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Krieg und Frieden
Vortrag zum 35jährigen Bestehen des Bundesverbands Arbeiterfotografie
Die Medienkrieger - Teil 2
Von Jürgen Rose
Unter dem Motto „Wacht auf, Verdammte dieser Erde!“ fand anlässlich des 35jährigen Bestehens des Bundesverbands Arbeiterfotografie am 21. September 2013 in Werder an der Havel eine Vortrags- und Kultur-Veranstaltung statt. Zu den Vortragenden gehörte Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr und Mitglied des Darmstädter Signals. Wir geben seinen Vortrag über die strategische Manipulation von Medien durch das US-Militär in zwei Teilen wieder. Hier Teil 2.
Jürgen Rose bei seinem Vortrag in Werder am 21.9.2013
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com
Nachfolgend sollen die wesentlichsten Aspekte der vom Pentagon erlassenen »Public Affairs Guidance« und des »CFLCC Ground Rules Agreement’s« näher analysiert werden.
Die PR-Arbeit des US-Militärs zielt auf drei Adressatengruppen, nämlich die amerikanische Öffentlichkeit, die Öffentlichkeit in den verbündeten Staaten sowie die Öffentlichkeit in den Staaten, in denen die USA militärische Operationen durchführen. Die vorrangige Devise dabei lautet:
„Wir müssen über die Tatsachen berichten – seien sie gut oder schlecht –, bevor andere die Medien mit Desinformationen und verzerrten Darstellungen impfen, wie sie es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch weiterhin tun werden. Unsere Leute vor Ort müssen unsere Sichtweise vermitteln ...“ (38)
Mehrfach wird betont, daß es entscheidend darauf ankommt, mittels der Einbettung der Medienberichterstatter die Ereignisse aus amerikanischer Perspektive zu vermitteln und das Verständnis in der (Welt-)Öffentlichkeit daraufhin zu fokussieren:
„Diese eingebetteten Medien werden als Teil der Truppenteile, in die sie eingebettet sind, leben, arbeiten und verlegen, um bessere Voraussetzungen für ein Maximum an gründlicher Berichterstattung über die US-Streitkräfte im Gefecht sowie über damit zusammenhängende Operationen zu schaffen. ... Die Medien werden in der Truppe auf Stützpunkten der Luftwaffe und der Bodentruppen sowie in schwimmenden Einheiten eingebettet, um ein umfassendes Verständnis aller Operationen zu gewährleisten. ... Es werden Plätze in Fahrzeugen, in Luftfahrzeugen und auf Kriegsschiffen zur Verfügung gestellt, um eine möglichst umfassende Berichterstattung über die US-Truppen vor Ort zu ermöglichen. ... Die Truppenteile haben Transportkapazität und logistische Unterstützung vorzusehen, um den Transport von Medienprodukten zum und vom Gefechtsfeld zu unterstützen, damit unsere Darstellung der Ereignisse zeitgerecht ermöglicht wird.“ (39)
Selbst die militärische Geheimhaltung stellt unter bestimmten Voraussetzungen kein prinzipielles Hindernis für die Berichterstattung dar, wie in der »PAG« ausgeführt wird, wenn der betreffende Reporter sich mit einer erweiterten Zensur seitens der Militärs einverstanden zeigt:
„In Fällen, in denen ein militärischer Führer oder sein offizieller Stellvertreter feststellt, daß ein Berichterstatter mehr an geheimhaltungsbedürftigen Informationen erhält als durch eine Belehrung im Rahmen einer Vor- oder Nachbesprechung abgedeckt wird, die Berichterstattung selbst jedoch im besten Interesse des US-Verteidigungsministeriums ist, kann der militärische Führer Zugang zu den Informationen gewähren, falls der Reporter einer Sicherheitsüberprüfung seines Berichts zustimmt.“ (40)
Für die Wahrnehmung der ihnen vom US-Verteidigungsministerium zugedachten Aufgaben bietet die »PAG« den eingebetteten Journalisten eine breite Palette von Unterstützungsleistungen an. Darunter fällt unter anderem:
• der generell erleichterte Zugang zu den Streitkräften,
• der Zugang zu operativen Kampfeinsätzen mit der Gelegenheit, tatsächliche
Kampfhandlungen zu beobachten,
• kostenloser Transport in Luftfahrzeugen des US-Verteidigungsministeriums,
• Plätze in Fahrzeugen, in Luftfahrzeugen und auf Kriegsschiffen,
• ggf. fernmeldetechnische Unterstützung beim Absetzen bzw. Übertragen von
Medienprodukten sowie Nutzung schneller militärischer Fernmeldeverbindungen,
• die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung und ggf. sanitätsdienstlicher
Versorgung,
• die leihweise Ausgabe von ABC-Schutzausrüstung,
• die (kostenpflichtige) Gestellung von Impfstoffen gegen Anthrax und Pocken.
Allerdings war die Gewährung dieser Vergünstigungen an die strikte Einhaltung umfangreicher Auflagen gekoppelt. Dazu zählte:
• die obligatorische Beantragung auf Einbettung beim
US-Verteidigungsministerium,
• das Verbot, eigene Fahrzeuge zu benutzen,
• die Einholung der Genehmigung zur Nutzung elektronischer Geräte in einem
Kampfgebiet bzw. einem feindlichen Umfeld,
• die Unterzeichnung des »CFLCC Ground Rules Agreement’s« sowie einer
„Vereinbarung über Haftungsfreistellung und Klageverzicht“.
