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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen und ein Offener Brief an Klaus Wowereit
Ich hab' noch einen Koffer in Berlin!
Von Evelyn Hecht Galinski
(1)
Und hier der Brief aus Berlin vom 9.9.2012
Online-Flyer Nr. 374 vom 03.10.2012
Kommentar vom Hochblauen und ein Offener Brief an Klaus Wowereit
Ich hab' noch einen Koffer in Berlin!
Von Evelyn Hecht Galinski
In letzter Zeit, angefacht durch die Beschneidungsdebatte, die mir gezeigt hat, wie auch die angeblich so unabhängige Justiz von der Politik beeinflusst wird, habe ich mich nach dem Lesen diverser Artikel im Tagesspiegel (1) gefragt: Kann es so weitergehen? Gerade in Berlin wird eine Stimmung angefacht, die nichts, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat! Auch am Samstagmorgen hörte ich ein Gespräch mit dem israelischen Botschafter im DLF, der dort fast ungebremst seine Propagandathesen gegen Iran loswerden konnte, um wieder vom wirklichen Problem, nämlich der Besatzung und Besiedlung abzulenken. Was für ein Journalismus, bevormundet und "embedded"! Was muss eigentlich noch geschehen, dass wir deutschen Bürger aufstehen und sagen: Bis hierhin und nicht weiter, genug ist genug! Hat die einmalige Propaganda Israels schon so gewirkt? Haben die ständigen Hinweise auf das auf Grund der Vergangenheit "besondere Verhältnis" schon jegliche Gegenwehr zum Verstummen gebracht? Deshalb gelingt es auch, dass die Argumente dieser Israel-Lobby, die schnell mit Fakten widerlegt werden könnten, so unwidersprochen hingenommen werden. Mir scheint, dass die Einschüchterungsversuche, egal ob es um Kriegsbeteiligungen oder um Lobbyismus geht, immer unverfrorener laufen und hingenommen werden. Stephane Hessel sagte: "Empört Euch!" Ich sage: "Informiert und formiert Euch!"
Ob er wohl darauf antwortet? – Klaus Wowereit
NRhZ-Archiv
Sehr geehrter Herr Wowereit,
als ehemalige Berliner Bürgerin und Tochter eines Berliner Ehrenbürgers möchte ich Ihnen einen mich sehr bewegenden Brief einer Berlinerin übermitteln, der mich nach einem Interview erreichte. Dieser Brief zeigt mir in erschreckender Weise die heutigen, leider sehr veränderten Verhältnisse in Berlin. Es erscheint mir unerträglich, wie versucht wird, Vorfälle aufzubauschen und diese in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Ich selbst sehe schon seit vielen Jahren den ständigen Niedergang der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, sowohl geistig, als auch finanziell. Das Zusammenleben zwischen der jüdischen und nicht jüdischen Bevölkerung erlebte ich immer als sehr gut und normal. Meiner Ansicht nach hat sich das grundlegend verändert, seit jüdische Organisationen und die jetzige Gemeindeführung immer mehr versuchen, Israel-Kritik, Antisemitismus und sogenannten Judenhass zu vermengen. Bis heute ist es nicht bewiesen, wie sich der Vorfall mit Rabbiner Alter wirklich abspielte, aber sofort wurden muslimische Jugendliche verdächtigt. Das erinnert mich sehr stark an die sogenannten Döner-Morde. Ist nicht die jüdische Gemeinde mit schuld, durch die ständige unkritische Identifizierung mit Israel, wenn sich viele Bürger Gedanken machen über die schrecklichen Taten des Besatzungsregimes und dieses auch durch die Tatsache bekräftigt wird, dass sich Israel jetzt explizit als jüdischer Staat bezeichnet und diese Anerkennung auch von den Palästinensern fordert?
Ich lehne es ab, mich von Israel in Haftung nehmen zu lassen und die Regierung Israels spricht auch nicht für mich und jeden Juden. Es wird Zeit, dass wieder eine Normalität im Zusammenleben eintritt - das wäre ein wichtiges Zeichen. Leider hat es die deutsche Politik versäumt, objektiv Stellung zu beziehen, und sich auch einmal kritisch mit der israelischen Politik auseinandersetzen, anstatt immer blind der Ideologie der Israel-Lobby zu folgen.
