NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

Fenster schließen

Lokales
Der Kölner Kardinal, das Kapital, die Korruption
Briefwechsel mit Erzbischof Meisner
Von Werner Rügemer

Nach dem Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der seine von Papst Franziskus verordnete Auszeit nun in einem bayerischen Benediktinerkloster verbringt, wird nach der Kritik an sexuellen Missbräuchen in der katholischen Kirche nun in den Medien deren Reichtum und Protzen mit demselben kritisiert. "Aber nie", so der Publizist, Sachbuchautor und Kölner Karls-Preis-Träger Werner Rügemer in einer Mail an die NRhZ, "wird bisher die reaktionäre politische Rolle der katholischen Kirche als Stütze und Mitspieler des gegenwärtigen Kapitalismus dargestellt". Deshalb schickte er uns das entsprechende Kapitel aus seinem Buch "COLONIA CORRUPTA", das wir hier veröffentlichen.
 

Erzbischof Joachim Kardinal Meisner
NRhZ-Archiv
I. „Er wurde uns von Gott geschenkt“: Konrad Adenauer
 
Zum 125. Geburtstag des CDU-Gründungsvaters Konrad Adenauer am 5. Januar 2001 fand sich in der Sondersitzung des Kölner Stadtrates auch die CDU-Bundes- und Landesprominenz ein und versammelte sich um die Adenauer-Familie und den Kölner Weihbischof Manfred Melzer, der sich im violetten Ornat auf eines der Ratsherrenstühlchen zwängte. Alfred Freiherr von Oppenheim, bei dessen Bank Jubilar Adenauer nach 1945 die schwarzen CDU-Konten führte, faltete im Hintergrund zufrieden seine Hände über der Seidenbrust. Ein Enkel namens Konrad Adenauer zählte in der Festrede unverblümt die zahlreichen Verwandten auf, die sein Grossvater in die Stadtverwaltung einschleuste, so den Schwager Willi Suth als Kämmerer, Nichte Hanna als Stadtkonservatorin und die verschwägerten Beigeordneten Greven und Berndorff. Die Versammlung grinste bei der Bemerkung, dass „Fremde“ sowas „als Klüngel“ bezeichnen, und spendete lachend selbstgefälligen Beifall.
 

Von Gott geschenkt – Konrad Adenauer
NRhZ-Archiv
„Wir danken heute Gott, dass er uns Konrad Adenauer geschenkt hat“, predigte anschließend Erzbischof Joachim Kardinal Meisner beim Pontifikalamt im Dom. Enkel Konrad durfte hier aus dem 1. Johannesbrief vorlesen: „Meine Brüder! Wenn einer Vermögen hat und nicht mit seinem armen Bruder teilt...“ Dabei wird er in seiner Verzückung kaum daran gedacht haben, dass Anfang der 30er Jahre Kölner Arbeitslose in der Max-Bruch-Straße vor dem Anwesen ihres reichen Oberbürger-meisters immer wieder um Brot bettelten, erfolglos, und dass Adenauer antichristlich den Polizeipräsidenten zur Entfernung der armen Brüder aufforderte.
 Ich führte daraufhin mit Erzbischof Meisner einen Briefwechsel. Ich darf ihn leider nur zitatweise wiedergeben. Der Hirte Adenauers hat mir, nachdem ich ihn informierte, dass ich den Briefwechsel dem Urteil des Publikums unterbreiten wolle, dies untersagt. Briefe seien nämlich eine Form der „bilateralen Kommunikation“, die „an sich“ nicht den Charakter einer öffentlichen Auseinandersetzung“ habe. So ließ es der katholische Oberhirte durch seinen Erzbischöflichen Kaplan und Geheimsekretär Dominik Schwaderlapp ausrichten, gewiss geleitet von nichts als der Wahrheitsliebe, die man bei einem Würdenträger mit dem offiziellen Titel eines Geheimsekretärs wohl auch annehmen muss. So darf ich, weltlich gesetzestreu, nur einige Zitate aus unserer „bilateralen Kommunikation“ wiedergeben.
 
