP Beirut, 8.4.2011
[35] Violence kills several in Syria, PressTV, 11.4.2011, Syrian Army martyrs laid to rest, Champress, 13.4.2011 Siehe auch Sharmine Narwani, Questioning the Syrian “Casualty List”, Al-Akhbar, 28.2.2012
[36] State of Human Rights in the Middle East and North Africa, January to Mid-April 2011, Amnesty International Report 2011, Mai 2011
[37] Summe über die von Medien gemeldeten Tote, Summe über die zitierten Quellen, ergänzt durch die von Wikipedia in Timeline of the 2011–2012 Syrian uprising (January–April 2011) aufgeführten Quellen
[38] ICG, 13.7.2011 a.a.O.
[39] Sharmine Narwani, Questioning the Syrian “Casualty List”, Al-Akhbar, 28.2.2012
[40] siehe neben syrischen Medien z.B. Christians Under Attack From Anti-Government Protesters in Syria, Christian Post, 5.5.2011, Syrian Christians Threatened by Salafi Protestors, International Christian Concern, 4.5.2011
[41] Karin Leukefeld, Gespaltene Opposition – Syrien: Mordanschläge auf Wissenschaftler, junge Welt, 4.10.2011, Defected brigade says it has killed 80 members of Assad’s forces, Nuclear engineer assassinated, latest casualty in a string of murders targeting academics and scientists, Al Arabiya, 29.9.2011, Nuclear engineer assassinated in central Syria, AP, 28.9.2011
[42] We Protest Assassinations of Academics in Syria, Universite Konseyleri Dernegi, 6.10.2011
[43] Arms Transfers to the Middle East and North Africa, AI, 19.10.2011
[44] Jürgen Todenhöfer, Die Rebellen von Homs, F.A.Z, 13.4.2012
[45] Sharmine Narwani, Surprise Video Changes Syria "Timeline", Al-Akhbar, 4.4.2012
[46] ebd.
[47] Syria uprising: UN says protest death toll hits 3,000, BBC, 14.10.2011, Karin Leukefeld, Demos pro und kontra – Syrien: Hunderttausende auf Kundgebung zur Unterstützung Präsident Assads, junge Welt, 27.10.2011
[48] U.N. raises Syria death toll estimate to more than 9,000, Reuters, 27.3.2012
[49] Shelling, shaky truce challenge UN few in Syria, Reuters, 17.4.2012, Two bombs explode on Damascus highway-residents, Islamist Support Front for the People of the Levant claimed responsibility, Reuters, 5.5.2012
[50] Sharmine Narwani, Questioning the Syrian “Casualty List”, a.a.O.
[51] siehe More than 11,100 killed in Syria in 13 months: NGO, AFP, 16.4.2012. Laut BBC gab die syrische Regierung im Februar allerings deutlich niedrigere Opferzahlen an: 2,493-3.838 Zivilisten und 1.345 Angehörige der Sicherheitskräfte (Homs shelled as UN Syria monitors seek ceasefire, BBC, 10.5.2012)
[52] siehe u.a. Joshua Landis, The Revolution Strikes Home: Yasir Qash`ur, my wife’s cousin, killed in Banyas, Syria Comment, 11.4.2011 und Western Press Misled – Who Shot the Nine Soldiers in Banyas? Not Syrian Security Forces, Syria Comment, 13.4.2011
[53] SANA, 25.4.2011, zit. nach ICG
[54] Friday protests erupt in Arab world, Reuters, 8.4.2011, Unknown Gunmen Filmed at Syria Demo, Youtube
[55] Al Jazeera Journalist Explains Resignation over Syria and Bahrain Coverage -- Ali Hashem: Al Jazeera has become a "media war machine" and is "committing journalistic suicide", The Real News, 20.3.2012 sowie Sharmine Narwani, Surprise Video Changes Syria "Timeline", Al-Akhbar, 4.4.2012 und Ali Hashem, The Arab spring has shaken Arab TV's credibility, The Guardian, 3.4.2012
[56] Syria's security forces seize arms smuggled from Iraq - Grenades, firearms and ammunition belts found in truck loaded in Baghdad, Reuters/Guardian, 11.3.2011
[58] Authorities Seize Huge Weapons Consignment Bound for Syria, SANA, 17.4.2011
[59] Lebanon stops weapons from entering Syria, sources say, Reuters, 14.4.2011
[60] ICG interview, Damascus, 22 May 2011, a.a.O.
[61] ICG interview, Washington, 27 May 2011
[62] Reinhard Mutz, Friedenspolitik mit doppeltem Boden – Warum das Blutvergießen in Syrien nicht aufhört, Deutschlandradio, 14.05.2012
[63] Syrian Revolution, updates, Ya Libnan, 26.3.2011, Facebook group urges 'Good Friday' demos in Syria, Middle East Online, 21.4.2011
[64] Syria: truth is the first casualty, The Irish Times, 11.2.2012, siehe auch Jürgen Wagner, Syrien: Die Militarisierung der Proteste und die strategische Unvernunft der Gewalt, IMI-Studie 2012/07 - 20.03.2012
Ungekürzte Version eines Artikels, der in der linken Zeitung junge Welt erschien.
Online-Flyer Nr. 357 vom 06.06.2012