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Aktueller Online-Flyer vom 13. März 2025  

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Inland
Duisburger Schüler im Steinbart-Gymnasium mit brauner Propaganda beschenkt
Nazi-Dreck gegen Harro Schulze-Boysen
Von Günter Ackermann

Duisburg ist eine Arbeiterstadt, eine Stadt mit einer sehr hohen Anzahl von Arbeitslosen. Die letzte Kohlenzeche, die Zeche Walsum, ist stillgelegt, die Stahlindustrie rationalisierte in den letzten Jahrzehnten auf Teufel komm raus und beschäftigt nur noch einen Bruchteil von Arbeitern, wie noch vor 25 Jahren und steckt derzeit auch noch in einer Krise. Duisburg ist auch eine Stadt mit langer Tradition der Arbeiterbewegung und damit auch der Tradition des antifaschistischen Kampfes während der Herrschaft des Faschismus.
 

Harro Schulze-Boysen
Quelle: wikipedia
Zwei Helden des Widerstands aus Duisburg ragen besonders hervor: Mathias Thesen, Bergmann, Gewerkschafter, Kommunist, Reichstagsabgeordneter der KPD und Vorsitzender der KPD im hiesigen Raum und Harro Schulze-Boysen. Aus bürgerlich-patriotischen Kreisen kommend, fand dieser im Widerstand gegen Hitler den Weg zur nachhaltigen Behinderung der faschistischen Kriegsmaschine. Ich will mich hier auf Harro Schulze-Boysen beschränken.
 
Er war der Sohn des Marineoffiziers und Direktors des Maschinenbaukonzerns DEMAG Erich Edgar Schulze. Im Gegensatz zum Generaldirektor Wolfgang Reuter, ließ sich Schulze nicht mit den Nazis ein. Harro Schulze-Boysen wuchs in Duisburg auf und besuchte das dortige Steinbart-Gymnasium. Er gehörte zunächst einer national-konservativen Überzeugung an, erkannte aber, dass die Nazis Deutschland und dem deutschen Volk nur Schaden zufügen können. Schulze-Boysen kam zur Überzeugung, dass die sozialistische Gesellschaftsordnung, wie sie in der Sowjetunion herrschte, die Alternative zum westlichen Kapitalismus sei. Er gab vor 1933 sogar eine Zeitschrift heraus und wurde im April 1933 von der SA verhaftet und schwer misshandelt.
 
Im antifaschistischen Widerstand
 
Ab 1934 arbeitete der ausgebildete Pilot Schulze-Boysen im Reichsluftfahrtministerium von Hermann Göring. Schon ab 1933 sammelte er um sich Antifaschisten zum Widerstand gegen die Nazis. Der wichtigste war der Ökonom Arvid Harnack, der ältere Bruder des Drehbuchautors Falck Harnack [1] und Cousin des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Auch sie waren im Widerstand gegen die Faschisten.
 
Die Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe leistete vielfältige Widerstandsaktionen: Hilfen für Verfolgte, Verbreiten von Flugblättern und Klebezetteln mit antifaschistischen Inhalten, Sammeln und Weitergeben von Informationen, auch an Auslandsvertreter, über deutsche Kriegsvorbereitungen, Verbrechen der faschistischen Wehrmacht und Nazi-Verbrechen (so an die Botschaften der UdSSR und der USA), Kontakte zu anderen antifaschistischen Kreisen und ausländischen Zwangsarbeitern, Aufrufen zu Gehorsamsverweigerung, Entwürfe für die Nachkriegsordnung.
 
So half die Gruppe nach der Reichspogromnacht 1938 verfolgten Juden, besorgte ihnen falsche Papiere, brachte sie in Verstecken unter oder verhalf ihnen zur Flucht ins Ausland. Harro Schulze-Boysen verfasste im Februar 1942 ein Flugblatt, in dem er schrieb: „Das Gewissen aller wahren Patrioten aber bäumt sich auf gegen die ganze derzeitige Form deutscher Machtausübung in Europa. Alle, die sich den Sinn für echte Werte bewahrten, sehen schaudernd, wie der deutsche Name im Zeichen des Hakenkreuzes immer mehr in Verruf gerät. In allen Ländern werden heute täglich Hunderte, oft Tausende von Menschen standrechtlich und willkürlich erschossen oder gehenkt, Menschen, denen man nichts anderes vorzuwerfen hat, als daß sie ihrem Land die Treue halten… Im Namen des Reiches werden die scheußlichsten Quälereien und Grausamkeiten an Zivilpersonen und Gefangenen begangen. Noch nie in der Geschichte ist ein Mann so gehasst worden wie Adolf Hitler. Der Hass der gequälten Menschheit belastet das ganze deutsche Volk.“
 
Er rief in diesem Flugblatt zur Gehorsamsverweigerung auf. Schulze-Boysen sah als einzige Alternative ein sozialistisches Deutschland, dass an der Seite der anderen Völker und der Sowjetunion einer friedlichen Zukunft entgegen gehe.
 
