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Schröders Agenda 2010 ist zurück
Peer Steinbrücks Wahlkampfteam
Von Ulrich Gellermann
War da nicht jüngst der echt linke Vorschlag von Peer Steinbrück, die Banken an die kurze Leine zu legen? Die Hedgefonds besser zu kontrollieren, Rücklagen für Krisen zu schaffen und die Geschäfts- von den Investmentbanken zu trennen? Doch mit der Ernennung seines Wahlkampfteams lässt Steinbrück nun die rote Tünche seiner Kandidatur bereits abblättern, bevor sie richtig trocken ist: Seine neue Mannschaft - die traditionell, wenn Steinbrück Kanzler werden würde, auch mit Posten in der Regierung versorgt werden müsste - ist die alte: Alles Veteranen der 2010-Bewegung.(1)
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
Zu den bewährten Parteikräften im Steinbrück-Team - Siegmar Gabriel, Andrea Nahles, Frank-Walter Steinmeier, Schatzmeisterin Barbara Hendricks und Thomas Oppermann - muss eigentlich nicht viel geschrieben werden. Vielleicht sollte man bei Oppermann anmerken, dass der Mann es schafft, gleich in zwei rechten SPD-Gruppierungen Mitglied zu sein, beim "Seeheimer Kreis" und dem "Netzwerk Berlin". Aber richtig interessant ist die zweite Reihe der Steinbrück-Mannschaft, die demnächst - falls Angela Merkel vorzeitig auf Rente geht und Ursula von der Leyen wirklich keine Lust hat ihre Nachfolge anzutreten - in die erste Reihe der Regierungs-Posten aufrücken will.
Online-Flyer Nr. 379 vom 07.11.2012
Schröders Agenda 2010 ist zurück
Peer Steinbrücks Wahlkampfteam
Von Ulrich Gellermann
War da nicht jüngst der echt linke Vorschlag von Peer Steinbrück, die Banken an die kurze Leine zu legen? Die Hedgefonds besser zu kontrollieren, Rücklagen für Krisen zu schaffen und die Geschäfts- von den Investmentbanken zu trennen? Doch mit der Ernennung seines Wahlkampfteams lässt Steinbrück nun die rote Tünche seiner Kandidatur bereits abblättern, bevor sie richtig trocken ist: Seine neue Mannschaft - die traditionell, wenn Steinbrück Kanzler werden würde, auch mit Posten in der Regierung versorgt werden müsste - ist die alte: Alles Veteranen der 2010-Bewegung.(1)
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
Foto: Dirk Vorderstraße
Im beschaulichen Ahrensburg, vor den Toren Hamburgs gelegen, mit seinen fünf Reitvereinen und den Naturschutzgebieten rundum, lebt Hans-Roland (Rolli) Fäßler. Er darf sich mit Fug und Recht zu den grauesten aller grauen Eminenzen rechnen. Von Beruf "Berater" hat Rolli eine lange Medienkarriere hinter sich: Nach einer mehrjährigen Beschäftigungszeit bei einem öffentlich-rechtlichen Sender privatisierte der vertraute Freund von Wolfgang Clement (früher SPD, heute Wahlhelfer bei der FDP) seine staatlichen Kontakte und gründete mit Erfolg eine eigene Nachrichtenagentur, die primär den öffentlich rechtlichen Rundfunk belieferte. Dann war er mal Geschäftsführer beim Medien-Konzern "Gruner & Jahr" und "in verschiedenen Funktionen" im Hause Bertelsmann tätig. Also dort, wo das Schröder-Blair-Papier ausgeheckt wurde. Fäßlers Wahlspruch lautet: "Ich will nicht als Adler starten und als Suppenhuhn landen". Als Mitglied des Steinbrück-Teams sollte man ihm einen Start als Suppenhuhn empfehlen, vielleicht klappt es dann später mit der Adlerei.
Matthias Mächtig nennen ihn die Eingeweihten, denn Matthias Machnig, noch Minister in Thüringen, hat schon an mehr Strippen gezogen als das politische Theater gemeinhin kennt: Er hat Schröders Wahlkampf geleitet, saß im Vorzimmer von Müntefering und war auch mal auf der Lohnliste der BBDO-Consulting GmbH, ein Unternehmen, dessen Kundenregister fast alles enthält, was in der Deutschen Wirtschaft Rang und Namen hat: Von Daimler über Persil bis zu Yellow Strom. Doch viel interessanter ist Machnigs temporäres Engagement in der Unternehmensberatung "Booze Allen Hamilton". An der Spitze dieser US-amerikanischen Firma gab und gibt es verschiedene verdiente Geheimdienstler, unter ihnen der ehemalige CIA-Chef Robert James "Jim“ Woolsey. Das Unternehmen war unter anderem in die Weiterleitung europäischer Bankdaten an US-Geheimdienste verwickelt. Ob Machnig deshalb den Spitznamen "Prinz der Dunkelheit" trägt ist unbekannt.