Vergebung für die Sünden des Kölner OB Konrad Adenauer
 
Ich erinnerte im ersten Brief an Meisners Pontifikalpredigt im Dom. „Sie hatten“, sprach ich den Bischof der nach Chicago zweitreichsten Diözese des bisher bekannten Weltalls an, „auch vermerkt, dass ein Volk sich glücklich preisen kann, das von einem Kanzler regiert wird, über dessen Bett, wie in Adenauers Schlafzimmer, das Jesus-Kreuz hängt.“ Ich informierte den Erzbischof über einige Untaten seines Schäfchens, wobei ich mich freiwillig, um nicht auszuufern, auf dessen Zeit als Oberbürgermeister der Domstadt beschränkte(1), fragte, ob er, der Erzbischof, über andere historische Daten verfüge oder meine Darstellung anzweifle. Ich fragte ihn schließlich: „Halten Sie an der Gotteslästerung von Adenauer als Gottesgeschenk fest?“ 
 
Geheimsekretär Dominik Schwaderlapp stellte im Auftrag seines Kardinals „zunächst grundsätzlich“ fest, „dass jeder Mensch ein Sünder ist, Konrad Adenauer nicht ausgenommen“. Auf die Frage, ob der Erzbischof andere Erkenntnisse über sein Schäfchen habe oder meine Erkenntnisse anzweifle, ging er nicht ein. Von Sünde hatte ich übrigens nicht gesprochen, ganz unabhängig davon, dass nach Adenauerscher Beichttafel und katholischem Katechismus Selbstbereiche- rung, Insidergeschäfte und die Haltung schwarzer Kassen, aber auch etwa Korruption im engeren Sinne immer noch nicht im kirchlichen Sündenregister aufgeführt sind.
Aber Erzbischof/Schwaderlapp, beide vehemente Propagandisten des Opus Dei, redeten ungefragt weiter von Sünden. „Doch wo und wann er sündhaft gehandelt hat, das möge Gott, den wir als Richter der Lebenden und Toten bekennen, beurteilen“. Die heilige Messe, wie die für Adenauer im Dom, habe ja den Sinn, so die bilateralen Kommunikanten, für die Verstorbenen zu beten, damit Gott das Gute ihres Lebens annehme und das Sündhafte verzeihe. Dann fuhren sie fort: „Bei allem, was es an dunklen Punkten im Leben Adenauers gegeben haben mag, so können doch darüber hinaus nicht seine objektiven Verdienste vergessen werden.“

Geheimsekretär Dominik Schwaderlapp
Quelle: DomRadio
 
Der Erzbischof und sein Schwaderlapp hatten ja vorgebracht, dass nur Gott Gutes und Böses beurteilen könne. Nun kamen sie plötzlich mit „objektiven Verdiensten“, die sie frech selbst zu beurteilen sich herausnahmen. War das nicht schon, wenn man jedenfalls ihrer Theologie folgt, die nächste Gotteslästerung? Sollten sie damit etwa die Kursgewinne ihres ebenso sündigen wie erfolgreichen Aktienspekulanten-Schäfchens meinen? Sie ließen das vollständig im Dunkeln, meinten aber gewiss, deutlich genug geworden zu sein. Mit „objektiven Verdiensten“ meinten sie wahrscheinlich die Gründung der Bundesrepublik Deutschland oder den Kölner Grüngürtel oder so was. Sie kamen zum Schluss: „Und da diese Verdienste Adenauers nicht ohne Gottes Hilfe zu denken sind, ist es durchaus keine ‚Gotteslästerung‘, ihn als Geschenk Gottes zu bezeichnen.“
 
Werden also auch Adolf Hitler alle Sünden vergeben?
 
