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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Verpasste Gelegenheiten auf der Palästinakonferenz
Von Evelyn Hecht-Galinski
Ich möchte noch einmal kurz auf die zweite Palästina Solidaritätskonferenz in Stuttgart vom 10. bis 12. Mai eingehen. Eigentlich wurde das Meiste in dem Artikel und der Fotoreportage "Räuber, Beraubte und Raubgut" von Anneliese Fickentscher und Andreas Neumann von der Arbeiterfotografie in der letzten NRhZ schon ausgezeichnet geschildert. Danke nochmals für ihr Kommen nach Stuttgart!
In dieser NRhZ-Ausgabe steht auch ein Artikel von Prof. Joseph Massad, der an der Columbia Universität in New York unterrichtet und diesen Artikel als Vortrag auch auf der Konferenz hielt. Ich möchte Ken Jebsen und seinem Übersetzer für die schnelle und gute Übersetzung danken und den Artikel "Die letzten der Semiten" allen NRhZ-LeserInnen besonders ans Herz legen, zeigt er doch die Gemeinsamkeiten von Zionisten und Antisemiten auf. Nicht umsonst hat ihn Al Jazeera aus Zensurgründen - wahrscheinlich auf Druck der zionistischen Freunde - von der Seite genommen.
(1) "Hetz-Journalismus gegen den jüdischen Jazzmusiker Gilad Atzmon - Schein-Blüten"
Online-Flyer Nr. 407 vom 22.05.2013
Kommentar vom Hochblauen
Verpasste Gelegenheiten auf der Palästinakonferenz
Von Evelyn Hecht-Galinski
Ich möchte noch einmal kurz auf die zweite Palästina Solidaritätskonferenz in Stuttgart vom 10. bis 12. Mai eingehen. Eigentlich wurde das Meiste in dem Artikel und der Fotoreportage "Räuber, Beraubte und Raubgut" von Anneliese Fickentscher und Andreas Neumann von der Arbeiterfotografie in der letzten NRhZ schon ausgezeichnet geschildert. Danke nochmals für ihr Kommen nach Stuttgart!
In dieser NRhZ-Ausgabe steht auch ein Artikel von Prof. Joseph Massad, der an der Columbia Universität in New York unterrichtet und diesen Artikel als Vortrag auch auf der Konferenz hielt. Ich möchte Ken Jebsen und seinem Übersetzer für die schnelle und gute Übersetzung danken und den Artikel "Die letzten der Semiten" allen NRhZ-LeserInnen besonders ans Herz legen, zeigt er doch die Gemeinsamkeiten von Zionisten und Antisemiten auf. Nicht umsonst hat ihn Al Jazeera aus Zensurgründen - wahrscheinlich auf Druck der zionistischen Freunde - von der Seite genommen.
Apropos Zensur. Leider wurde mir nicht gestattet Gilad Atzmon zu erwähnen. Schon im Vorfeld der Konferenz verweigerte das Palästina-Komitee Stuttgart, meinen Artikel "Schein-Blüten"(1) über Diffamierungen gegen Gilad Atzmon auf seiner Seite abzudrucken. In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrücklich bei Peter Kleinert, dem "Macher" der NRhZ und geschätzten Kollegen bedanken, dem jegliche Zensur fremd ist. Auch deshalb ist die NRhZ so vielfältig und informativ auf allen Gebieten, möge sie noch lange erhalten bleiben.
Ach ja, apropos Freidenker, Klaus Hartmann Vorsitzender des Freidenker Verein, verteilte auf der Konferenz ein sehr interessantes Syrien Flugblatt, das konnte glücklicherweise von den Organisatoren nicht verhindert werden. Außer einigen wichtigen Anmerkungen zum Syrien Konflikt, enthielt es den Artikel von Gilad Atzmon "In Bed with Bibi". Auch ich hatte in meinem Grußwort schon meine den Syrien-Konflikt betreffenden Dissonanzen mit Ilan Pappe angesprochen.