Darüber hinaus wies die »PAG« die letztinstanzliche Entscheidungskompetenz über den Bewegungsspielraum der eingebetteten Berichterstatter den militärischen Befehlshabern vor Ort zu – der entscheidende Passus diesbezüglich lautet:
„Falls ein Medienvertreter nach Auffassung des militärischen Führers außerstande ist, mit den harten Rahmenbedingungen zurechtzukommen, obwohl dies für den Einsatz mit den vorn dislozierten Kräften erforderlich ist, kann der militärische Führer oder sein Stellvertreter die Teilnahme des Medienvertreters bei den Einsatzkräften einschränken, um die Sicherheit des Truppenteils zu gewährleisten.“ (41) Wie ein Damoklesschwert schwebte diese Option permanent über den eingebetteten Reportern und mußte daher allein aufgrund ihrer potentiellen Nutzung als Sanktion für unvorteilhafte Reportagen auf sublime Weise die Berichterstattung beeinflussen (42).
Das bereits erwähnte »CFLCC Ground Rules Agreement« enthielt das von der »PAG« vorgegebene detaillierte Regelwerk, das jeder Reporter vor seiner Einbettung in den ihm zugewiesenen Truppenteil förmlich zu unterzeichnen hatte.
Grundsätzlich galt: „[Die] Grundregeln sind von den Medien vorher anzuerkennen und vor der Einbettung zu unterzeichnen. Verstöße gegen die Grundregeln können die sofortige Beendigung der Einbettung und die Entfernung aus dem Verantwortungsbereich zur Folge haben.“ (43) Von nicht zu unterschätzender Relevanz war, die Anweisung, daß „[s]ämtliche Interviews mit Angehörigen der Streitkräfte zu ... protokollieren [waren].“ (44) Damit war sichergestellt, daß einerseits die betroffenen Soldaten bei ihren Aussagen äußerste Zurückhaltung walten ließen und andererseits die Journalisten, um ihre Interviewpartner nicht zu kompromittieren, schon während sie fragten, stets die „Schere im Kopf trugen“. Eine weitere Option zur Steuerung der Berichterstattung bot die Bestimmung, daß Sperrfristen verhängt werden konnten, um die „operative Sicherheit zu gewährleisten“ (45). Mittels der Anweisung, alle Berichte für Druck- oder Rundfunkmedien mit Orts-und Datumsangabe zu versehen, wurde eine lückenlose Überwachung und Identifikation der jeweilige Urheber sichergestellt. Schließlich wurde noch festgelegt, daß Medienvertreter unbewaffnet zu sein und die Lichtdisziplin zu wahren hatten.
Entscheidend war darüber hinaus selbstredend die Festlegung der Kategorien für Informationen, die zur Veröffentlichung freigegeben waren rsp. die nicht publiziert werden durften. Prinzipiell freigegeben waren ausschließlich allgemeine, pauschale und ungefähre Angaben über die eigenen Streitkräfte und deren Aktionen, nicht aber konkrete und präzise Zahlen, Daten und Fakten (46). Details über den Kriegsverlauf sollten tunlichst nicht publik werden, es genügte, wenn die (Welt-)Öffentlichkeit vom grandiosen Sieg der US-Truppen erfuhr.
Da paßte es ins Bild, daß „gesicherte Zahlenangaben zu verhafteten oder gefangengenommenen Angehörigen der feindlichen Kräfte“ durchaus zur Veröffentlichung freigegeben waren.
Verboten war die Veröffentlichung jedweder konkreter Zahlen, Daten und Fakten zu Personal, Material, Truppenteilen, militärischen Einrichtungen, Truppenbewegungen, Dislozierung etc. (47). Unter die Geheimhaltung fielen auch die Einsatzregeln, Sicherheitsmaßnahmen, Informationen über Spezialeinheiten, Methodik und Taktik von militärischen Operationen sowie Informationen über die Effektivität der gegnerischen Kampfführung. Darüber hinaus unterlag der Zugang zu Kriegsgefangenen strikten Restriktionen, ebenso wie jegliche Berichterstattung über tote, verwundete, verletzte und kranke Soldaten der eigenen Streitkräfte. Das Kriegshandwerk im einzelnen sowie die furchtbaren Auswirkungen der Waffengewalt sollten vor der (Welt-)Öffentlichkeit soweit wie irgend möglich verborgen gehalten rsp. nur in homöopathischen Dosen zur Kenntnis gegeben werden (48).
Jürgen Rose über das aus militärisch-propagandistischer Sicht unerwünschte Bild des Krieges
Die Konsequenz war, daß die Medien „ended up sanitizing the war, by preferring to show victorious American soldiers rather than bloody, wounded or dead American or Iraqi soldiers” (49) und daß insbesondere die US-Medienanstalten “sugarcoated the horrors of war by avoiding gory pictures and using military jargon (“softening up Iraqi targets”) instead of direct, brutal, descriptive language (“killing Iraqis”).” (50)
So wies eine unter dem Rubrum »Project for Excellence in Journalism« angefertigte kommunikationswissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2003 nach, daß nicht ein einziger der von den eingebetteten Reportern abgelieferte Berichte Menschen zeigte, die von Kugeln oder durch andere Waffen verletzt worden waren (51).
Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß es dem US-Militär mittels seiner äußerst ausgeklügelten PR-Arbeit gelang, sicherzustellen, daß der Irak-Krieg 2003 zwar nicht absolut, aber nahezu nur insoweit abgelichtet werden konnte, wie es dem Pentagon paßte. Die Basis des Erfolgs bildete eine Doppelstrategie, nämlich einerseits wohlwollend gesonnene Medienvertreter nach allen Regeln der Kunst zu umgarnen und zu korrumpieren. Ein Washingtoner Redaktionsleiter schwärmte diesbezüglich: „The beauty of the embed program was that it served our needs and it served your needs.” (52) Andererseits wurden unabhängig recherchierende Reporter, die sogenannten „unilaterals“, insbesondere auch solche aus europäischen und arabischen Ländern, systematisch benachteiligt, behindert, schikaniert und in Einzelfällen auch massiven Bedrohungen für Leib und Leben ausgesetzt, wie die Bombardierungen von Al Jazeera und Abu Dhabi TV sowie der Beschuß des Hotels „Palestine“ illustrieren (53). Diese Verfahrensweise hatte zur Folge, daß dem Publikum zwar eine Fülle von selektiven Eindrücken über die Kampfhandlungen vermittelt wurden, es aber keine Chance besaß, die komplexe Realität des Krieges zu erfassen. Erzeugt wurde somit allenfalls die Illusion, am Krieg „beteiligt“ gewesen zu sein (54). Diese Einschätzung spiegelt sich auch in dem Umstand wider, daß von den insgesamt 775 „eingebetteten“ Reportern gerade einmal 40 bis 50 tatsächlich die Gelegenheit bekamen, „to see war in action“ (55).