Ich gab mich damit nicht zufrieden. „Aus der kirchlichen Lehre“, schrieb ich dem Erzbischof in einem zweiten Brief, „auch aus dem früher selbst erlittenen katholischen Religionsunterricht, der allerdings einer gewissen spielerischen, freilich auch trügerischen Heiterkeit nicht entbehrte, kenne ich die Auffassung, dass der Mensch sich in diesem Leben bewähren müsse, dass er am Ende beurteilt werde und auch scheitern könne, also katholisch gesprochen, nicht in den Himmel, sondern in die Hölle komme. Ich kann mich auch erinnern, dass es etwas gibt, das zwischen beidem liegt, das Fegefeuer, das für diejenigen bestimmt ist, deren Scheitern mildernde Umstände zugebilligt werden.“ Ob Adenauer vielleicht im Fegefeuer sei, fragte ich? Wie komme es, dass der Erzbischof die Sünden dieses seines Schäfchens nicht beurteilen könne, die „objektiven Verdienste“ aber doch?
Und wie stehe es dann etwa mit den „Sünden“ Adolf Hitlers? Würden auch sie vergeben, während dessen „objektive Verdienste“ um die deutschen Autobahnen und um das Konkordat mit der katholischen Kirche doch wohl anerkannt würden? Wenn man, fragte ich weiter, die wirtschaftskriminellen Praktiken von christlichen Unternehmern und Politikern als Sünden und als menschlich nicht beurteilbar ansehe, dann könne man doch nie zum Beispiel etwas gegen Korruption tun? Besage denn das Neue Testament nicht etwas anderes? Ich erwarte nun, mahnte ich, auf eine genaue Antwort und beendete meinen Brief an den mit dem Gehalt eines Bundeswehrgenerals beamtenmäßig ausgehaltenen Gottesdiener: „Mit Grüßen im Namen von Wahrheit und Demokratie“. 
Für die Abfassung seiner Antwort in unserer trilateralen Kommunikation beauftragte der Ausgehaltene nicht mehr seinen bewährten Geheimsekretär Schwaderlapp, sondern einen seiner leibhaftigen Doktores der Theologie, der dem „Referat für Glaubensfragen und Ökumene“ vorsteht. Würde der Kirchengeneral nun also aus dem Bereich der Diplomatie in die der Theologie wechseln? Das Wesentliche habe mir Kaplan Schwaderlapp ja bereits geschrieben, schrieb nun Dr. Raimund Lülsdorff. Er legte dann theologisch nach, wiederholend, dass die Kirche nicht die Aufgabe habe, die Schwächen der Menschen ans Licht zu zerren, sondern sie in Gottes Hand zu legen, der „gerecht und barmherzig zugleich“ sei. „Die Kirche tendiert zu dieser Sichtweise, und zwar nicht zuletzt im Blick auf das Neue Testament, wo die Erlösung, die Christus uns erworben hat, geradezu definiert wird als ‚Vergebung der Sünden‘ (Lk 1,77; Eph 1,7; Kol 1,14 u.a.)“.

Dr. Raimund Lülsdorff.
Quelle: kathpedia.com
 
Der Erzbischof und sein Lülsdorff steuerten auf das Ende zu und kamen, so mein Gefühl, theologisch allerdings ins Schleudern: „Sollte es Ihnen wirklich um Wahrheit und Demokratie gehen, dann schlage ich vor, dass Sie sich an die Meinung der Fachwissenschaftler wie auch des demokratisch verfassten Volkes halten.“ Wahrheit und Demokratie? Seit wann beriefen sie sich darauf? Und auf die Meinung „der Fachwissenschaftler“? Da gibt es bekanntlich solche und andere. Der Adenauer-Lobredner und sein Leiter des Referats für Glaubensfragen und Ökumene kannten offensichtlich nur solche oder nur andere. Welche meinten sie? Aber vor allem diese theologische Neuschöpfung: „demokratisch verfasstes Volk“! Was war das für ein bisher unbekanntes Wesen? Von so einer Geschwulst hatte doch nicht einmal ihr sündiger Adenauer gefaselt?
 
Doktor Lülsdorff kam auftragsgemäß zum unbarmherzigen Schluss: „Den Versuch, unseren Erzbischof zu abfälligen Bemerkungen über Adenauer zu drängen, halte ich jedenfalls für fruchtlos. Insofern betrachte ich unseren Briefwechsel hiermit als beendet.“ Diesmal ohne Segenswünsche entließ mich der unbarmherzige Theologe weltlich „mit freundlichen Grüßen“. 
Abfällige Bemerkungen über Adenauer hatte ich doch gar nicht machen wollen. Auch bin Ich kein Kritiker, sondern ich will die Wahrheit. Aber fruchtlos, der Briefwechsel war beendet. Damit er vollständig dem wie auch immer gearteten Weltgericht vorgelegt werden kann, werde ich Kopien dem Vatikan-Archiv in Rom ebenso übergeben wie dem Archiv der International Association Antonio Gramsci in New York. Denn wer weiß, was der nach eigenem Eingeständnis sündige Kölner Erzbischof und sein Geheimsekretär mit unserem Briefwechsel vorhaben und wie voreilig ihr kölscher Privatgott mit dem Segen des Opus Dei ihnen dann verzeiht?(2)
 
