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Lokales
Autonomes Zentrum: Offener Brief an Kölns OB und die Ratsmitglieder
„Kultur braucht Freiräume“
Aus der Hochschule für Musik und Tanz Köln

Lehrende und Studierende der Hochschule für Musik und Tanz Köln haben uns heute einen Offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Köln und die Mitglieder des Rats der Stadt Köln geschickt, in dem sie gegen die Absicht der Stadt zur Zerstörung des Autonomen Zentrums (AZ) protestieren. Da wir außer in dieser NRhZ-Ausgabe dazu schon mehrfach kritisch berichtet haben, stellen wir den Brief aktuell in diese Ausgabe. - Die Redaktion (1)
 
Die ehemalige KHD-Kantine in der Wiersbergstr. 44 in Köln Kalk beheimatet seit über drei Jahren das Autonome Zentrum. Dieses Gebäude, das nunmehr der Stadt Köln gehört, ist aus unserer Sicht einer der kulturell wertvollsten Freiräume der Stadt Köln. Vor allem junge Nachwuchskünstler_innen haben hier die Möglichkeit, sich in einem nichtkommerziellen und selbstorgansierten Rahmen zu erproben und Ideen für die Musik, die Kunst und das Theater von morgen zu entwickeln.
 
Die Unabhängigkeit, Selbstorganisation und Eigenverantwortlichkeit, welche für die Entwicklung und die Entfaltung von kreativem Potential unerläßlich sind, bietet das AZ wie kein anderer Ort der Stadt.
 
Wir möchten den Verantwortlichen der Stadt Köln die Einmaligkeit und den hohen kulturellen Wert dieses Freiraumes deutlich machen. Wir als Musik-, Kultur- und Kunstschaffende sind auf solche Räume angewiesen.
 
Leider hat die Stadt Köln den bestehenden Nutzungsvertrag ohne Sachzwang zum 30. Juni 2013 gekündigt. Der Abriß des Gebäudes zugunsten eines Grünstreifens scheint beschlossen. Das Autonome Zentrum Köln ist massiv von der gewaltsamen Räumung bedroht. Gerade in Hinsicht auf das dortige kulturelle Leben erfüllt uns dies mit großem Unverständnis.
 
Aus unserer Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur wissen wir, daß es keine kreativen Handlungen gibt, die nicht die Freiheit zum Ausdruck haben. An den Stellen, wo Menschen ihre Formen des Ausdrucks nicht selbst bestimmen können, verarmt deren Gehalt. Echte Ideen entstehen, wo ihre Bedingungen frei gewählt und selbst gestaltet werden können.
Einen kulturellen und gesellschaftlichen Zustand kann man nicht verordnen. Stattdessen ergibt er sich aus überpersönlichen Entscheidungsprozessen interessierter und engagierter Menschen. Ein autonomes Zentrum bietet die Möglichkeit zur kulturellen Betätigung in einem konsensbasierten, demokratischen Entscheidungsraum.
 
Diese Form der Selbstorganisation bietet ein kraftvolles Potential für bisher Unerhörtes, was möglicherweise irgendwann einmal allen dient. Die Gegebenheiten des Autonomen Zentrums sind aus ihrem demokratischen und selbstorganisierten Wesen heraus essentielle Voraussetzungen für die der Kunst obliegenden Suche nach Wahrheit und der Findung neuer Antworten auf drängende gesellschaftliche Fragen.
 
Mit Besorgnis beobachten wir daher, daß der Rat der Stadt Köln den hier stattfindenden Ausdruck einer echten Jugend- und Stadtkultur in ihrem künstlerischen und gesellschaftlichen Gehalt verkennt und nicht honoriert. Wir sind erstaunt, daß ohne Not ein Ort dem Erdboden gleich gemacht werden soll, an welchem ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel kreative Prozesse initiiert und ermöglicht werden.
 
Wir hoffen, daß der Grund dieses Handelns nicht schlicht die Angst vor Neuem ist. Für die Figur Settembrini aus dem Roman „Der Zauberberg“ von Thomas Mann ist die Musik „politisch verdächtig“. In diesem Bild wird die ganze Magie des Neuen mit seinen Abweichungen von der Norm aufgezeigt, inklusive einer echten Freiheit, die auch Unbehagen erzeugen kann, weil sie sich manchmal der Kontrolle entzieht.
 
Kunst ist schön und macht viel Arbeit, doch zumeist sind wir froh über unsere Möglichkeiten, uns künstlerisch auszudrücken. Der Selbst-Ausdruck ist eines der grundlegenden, aber nicht materiellen Bedürfnisse des Menschen. Manchmal ist es nur der Wille, sich auszudrücken ohne hierbei ein verwertbares und fertiges Kulturprodukt im Sinn zu haben. Es muß der Kunst unbedingt gestattet sein, sich auszuprobieren. Ergebnisse im handfesten Sinne entstehen manchmal unbemerkt, sicherlich häufig aber ungeplant. Hierfür braucht es Orte.
 
Die mutwillige Zerstörung eines solchen Ortes unter Verkennung seines kulturellen Wertes mit den Mitteln der Verwaltung ist aus unserer Sicht den demokratischen Ansprüchen dieser Zivilgesellschaft unwürdig.
 
Wenn wir spüren, was zu allen Zeiten durch die Musikgeschichte hindurch denkbar gewesen zu sein scheint, ist es für uns unerträglich zu hören, daß manche Systeme und Beschlüsse angeblich "alternativlos" seien.
 
Wir wollen in einer Stadt leben, in der es ein autonomes Zentrum gibt. Deshalb fordern wir den Rat der Stadt Köln auf, die Räumung entschlossen abzuwenden und in einen demokratischen Diskurs mit den Verantwortlichen des AZ einzutreten.
 
Die Anwendung von polizeilicher Gewalt gegen jene, die diesen demokratischen Diskurs suchen, ist kein statthaftes Mittel der Auseinandersetzung mit den Forderungen und Anliegen einer zivilen Gesellschaft.
 
Lehrende:
Prof. Dr. Michael Rappe, Prof. Dr. Annette Kreutziger-Herr, Prof. Ursula Schmidt-Laukamp, Prof. Dieter Manderscheid
 
Studierende:
Dorothee Neumann (Studierendenparlament), Joon Laukamp, Frank Beiler (Promotionsstudent), Jan-Nicolai Kolorz (Promotionsstudent), Wolfgang Ruland, Robbert Vermeulen, Yannick Noval, Felix Cornelius, Philipp Lack, Samuel Dobernecker, Christian Vierling, Adrian Oberländer, Daniel Geßner, Leonhard Spies, Sascha Frick, Tobias Juchem, Juliane Heil (Studierendenparlament), Anna Naue, Maximilian Stössel, Lea Böscher, Moritz Baerens, Mike Hackbarth, Lukas Föhrenbacher, Emi Noda, Max Mille, Veronika Skala, Jenny Lerose, Maximilian Krummen, Konstantin Pfalz, Hildegard Windfelder, Cosima Logiewa, Misa Vidakovic, Anika Mittendorf, Miriam Zeh, Katharina Schmitt, David Quaas, Robert Brustmeier, Alexandra Kockelmann, Nicolas Berge, Christoph Stöber (PK)
 
(1)
Online-Flyer Nr. 414  vom 10.07.2013
Wie das Problem Kölner Autonomes Zentrum doch noch zu lösen wäre
AZ vor Heuchel-Mord?
Von Franco Clemens


Online-Flyer Nr. 411  vom 20.06.2013
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