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Friedrich Engels Vater, ein christlicher Unternehmer in Engelskirchen
Lesung aus seinen Briefen von 1837 bis 1857
Von Karl Feldkamp
Der evangelisch-christlich überzeugte Unternehmer Friedrich Engels - Vater des legendären Friedrich Engels, der mit Karl Marx den Marxismus begründete - baute ab 1837 in Engelskirchen eine Baumwollspinnerei auf. Drei Mitglieder der Künstlerinitiative ENGELSART - Harry Cremer, Karl Feldkamp, Hans-Otto Müller, begleitet vom Musikkabarettisten Nico Walser - lasen am 14. Juni im Ratssaal der Gemeinde Engelskirchen am Engels-Platz 4, einem der erhaltenen Gebäude der Spinnerei aus Briefen, die der Unternehmer damals an seine Frau Elise und an seinen Kompagnon Peter Albert Ermen geschrieben hatte.
Online-Flyer Nr. 412 vom 26.06.2013
Friedrich Engels Vater, ein christlicher Unternehmer in Engelskirchen
Lesung aus seinen Briefen von 1837 bis 1857
Von Karl Feldkamp
Der evangelisch-christlich überzeugte Unternehmer Friedrich Engels - Vater des legendären Friedrich Engels, der mit Karl Marx den Marxismus begründete - baute ab 1837 in Engelskirchen eine Baumwollspinnerei auf. Drei Mitglieder der Künstlerinitiative ENGELSART - Harry Cremer, Karl Feldkamp, Hans-Otto Müller, begleitet vom Musikkabarettisten Nico Walser - lasen am 14. Juni im Ratssaal der Gemeinde Engelskirchen am Engels-Platz 4, einem der erhaltenen Gebäude der Spinnerei aus Briefen, die der Unternehmer damals an seine Frau Elise und an seinen Kompagnon Peter Albert Ermen geschrieben hatte.
Engelslesung: (von links) Hans-Otto Müller, Nico Walser, Karl Feldkamp, Harry Cremer
Fotos: Elke Erben
Dabei ging es nicht zuletzt auch um jene Sorgen, die sich der Vater um seinen Sohn und dessen revolutionäre Gedanken machte. Die Briefe geben einen erkenntnisreichen Einblick in die Geschichte des Aufbaus der zunächst durch Wasserkraft betriebenen Baumwollspinnerei. Sie schildern das christlich geprägte unternehmerische Denken jener Jahre, das Leben der Unternehmerfamilie, aber auch die sozialen Bedingungen, unter denen Arbeiter und Landbevölkerung leben mussten. Die musikalisch unter anderem mit Arbeiterliedern von Nico Walser begleitete Lesung fand am Abend des 14. Juni im Ratssaal der Gemeinde Engelskirchen statt. Der Eintritt war frei.
Auch 1837 verstanden es Unternehmer bereits, Standortvorteile für sich zu nutzen. Das ging aus den Briefen des Fabrikanten Friedrich Engels im jetzigen Ratssaal der Gemeinde Engelskirchen hervor. Während er den Aufbau seiner Fabrik in Engelskirchen überwachte sowie von diversen Geschäftsreisen, sandte Engels, sen. diese Briefe vor allem an seine Frau Elise nach Wuppertal-Barmen. Der Unternehmer zahlte den Arbeitern an seinem Stammsitz in Wuppertal-Barmen Löhne, die er den unter Armut leidenden Engelskirchenern nach dem Aufbau seiner dortigen Baumwollspinnerei nicht zu zahlen brauchte. Sie würden sich mit der Hälfte zufriedengeben. Und den zahlreichen Kindern, die in seiner Fabrik an der Agger arbeiten würden, konnte er noch weniger zahlen.