Eine verpasste Chance auf der Konferenz war in meinen Augen der fehlende Hinweis auf die Palästinenser in Syrien, diese Frage um die Zukunft, nach einem Sturz von Assad, blieb völlig ausgeklammert. Man kann doch die Bedrohung Syriens durch ausländische Intervention nicht von der Bedrohung, der die Palästinenser ausgesetzt sind, trennen. Was wird mit den syrischen Palästinensern geschehen? Haben wir nicht schon genug Flüchtlingselend in den Palästinenserlagern? Ist der sogenannte Arabische Frühling nicht an den Palästinensern völlig vorüber gegangen? Nein im Gegenteil. Ist nicht durch dieses sogenannte "Frühlingserwachen" eine Ablenkung vom Palästina-Problem gelungen - ganz im Sinne von Israel? War nicht auch der palästinensische Botschafter, ein Mann, der die Palästinenser-Behörde ohne Mandat vertritt, der einzige, der noch von der "Zwei-Staaten-Lösung" sprach? Ilan Pappe hatte in seinem Vortrag so schön gesagt, diese sogenannte Zweistaatenlösung ist ein rein zionistisches Produkt, während der Botschafter in eindringlicher Weise zeigte, wie die Behörde denkt.
Aber es gibt auch Fatah-Stimmen, die hoffen lassen. Da gab es eine Initiative von Fatah- Führern, die endlich auf die Ausweglosigkeit der Situation hinweisen, in die sich die PA mit ihrer kooperativen Verhaltensweise gegenüber dem "Jüdischen Staat" gebracht hat. Sie fordern einen demokratischen Staat für alle seine Bürger, inklusive des legitimen Rückkehrrechts der Palästinenser in diesen Staat "From River to the Sea". Das lässt hoffen, dass sich auch dort etwas bewegt, entgegen den offiziellen palästinensischen Vertretern, die - um nicht von ihren "Trögen" verjagt zu werden - in sogenannte Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen eintreten. Das gilt allerdings nur für die Palästinenser, da ja Israel die Vorbedingungen längst in seinem Sinn geschaffen hat und schafft. Ich frage mich, wie lange sich das palästinensische Volk noch von diesen "Vertretern" für dumm verkaufen lässt.
Auch Al Jazeeras Star-Moderator Mhamed Krichen machte keine gute Figur, als er tatsächlich die schreckliche Gleichsetzung zwischen den in syrischen politischen Gefangenen und den von Israel in "Gewahrsam" gehaltenen palästinensischen Gefangenen vollzog. Das war der empörende Höhepunkt, der aber zu massiven Protesten führte, weil sich Al Jazeera und dessen Moderator von seiner "moderaten" Seite gegenüber den israelischen "Freunden" zeigte.
Hermann Dierkes, der seinen um über 20 Minuten überzogenen Auftritt mit dem Satz begann, er spreche nicht für DIE LINKE, sondern als Einzelperson, sprach meiner Meinung nach mehr über Israel und dessen Interessen, als über Palästina. Auch konnte er es sich nicht verkneifen, vom Bi-Nationalen Staat zu sprechen, quasi einer Zweistaatenlösung "light". Schade!
Ein älterer christlich geprägter Herr wollte seinen Flüchtlingsstatus nach Kriegsende 1945 und den Verzicht auf die verlorenen deutschen Gebiete mit den Palästinensern und deren legitimen Rechten vergleichen. Diese sollten doch auch für den Frieden auf ihr Rückkehrrecht verzichten. Da platze mir der Kragen und ich konterte: Haben die Palästinenser den Holocaust und dessen Folgen zu verantworten? Nein, sind sie doch bis auf den heutigen Tag auch Leidtragende dieses schrecklichen Krieges. Auf was sollen sie, die Palästinenser eigentlich noch verzichten?
Auch möchte ich ausdrücklich betonen, dass meine Unterstützung des BDS-Gedankens, also des Boykotts gegen Israel, solange dieser Staat weiter völkerrechtswidrig die Besiedlung, sowie die Unterdrückung der Palästinenser und der ihnen zustehenden Rechte betreibt, nicht die BDS-Bewegung einschließt, wenn diese auf Druck von wem auch immer (Sponsoren?) klammheimlich die Statuten geändert und heute nicht mehr vom Jahr 1948 und der Nakba ausgeht, sondern diese auf 1967 verschoben hat. Dem stimme ich nicht zu!
