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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Protest gegen Kürzungen im Kölner Sozial- und Kultur-Haushalt
UmFAIRteilen statt kaputtkürzen!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Im Haushalt der Stadt Köln sollen jährlich 100 Mio. Euro gekürzt werden, auch dort, wo nichts mehr zu kürzen ist. Am 30. April 2013 steht die Verabschiedung des Haushalts für die Jahre 2013/14 auf der Tagesordnung des Stadtrats. Geplant sind verheerende Kürzungen im kulturellen und sozialen Bereich: Hausaufgabenhilfen, Bürgerzentren, Kinder- und Jugendtreffs, Sozialberatung, Elternarbeit, kulturelle Veranstaltungen, Sport, Angebote für ältere Menschen. Die Veranstaltung unter dem Motto „Jetzt schlägt's 13: UmFAIRteilen statt kaputtkürzen!“ am 16. März auf dem Kölner Neumarkt war ein Höhepunkt des Protests - eingebettet in eine ganze Reihe von Aktionen gegen die Demontage unserer Gesellschaft.


BAF-Vorstandsmitglied Konni Müller in der Alten Feuerwache – konfrontiert mit der Frage, ob man den sozialen Flächenbrand löschen oder alles, was das soziale Miteinander noch aufrecht erhält, niederreißen soll. Frage: Ist es sinnvoll eine Feuerwache einzureißen, wenn’s brennt?
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com


„Jetzt schlägt’s 13“ – für die Kölner Bürgerzentren – hier in der Alten Feuerwache


„Jetzt schlägt’s 13“ – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Eritrea-Gruppe in der Alten Feuerwache – konfrontiert mit der Frage, ob man den sozialen Flächenbrand löschen soll oder alles, was das soziale Miteinander noch aufrecht erhält, niederreißen soll. Mesfun: „Hätte es die Alte Feuerwache nicht gegeben, würden unsere Kinder heute nicht studieren können.“


BAF-Vorstandsmitglied Klaus Stein in der Alten Feuerwache – mit dem Aufruf zum Protest am 16. März auf dem Neumarkt. Er beklagt „ein Riesenumverteilungsprogramm von Arm zu Reich, einen gewaltigen neuen Schub der Aneignung fremder Arbeit, fremden Eigentums, fremden Kapitals.“


Im Marktgeschehen auf dem Sudermannplatz neben der Alten Feuerwache erklingt zu Beethovens Melodie von „Freude schöner Götterfunken“: „Soll die alte Feuerwache wirklich vor die Hunde geh'n? Sollen alle Bürgerzentren wirklich in die Röhre seh'n?“ (Text von Hansjörg Schall)


„Bürgerzentrum Stollwerck muss bleiben“ – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Im Marktgeschehen auf dem Sudermannplatz neben der Alten Feuerwache erklingt zu Beethovens Melodie von „Freude schöner Götterfunken“: „Wer die besten Kühe schlachtet und sie danach melken will. Spürt dann spätestens ganz sicher den sozialen Overkill“


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


BAF-Vorstandsmitglied Klaus Stein für das Bündnis „UmFAIRteilen statt kaputtkürzen“ – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt: „Es ist Zeit, gemeinsam und solidarisch gegen Armutsprogramme in ganz Europa aufzustehen.“


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Pappnasen Rotschwarz – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


„Statt Soziales Streichen, sparen wir uns die Reichen!“ – Pappnasen Rotschwarz – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Klaus der Geiger und die BRINGS – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt. Peter Brings: Unsere ersten Proben- und Auftrittsorte waren Kölner Bürgerzentren. Wir wären heute nicht da, wo wir sind…“


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Klaus der Geiger und die BRINGS – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt. Peter Brings: Unsere ersten Proben- und Auftrittsorte waren Kölner Bürgerzentren. Wir wären heute nicht da, wo wir sind…“


Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Klaus der Geiger – Protest am 16. März auf dem Kölner Neumarkt


Protestaktion am 19. März vor dem Kölner Rathaus


Protestaktion am 19. März vor dem Kölner Rathaus


Protestaktion am 19. März vor dem Kölner Rathaus


Gegen den sozialen und kulturellen Overkill

Am 8. März erschallt beim Wochenmarkt auf dem Sudermannplatz unmittelbar neben dem Bürgerzentrum Alte Feuerwache die „Ode für die Feuerwache“ zur Melodie von Beethovens „Freude, schöner Götterfunken“ – nach einem Text von Hansjörg Schall:

Soll die alte Feuerwache wirklich vor die Hunde geh'n
Sollen alle Bürgerzentren wirklich in die Röhre seh'n
Kinder, Teens, die brauchen Chancen, brauchen die Gelegenheit
Sich zu treffen und zu wachsen, dafür braucht es Geld und Zeit