Für die Medienberichterstattung in den USA insgesamt gilt, daß diese „durch ein hohes Maß an Patriotismus, Kriegsverherrlichung und in Extremfällen sogar durch Nationalchauvinismus gekennzeichnet [war]“ (56) und weiterhin ist. In diesen Kanon des nationalen Konsenses reihen sich fast alle Journalisten ein und tragen infolgedessen die Schere der Selbstzensur bereits im Kopf. Hinzu kommt, daß aus schlicht ökonomischem Überlegungen heraus „Affirmation statt Diskurs ... den meisten Medien als Erfolgsrezept im immer härter werdenden Konkurrenzkampf [gilt]“ (57). Dementsprechend einseitig verläuft die Meinungsbildung.
Jürgen Rose über das Wunder des meinungspolitischen Perpetuum mobile
Der zugrundeliegende Mechanismus läßt sich anhand eines Kreismodells beschreiben: „Der Kreis beginnt in einem ersten Schritt bei den Medien: Der von der Regierung vorgegebene politische Konsens wird in der Berichterstattung mehr oder weniger kritiklos transportiert. Zweiter Schritt: Den Zuschauern wird durch die Medien eine Meinungsrichtung vorgegeben. Entweder fühlen sie sich ohnehin bestätigt, oder aber sie passen sich der Meinung der Allgemeinheit an, aus Mangel an alternativen Informationsquellen oder weil dies gesellschaftlich opportun erscheint. Dritter Schritt: Die Zustimmung zum nationalen Konsens zeigt sich dann in Meinungsumfragen, durch die sich wiederum – im vierten Schritt – die Regierungsadministration bestätigt fühlt und in gewissen Teilen ihr Handeln danach ausrichtet. Im fünften Schritt wird das wiederum von den Medien wahrgenommen und erneut berichtet. Der Kreis schließt sich also und beginnt wieder von vorn: ein meinungspolitisches Perpetuum mobile.“ (58)
Beschleunigt und verstärkt wird dieser Kreislauf durch die im Satellitenzeitalter gegebene technische Möglichkeit zu »Real-Time-Coverage« und »Live-Reporting« rund um die Uhr, die gepaart mit den kommerziellen Zwängen der Medienwirtschaft dazu führt, daß die Schnelligkeit sowie die ökonomische Effizienz der Berichterstattung vor deren journalistischer Qualität rangiert. „Denn ein Reporter, der gerade »live« über ein Ereignis berichtet, kann nur schwerlich gleichzeitig recherchieren und verschieden, unter Umständen sich widersprechende Meinungen und Fakten zusammentragen und fundiert einordnen. ... Diese Nachrichtenphilosophie der Schnelligkeit wurde und wird vor allem bei den sogenannten »breaking news« deutlich, Nachrichtenkurzberichten, die das laufende Programm unterbrechen und so eine besondere Dringlichkeit oder Wichtigkeit implizieren.“ (59) Gemeinsam mit weiteren Faktoren (60) besteht das Resultat darin, daß weder über die völkerrechtsverachtende Kriegspolitik der Regierung noch über die barbarische Kriegführung durch das US-Militär der bitter notwendige kritischen Diskurs in der Öffentlichkeit stattfand und -findet.
Die US-Medien gerieren sich im Gegenteil in weiten Teilen als Sprachrohr des Weißen Hauses und des Pentagons. Dies liegt nicht zuletzt an der zuvor analysierten propagandagesättigten Medien- und Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und Streitkräften, die bis ins Detail geplant und auf die unterschiedlichen Medien und Adressatengruppen abgestimmt ist (61). In diesem Kontext ist hervorzuheben, daß seitens der US-Administration die Grenzen zwischen Gegenpropaganda und Täuschung nach außen sowie der PR nach innen zunehmend verwischt und dem Militär Aufgaben zugewiesen werden, die Diplomaten und andere zivile Experten kompetenter wahrnehmen könnten (62).
Darüber hinaus muß insbesondere die grundsätzliche Steuerung der Medienöffentlichkeit durch das US-Militär als problematisch erscheinen. Eine äußerst aufschlußreiche Analyse hierzu legte der pensionierte Oberst der US Air Force, Sam Gardiner, nach dem Irak-Krieg 2003 vor. In seiner „Study of Strategic Influence, Perception Management, Strategic Information Warfare and Strategic Psychological Operations in Gulf II“ (63) listete er über 50 Fälle auf, in denen auf der Basis einer äußerst bedacht ausgeklügelten „Gulf II Influence Strategy“ Meldungen, Nachrichten oder Berichte entweder komplett erfunden, inszeniert oder zumindest verfälscht wurden. So wurden beispielsweise auf Weisung des Weißen Hauses die irregulären irakischen Kampfverbände als „terroristische Todesschwadronen“ bezeichnet. Auch wurde behauptet, die Iraker setzten Kindersoldaten ein.