Ich bitte Sie, diesen Brief einer Berlinerin ernst zu nehmen, den ich für sehr wichtig und traurig halte. Man vergisst heute bedauerlicherweise gern, dass das Zusammenleben zwischen jüdischer und nicht jüdischer Bevölkerung nicht erst vor 25 Jahren begann, sondern schon 1949, als mein Vater Gemeindevorsitzender wurde und diesen Vorsitz bis zu seinem Tod im Jahr 1992 innehatte.
Warum erzähle ich das alles? Weil mich die Lage in Berlin ganz besonders schmerzt, besonders wenn ich die ganzen Artikel der Lokalpresse zum Thema lese - eine kleine Auswahl anbei. Hier werden meiner Meinung nach, gezielt Vorfälle aufgebauscht, oder sogar bewusst propagandistisch benutzt. Ganz schlimm wird es für mich, wie auch in dem Brief der Berlinerin beschrieben, wenn auch noch die Vergangenheit instrumentalisiert wird. Ich bitte sie ganz herzlich Herr Wowereit, meine Gedanken in Ihre Überlegungen einzubeziehen. Ich hoffe sehr, dass Sie im kommenden November, wenn der hundertste Geburtstag meines Vaters, des Berliner Ehrenbürgers Heinz Galinski kommt, diesen nicht so gedankenlos abhandeln werden, wie es am zwanzigsten Todestag diesen Jahres im Juli geschah.
Mit besorgten Grüßen
Evelyn Hecht-Galinski
(1)
Liebe Frau Hecht – Galinski,
Gestern Abend haben mein Mann und ich Ihr Interview bei KenFM2008 im Internet gesehen.
Ich habe, während ich Ihnen zugehört habe, eine derartige innere Befreiung verspürt, dass ich mich auf diesem Wege bei Ihnen für Ihre mutigen und offenen Worte bedanken möchte.
Hier sagt eine gebildete Frau und Jüdin menschlich und sachlich korrekt, soweit ich das beurteilen kann, wie die Dinge in Israel und Deutschland stehen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.
Auch mein Mann hat, nachdem er im Vorbeigehen gehört hatte, worum es geht, sich dazugesetzt und den ganzen Beitrag gebannt angehört. Danach war er ganz nachdenklich, da er Herrn Broder immer im Radio hört und ihn eigentlich ganz lustig findet.
Ich selbst bin Architektin, Jahrgang 1963, und bei Düren in der Nähe von Köln aufgewachsen. Meine Grosseltern hatten hier vor dem Krieg Papierfabriken und in den 30er Jahren auch eine Vielzahl von gebildeten jüdischen Freunden. Diese wanderten in den Kriegsjahren nach England aus, mein Großvater und meine Großmutter hielten während der Kriegsjahre engen Briefkontakt mit ihnen und wurden immer sehr bedauert, das sie in diesem „schrecklich verändertem Land“ bleiben mussten. Mein Großvater und meine Eltern später waren der gleichen Meinung, nur wollten und konnten sie ihre Fabriken und die Menschen, die dort arbeiteten, nicht zurücklassen.
Es gab in unserer Familie nie ein „Judenproblem“, eher ein Einverständnis, was man von der Deutschen Politik, übrigens auch der Nachkriegspolitik in Punkto Israel, zu halten hatte. Nämlich sehr wenig.
Mich hat sehr berührt, wie Sie in dem Interview am Ende etwas hoffnungslos meinen, das Sie so wenig Anlass für Veränderung in der Gesellschaft sehen, weder in der Deutschen noch in der Israelischen.
Ironischerweise habe ich hier in Berlin mit Hilfe unserer jüdischen Nachbarn, der Gemeinde „Chabat Lubawitsch“ viel falsche Zurückhaltung abbauen können.
Diese Gemeinde hat es innerhalb weniger Monate nach ihrem Herzug geschafft, durch lautstarkes Feiern, hemmungsloses Falschparken und verbale Entgleisungen gegenüber Nachbarn und Polizei, sich bei den Anwohnern vollkommen unbeliebt zu machen.