Riesig war der Bedarf an neuen Erwerbsmöglichkeiten für die zum Teil hungernden Bewohner in und um Engelskirchen. Als der Unternehmer in dem damaligen Dorf eintraf, um dort den Standort für einen Spinnereibetrieb zu erkunden, wollten die dortigen Einwohner ihm aus lauter Dankbarkeit und Freude die Pferde ausspannen, um seine Kutsche eigenhändig zu ziehen. Das jedenfalls berichtete 1837 der zuständige Lindlarer Bürgermeister dem königlichen Landrat in Wipperfürth.
Aber es gab weitere Standortvorteile: Die Agger führte ausreichend Wasser, um dessen Kraft direkt und später über erzeugte Elektrizität kostengünstig zu nutzen. Die Preise für das Land, auf dem Engels die Baumwollspinnerei errichten wollte, waren mehr als günstig. Und ausreichende Tonfunde ermöglichten die Herstellung von Ziegelsteinen für den Bau der neuen Fabrik.
Auch der siebzehnjährige Sohn Friedrich, der den Vater auf Geschäftsreisen begleitete, ergänzte damals zwei Briefe an die Mutter mit Zeilen, die keineswegs revolutionär klangen. Doch der Vater äußerte in einem Brief an seinen Schwager und Vertrauten, den Oberhofprediger Snetlage, trotzdem durchaus erste ernsthafte Sorgen über das gefährliche, aber von ihm nicht näher beschriebene Gedankengut seines Sohnes.
In manchem Brief ging es auch nur um zu große Unterhosen, um Mangel an gutem Wein und um die Seekrankheit, die Vater und Sohn bei Schiffspassagen ertragen mussten. Der letzte Brief der Lesung, den der Unternehmer 1857 kurz vor dem Umzug der Familie in die Engelskirchener Fabrikantenvilla an Elise schickte, schilderte, welches komfortable Nest er mit der Villa seiner Frau, den Kindern und sich selbst geschaffen hatte.
Musikkabarettist Nico Walser (links) und Moderator Karl Feldkamp
Musikkabarettist Nico Walser lockerte das Lesespektakel mit Arbeiterliedern auf. Mit Gitarre und Ukulele spiele er Improvisationen zur Internationale und ließ sie auch Country Music, Rock und Hawaiianischen Klängen erklingen. Moderator Karl Feldkamp, ebenfalls ENGELSART, steuerte zu den historischen Briefen zeitgleiche Ereignisse aus der übrigen damaligen Welt bei. Neben dem Krimkrieg verwies er auf amerikanische Wirtschaftskrisen, Sissis Hochzeit, den Kampf deutscher Arbeitervereine sowie auf die Erfindung der Münchner Weißwurscht.
Auch heute haben die Engelskirchener berechtigte Sorgen um ihren Standort. Diesmal um ihren kulturellen. Der Erhalt „ihres“ Industriemuseums, das in der Nachbarschaft des Gemeinderathauses vom Landschaftsverband Rheinland betrieben wird, scheint gefährdet zu sein. In ihm werden vor allem Gebäude und Technik der einstigen Baumwollspinnerei Ermen & Engels ausgestellt. Aber es präsentiert auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der einstigen Beschäftigten sowie Einblicke in das Leben der Unternehmer-Familie. Der Landschaftsverband hingegen setzt seit dem Frühjahr 2013 eher auf Wechselausstellungen, die sich nur bedingt mit der Geschichte des Industriestandorts auseinandersetzen.
EngelsArt sieht in der Geschichte der Familie Engels und in den sozialen Bedingungen, unter denen ihre Beschäftigten einst leben und arbeiten mussten, einen unverzichtbaren Bestandteil der Geschichte ihrer Heimat-Gemeinde. Der sollte, da sind sich nicht nur die Mitglieder der Initiative einig, dem Museum unbedingt erhalten bleiben.
Umso erfreulicher war es für die Veranstalter, über 120 Zuhörer – und damit erheblich mehr als erwartet – begrüßen und von ihrem Anliegen überzeugen zu können. Konzentriert verfolgten diese die zweistündige Lesung und sparten am Ende nicht mit begeistertem Applaus. (PK)
Online-Flyer Nr. 412 vom 26.06.2013