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Aktueller Online-Flyer vom 22. Dezember 2024  

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Medien
Vortrag "Feindbild-Demontage strafbar?" - Über eine Reise in den Iran
Der braune Sumpf schäumt
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

"Feindbild-Demontage strafbar?“ war der Titel eines Vortrags, den wir am 23. Juni 2012 auf Einladung des Deutschen Freidenker-Landesverbands Nordrhein-Westfalen im Kölner Freidenker-Zentrum über eine Reise gehalten haben, die wir vom 19. bis 29. April 2012 in den Iran unternommen hatten. Eingebettet in Informationen und Gedanken zur Feindbild-Propaganda-aufgeheizten Situation war eine Bilderschau mit ca. 70 Fotografien, die den NRhZ-LeserInnen aus den sechs Berichten zum Teil bekannt sind. Ein entscheidendes Thema im Vortrag waren die Reaktionen in der "freien" Medienlandschaft.


Startprojektion aus dem Vortrag

Was die Intention des Vortrags war, ist in der Einladung der Freidenker NRW treffend umrissen: „Es war eine Reise zu einem der großen Feindbilder unserer Zeit: in den Iran und zu dessen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, die Verkörperung des Bösen schlechthin. Ist so etwas erlaubt? Und ist es zudem noch erlaubt zu erkennen, dass ein Feindbild ein Feindbild ist und wenig mit der Realität zu tun hat? Mit was ist zu rechnen, wenn man/frau so etwas tut? Wie reagieren die imperialistischen Kräfte dieser Welt mit ihrem weit verzweigten Geflecht von Organisationen und Einzelpersonen, insbesondere ihre Medienorgane, auf solche friedenspolitischen Aktionen? Was können Freidenker und andere an Aufklärung und friedlicher Partnerschaft interessierte Kräfte dagegen setzen?“

Vergiftete Botschaften

Mit der Reise waren interessante Erkenntnisse verbunden – im Iran, aber besonders nach unserer Rückkehr. Wir waren noch nicht aus dem Iran zurück, da machten sich (am 28. und 29. April) – basierend auf der iranischen Berichterstattung über unseren Empfang beim iranischen Präsidenten – die ersten Stichwortgeber ans Werk und verbreiteten ihre vergifteten Botschaften.

Der imperialistische Blog „Free Iran Now“, der für die Kriegstreiber von „Stop the bomb“ wirbt, titelt mit „Braune Zirkustruppe in Persien“. Die sich als „linke Wochenzeitung“ tarnende imperialistische „Jungle World“ greift diesen Titel auf und ergänzt mit „Endlich angekommen“. Wes Geistes Kind die Propagandisten sind, wird deutlich an der Tatsache, dass sich auch „Politically Incorrect“ einschaltet, eine Gruppierung mit den Attributen „proamerikanisch“, „proisraelisch“ und „gegen die Islamisierung Europas“ aus dem Dunstkreis der rechten, anti-islamischen Pro-Bewegung wie „Pro Köln“ und „Pro NRW“. „Ahmadinedschad und deutsche Amigos“ heißt es hier.


„Politically Incorrect“ im Rahmen eines Pro-Köln-Aufmarsches  am 9.5.2009
Foto: arbeiterfotografie.com



„Politically Incorrect“ im Rahmen eines Pro-Köln-Aufmarsches  am 9.5.2009
Foto: arbeiterfotografie.com


Zum Kreis der Stichwortgeber gehören auch der zionistische Blog „prozionnrw“ („Feuchte Höschen in Teheran“), der zionistische Propagandist Henryk M. Broder („Das letzte Aufgebot - Mahmoud und sein Gesinde“) und der anti-deutsche Blog „reflexion“ („Audienz beim Antisemiten“). Die Hetze dieser Stichwortgeber wird – wie selbstverständlich – von den „großen“ Organen der Herrschaftsmedien aufgegriffen und fortgeführt: „Zu Besuch beim Holocaust-Leugner (Die Welt), „Empfang für bizarre Reisegruppe“ (Kölner Stadt-Anzeiger), „Tee beim Diktator“ (Jüdische Allgemeine) etc.

Fäkale Stichwortgeber der Pro-Bewegung

Stichwortgeber für die Hetze gegen diejenigen, die das Krieg legitimierende Feindbild zu demontieren drohen, sind also die verschiedenen Facetten der imperialistischen Kräfte, darunter die rechten Stoßtrupps in der Linken, die so genannten Antideutschen.