II. Warum Mannesmann-Chef Klaus Esser mit sich und Gott im Reinen ist...
 
Wenn der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner gegen „entartete Kunst“ oder gegen Schwangerschaftsabbruch und Moralverfall polemisiert, dann leuchten die Augen der großen Medienmacher. Bei solchen Dingen darf man den reaktionären Kardinal kritisieren, denn er geht doch manchmal ein bißchen zu weit über die öffentlich gepredigte political correctness hinaus. 
Andere Aktivitäten des Kardinals und seines militanten Opus-Dei-Stoßtrupps werden allerdings im gnädigen Dunkel belassen. Über die jährlichen Militär-Gottesdienste im Kölner Dom mit dem Lob für die friedensstiftende Tätigkeit der im vollen Wichs angetretenen Abordnungen der NATO-Staaten schweigt der medialen Sänger Höflichkeit. Vor allem die tiefe wechselseitige Durchdringung von Kirche und Kapital bleibt merkwürdig unbeachtet. 
Dem Abbau des Sozialstaats und der Entwürdigung der Arbeitslosen stimmt auch die katholische Kirche zu. Mehr noch – sie zieht dieselben Maßnahmen auch im Unternehmen Kirche durch. So manche Kirchenmitglieder verdünnisieren sich, leise, ohne äußerliche Empörung, Kirchenaustritte nehmen kein Ende. Die staatlich einkassierten Zwangsabgaben, die Kirchensteuern, nehmen ab. Deshalb holte Meisner die Unternehmensberater von McKinsey ins Haus, um Personal entlassen zu können. McKinsey kann man gut und gern als Opus Dei des Kapitals bezeichnen: beide arbeiten als elitäre, verschworene, einflussreiche Gemeinschaft, die ihren Gewinn daraus zieht, die Privilegien anderer Elitengruppen abzusichern. Das Erzbistum streicht laufend das Geld für die Tätigkeit der vielen Tausend Laien in den Kirchengemeinden, während die Führungsebene gestärkt wird. Ein Verzicht z.B. des Kardinals auf wenigstens einen kleinen Teil seines Generals-Gehalts ist nicht bekannt geworden. 
Obwohl das Erzbistum die Sparmaßnahmen mit rückläufigen Kirchensteuern begründet, verzichtet es auf mögliche Steuereinnahmen, auf ganz bestimmte jedenfalls. Großverdiener werden zulasten der Kirchenkasse bevorzugt behandelt. So hatte der damalige Vorstandssprecher des Mannesmann-Konzerns, Klaus Esser, vor dem Düsseldorfer Gericht, als er mit Deutsche Bank-Chef Ackermann der Untreue angeklagt war, die etwas merkwürdige Bemerkung gemacht: „Ich bin mit mir und dem lieben Gott im Reinen.“ Das wurde zwar in den Medien zitiert, aber es blieb unklar, was diese marottenhaft scheinende Bemerkung bedeutete.  
Bekanntlich hatte Esser auf Vorschlag des Mannesmann-Hauptaktionärs Li Kasching aus Hongkong, der durch Essers Verhandlungsführung mit dem Aufkäufer Vodafon etwa 8 Milliarden Euro „verdient“ hatte, aus der Mannesmann-Kasse eine etwas unkoschere 16-Millionen-Euro-Prämie bekommen, zusätzlich zu seiner Abfindung von 15 Millionen, was angesichts der Tatsache, dass Esser nur ein halbes Jahr im Amt war, zusätzlich befremden könnte.(3) Es stellte sich heraus: Esser hatte die milde Gabe zunächst ordentlich versteuern müssen. Da er als sogenannter Verantwortungs- und Leistungsträger einen gewissen höheren Rückhalt braucht, ist er gleichzeitig ein gläubiger Katholik. Deshalb hatte das Finanzamt dem Kirchenmitglied von den 30 Millionen auch die Kirchensteuer abgezogen. Das waren immerhin etwa 500.000 Euro.
 