Auf einer Pressekonferenz des Pentagons wurde von irakischen Soldaten berichtet, die sich mit der weißen Flagge ergeben hätten. Als US-Marines sie gefangen nehmen wollten, hätten die Iraker das Feuer eröffnet. Diese und andere Kriegslügen sollten die Skrupellosigkeit des Gegners belegen. Zumeist wurden sie vorbehaltlos von den meisten US-Medien übernommen und verbreitet. Summa summarum demonstrieren solche Vorgänge, daß die „Massenmedien ... aus Sicht des Militärs von potentiellen Störfaktoren, die es zu instrumentalisieren gilt, zu willfährigen Helfern der Kriegführung avanciert [sind]. Die Medien selbst wurden zur Kriegswaffe.“ (64)
Diese Form regierungs- und militärgesteuerten Perzeptionsmanagements (65) wird kontinuierlich weiter betrieben. So beauftragte der vormalige US-Präsident George W. Bush seine Propaganda-Spezialisten mit der Ausarbeitung einer „Influence Strategy“ für den Atom-Konflikt mit dem Iran.
Jürgen Rose über das Feindbild Iran
Das konstruierte Bedrohungsszenario glich den erfundenen Kriegsgründen gegen Saddam Hussein. Im Zentrum stand die angebliche Gefahr durch iranische Atomwaffen, die indes bis dato überhaupt nicht existieren, sowie die Behauptung, das Regime in Teheran unterstütze den Terrorismus. Der damalige iranische Präsident wurde systematisch als neuer Dämon aufgebaut. Bush und seine Schergen sprachen von Mahmud Ahmadinedschad als einem iranischen Wiedergänger Adolf Hitlers.
Mochten auch im Dezember 2007 die US-Geheimdienste eine Prise Sand ins Getriebe gestreut haben, so lief doch die über nahezu ein Jahrhundert verfeinerte Maschinerie der Kriegspropaganda abermals wie geschmiert. Und selbst nachdem im Januar 2009 Barack Hussein Obama als neuer US-Präsident sein Amt angetreten hatte, blieb die militärische Angriffsoption ausdrücklich auf dem Tisch – bis auf den heutigen Tag. Desgleichen wurden und werden in den Fällen Nordkorea, Libyen und ganz aktuell Syrien die dereinst schon von Kurt Tucholsky scharf angeprangerten Methoden der „beharrliche Bearbeitung der Massen“, mit denen „diese Tätigkeit des Mordens … als etwas Sittliches hingestellt“ wird, skrupellos eingesetzt. Angesichts dessen bleiben wir gefordert, als demokratische Staatsbürger und in unserer ganzen Person, beides – die Verfassung und den Frieden – zu verteidigen gegen die „schmutzige Zumutung der Macht an den Geist“, die einem Apercu des großen Karl Kraus zufolge darin besteht, „Lüge für Wahrheit, Unrecht für Recht, Tollwut für Vernunft zu halten.“ (PK)
Empfehlung:
Jürgen Rose
"Ernstfall Angriffskrieg. Frieden schaffen mit aller Gewalt?"
Taschenbuch, 268 Seiten, Verlag Ossietzky 2009, 20 Euro
Fussnoten:
38 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.41 (Hervorhebung durch den Verfasser).
39 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.41f.
40 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.51.
41 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.44.
42 Tatsächlich wurden ungefähr 26 Reporter “disembedded”; vgl. Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.41.
43 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46.
44 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46.
45 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46.
46 Zur Veröffentlichung freigegebene Informationen siehe SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46f.
47 Zur Veröffentlichung nicht freigegebene Informationen siehe SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.47ff.
48 Vgl. Hartwig, Stefan: a.a.O., S. 519 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.70ff.
49 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.62.
50 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.71.
51 Vgl. Elter, Andreas: a.a.O., S.301.
52 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.59f.
53 Vgl. Virchow, Fabian/Thomas, Tanja: a.a.O., S. 3 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.50ff, S.69.
54 Vgl. Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S. 27, Anonym (-MM-): Embedded Journalists – der Wahrheit näher?, in: Truppendienst, 6/2003, S. 524 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.35ff, S.61f, S.66f.
55 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.23.
56 Elter, Andreas: a.a.O., S.336.
57 Elter, Andreas: a.a.O., S.338.
58 Elter, Andreas: a.a.O., S.340f.
59 Elter, Andreas: a.a.O., S. 342f und S.345.
60 Vgl. Elter, Andreas: a.a.O., S. 351 sowie Kladzinski, Magdalena: Mediale Gestaltungsprinzipien. Wie der Krieg in Bildschirmmedien dargestellt wird, in: Büttner, Christian/Gottberg, Joachim von/ Kladzinski, Magdalena (Hrsg.): op. cit., S.37-57.
61 Vgl. Elter, Andreas: a.a.O., S.351.
62 Vgl. Szukala, Andrea: Medien und öffentliche Meinung im Irakkrieg, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 2425/2003, S.29.
63 Gardiner, Sam: Truth from These Podia. Summary of a Study of Strategic Influence, Perception Management, Strategic Information Warfare and Strategic Psychological Operations in Gulf II, October 8, 2003; im Internet unter:
http://www.usnews.com/usnews/politics/whispers/documents/truth_1.pdf und http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB177/Info%20Operations%20Roadmap%20Truth%20from%20These%20Podia.pdf [08.07.2006].
64 Vgl. Bussemer, Thymian: a.a.O., S. 20 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S. 13.
65 Vgl. hierzu Elter, Andreas: a.a.O., S. 305ff.
Hinweise:
Vortrag "Die Medienkrieger"
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19618
Teil 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19623
Vortrag "Enteignung von 99 Prozent der Menschheit" von Klaus Hartmann
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19848
Vortrag "Fotografie als Waffe" von Anneliese Fikentscher
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19673
Teil 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19697
Teil 3: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19722
Teil 4: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19747
Teil 5: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19792
Teil 6: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19818
NRhZ zur Ausstellung "Wacht auf, Verdammte dieser Erde"
Fotogalerie 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19347
Fotogalerie 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19375
Dokumentation der Aktivitäten zum 35jährigen Bestehen des Bundesverbands Arbeiterfotografie: http://www.arbeiterfotografie.com/35jahre
Online-Flyer Nr. 431 vom 06.11.2013
Vortrag zum 35jährigen Bestehen des Bundesverbands Arbeiterfotografie
Die Medienkrieger - Teil 2
Von Jürgen Rose
Unter dem Motto „Wacht auf, Verdammte dieser Erde!“ fand anlässlich des 35jährigen Bestehens des Bundesverbands Arbeiterfotografie am 21. September 2013 in Werder an der Havel eine Vortrags- und Kultur-Veranstaltung statt. Zu den Vortragenden gehörte Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr und Mitglied des Darmstädter Signals. Wir geben seinen Vortrag über die strategische Manipulation von Medien durch das US-Militär in zwei Teilen wieder. Hier Teil 2.