Uns wird das Zusammenwirken mit Kräften der extremen Rechten unterstellt. Als angeblicher Beleg werden der mitgereiste Jürgen Elsässer herangezogen, dem in Zusammenhang mit der so genannten Volksinitiative das Schaffen einer Querfront mit der extremen Rechten angedichtet wird (die Grundsatzerklärung belegt das Gegenteil – siehe unten), und Elias Davidsson, über den verfälschend verbreitet wird, er selbst habe sich als Antisemit bezeichnet.

Die Hetze ist aber nicht nur medial, sondern wird auch persönlich. Medien haben dafür den Boden bereitet. Jemand, der sich als „roter“ Fotograf darstellt und der Arbeiterfotografie ein Abdriften nach rechts nachsagt, schickt an seinen Bekanntenkreis eine eMail, in der er die Hetze des Pro-Köln-nahen „Politically Incorrect“ verbreitet. Bei der Finissage der Nakba-Ausstellung in Köln steht jemand auf, der im Rheinischen Journalistenbüro und beim Filminitiativ agiert, und versucht die Diffamierung auf mehreren Ebenen voranzutreiben (auch mit als unwahr widerlegten Behauptungen aus der palästinensischen Geschichte), indem er vor dem Publikum erklärt, er wolle nicht von jemandem fotografiert werden, der sich mit dem Holocaust-Leugner Ahmadinedschad getroffen habe. Doch er lief damit ins Leere. Ahmadinedschad ist weder Holocaust-Leugner noch Antisemit. Diese Behauptungen sind Teil des jahre-, jahrzehntelang geschürten Feindbildes Iran. Die zweitgrößte jüdische Gemeinde im Nahen Osten lebt – bei voller gesellschaftlicher Anerkennung und mit eigener Parlamentsvertretung – im Iran.

Der braune Sumpf schäumt – und versucht, die Linke zu infizieren und zu verseuchen. Ein Phänomen!

Unsummen für Desorientierung

Am 10.2.2009 gab es Veröffentlichungen, die eine Ahnung davon geben, mit welchem Aufwand Desinformation und diffamierende Hetze in Umlauf gebracht werden. Die junge Welt überschreibt einen Artikel mit: „Pentagon beschäftigt 27000 Spezialisten mit Jahresbudget von 4,7 Milliarden Dollar“. Das wird nicht alles sein, was zur Desorientierung der Öffentlichkeit und speziell der Linken aufgeboten wird. So investiert z.B. auch Israel in Desinformation und soll kürzlich sein Budget dafür verdoppelt haben. Irgendwo werden die Gelder hin fließen, und irgendwo werden die Personen, die sich für ihre Arbeit im Sinne ihrer Auftraggeber bezahlen lassen, anzutreffen sein.


Plakat der Organisation „I like Israel“ zur Mobilisierung für eine Demonstration am 28.1.2007 in Berlin (siehe auch: arbeiterfotografie.com)


„Der Spiegel“ am 5.3.2012


Flaggen aus der Zeit der Schahherrschaft - Demonstration am 17. Juni 2006 in Frankfurt, zu der von der zionistischen Organisation „Honestly Concerned“ aufgerufen wurde
Foto: arbeiterfotografie.com



Demonstration am 17. Juni 2006 in Frankfurt, zu der von der zionistischen Organisation „Honestly Concerned“ aufgerufen wurde
Foto: arbeiterfotografie.com


Angerissen haben wir in unserem Vortrag auch die wesentlichen propagandistischen Behauptungen, Iran entwickle Atomwaffen, Iran wolle Israel (mittels Atomwaffen) vernichten, der iranische Präsident sei ein Holocaust-Leugner und Ahmadinedschad sei seit 2009 Präsident durch Wahlbetrug. Insbesondere den letzten Punkt haben wir vertieft dargelegt, weil die entsprechenden zweifelhaften Behauptungen von Personen wie Mohssen Massarrat und Bahman Nirumand vorgebracht werden, denen zu große Teile der Linken und der Friedensbewegung immer noch Vertrauen schenken.


Ergebnis einer Umfrage von WorldPublicOpinion von September 2009: 81 Prozent der iranischen Bevölkerung halten Ahmadinedschad für ihren legitimen Präsidenten

Diverse Umfragen, die US-Meinungsforschungsinstitutionen im Iran im Vorfeld und nach der Wahl durchgeführt haben, belegen, dass Ahmadinedschad der überlegene Wahlsieger ist. Gemäß WorldPublicOpinion halten 81 Prozent der iranischen Bevölkerung Ahmadinedschad für ihren legitimen Präsidenten. Das amtliche Endergebnis der Wahlen vom 12.6.2009 weist für Ahmadinedschad ca. 24,5 Millionen Stimmen aus. Mohssen Massarrat im Freitag, Bahman Nirumand in der taz und Tobias Kaufmann im Kölner Stadt-Anzeiger wollen erfahren haben, dass die tatsächliche Anzahl ca. 5.7 Millionen gewesen sei. Aber es gibt noch jemanden, der meint zu wissen, wie viele Stimmen für Ahmadinedschad tatsächlich abgegeben worden sein sollen. Martin Gehlen will wissen, dass es ca. 10,5 Millionen gewesen sind. Die zwei unterschiedlichen anonymen Quellen führen sich gegenseitig ad absurdum.