Wenn Polizisten z.B. einem jüdischen Synagogenbesucher, der falsch parkt, einen Strafzettel ausstellen, werden sie von den Fahrzeughaltern als Antisemiten bezeichnet. Die Nachbarn, die die Polizei rufen, weil sie stundenlang durch Synagogenbesucher zugeparkt werden, gelten als fremdenfeindlich und antisemitisch, hört man aus dem Umfeld der Synagoge.
Diese Leute glauben wirklich, sie dürfen alles, genau wie Sie in ihrem Buch schreiben. Gute Nachbarschaft ist scheinbar ein Fremdwort. Man selbst würde doch im Traum nicht darauf kommen, in einem Land, in dem man zu Gast ist, sich dermaßen daneben zu benehmen. Die meisten Besucher der Gemeinde, und auch die Rabbis, kommen aus den USA und den Ostblockländern. Den deutschen Polizei-Wachleuten, die sich manchmal trauen, Falschparker ansprechen wurde schon gesagt:“ Ein Anruf bei Ihrem Vorgesetzten, und Sie sind Ihren Job los“.
Ich meinerseits habe mittlerweile meine deutschen Schuld-Hemmungen abgelegt, es hat gedauert, aber irgendwann ist mir der Kragen geplatzt und wir haben uns bei der Synagoge beschwert. Das war interessanterweise eine echte Mutprobe für mich, innerlich stand mir ja das ganze Szenario vom bösen Deutschen vor Augen.
Und um Sie meinerseits zu ermutigen, möchte ich Ihnen mitteilen, das ich nicht nur diesen Termin mit dem Rabbi überlebt habe, es war eigentlich ein ganz nettes Gespräch, sondern dass wir auch unsere 9- und 10-jährigen Kinder mit in die Diskussionen einbeziehen. Z.B. bei Themen wie: warum traut sich die Polizei nicht, bei der jüdischen Gemeinde am Sonntagabend um 22 Uhr den Stecker aus der Anlage zu ziehen, um die laute Musik zu beenden. Dies hatte uns nämlich ein Polizist bestätigt, er würde großen Ärger mit seinen Vorgesetzten bekommen wenn er das täte.
Er sagte auch, die Gemeinde behaupte, sie hätten für diesen Abend eine Sondergenehmigung, Frau Merkel persönlich wüsste Bescheid und es wären Holocaust-Überlebende anwesend. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass keiner der drei Punkte stimmte.
Diese Geschichte haben wir sehr ausführlich mit unseren Kindern diskutiert, um ihnen deutlich zu machen, wie hier versucht wurde, mit dem Holocaust als Druckmittel eine flotte Party zu feiern, ohne Rücksicht auf die Nachbarn nehmen zu müssen. Die Kinder machen sich hier schon sehr selbstständige Gedanken, was ich gut finde und unterstütze.
Natürlich nehmen wir die totale Blockadehaltung der deutschen Politik zu diesem Thema in Deutschland wahr, und es ist beängstigend wie schnell Menschen ihre Arbeit und ihren Ruf verlieren, wenn sie in die Zensurmühle geraten. Wir haben allerdings auch gute jüdische Freunde in Berlin, die all das bestätigen was Sie sagen. Sie meinen auch, dass die orthodoxen Juden richtig Probleme haben, wenn es um Integration geht. Man schottet sich eher ab, und tut so, als wären die anderen nicht da.
Ich finde, ein klares Wort ist wie ein Licht im Dunkel, deshalb bitte ich sie, sprechen Sie weiter und leuchten sie denen ein , die mehr über die Realität wissen wollen,
Herzliche Grüße und großen Dank für Ihren Mut,
Ihre
R R
P.S.
Heute morgen lese ich in mehreren Onlinezeitungen, dass Israel jetzt bei den deutschen Waffengeschäften nach Nahost mitreden möchte, damit seine Vormachtstellung nicht gefährdet wird. Ha-Ha, ja, das möchten sie wohl gerne! (PK)
Online-Flyer Nr. 374 vom 03.10.2012