Klaus Esser – noch bei Mannesmann
NRhZ-Archiv
Das sind zwar bei diesen Millioneneinkommen nur pea nuts, auf die ein guter Katholik wie Esser sicher gerne verzichtet - so könnte Lieschen Deutschmüller, die z.B. als Sekretärin bei Mannesmann arbeitet oder arbeitete, meinen. Immerhin kommt er ja auf diese Weise mit sich und Gott ins Reine. Das wäre aber eine Verkennung der kapitalistischen deutschen Psyche. Klaus Esser ist ja in seinem Leben so weit und hoch und zu seiner Prämie gekommen, im Unterschied zur Sekretärin, weil er nicht so denkt wie Lieschen Deutschmüller und bei seinem Denken bzw. Nichtdenken immer auch von seiner Kirche unterstützt wird.
Deshalb auch stellte Esser beim Erzbistum Köln den Antrag, dass ihm 50 Prozent der Kirchensteuer zurückerstattet werde. Die Kirche gewähre ja Lohnabhängigen – z.B. den Verkäuferinnen, die bei Karstadt neulich entlassen wurden, so argumentierte er - für Abfindungen auch eine solche Rückerstattung, damit sie unter ihrer Entlassung nicht zusätzlich zu leiden haben. Esser forderte Gleichheit vor dem Gesetz. 
Der Erlass-Ausschuss des Kirchensteuerrats – da gibt es also einen eigenen Erlass-Ausschuss! - des Kölner Erzbistums ließ Esser ganz selbstverständlich die Viertelmillion Euro Kirchensteuer erstatten, damit er vor Gesetz und Gott gleich sei mit der entlassenen Karstadt-Verkäuferin. Deswegen und wegen ähnlicher Gerechtigkeitsfälle konnte für einige Kindergärtnerinnen nun natürlich der Arbeitsplatz im erzbischöflichen Kindergarten nicht mehr bezahlt werden. Und deswegen musste (musste!) der Kardinal dann McKinsey zu Hilfe rufen. Und so war Klaus Esser mit sich und dem lieben Gott im Reinen. 
So ganz bereinigt war die Angelegenheit offensichtlich doch nicht. Es schien Schaden entstanden zu sein. Denn nach meiner Veröffentlichung mahnte mich der Generalvikar des Erzbistums Köln, Norbert Feldhoff, verbunden mit dem Hinweis, dass er auch den Intendanten des WDR, Fritz Pleitgen, ebenso habe ermahnen müssen, „das Thema Kirchensteuer zukünftig sensibler zu behandeln, damit materieller und immaterieller Schaden abgewendet wird.“(4) 
Bleibt die vom Herrn Generalvikar unbeantwortete Frage, wem bei der Steuerrückzahlung ein materieller und immaterieller Schaden wohl entstanden sein könnte?
 
III. Schöner wohnen an St. Ursula
 
Es verwundert wohl nur naive Zeitgenossen, die nicht durch das katholische Fegefeuer gegangen sind, dass in der Kirche und in Meisners Erzbistum kirchliches Vermögen an sogenannte Investoren verschleudert wird. Unbezweifelbar ist, dass sich die Kirchen unter des Kardinals und seines Generalvikars Obhut innerlich und äußerlich leeren bzw. anders füllen. Wie schon erwähnt, gehen vor allem die ärmeren Schäfchen nicht mehr so gern und zahlreich in ihre Kirche, weil diese gar nicht mehr so recht ihre Kirche ist. Zudem fällt für die besser Betuchten wegen ihrer globalisierten Drittwohn- und Feriensitze auch weniger Zeit für traditionelle Kirchengänge ab. 
Zum Beispiel im gemütlichen Kölner Einfamilienhaus-Vorort Hürth, der mit dem Spruch „Weltoffen und tolerant“ für sich wirbt, stand die Kirche St. Ursula immer leerer da; auch war sie reparaturbedürftig geworden. Deshalb wurde sie an den Investor Bernd Reiter und an seine Bernd Reiter Zukunftsorientierte Planungs GmbH verkauft. Wobei das für einen Investor Interessante auch oder vor allem die dazugehörigen Grundstücke waren. 
Genau genommen bekam der Investor die Kirche ganz umsonst und die Grundstücke drumherum für eine Million Euro. Investor Reiter, auch Vorsitzender des Kunstvereins Hürth, erhielt eine Genehmigung für den Umbau der Kirche, damit er dort nach Investorenart seine private Kunstsammlung „Royal Spirit – Könige der Herzen“ der Öffentlichkeit im passenden Ambiente einer „Kunstkirche“ präsentieren kann. Aus solchen Gründen gehen auch die Betuchteren unter den Schäfchen wieder häufiger in die umgebaute und umgewidmete Kirche. Reiter verkaufte die voll erschlossenen und baureifen Grundstücke gleich weiter an den nächsten Investor, und zwar für 1,5 Millionen Euro. So hatte also die Kirchengemeinde nicht nur ihre Kirche verschenkt, sondern auch noch eine halbe Million Euro dazu.