Leserbrief an den Kölner Stadt-Anzeiger

Ein erfreuliches Ergebnis hat unser Vortrag bereits. Kurz darauf ist ein Leserbrief an den Kölner Stadt-Anzeiger entstanden. Er ist verfasst von Jutta Müller:

„Gestern Nachmittag habe ich in Köln die Veranstaltung der Freidenker zum Thema 'Feindbilddemontage strafbar?' besucht. Mitglieder des Vereins Arbeiterfotografie berichteten von ihrer Reise in den Iran im April und von den Reaktionen in der überregionalen und regionalen Presse danach. Es ging bei dieser Veranstaltung sehr sachlich und informativ zu, und unterschiedliche Positionen wurden auf hohem Niveau diskutiert. Nicht einer der Anwesenden beleidigte oder bedrohte andere, die Diskussionsleitung war konsequent und freundlich. Das ist beste politische Kultur, wie sie in einer Demokratie zu erwarten ist.“

Und dann kritisiert sie den am 5./6.Mai 2012 mit dem Titel "Empfang für bizarre Reisegruppe“ veröffentlichten Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger . Er enthalte „Hetze und offene und versteckte Drohungen. Man fühlt sich in eine andere Zeit und Welt versetzt. Im 'Stürmer' während der NS-Diktatur war Hetze von oben gegen Andersdenkende Usus. In einer Demokratie aber sollte man ausgewogen berichten.“ Die Bezeichnung „bizarre Reisegruppe“ verleite den Leser dazu, die Reisegruppe als verrückt vorzuverurteilen. Das sei ein Verstoß gegen das Gebot des Schutzes der Ehre gemäß Ziffer 9 des Presse-Codex. Weiter heißt es in diesem Leserbrief:

„Sie haben Diffamierungen und Beleidigungen (Fikentscher und Neumann seien 'naiv', 'vergreist', 'antisemitisch'), die im Internet anonym verbreitet worden sind, durch distanzlose Wiedergabe in ihrem Artikel salonfähig gemacht. Dies ist ebenfalls ehrverletzend. Außerdem haben Sie Entscheidendes nicht sorgfältig recherchiert.“ Das sei ein Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressecodex: „Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. ... Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“

Und in dem Leserbrief wird an den Autor des Stadt-Anzeiger-Artikels die Frage gestellt: „Ist Ihnen bekannt, dass anonyme Meinungen im Internet systematisch von z.T. geheimdienstlich bezahlten Profis ins Netz gestellt werden. Für diese Zwecke hat z.B. der US-Haushalt Millionen von Dollar bereit gestellt. Haben Sie geprüft, wer diese so genannten Antifa-Aktivisten unterstützt, die in zahlreichen Foren unbequeme Kritiker beleidigen und diffamieren?“ (PK)

Hinweise:

Land der Liebe
Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in den Iran (1)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17745

Fromme in Frieden
Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in den Iran (2)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17768

Wirtschaft im Aufwind
Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in den Iran (3)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17785

Beispielhafter Christ
Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in den Iran (4)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17827

Fragen zur Kommunistenverfolgung
Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in den Iran (5)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17854

Partnerschaft statt Propadanda
Eindrücke und Erkenntnisse von einer Reise in den Iran (6)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17875

Die Pro-Köln-Strategie
Gedanken anlässlich des am 9.5.2009 von 'Pro Köln' veranstalteten 'Anti-Islamisierungskongresses'
http://www.arbeiterfotografie.com/galerie/kein-krieg/hintergrund/index-analyse-0030.html

Iran-Hintergrund-Information
(u.a. zu Fragen der Präsidentschaftswahlen 2009)
http://www.arbeiterfotografie.com/iran

In der Grundsatzerklärung der Volksinitiative von Jürgen Elsässer heißt es: „Rechtsradikale und andere Völkische, die in unseliger Tradition nur Deutsche im Sinne der NS-Rassegesetze zum Volk zählen und gegen Immigranten und Flüchtlinge hetzen, machen die dringend nötige Einheit aller Unterdrückten unmöglich. Sie können bei der Volksinitiative nicht mitarbeiten und sind auch nicht unsere Bündnispartner.“
http://juergenelsaesser.wordpress.com/grundsatzerklaerung/

Online-Flyer Nr. 361  vom 04.07.2012



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