Ruinöse Großprojekte haben Kölle lahm gelegt
Wurzeln werden ausgerissen und am eig'nen Ast gesägt
Wer die besten Kühe schlachtet und sie danach melken will
Spürt dann spätestens ganz sicher den sozialen Overkill

Den sozialen Flächenbrand verhindern

Und am 14. März unternehmen zahlreiche Prominente mit einem Bus eine Tour durch Kölns Bürgerzentren. In der Feuerwache stellt sich die Frage, ob eine Feuerwache abgerissen werden sollte, wenn es brennt – sollen die Angebote, die vielen Menschen – Alten, Kindern, Jugendlichen, Künstlern und sozialen Gruppen unterschiedlicher Herkunft und Zusammensetzung – in einer zunehmend schwierigen Lage schwindender Perspektiven einen wichtigen Halt geben und damit für den Erhalt einer solidarischen Stadtgemeinschaft unentbehrlich sind, vernichtet werden? Soll ein sozialer Flächenbrand entstehen? Soll die Gesellschaft kaputt gekürzt werden? Mit diesen Fragen müssen die Verantwortlichen konfrontiert werden.

Gegen das Riesenumverteilungsprogramm von Arm zu Reich

Am 16. März gibt es auf dem Kölner Neumarkt einen Mix von programmatischen Reden und kulturellen Beiträgen. Es treten u.a. auf: die Pappnasen Rotschwarz, die OccupySingers, Nick Nikitakis, Klaus der Geiger und die BRINGS. Und es sprechen u.a. Pfarrer Hans Mörtter, Tjark Sauer von ver.di, Özlem Demirel und das BAF-Vorstandsmitglied Klaus Stein für das Bündnis „UmFAIRteilen statt kaputtkürzen“. Hier ist seine Rede wiedergegeben:

Wir sagen Nein zum Kaputtkürzen! In dieser Stadt ist jedes vierte Kind arm. Aber die Stadtkämmerin Gabriele Klug plant den Wegfall der Einschulungshilfe. Das sind 160.000 Euro für I-Dötze, die das Geld für einen Schulranzen und die Erstausstattung mit Heften, Stiften, Turnzeug nicht haben – sowas kostet seine 200 Euro. Den Köln-Pass-Kindern will die Stadt auch das Mittagessen nicht mehr bezahlen. Sie geht davon aus, dass sie ihren Anspruch aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Frau von der Leyen geltend machen. Die Anträge dazu sind berüchtigt. Sie sind kompliziert. Deswegen werden sie nicht gestellt. Einsparvolumen: 700.000 Euro pro Jahr. Der Kölntag in den Museen (erster Donnerstag im Monat freier Eintritt für Kölnerinnen und Kölner) soll gestrichen werden. Auch der  freie Eintritt für Kinder und Jugendliche wird zurückgenommen. Davon erhofft sich die Stadt Mehreinnahmen. Die Hoffnung trügt. Die hohen Preise sind eine Hürde besonders für Kinder und Jugendliche. Sie bleiben weg. (360.000 Euro) Die Stadt verzichtet, wie es heißt, auf die Übermittagsbetreuung von Schulkindern. Dadurch soll eine weitere Million Euro erwirtschaftet werden. Begründung: die Kinder würden zunehmend in Ganztagsschulen unterrichtet. Fragt sich nur, warum die betroffenen Eltern protestieren. Die Stadt ist verpflichtet, zu den Unterkunftskosten von Erwerbslosen beizutragen. Vorgesehen ist aber die Einsparung von zwei Mio. Euro. Grund: Die Kämmerin will uns weismachen, dass infolge einer verbesserten Konjunkturerwartung eine schnelle Vermittlung in den Arbeitsmarkt zu erwarten sei.

Wer das nicht glaubt und sich empört, benötigt womöglich psychosoziale Beratung, aber auch die soll für Erwerbslose um 1,3 Millionen gekürzt werden. Die freien Träger der Wohlfahrtspflege müssen 1,2 Millionen Euro einsparen. Die Bürgerzentren und Bürgerhäuser sollen ihre Arbeit einschränken, Leute entlassen, die Ausgaben um 1,1 Mio kürzen. Es wird an die Schließung von Bocklemünd, Quäkerheim und Stollwerck gedacht. Interkulturelle Arbeit und solche mit Senioren: hier sind fast anderthalb Millionen rauszuquetschen. Es wird noch um 7 Millionen gestritten. So teuer wäre der jährliche Betrieb der U-Bahn zwischen Severinstraße und Rodenkirchen. Die Grünen sind dafür. Die SPD ist dagegen und will noch vier Jahre warten. Nachdem schon eine Milliarde Euro für die U-Bahn in die Kassen der Baukonzerne geflossen ist, erscheint die Inbetriebnahme nicht mehr so dringlich. Parkautomaten bringen der Stadt 15 Millionen Euro im Jahr. Nach ihrer Umrüstung kostet eine Stunde Parken 3 Euro, vorher zwei. Allein an Knöllchen will die Stadt 3,5 Millionen mehr einnehmen.