Die Widerstandsgruppe flog durch Verrat auf. Leiter der Verfolger bei der Gestapo war der SS-Oberführer (entsprach dem Dienstgrad eines Generals) Friedrich Panzinger. Später wurde er Chef des Amtes V beim Reichssicherheitshauptamt und nach dem Krieg Regierungsrat zur Wiederverwendung und Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes unter Reinhard Gehlen. [2]
 
Als dann die Staatsanwaltschaft gegen Panzinger wegen eines Mordes an einem französischen General ermittelte, entzog dieser sich 1959 durch Selbstmord der Verantwortung. Ein anderer Verfolger von der Gestapo war der SS-Führer und Kriminalrat Horst Kopkow. Letzterer trat nach 1945 in die Dienste des britischen Geheimdienstes MI6. Horst Kopkow wurde von seinen Beschützern für tot erklärt, mit falschen Papieren unter dem Namen Peter Cordes ausgestattet und kehrte zu seiner Familie in die BRD zurück. So konnte sich Kopkow der Strafverfolgung wegen seiner Naziverbrechen entziehen.
 
Harro Schulze-Boysen, seine Frau Libertas und seine Genossen wurden im Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt und starben durch Erhängen an den berüchtigten Fleischerhaken in Plötzensee.
 
Duisburg und Harro Schulze-Boysen
 
Während in der DDR die Gruppe um Schulte-Boysen und Harnack hoch angesehen war, wurden diese Widerstandskämpfer im kapitalistischen Westen nicht beachtet – wie auch der größte Teil des Widerstands aus der Arbeiterbewegung. Es zählte nur der Widerstand der reaktionären Offizierskamarilla um General Beck, Moltke und Stauffenberg. Nur sie waren für die BRD von Bedeutung. Diese – obwohl Gegner der Nazis – hatten brav ihre Arbeit für die Faschisten getan. Der sogenannte Kreisauer Kreis z.B. entwickelte wilde Vorstellungen von einem Ständestaat, in dem Adlige und andere über die Masse herrschten, aber diese dann auch gute Führer zu sein hatten. Also krauses Zeug aus der feudalen Rumpelkammer..
 
Erst als allen klar war, dass der Krieg verloren war, fünf Minuten vor Zwölf, entschloss man sich zum Handeln. Plan war, Hitler sollte getötet werden. Die führenden SS und NSDAP-Führer sollten ebenfalls verhaftet werden und mit dem Westen einen Separatfrieden gegen die Sowjetunion anzustreben. Aber ihre Pläne scheiterten. Während der von ihnen ernannte „Reichspräsident“ Generaloberst Ludwig August Beck im Bendlerblock Hof hielt, wurden die notwendigen Handlungen nur zögerlich durchgeführt und, als klar war, dass Hitler lebte, brach der Putschversuch wie ein Kartenhaus zusammen.
 
Anders verhielt sich die Gruppe um Schulze-Boysen/Harnack. Sie bauten keine feudalen Wolkenkuckucksheime, sondern versuchten Überzeugungsarbeit, fügten den Faschisten Schaden zu und schwächten durch Informationsbeschaffung die faschistische Kriegsmaschine. Und: Sie standen positiv zur Sowjetunion. Alles schlimme Sachen für die im westlichen Nachkriegsdeutschland herrschende Restauration des deutschen Imperialismus mit Nazigrößen auf allen Ebenen. In Duisburg war es nicht anders. Höchstens die VVN erinnerte an Harro Schulze-Boysen, die offizielle Stadt tat es nicht.
 