Sankt Ursula und die Grundstücke drumherum
Quelle: Wikimedia
 
Der neue Investor errichtet nun auf dem Grundstück mit Blick auf das kirchliche Gemäuer 27 Eigentumswohnungen der gehobenen Art. Er wirbt mit dem besonderen Ambiente alter Kirchenmauern um die Toskana-Fraktion künftiger Wohnungskäufer. Dass es dabei sprachlich aufgeblasen etwas durcheinander geht, stört in diesem Milieu offensichtlich niemand: „Carree Campanile – Wohnen an St. Ursula“, heißt das Werbemotto. 
So manche gute Christen der alten Art regen sich über diese „Profanierung“ ihrer Kirche auf. Sie schrieben an den Kardinal und mahnten an, dass z.B. die nun mitverschenkten Glocken des „Campanile“ ganz durch Spenden von Kirchenmitgliedern bezahlt wurden und dass zukünftige Spenden demnächst an nicht-katholische Organisation gehen werden. Dieser zarte und ganz innerkirchlich bleibende Protest hatte selbstverständlich keine Wirkung, der Kardinal blieb ungerührt. 
Architekten, die mit dem Erzbistum eng verbunden sind, mahnten an, dass die Kirche mit dieser Profanierung nichts Gutes für ihr Image getan habe. Auch finanziell habe sie schlecht gehandelt: Die Grundstücke hätten auch durch Erbpacht an den Investor vergeben werden können. Damit hätte die Kirche mehr Einnahmen bekommen, womit zusätzlich auch das Kirchengebäude hätte erhalten werden können. Auch diese kundigen Argumente verhallten selbstverständlich ungehört. Das liegt auch daran, dass diese katholischen Architekten sich lieber in den Arsch beißen als ihre Kritik an die Öffentlichkeit zu bringen. In Meisners autokratisch geführtem Bistum herrscht ein Angstregime, dem sich auch ansonsten selbstbewusst auftretende Profis mit krummem Rücken unterwerfen.
 
Ein Ort des Dialogs würde nur stören
 
Damit sowas und die Kollaboration der Kirche mit den Sozialstaats-Demonteuren und Arbeitslosen-Beleidigern und künstlerisch drapierten Raffkes nicht kritisiert werden können sollen, räumt Meisners Truppe mit potentiellen Kritikern im eigenen Hause auf. Da ist z.B. das Katholisch-Soziale Institut (KSI). Es wurde 1947 in der Trägerschaft des Kölner Erzbistums als Einrichtung der Erwachsenenbildung gegründet. Es hat seinen Sitz in Bad Honnef, südlich von Köln. Es möchte die „Menschen zu einem christlichen, wertbezogenen Handeln“ befähigen, will „ein Ort des Dialogs zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Kräften“ sein. Das mag harmlos klingen, aber bei Meisner und seinem Opus Dei klingeln da die Alarmglocken. Auch in den Augen von McKinsey dürfte es sich beim KSI nicht um eine lohnende betriebswirtschaftliche Veranstaltung handeln. 