Jürgen Rose bei seinem Vortrag in Werder am 21.9.2013
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com
Nachfolgend sollen die wesentlichsten Aspekte der vom Pentagon erlassenen »Public Affairs Guidance« und des »CFLCC Ground Rules Agreement’s« näher analysiert werden.
Die PR-Arbeit des US-Militärs zielt auf drei Adressatengruppen, nämlich die amerikanische Öffentlichkeit, die Öffentlichkeit in den verbündeten Staaten sowie die Öffentlichkeit in den Staaten, in denen die USA militärische Operationen durchführen. Die vorrangige Devise dabei lautet:
„Wir müssen über die Tatsachen berichten – seien sie gut oder schlecht –, bevor andere die Medien mit Desinformationen und verzerrten Darstellungen impfen, wie sie es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch weiterhin tun werden. Unsere Leute vor Ort müssen unsere Sichtweise vermitteln ...“ (38)
Mehrfach wird betont, daß es entscheidend darauf ankommt, mittels der Einbettung der Medienberichterstatter die Ereignisse aus amerikanischer Perspektive zu vermitteln und das Verständnis in der (Welt-)Öffentlichkeit daraufhin zu fokussieren:
„Diese eingebetteten Medien werden als Teil der Truppenteile, in die sie eingebettet sind, leben, arbeiten und verlegen, um bessere Voraussetzungen für ein Maximum an gründlicher Berichterstattung über die US-Streitkräfte im Gefecht sowie über damit zusammenhängende Operationen zu schaffen. ... Die Medien werden in der Truppe auf Stützpunkten der Luftwaffe und der Bodentruppen sowie in schwimmenden Einheiten eingebettet, um ein umfassendes Verständnis aller Operationen zu gewährleisten. ... Es werden Plätze in Fahrzeugen, in Luftfahrzeugen und auf Kriegsschiffen zur Verfügung gestellt, um eine möglichst umfassende Berichterstattung über die US-Truppen vor Ort zu ermöglichen. ... Die Truppenteile haben Transportkapazität und logistische Unterstützung vorzusehen, um den Transport von Medienprodukten zum und vom Gefechtsfeld zu unterstützen, damit unsere Darstellung der Ereignisse zeitgerecht ermöglicht wird.“ (39)
Selbst die militärische Geheimhaltung stellt unter bestimmten Voraussetzungen kein prinzipielles Hindernis für die Berichterstattung dar, wie in der »PAG« ausgeführt wird, wenn der betreffende Reporter sich mit einer erweiterten Zensur seitens der Militärs einverstanden zeigt:
„In Fällen, in denen ein militärischer Führer oder sein offizieller Stellvertreter feststellt, daß ein Berichterstatter mehr an geheimhaltungsbedürftigen Informationen erhält als durch eine Belehrung im Rahmen einer Vor- oder Nachbesprechung abgedeckt wird, die Berichterstattung selbst jedoch im besten Interesse des US-Verteidigungsministeriums ist, kann der militärische Führer Zugang zu den Informationen gewähren, falls der Reporter einer Sicherheitsüberprüfung seines Berichts zustimmt.“ (40)
Für die Wahrnehmung der ihnen vom US-Verteidigungsministerium zugedachten Aufgaben bietet die »PAG« den eingebetteten Journalisten eine breite Palette von Unterstützungsleistungen an. Darunter fällt unter anderem:
• der generell erleichterte Zugang zu den Streitkräften,
• der Zugang zu operativen Kampfeinsätzen mit der Gelegenheit, tatsächliche
Kampfhandlungen zu beobachten,
• kostenloser Transport in Luftfahrzeugen des US-Verteidigungsministeriums,
• Plätze in Fahrzeugen, in Luftfahrzeugen und auf Kriegsschiffen,
• ggf. fernmeldetechnische Unterstützung beim Absetzen bzw. Übertragen von
Medienprodukten sowie Nutzung schneller militärischer Fernmeldeverbindungen,
• die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung und ggf. sanitätsdienstlicher
Versorgung,
• die leihweise Ausgabe von ABC-Schutzausrüstung,
• die (kostenpflichtige) Gestellung von Impfstoffen gegen Anthrax und Pocken.
Allerdings war die Gewährung dieser Vergünstigungen an die strikte Einhaltung umfangreicher Auflagen gekoppelt. Dazu zählte:
• die obligatorische Beantragung auf Einbettung beim
US-Verteidigungsministerium,
• das Verbot, eigene Fahrzeuge zu benutzen,
• die Einholung der Genehmigung zur Nutzung elektronischer Geräte in einem
Kampfgebiet bzw. einem feindlichen Umfeld,
• die Unterzeichnung des »CFLCC Ground Rules Agreement’s« sowie einer
„Vereinbarung über Haftungsfreistellung und Klageverzicht“.
Darüber hinaus wies die »PAG« die letztinstanzliche Entscheidungskompetenz über den Bewegungsspielraum der eingebetteten Berichterstatter den militärischen Befehlshabern vor Ort zu – der entscheidende Passus diesbezüglich lautet:
„Falls ein Medienvertreter nach Auffassung des militärischen Führers außerstande ist, mit den harten Rahmenbedingungen zurechtzukommen, obwohl dies für den Einsatz mit den vorn dislozierten Kräften erforderlich ist, kann der militärische Führer oder sein Stellvertreter die Teilnahme des Medienvertreters bei den Einsatzkräften einschränken, um die Sicherheit des Truppenteils zu gewährleisten.“ (41) Wie ein Damoklesschwert schwebte diese Option permanent über den eingebetteten Reportern und mußte daher allein aufgrund ihrer potentiellen Nutzung als Sanktion für unvorteilhafte Reportagen auf sublime Weise die Berichterstattung beeinflussen (42).