Das Haus der Familie Schulze-Boysen
Quelle: wikipedia
Ich war im Jahr 2000 für die PDS in der Kommunalpolitik und Mitglied der Bezirksvertretung Duisburg-Mitte. In diesem Stadtteil wohnte die Familie der Eltern von Harro Schulze-Boysen, sein Vater war Direktor des Maschinenbau-konzerns DEMAG gewesen, deren Werk ebenfalls in diesem Stadtteil liegt. Daher beantragte ich, den Platz vor der DEMAG in Schulze-Boysen-Platz umzubenennen. Er war nach dem Reichswirtschaftsführer, Nazi und damaligen Generaldirektor der DEMAG Reuter benannt. Ergebnis: Abgelehnt. Die Grünen versteiften sich sogar zu fragen: „Wer ist das eigentlich?“ Die SPD meinte, man solle doch nicht aus der Hüfte schießen, und die CDU war eh dagegen. Am Haus Karl-Lehr-Straße 9, in dem die Eltern von Harro Schulze-Boysen wohnten und er aufwuchs – es blieb im Krieg unzerstört – erinnert keine Gedenktafel daran.
 
Das Steinbart-Gymnasium und seine "Chronik"
 
Es gibt eine Ausnahme: Seine ehemalige Schule, das Steinbart-Gymnasium. Hier lehrte bis vor einigen Jahren ein fortschrittlicher Lehrer, Manfred Tietz. Der befasste sich mit dem Widerstandskampf gegen den Faschismus in Duisburg und auch mit Harro Schulze-Boysen. Es gelang ihm durchzusetzen, dass in der Schule eine Gedenkstätte mit Denkmal für den Widerstandskämpfer errichtet wurde. Und ausgerechnet an dieser Schule passierte es nun. Die Abiturienten bekamen vom Verein der ehemaligen Schüler dieser Schule zwei Geschenke überreicht: Eine Anstecknadel mit dem Wappen der ehemaligen Universität Königsberg, der Albertina, und ein Buch mit der "Chronik" der Schule. Die Anstecknadel soll offenbar den Anspruch Deutschlands auf Kaliningrad symbolisieren.
 

Duisburger Steinbart-Gymnasium vor dem II. Weltkrieg
Quelle: Kommunisten online
In der Chronik fanden die Schüler sonderbare Sätze. Zum Beginn des 1. Weltkrieges steht da: „So verließen 17 von 18 Oberprimanern, 8 von 16 Unterprimanern, 5 von 27 Ober- und 6 von 50 Untersekundanern sowie ein Untertertianer, insgesamt also 37 Schüler in edler Begeisterung als Kriegsfreiwillige die Schule.” Wie viele von ihnen für die Profite der Krupp und Thyssen ihr Leben verloren, wird verschwiegen.
 
Zur Machtübergabe an die Faschisten: „An weiteren Veränderungen, welche die nationalsozialistische Revolution von 1933 nach sich zog, ist die Auflösung des nach 1918 eingeführten Elternbeirates zu nennen.” Revolution? Waren die Ruhrbarone, die Hitler finanzierten, Revolutionäre? Oder: War die Auflösung des Elternbeirates die einzige Folge der Machtübernahme durch die Faschisten? Wie war es z.B. mit den jüdischen Schülern?
 
Zur Nazi-Herrschaft: „Es hieße die Tatsachen fälschen, wollte man das hohe Maß an Begeisterung, Gläubigkeit und Freiwilligkeit bei der Schülerschaft leugnen und unterschlagen, daß auch mancher Lehrer in ehrlicher Absicht einen Weg einschlug, dessen wirkliches Ziel er nicht kannte.” Sahen die Lehrer in ihrer „ehrlichen Absicht“ nicht, dass auf einmal keine jüdischen Schüler mehr am Gymnasium waren? Zumindest ein Ziel war allen erkennbar: Ausgrenzung und die Verfolgung politisch Andersdenkender und rassische Anderer bis hin derer physischen Vernichtung.
 
Weiter: „Diese Jugend, in der noch die Erinnerung an die schmachvollen Jahre des kommunistischen Aufstandes, des Ruhreinbruchs, der Seperatistenunruhen stark nachwirkte, mochte sich von der nationalsozialistischen Revolution eine Wiederherstellung der nationalen Ehre versprechen.” Wieder einmal sind es die Kommunisten, die die Schuld am Nazi-Regime trugen, hier im Verein mit den Franzosen.
 
