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An der Seite von Kolonial-Frankreich
Mutti mit Stahlhelm
Von Uli Gellermann

Da hat sie aber mal ein Machtwort gesprochen, die Frau aus Templin: Der Terror in Mali bedrohe auch Europa, erklärte Kanzlerin Merkel anlässlich des Besuchs von Alassane Quattra, dem Präsidenten der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire). Und sie versprach erstmal zwei Transportflugzeuge der Bundeswehr zur Unterstützung des französischen Militäreinsatzes in Mali. Noch findet sie die Beteiligung des deutschen Parlamentes an dieser Entscheidung unnötig. Aber sie sieht schon voraus, dass es noch dicker kommen kann:
 
"Wenn sich die Lage ändert, werden wir uns nicht scheuen, auch ein Bundestagsmandat zu beantragen." Ins Deutsche übersetzt: Wenn die Franzosen allein nicht klar kommen, dann muss die Bundeswehr ran. Weiß die Dame über was sie da redet? Ist es die pure Blödheit oder will sie auch dabei sein, im Club der modernen Kolonialisten? Um den "Terror" in Mali zu beurteilen, macht es Sinn, sich die postkolonialen Länder unter französischem Einfluss ringsum anzusehen.
 
Im Land des Mannes, dem die Kanzlerin militärische Hilfszusagen gegeben hat, arbeiten nach Aussagen von "Transfair" 600.000 Minderjährige unter sklavenähnlichen Bedingungen auf den Kakao-Plantagen des Landes. Ihm selbst wird unter anderem vom Roten Kreuz vorgeworfen, an Massakern im Bürgerkrieg beteiligt gewesen zu sein. Wer kümmert sich um diese Sorte des Terrorismus? Sicher nicht das Wachbataillon der Bundeswehr, vor dem er unbehelligt paradieren durfte. Der Staat Elfenbeinküste ist eines der afrikanischen Länder, die 1960 scheinbar aus dem französischen Kolonialreich ausschieden und auf dessen Gebiet nach wie vor ein französischer Militärstützpunkt zeigt, wer im Zweifelsfall das Sagen hat. Gerade sind von dort aus Bodentruppen unterwegs nach Mali. In den gestern noch "kurzen Krieg", der heute vom französischen Kriegsminister als "langer Kampf" erwartet wird.
 
Aus dem Tschad - ebenfalls eine frühere Kolonie der Franzosen - steigen zurzeit die dort stationierten französischen Kampfflugzeuge auf, um in Mali einzugreifen. Die Republik Tschad ist ein finsteres Zentrum des Kinderhandels. Man exportiert in die Zentralafrikanische Republik, nach Nigeria, Kamerun und Saudi-Arabien. UNICEF geht davon aus, dass 53 % aller 5 bis 14jährigen Kinder des Landes schwere Arbeit verrichten müssen. Über diesen Terror spricht man nicht. Schließlich fördert der US-Konzern Exxon im Tschad jede Menge Öl. Und wo die USA Öl fördern und Frankreich einen Militärstützpunkt hat, da kann die weise Physikerin an der Spitze unseres Landes keine Fehler entdecken.
 
An der malischen Grenze liegt der Staat Niger. In ihm befindet sich auch ein Teil jenes Tuareg-Gebietes, das 1960 von den französischen Kolonialisten mal eben diversen neuen Staaten zugeteilt wurde. Die Tuareg, die seit langem versuchen, ihre alte Freiheit in einen neuen Staat zu überführen, stellen nicht unerhebliche Kontingente jener "Terroristen" von denen Frau Merkel spricht. Es gibt nach westlicher Lesart gute Rebellen (wenn sie wie in Libyen oder Syrien) Gegner des Westens bekämpfen, und es gibt böse Rebellen, wenn sie (wie in Mali oder Niger) versuchen, die Folgen der Kolonialzeit zu revidieren. Natürlich hat Frankreich auch in Niger einen Militärstützpunkt. In Niger schürft seit Jahrzehnten der französische Staatskonzern Areva Uran. In den Minenstädten Arlit und Akokan findet sich überall radioaktive Kontamination: In der Luft, im Wasser und in der Erde. Sagt Greenpeace. Damit nicht genug herrscht in weiten Teilen des Landes die Scharia. Mit Strafen wie Steinigungen, Amputationen und Auspeitschungen. Ist das nicht jener islamistische Terrorismus, der gerade den Aufständischen in Mali von Merkel & Co. vorgeworfen wird? Aber da der Staatspräsident des Landes, Mahamadou Issoufou, lange Jahre im Uranbergbau angestellt war, muss er einfach ein lupenreiner Demokrat sein.
 
Es gibt dann noch französische Militärstützpunkte in Mauretanien (Sklaverei und Folter sind dort an der Tagesordnung), im Senegal (laut Amnesty International gibt es dort massive Menschenrechtsverletzungen), in der Zentralafrikanischen Republik (von der EU angemahnte Ausschreitung des Militärs gegen die Zivilbevölkerung, angebliche Hexen werden gern gefoltert, Kinderarbeit ist üblich) und in Burkina Faso (in den Handel mit Blutdiamanten verwickelt und Stützpunkt für militärische Operationen gegen Liberia). In all diese kolonialen Hinterlassenschaften der Atommacht Frankreich will uns die europäische Staatenlenkerin Merkel augenscheinlich verwickeln. Man kann nur hoffen, dass die Dame an dieser neuen "Mission" selbst teilnimmt. Sorgsam von einem Stahlhelm behütet, versteht sich. (PK)

Diesen Beitrag von Uli Gellermann haben wir mit Dank von seinem Blog Rationalgalerie übernommen.


Online-Flyer Nr. 389  vom 17.01.2013



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