Haben nicht alle Juden in der Welt das "Rückkehrrecht" nach Eretz Israel, ihrem "von Gott versprochen Land"? Ein furchtbares Recht, dass den vertriebenen Ureinwohnern die Rückkehr verweigert, aber diese den Eindringlingen gestattet? Dazu passt, das der jüdische Milliardär und Kasino-Magnat Sheldon Adelson die sogenannte Birthright-Taglit (Entdeckung) -Aktion, die junge Juden aus aller Welt in den jüdischen Staat schleust, um deren Bindungen an den Staat und das Judentum zu fördern, mit dem Endziel der "Alija", also der Einwanderung nach Israel. Er unterstützte diese Kampagne schon mit 180 Millionen Dollar (steuerlich absetzbar!). Seit dem Jahr 2000 kamen schon über 220.000 US-Juden mit dieser Organisation nach Israel. Aus aller Welt kamen schon mehr als 340.000 "Taglit"-Juden ins gelobte Land, aus Deutschland bisher 3.800, auf diesen kostenlosen, von der Hasbara gesponserten "Schnupper-Urlaub" ins (Schein)Heilige Land.
Hier haben wir wieder eine gefährlich Allianz von Judentum, Jüdischer Identität und Jüdischem Staat. Ob das wohl das Zusammenleben dieser Juden in ihren Heimatländern fördert, oder sie gesteuert zu "Anderen" machen will. Sieht man doch die gefährliche Situation, die durch die israelische Politik der Forderung nach Anerkennung als "jüdischer Staat" erreicht werden soll, die schließlich mit der unsäglichen Verquickung von Antisemitismus gegen Juden und Israel-Kritik, also jetzt gegen den "jüdischen Staat", also per se als antisemitisch bezeichnet wird. Letztendlich sollen wir (Antizionisten) damit alle zu Antisemiten gemacht werden! Perfide ausgedacht und leider auch bei den Politikern und Unaufgeklärten sehr wirkungsvoll. Alles mit dem Ziel der Auswanderung in den "jüdischen Staat", ganz im Sinne des zionistischen Projektes! Ist das nicht purer Antisemitismus, wenn das Ziel der Zionisten, die Auswanderung aller Juden in der Welt in den "jüdischen Staat" bedeutet? Können wir das wollen? Nein! Diese Absicht müssen wir vereiteln! Denn dass würde bedeuten, das u.a. auch Deutschland "judenrein" würde. Was wird dann aus all den schönen jüdischen Zentren und Synagogen, die in der ganzen Bundesrepublik so zahlreich neu gebaut wurden? Sie würden alle zu jüdischen Museen verkommen!
War Außenminister Westerwelle nicht gerade bei seinen "bedrohten " Freunden in Israel, denen er natürlich versicherte, fest an ihrer Seite zu stehen, gerade in der jetzigen Situation. Da haben wir es wieder, das arme kleine Israel, das nur bedroht und angreift, um die Sicherheit für sich und seine (jüdischen) Bürger zu garantieren. Geht es Israel und seinen US-und anderen Verbündeten nicht in Wirklichkeit nur um andere Interessen? Der Palästina- Konflikt ist kein Thema mehr und wird so zu einem schönen Nebenprodukt. Alle "Feinde" können eben auf einmal angegriffen oder weggeputzt werden. Auch ließ Westerwelle es sich nicht nehmen, einen Fototermin mit seinem ehemaligen Kollegen und Kumpel, Avigdor Lieberman, wahrzunehmen, der schon in den Startlöchern sitzt, um nach seinen Prozessen wieder Außenminister zu werden.
Das passt sehr gut zu seinem ehemaligen Chef Netanjahu, der sich eben mal für den Flug nach London zur Beisetzung der großen verstorbenen Israel-Freundin Margaret Thatcher, ein Doppelbett für sich und Sara für um die 100.000 Euro in eine El Al Maschine einbauen ließ. Außerdem lässt er sich seine Villa am Meer mit 68.000 Euro für laufende Kosten vom israelischen Steuerzahler bezahlen. Noch ein Gedanke zu Westerwelle und seinem Ehemann: ich frage mich wer Justus Frantz, dem deutschen Dirigenten, den Posten in Israel bei der Ber Sheva Sinfonetta verschafft hat? Es geht doch nichts über heiße Drähte und warme freundschaftliche Verbindungen. (PK)
(1) "Hetz-Journalismus gegen den jüdischen Jazzmusiker Gilad Atzmon - Schein-Blüten"
NRhZ-Ausgabe Nr. 402 vom 17.04.2013,
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18951
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18951
Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin, Autorin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Mann Benjamin Hecht lebt.
2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro.
Online-Flyer Nr. 407 vom 22.05.2013