Zum Krieg der Faschisten: „Der schwere Terrorangriff vom 13. Mai 1943 z.B., bei dem 1350 t Spreng- und Brandbomben auf Duisburg niedergegangen und dem auch ein dreizehnjähriger Schüler der Klasse 1b und seine Mutter zum Opfer gefallen waren, hatte die Stadt furchtbar verwüstet.” Warum griffen die Alliierten Duisburg aus der Luft an? Gab es nicht doch auch einige Betriebe der Rüstungsindustrie? Man kann zwar sagen, die westalliierten Luftangriffe galten vor allem Wohngebieten, waren also auch Terrorangriffe, aber hatten die Nazis nicht den Krieg gewollt und vom Zaun gebrochen, wollte das deutsche Großkapital nicht diesen Krieg? Jetzt hatten sie ihn, bezahlen mussten die Menschen dieser Stadt. Die Mannesmann-Hütte im Süden dieser Stadt wurde allerdings bis Kriegsende verschont – im Mannesmann-Konzern steckte englisches Kapital.
 
Restaurationszeit nach 1945: „Nach wie vor entwickelte die Schule starke Initiativkräfte […] Pfingsten 1955 legte das Steinbart-Gymnasium ein entschiedenes Bekenntnis zum deutschen Osten ab, als es in einem Festakt die Patenschaft über das Löbenichtsche Realgymnasium in Königsberg, eine Schule mit verwandter, noch älterer Tradition, übernahm.“ Na toll. Damals wollte die offizielle Politik der BRD die Rückeroberung des ehemaligen deutschen Ostens, also auch der Teile, die inzwischen sowjetisch oder polnisch waren. Es gab nur ein Problem: Weder Polen noch die UdSSR waren bereit, diese Gebiete wieder zu räumen. Die Schule, über die man damals die Patenschaft übernahm, war nur noch ein Phantom: Weder gab es noch eine deutsche Stadt Königsberg, noch das Löbenichtsche Realgymnasium in Königsberg. 1945 nahm die großdeutsche Herrlichkeit ein Ende – das war keine Katastrophe – es war 1945 zum Glück zu Ende damit.
 

DDR-Briefmarke zur Erinnerung an die "Rote Kapelle"
Quelle: wikipedia
Und nun der Gipfel: „Ein weiterer Schüler dieses Abiturjahr- gangs [1928] begegnet mehrfach in der politisch-historischen Literatur: Heinz-Harro Schulze-Boysen […] Zur Zeit des Hitlerreiches stand er im Lager der kommunistischen Opposition. Zusammen mit dem Oberregierungsrat im Wirtschaftsministerium Arvid Harnack organisierte er als Oberleutnant im Luftfahrtministerium seit 1940 die Verschwörung der von Moskau aus gesteuerten sogenannten „Roten Kapelle“. Diese sah ihre Hauptaufgabe darin, die russische Führung mit wichtigen militärischen Nachrichten zu versorgen „unter hemmungsloser Ausnutzung amtlich erworbener Spezialkenntnisse“. Über den landesverräterischen Charakter dieser Organisation läßt der Historiker Gerhard Ritter nicht den geringsten Zweifel. 1942 wurde das Komplott aufgedeckt. Der „in einwandfreier Form“ durchgeführte Prozeß vor dem Reichskriegsgericht endete mit der Hinrichtung vieler Beteiligter, auch der Schulze-Boysens. Keinerlei Beziehung zu dieser landesverräterischen Gruppe hatte der Admiral Wilhelm Canaris (Abiturient von 1905) …“ Harro Schulze-Boysen stand – wie sie meinten – im kommunistischen Widerstand. Das war für die Autoren, die den Ergüssen des profaschistischen und deutschnationalen Historikers Gerhard Ritter folgten, an sich schon ein todeswürdiges Verbrechen. Und dieser schlimme Mensch wurde von Moskau gesteuert (grusel) und verschwor sich folglich gegen das deutsche Vaterland.
 