Michael Donnermeyer, einer der wenigen jungen Politiker im Steinbrück-Team, ist vergleichsweise kaum belastet. Angefangen hat er als Redakteur einer Sportartikelzeitung, um dann Pressesprecher von Gerhard Schröder zu werden. Nach Schröders Aufstieg in die Gasprom-Liga musste der Mann versorgt werden und fand auch ein Plätzchen in der Berliner Senatsverwaltung. Dort war es zwar warm, aber offenkundig nicht lukrativ genug für ein Talent wie Donnermeyer. Deshalb ist er zurzeit noch Geschäftsführer des "Informationszentrum Klima e.V". Der energische Lobby-Verein (Alstom, EnBW, eon, DB Energie, General Electric, Thyssen Krupp, Hitachi Power Europe, RWE, Siemens Power Generation und Vattenfall Europe sind die Hinterfirmen) will nicht das Klima retten, wie man vermuten könnte. Er plädiert dafür, das schädliche CO2-Gas in der Erde zu lagern. Mit diesem Verfahren ist das Gas zwar nicht weg, würde aber so den Energiekonzernen Umweltauflagen ersparen und könnte, wenn das denn durchgesetzt würde, jede Menge staatlicher Subventionen einsacken.
Heiko Geue, der letzte in der Steinbrück-Reihe, ist ein ordentlicher Beamter. Zurzeit als Staatssekretär in Sachsen-Anhalt geparkt, war er doch einst ein Agenda-Stichwortgeber. Als Referent im Schröderschen Bundeskanzleramt bastelte er dort gemeinsam mit Frank Walter Steinmeier an jenem Papier, das den Rentnern und den Arbeitslosen bis heute so schrecklich viel Freude macht. Von 2005 bis 2009 war Geue "Leiter des Leitungsbereich" für den Bundesfinanzminister Steinbrück. Und was machte er dort noch? Richtig, er war in diesem Ministerium für Privatisierungen zuständig. Dass Geue mit der Leiterin von Steinbrücks Büro zusammenlebt wird sicher die Kommunikation zwischen Kanzlerkandidat und Wahlhelfer beträchtlich verbessern.
Aber warum diese sinistre Mannschaft so bewährte Kapital-Vertreter wie Schäuble oder Rösler ablösen soll bleibt, nach Sichtung ihrer Biographien, unverständlich. Doch wenn es zu einer Koalition mit den GRÜNEN kommen würde, träfen die düsteren SPD-Männer vielleicht auf Werner Winkler. Der ist einer von jenen GRÜNEN, die zur Wahl des Spitzenkandidaten angetreten sind. Winkler hatte in seine erste Bewerbung reingeschrieben: "Aus meiner ersten Ausbildung pflege ich immer noch die Kalligrafie, vor allem als Kalligrafielehrer. Falls ich von euch zum Spitzenkandidaten gewählt würde, könnte ich mir also die notwendige Zeit nehmen." Das könnte die neue rot-grüne Regierungs-Anmutung deutlich verbessern. Wenn zum Beispiel die Marschbefehle der ISAF-Nachfolgetruppen oder die Neufassung der Hartz-Gesetze nur noch in Schönschrift ausgefertigt würden. (PK)
(1) Die Agenda 2010 (sprich „Agenda zwanzig-zehn“) war ein Konzept zur "Reform" des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarktes, durch das von 2003 bis 2005 von der aus SPD und Grünen gebildeten Bundesregierung Kanzler Schröders radikale Kürzungen im Sozialbereich durch- und weitgehend umgesetzt wurden. Das Konzept wurde von den Oppositionsparteien überwiegend unterstützt, und in ihrer Regierungserklärung vom 30. November 2005 erklärte Schröders Amtsnachfolgerin Merkel: „Ich möchte Kanzler Schröder ganz persönlich danken, dass er mit der Agenda 2010 mutig und entschlossen eine Tür aufgestoßen hat, unsere Sozialsysteme an die neue Zeit anzupassen."
Diese und weitere Glossen finden Sie bei http://www.rationalgalerie.de/archiv/index_1_635.html
Online-Flyer Nr. 379 vom 07.11.2012