Als das KSI 1997 das „Sozialwort“ der beiden Großkirchen mitorganisierte und dabei einige Kritik an der wachsenden Kluft zwischen arm und reich einfloss, da war der Anfang vom Ende eingeläutet. Gar nicht zu reden von der „Akademie für Querdenker“, die im letzten Jahrzehnt jährlich im KSI stattfand und wozu auch leibhaftige Kapitalismuskritiker und Alternativ-Nachdenker eingeladen wurden. Man bedenke: wenn in den regelmäßigen einjährigen Lehrgängen zum kirchlichen „Sozialsekretär“ kritische Gedanken unter katholischen Betriebsräten und Mitarbeitervertretern um sich greifen – wohin kann das führen? Wie soll da den herausragenden Schäfchen wie Klaus Esser und Bernd Reiter zukünftig Gerechtigkeit widerfahren? 
Der Kardinal hat im 60. Jahr des nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch international geschätzten Instituts aus unheiterem Himmel eine „Satzungsreform“ durchgedrückt. „Reform“ - diese Sprache ist der Politik entlehnt, die jegliche Verschlechterung für die Mehrheit der Menschen als „Reform“ ausgibt. Diese „Reform“ ist ein „Diktat“ und ein „Schlag gegen die Partizipation in der Kirche“, sagt vielmehr Walter Bitter vom bisherigen KSI-Vorstand. Der Vorstand soll nach der „Reform“ nämlich in seiner bisherigen Entscheidungsfunktion ersatzlos gestrichen werden, ebenso die Mitgliederversammlung. Alle bisherigen Mitwirkungsrechte von Laien sind abgeschafft. 
Der neue Vorstand hat lediglich beratende Funktion. Alleiniger Entscheider und Herrscher soll ein Vorstandschef werden. Der Kardinal hat auch seinen treuen Diener, den ehemaligen Generalvikar Norbert Feldhoff, auf diesen Posten gehievt – Feldhoff ist der langjährige Finanzchef des Erzbistums, ein geschmeidiger, geschäftstüchtiger Mann, dem Kardinal geistesverwandt. Er zieht lieber die Fäden hinter den Kulissen, lobt allerdings öffentlich dezent die Vorteile des Kölschen Klüngels. Meisners rechte, sehr rechte Hand, der neue Generalvikar Dominikus Schwaderlapp, hat wegen der aufgekommenen Kritik in einem Brief an Feldhoff ein in der Satzung nicht genanntes Gremium ins Spiel gebracht, das man im KSI vielleicht noch gründen könne, einen „Freundeskreis“: In diesem könne doch, so die schmierige Formulierung, „die emotionale, affektive und emphatische Anbindung der bisherigen Institutsmitglieder weiter gepflegt werden“.(PK)
 
(1) Vgl. das Kapitel „Die heimlichen Geschäfte des Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer“
 
(2) Nach dem Briefwechsel wurde Geheimsekretär Dominik Schwaderlapp als Nachfolger von Norbert Feldhoff zum Generalvikar (=Verwaltungschef) des Erzbistums Köln ernannt, dann von Papst Woytila zum „Ehrenprälat seiner Heiligkeit“ in Rom, dann von Papst Ratzinger zum Kölner Weihbischof. Ebenfalls wurde er zum „Komtur des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem“ ernannt.
 
(3) Als im Jahre 2000 der Vodafon-Konzern den Mannesmann-Konzern aufkaufte und Mannesmann-Vorstandsvorsitzender Esser in seinem Konzem für die Zustimmung sorgte, erhielten er, der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Funke und weitere Mitglieder des Topmanagements insgesamt etwa 57 Millionen Euro an Belohnungen. Im gerichtlichen Verfahren, das sich zwischen 2004 und 2006 hinzog, wurde Esser vom Vorwurf der Selbstbereicherung freigesprochen; er forderte dann ein Schmerzensgeld wegen „Vorverurteilung“ durch die Staatsanwälte.
 
(4) Erzbistum Köln, Generalvikariat an Dr. Werner Rügemer, 30.3.2004; sein gutes Verhältnis zum Kölschen Klüngel offenbarte Norbert Feldhoff später, vgl. das Kapitel „Anschwellendes Lob des Kölschen Klüngels“
 
Werner Rügemers Buch über Globalisierung, Privatisierung und Korruption im Schatten des Kölner Klüngels erschien 2012 in siebter überarbeiteter und erweiterter Auflage im Verlag Westfälisches Dampfboot, 215 Seiten, € 19,90, 215 Seiten, ISBN: 978-3-89691-525-2


Online-Flyer Nr. 431  vom 06.11.2013



Startseite           nach oben