Das bereits erwähnte »CFLCC Ground Rules Agreement« enthielt das von der »PAG« vorgegebene detaillierte Regelwerk, das jeder Reporter vor seiner Einbettung in den ihm zugewiesenen Truppenteil förmlich zu unterzeichnen hatte.
Grundsätzlich galt: „[Die] Grundregeln sind von den Medien vorher anzuerkennen und vor der Einbettung zu unterzeichnen. Verstöße gegen die Grundregeln können die sofortige Beendigung der Einbettung und die Entfernung aus dem Verantwortungsbereich zur Folge haben.“ (43) Von nicht zu unterschätzender Relevanz war, die Anweisung, daß „[s]ämtliche Interviews mit Angehörigen der Streitkräfte zu ... protokollieren [waren].“ (44) Damit war sichergestellt, daß einerseits die betroffenen Soldaten bei ihren Aussagen äußerste Zurückhaltung walten ließen und andererseits die Journalisten, um ihre Interviewpartner nicht zu kompromittieren, schon während sie fragten, stets die „Schere im Kopf trugen“. Eine weitere Option zur Steuerung der Berichterstattung bot die Bestimmung, daß Sperrfristen verhängt werden konnten, um die „operative Sicherheit zu gewährleisten“ (45). Mittels der Anweisung, alle Berichte für Druck- oder Rundfunkmedien mit Orts-und Datumsangabe zu versehen, wurde eine lückenlose Überwachung und Identifikation der jeweilige Urheber sichergestellt. Schließlich wurde noch festgelegt, daß Medienvertreter unbewaffnet zu sein und die Lichtdisziplin zu wahren hatten.
Entscheidend war darüber hinaus selbstredend die Festlegung der Kategorien für Informationen, die zur Veröffentlichung freigegeben waren rsp. die nicht publiziert werden durften. Prinzipiell freigegeben waren ausschließlich allgemeine, pauschale und ungefähre Angaben über die eigenen Streitkräfte und deren Aktionen, nicht aber konkrete und präzise Zahlen, Daten und Fakten (46). Details über den Kriegsverlauf sollten tunlichst nicht publik werden, es genügte, wenn die (Welt-)Öffentlichkeit vom grandiosen Sieg der US-Truppen erfuhr.
Da paßte es ins Bild, daß „gesicherte Zahlenangaben zu verhafteten oder gefangengenommenen Angehörigen der feindlichen Kräfte“ durchaus zur Veröffentlichung freigegeben waren.
Verboten war die Veröffentlichung jedweder konkreter Zahlen, Daten und Fakten zu Personal, Material, Truppenteilen, militärischen Einrichtungen, Truppenbewegungen, Dislozierung etc. (47). Unter die Geheimhaltung fielen auch die Einsatzregeln, Sicherheitsmaßnahmen, Informationen über Spezialeinheiten, Methodik und Taktik von militärischen Operationen sowie Informationen über die Effektivität der gegnerischen Kampfführung. Darüber hinaus unterlag der Zugang zu Kriegsgefangenen strikten Restriktionen, ebenso wie jegliche Berichterstattung über tote, verwundete, verletzte und kranke Soldaten der eigenen Streitkräfte. Das Kriegshandwerk im einzelnen sowie die furchtbaren Auswirkungen der Waffengewalt sollten vor der (Welt-)Öffentlichkeit soweit wie irgend möglich verborgen gehalten rsp. nur in homöopathischen Dosen zur Kenntnis gegeben werden (48).
Jürgen Rose über das aus militärisch-propagandistischer Sicht unerwünschte Bild des Krieges
Die Konsequenz war, daß die Medien „ended up sanitizing the war, by preferring to show victorious American soldiers rather than bloody, wounded or dead American or Iraqi soldiers” (49) und daß insbesondere die US-Medienanstalten “sugarcoated the horrors of war by avoiding gory pictures and using military jargon (“softening up Iraqi targets”) instead of direct, brutal, descriptive language (“killing Iraqis”).” (50)
So wies eine unter dem Rubrum »Project for Excellence in Journalism« angefertigte kommunikationswissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2003 nach, daß nicht ein einziger der von den eingebetteten Reportern abgelieferte Berichte Menschen zeigte, die von Kugeln oder durch andere Waffen verletzt worden waren (51).
Zusammenfassend läßt sich konstatieren, daß es dem US-Militär mittels seiner äußerst ausgeklügelten PR-Arbeit gelang, sicherzustellen, daß der Irak-Krieg 2003 zwar nicht absolut, aber nahezu nur insoweit abgelichtet werden konnte, wie es dem Pentagon paßte. Die Basis des Erfolgs bildete eine Doppelstrategie, nämlich einerseits wohlwollend gesonnene Medienvertreter nach allen Regeln der Kunst zu umgarnen und zu korrumpieren. Ein Washingtoner Redaktionsleiter schwärmte diesbezüglich: „The beauty of the embed program was that it served our needs and it served your needs.” (52) Andererseits wurden unabhängig recherchierende Reporter, die sogenannten „unilaterals“, insbesondere auch solche aus europäischen und arabischen Ländern, systematisch benachteiligt, behindert, schikaniert und in Einzelfällen auch massiven Bedrohungen für Leib und Leben ausgesetzt, wie die Bombardierungen von Al Jazeera und Abu Dhabi TV sowie der Beschuß des Hotels „Palestine“ illustrieren (53). Diese Verfahrensweise hatte zur Folge, daß dem Publikum zwar eine Fülle von selektiven Eindrücken über die Kampfhandlungen vermittelt wurden, es aber keine Chance besaß, die komplexe Realität des Krieges zu erfassen. Erzeugt wurde somit allenfalls die Illusion, am Krieg „beteiligt“ gewesen zu sein (54). Diese Einschätzung spiegelt sich auch in dem Umstand wider, daß von den insgesamt 775 „eingebetteten“ Reportern gerade einmal 40 bis 50 tatsächlich die Gelegenheit bekamen, „to see war in action“ (55).