Ich zitiere an dieser Stelle einen anderen Zeitzeugen: Den Schweizer Theologen Karl Barth: „Und man sollte, ob es uns heute paßt oder nicht, nicht verschweigen, daß es da immerhin auch eine „Rote Kapelle“ gegeben hat: Kommunisten, die faktisch auch in diesem Kampf standen und auch als Opfer des Nationalsozialismus gefallen sind. Welches Geistes Kinder diese alle auch waren und wie man auch von ihren besonderen Absichten und deren Ausführungen heute denken mag: Sie wollten damals nicht dabei sein bei dem, was die Nationalsozialisten wollten, sie wollten ihrem verderbten und verderblichen Regiment eine Grenze setzen, ein Ende machen. […] Hätten sie Erfolg gehabt, so hätte das bedeuten können, daß ein ganz großes Maß weiterer menschlicher und auch materieller Opfer nicht mehr hätte gebracht werden müssen. Sie hatten keinen Erfolg. Und das lag nicht nur an ihnen, sondern doch auch daran, daß in Deutschland so wenige, bevor es etwa ungefährlich wurde, entschlossen und hilfreich neben sie treten wollten, und daß ihnen von außen so gar kein Verständnis und keine sinnvolle Unterstützung zuteil wurde.“[3] Karl Barth ist neben Martin Niemöller einer der Köpfe der christlichen Antifaschisten in Deutschland. Er verlor seinen Lehrstuhl in Bonn nach 1933 und ging in seine Heimat zurück.
 
Weiter aus der Schulchronik: „Die Katastrophe von 1945 mit ihrem Flüchtlingsstrom zeichnet sich erst auf Karte 6 ab, die eine Vorstellung gibt von dem Ausmaß der innerdeutschen Bevölkerungsbewegung, die der Zusammenbruch der Ostfront und die Kapitulation des Reiches auslösten.“ Die Katastrophe war eher ein Glück, wenn auch zu spät. Hätte das deutsche Großkapital im Verein mit den Großagrariern nicht die Faschisten an die Macht gebracht, hätten Leute, wie der Hitler-Gegner und dessen Spionage-Chef Canaris nicht Hitler bis kurz vor Zwölf treu gedient, wäre viel Leid von der Menschheit abgewendet worden – auch vom deutschen Volk.
 
Und noch zwei Ergüsse aus der Chronik: „Hinter den nackten Statistiken verbirgt sich schwerstes deutsches Volksschicksal.“ Unsere Väter schafften es nicht, sich der Faschisten zu entledigen. Stattdessen schrien viele „Heil Hitler“ oder hielten sich gar für Herrenmenschen. Dass die ehemaligen „Untermenschen“, Arbeitssklaven und alle die anderen Opfer des Faschismus nun die Rechnung präsentierten, sei nur am Rande vermerkt. „Der zweite Weltkrieg mit seinem unglücklichen Ausgang griff auch in das Leben der Schule ein.“ Es war ein Unglück für die Autoren der Chronik, dass der Krieg verloren ging. Wäre es nicht besser gewesen, die Wehrmacht hätte die UdSSR erobert und sich im Osten Sibiriens mit den japanischen Eroberern getroffen. Hitler und der Tenno im Siege vereint? Mir graut beim Gedanken daran.
 
Etwas aus eigenem Erleben: Mein Sohn besuchte ein anderes Duisburger Gymnasium. An dieser Schule wurden noch mindestens bis ins Jahr 2000 für den Geografie-Unterricht Karten verwendet, die Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigten. Eine offizielle Anfrage als Bezirksvertreter an das Schulverwaltungsamt, ob die Schule meine, Hinterpommern, Ostpreußen und Schlesien seien noch deutsch und also widerrechtlich von der UdSSR und Polen 1945 annektiert, beendete diese Praxis.
 
Inzwischen gibt es in Duisburg eine Schulze-Boysen-Straße – im Stadtteil Walsum. Das ist im äußersten Norden, etwa 20 km vom Zentrum Duisburgs, eine kleine Stichstraße. Der Platz an der DEMAG trägt immer noch den Namen des faschistischen Wehrwirtschaftsführers Reuter, da hat sich Nichts geändert. Die Lehrer des Steinbart-Gymnasiums hätten all das nicht gewusst – sagen sie. Dabei hat einer von ihnen, als die Gedenkstätte für Harro Schulze-Boysen eingeweiht wurde, aus eben dieser Chronik zitiert und deren Inhalt kritisch bewertet. Sie kannten also den braunen Dreck, den sie den Abiturienten unterjubelten. (PK)
 
[1] So der DEFA-Film „Das Beil von Wandsbek“ (Regie) nach dem gleichnamigen Roman von Arnold Zweig
[2] Wikipedia siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Panzinger#Nach_dem_Krieg
[3] Daniel Cornu: Karl Barth und die Politik. Aussaat, Wuppertal 1969, S. 118
 
Günter Ackermanns Beitrag haben wir mit Dank von der homepage http://kommunisten-online.de/?p=2342 übernommen.
 


Online-Flyer Nr. 418  vom 07.08.2013



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