Freunde, die Liste ist lang. 102 Millionen Euro beträgt die Summe, die allein im Haushaltsjahr 2013 eingespart werden soll. Wer es nicht glaubt, kann es auf der Website der Stadtverwaltung selbst nachlesen. Sie sind stolz darauf. Aber wir lehnen diese Kürzungen ab! Deswegen sind wir heute hier und am kommenden Dienstagnachmittag vor dem Rathaus und protestieren. Und wir machen nach Ostern weiter! Noch im Januar wurden wir mittels Bürgerhaushalt aufgefordert, selbst Sparvorschläge zu machen, also den Kakao zu trinken, durch den man uns zieht.

Nun, in der Tat gibt und gab es im Kölner Haushalt auch überflüssige Ausgaben. Nur zwei Beispiele. Noch ist das Bürgerbegehren in Erinnerung, mit dem vor drei Jahren der Neubau von Oper und Schauspielhaus verhindert worden ist. Eine halbe Milliarde Euro hätte der Neubau gekostet. Der fällige Umbau wird immer noch die Hälfte kosten. Eine Viertelmilliarde. Über diese Sparmaßnahme indes war bei den Stadtoberen keine Dankbarkeit zu spüren.

Gerade ist der Prozess gegen vier Manager der Oppenheimbank verschoben worden. Die Anklage lautet auf Untreue. Die Bankiers hätten die Bank geschädigt. Beispielsweise wurden Millionen in die Renovierung einer Villa in Marienburg gesteckt. Hier wohnte die Mutter von Christopher Oppenheim dann zu einer außerordentlich günstigen Miete. Wohlgemerkt, die Staatsanwaltschaft klagt nicht gegen die Finanzlöcher, die dieselbe Bank in den Stadtsäckel gerissen hat. Der Oppenheim-Esch-Fonds hatte die Lanxess-Arena, das technische Rathaus in Deutz und die Messehallen vorfinanziert und sie der Stadt zu überhöhten Mieten überlassen. Mit dem Trick wurde Köln um einige hundert Millionen Euro ärmer und der Oppenheim-Esch-Fonds reich. Was lehrt uns das: Nicht derartige Public-Private-Partnership-Geschäfte zum Schaden der Stadt sind strafbar, sondern Mietnachlässe für die Oppenheim-Mutter zum Schaden der Bank. Aber das selbstverständlich erst, nachdem Oppenheim von der Deutschen Bank übernommen worden ist.

Nicht nur die Stadt Köln soll sparen. Alle Gemeinden in NRW haben Schulden. Viele von ihnen werden von einem Sparkommissar beaufsichtigt. Bei einem Etat von 3,8 Mrd. steht Köln mit 2,7 Mrd. an Krediten noch vergleichsweise gut da. Die Zinsen betragen jährlich 132 Mio. Euro. Die Kölner Kämmerin beruhigt die Gläubigerbanken und versichert, dass die Kapitalmarktschulden der Stadt Köln konstant bleiben werden. Sie plant, ständig neu an Krediten aufzunehmen, was sie an alten Krediten abzahlt. Schulden sind für die Kämmerin kein Problem. Aber die Banken hätten eins, wenn es den Kommunalkredit nicht gäbe. Denn sie leben von unseren Zinsen. Kredite werden erst zum Problem, wenn sie angesichts der Krise nicht mehr bedient werden können und die Banken gefährden, wie im Herbst 2008.

Damals wurde im Zuge der Finanzkrise das Finanzmarktstabilisierungsgesetz beschlossen, bekannt als Bankenrettungsschirm. Ein Jahr darauf kam die Schuldenbremse ins Grundgesetz, verschärft durch den europäischen Fiskalpakt vom vergangenen Sommer. Seitdem ist der Druck gewachsen. Bund und Länder verlagern die Defizite und wälzen die Kürzungszwänge auf die Kommunen ab. Mit den kommunalen Kürzungsprogrammen kommen wir für die Bankenrettungsschirme auf. Es handelt sich mittlerweile um Beträge von Hunderten von Milliarden. Ein Riesenumverteilungsprogramm von Arm zu Reich, ein gewaltiger neuer Schub der Aneignung fremder Arbeit, fremden Eigentums, fremden Kapitals.

Vorgestern haben 15 000 Menschen in Brüssel gegen die Sparpolitik demonstriert. Sie zeigten, dass wir es nicht nur mit einem Kölner Problem zu tun haben. Es ist ein europäisches. Wir müssen griechische, spanische, portugiesische Zustände verhindern. Es ist Zeit, gemeinsam und solidarisch gegen Armutsprogramme in ganz Europa aufzustehen. Nicht sparen bei den Armen, sondern Streichen bei den Reichen! UmFAIRteilen statt Kaputtkürzen! (PK)

Online-Flyer Nr. 398  vom 20.03.2013



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