Für die Medienberichterstattung in den USA insgesamt gilt, daß diese „durch ein hohes Maß an Patriotismus, Kriegsverherrlichung und in Extremfällen sogar durch Nationalchauvinismus gekennzeichnet [war]“ (56) und weiterhin ist. In diesen Kanon des nationalen Konsenses reihen sich fast alle Journalisten ein und tragen infolgedessen die Schere der Selbstzensur bereits im Kopf. Hinzu kommt, daß aus schlicht ökonomischem Überlegungen heraus „Affirmation statt Diskurs ... den meisten Medien als Erfolgsrezept im immer härter werdenden Konkurrenzkampf [gilt]“ (57). Dementsprechend einseitig verläuft die Meinungsbildung.
Jürgen Rose über das Wunder des meinungspolitischen Perpetuum mobile
Der zugrundeliegende Mechanismus läßt sich anhand eines Kreismodells beschreiben: „Der Kreis beginnt in einem ersten Schritt bei den Medien: Der von der Regierung vorgegebene politische Konsens wird in der Berichterstattung mehr oder weniger kritiklos transportiert. Zweiter Schritt: Den Zuschauern wird durch die Medien eine Meinungsrichtung vorgegeben. Entweder fühlen sie sich ohnehin bestätigt, oder aber sie passen sich der Meinung der Allgemeinheit an, aus Mangel an alternativen Informationsquellen oder weil dies gesellschaftlich opportun erscheint. Dritter Schritt: Die Zustimmung zum nationalen Konsens zeigt sich dann in Meinungsumfragen, durch die sich wiederum – im vierten Schritt – die Regierungsadministration bestätigt fühlt und in gewissen Teilen ihr Handeln danach ausrichtet. Im fünften Schritt wird das wiederum von den Medien wahrgenommen und erneut berichtet. Der Kreis schließt sich also und beginnt wieder von vorn: ein meinungspolitisches Perpetuum mobile.“ (58)
Beschleunigt und verstärkt wird dieser Kreislauf durch die im Satellitenzeitalter gegebene technische Möglichkeit zu »Real-Time-Coverage« und »Live-Reporting« rund um die Uhr, die gepaart mit den kommerziellen Zwängen der Medienwirtschaft dazu führt, daß die Schnelligkeit sowie die ökonomische Effizienz der Berichterstattung vor deren journalistischer Qualität rangiert. „Denn ein Reporter, der gerade »live« über ein Ereignis berichtet, kann nur schwerlich gleichzeitig recherchieren und verschieden, unter Umständen sich widersprechende Meinungen und Fakten zusammentragen und fundiert einordnen. ... Diese Nachrichtenphilosophie der Schnelligkeit wurde und wird vor allem bei den sogenannten »breaking news« deutlich, Nachrichtenkurzberichten, die das laufende Programm unterbrechen und so eine besondere Dringlichkeit oder Wichtigkeit implizieren.“ (59) Gemeinsam mit weiteren Faktoren (60) besteht das Resultat darin, daß weder über die völkerrechtsverachtende Kriegspolitik der Regierung noch über die barbarische Kriegführung durch das US-Militär der bitter notwendige kritischen Diskurs in der Öffentlichkeit stattfand und -findet.
Die US-Medien gerieren sich im Gegenteil in weiten Teilen als Sprachrohr des Weißen Hauses und des Pentagons. Dies liegt nicht zuletzt an der zuvor analysierten propagandagesättigten Medien- und Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und Streitkräften, die bis ins Detail geplant und auf die unterschiedlichen Medien und Adressatengruppen abgestimmt ist (61). In diesem Kontext ist hervorzuheben, daß seitens der US-Administration die Grenzen zwischen Gegenpropaganda und Täuschung nach außen sowie der PR nach innen zunehmend verwischt und dem Militär Aufgaben zugewiesen werden, die Diplomaten und andere zivile Experten kompetenter wahrnehmen könnten (62).
Darüber hinaus muß insbesondere die grundsätzliche Steuerung der Medienöffentlichkeit durch das US-Militär als problematisch erscheinen. Eine äußerst aufschlußreiche Analyse hierzu legte der pensionierte Oberst der US Air Force, Sam Gardiner, nach dem Irak-Krieg 2003 vor. In seiner „Study of Strategic Influence, Perception Management, Strategic Information Warfare and Strategic Psychological Operations in Gulf II“ (63) listete er über 50 Fälle auf, in denen auf der Basis einer äußerst bedacht ausgeklügelten „Gulf II Influence Strategy“ Meldungen, Nachrichten oder Berichte entweder komplett erfunden, inszeniert oder zumindest verfälscht wurden. So wurden beispielsweise auf Weisung des Weißen Hauses die irregulären irakischen Kampfverbände als „terroristische Todesschwadronen“ bezeichnet. Auch wurde behauptet, die Iraker setzten Kindersoldaten ein.
Auf einer Pressekonferenz des Pentagons wurde von irakischen Soldaten berichtet, die sich mit der weißen Flagge ergeben hätten. Als US-Marines sie gefangen nehmen wollten, hätten die Iraker das Feuer eröffnet. Diese und andere Kriegslügen sollten die Skrupellosigkeit des Gegners belegen. Zumeist wurden sie vorbehaltlos von den meisten US-Medien übernommen und verbreitet. Summa summarum demonstrieren solche Vorgänge, daß die „Massenmedien ... aus Sicht des Militärs von potentiellen Störfaktoren, die es zu instrumentalisieren gilt, zu willfährigen Helfern der Kriegführung avanciert [sind]. Die Medien selbst wurden zur Kriegswaffe.“ (64)
Diese Form regierungs- und militärgesteuerten Perzeptionsmanagements (65) wird kontinuierlich weiter betrieben. So beauftragte der vormalige US-Präsident George W. Bush seine Propaganda-Spezialisten mit der Ausarbeitung einer „Influence Strategy“ für den Atom-Konflikt mit dem Iran.
Jürgen Rose über das Feindbild Iran
Das konstruierte Bedrohungsszenario glich den erfundenen Kriegsgründen gegen Saddam Hussein. Im Zentrum stand die angebliche Gefahr durch iranische Atomwaffen, die indes bis dato überhaupt nicht existieren, sowie die Behauptung, das Regime in Teheran unterstütze den Terrorismus. Der damalige iranische Präsident wurde systematisch als neuer Dämon aufgebaut. Bush und seine Schergen sprachen von Mahmud Ahmadinedschad als einem iranischen Wiedergänger Adolf Hitlers.
Mochten auch im Dezember 2007 die US-Geheimdienste eine Prise Sand ins Getriebe gestreut haben, so lief doch die über nahezu ein Jahrhundert verfeinerte Maschinerie der Kriegspropaganda abermals wie geschmiert. Und selbst nachdem im Januar 2009 Barack Hussein Obama als neuer US-Präsident sein Amt angetreten hatte, blieb die militärische Angriffsoption ausdrücklich auf dem Tisch – bis auf den heutigen Tag. Desgleichen wurden und werden in den Fällen Nordkorea, Libyen und ganz aktuell Syrien die dereinst schon von Kurt Tucholsky scharf angeprangerten Methoden der „beharrliche Bearbeitung der Massen“, mit denen „diese Tätigkeit des Mordens … als etwas Sittliches hingestellt“ wird, skrupellos eingesetzt. Angesichts dessen bleiben wir gefordert, als demokratische Staatsbürger und in unserer ganzen Person, beides – die Verfassung und den Frieden – zu verteidigen gegen die „schmutzige Zumutung der Macht an den Geist“, die einem Apercu des großen Karl Kraus zufolge darin besteht, „Lüge für Wahrheit, Unrecht für Recht, Tollwut für Vernunft zu halten.“ (PK)
Empfehlung:
Jürgen Rose
"Ernstfall Angriffskrieg. Frieden schaffen mit aller Gewalt?"
Taschenbuch, 268 Seiten, Verlag Ossietzky 2009, 20 Euro
Fussnoten:
38 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.41 (Hervorhebung durch den Verfasser).
39 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.41f.
40 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.51.
41 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.44.
42 Tatsächlich wurden ungefähr 26 Reporter “disembedded”; vgl. Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.41.
43 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46.
44 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46.
45 SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46.
46 Zur Veröffentlichung freigegebene Informationen siehe SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.46f.
47 Zur Veröffentlichung nicht freigegebene Informationen siehe SECDEF WASHINGTON DC//OASD-PA//: op. cit., in: Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S.47ff.
48 Vgl. Hartwig, Stefan: a.a.O., S. 519 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.70ff.
49 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.62.
50 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.71.
51 Vgl. Elter, Andreas: a.a.O., S.301.
52 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.59f.
53 Vgl. Virchow, Fabian/Thomas, Tanja: a.a.O., S. 3 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.50ff, S.69.
54 Vgl. Reeb, Hans-Joachim: a.a.O., S. 27, Anonym (-MM-): Embedded Journalists – der Wahrheit näher?, in: Truppendienst, 6/2003, S. 524 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.35ff, S.61f, S.66f.
55 Shepard, Alicia C.: a.a.O., S.23.
56 Elter, Andreas: a.a.O., S.336.
57 Elter, Andreas: a.a.O., S.338.
58 Elter, Andreas: a.a.O., S.340f.
59 Elter, Andreas: a.a.O., S. 342f und S.345.
60 Vgl. Elter, Andreas: a.a.O., S. 351 sowie Kladzinski, Magdalena: Mediale Gestaltungsprinzipien. Wie der Krieg in Bildschirmmedien dargestellt wird, in: Büttner, Christian/Gottberg, Joachim von/ Kladzinski, Magdalena (Hrsg.): op. cit., S.37-57.
61 Vgl. Elter, Andreas: a.a.O., S.351.
62 Vgl. Szukala, Andrea: Medien und öffentliche Meinung im Irakkrieg, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 2425/2003, S.29.
63 Gardiner, Sam: Truth from These Podia. Summary of a Study of Strategic Influence, Perception Management, Strategic Information Warfare and Strategic Psychological Operations in Gulf II, October 8, 2003; im Internet unter:
http://www.usnews.com/usnews/politics/whispers/documents/truth_1.pdf und http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB177/Info%20Operations%20Roadmap%20Truth%20from%20These%20Podia.pdf [08.07.2006].
64 Vgl. Bussemer, Thymian: a.a.O., S. 20 sowie Shepard, Alicia C.: a.a.O., S. 13.
65 Vgl. hierzu Elter, Andreas: a.a.O., S. 305ff.
Hinweise:
Vortrag "Die Medienkrieger"
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19618
Teil 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19623
Vortrag "Enteignung von 99 Prozent der Menschheit" von Klaus Hartmann
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19848
Vortrag "Fotografie als Waffe" von Anneliese Fikentscher
Teil 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19673
Teil 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19697
Teil 3: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19722
Teil 4: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19747
Teil 5: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19792
Teil 6: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19818
NRhZ zur Ausstellung "Wacht auf, Verdammte dieser Erde"
Fotogalerie 1: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19347
Fotogalerie 2: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19375
Dokumentation der Aktivitäten zum 35jährigen Bestehen des Bundesverbands Arbeiterfotografie: http://www.arbeiterfotografie.com/35jahre
Online-Flyer Nr. 431 vom 06.11.2013