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Werbe- und Propagandaveranstaltungen der Bundeswehr in Schulen
"Karriereberatung" durch "Jugendoffiziere"
Von Hans Georg
Die Bundeswehr bereitet für das erste Quartal dieses Jahres mehr als 800 Werbe- und Propagandaveranstaltungen vor. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei hervor. Der überwiegende Teil der darin aufgelisteten Aktivitäten des deutschen Militärs dient der Rekrutierung von oft noch minderjährigen Jugendlichen. Dagegen formiert sich breiter gesellschaftlicher Widerstand. Mittlerweile haben sich bundesweit zehn Schulen für "militärfrei" erklärt; drei von ihnen wurden dafür im vergangenen Jahr mit dem renommierten "Aachener Friedenspreis" ausgezeichnet.
Online-Flyer Nr. 441 vom 15.01.2014
Werbe- und Propagandaveranstaltungen der Bundeswehr in Schulen
"Karriereberatung" durch "Jugendoffiziere"
Von Hans Georg
Die Bundeswehr bereitet für das erste Quartal dieses Jahres mehr als 800 Werbe- und Propagandaveranstaltungen vor. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei hervor. Der überwiegende Teil der darin aufgelisteten Aktivitäten des deutschen Militärs dient der Rekrutierung von oft noch minderjährigen Jugendlichen. Dagegen formiert sich breiter gesellschaftlicher Widerstand. Mittlerweile haben sich bundesweit zehn Schulen für "militärfrei" erklärt; drei von ihnen wurden dafür im vergangenen Jahr mit dem renommierten "Aachener Friedenspreis" ausgezeichnet.
Schüler und Lehrer der Käthe-Kollwitz-Schule in Offenbach am Main – ausgezeichnet mit dem "Aachener Friedenspreis"
Quelle: offenbach.de
Die von mehreren Gewerkschaften unterstützte Initiative "Schulfrei für die Bundeswehr - Lernen für den Frieden" veranstaltet Ende dieses Monats eine "Aktionskonferenz", die sich insbesondere gegen "Kooperationsvereinbarungen" wendet, wie sie zwischen den Kultusministerien der Länder und der Bundeswehr geschlossen wurden. Auch die Kinderrechtsorganisation "Terre des Hommes" kritisiert die Propagandaoffensive des Militärs scharf und fordert den ultimativen "Stopp jeder Art von militärischer Werbung und Rekrutierung bei Minderjährigen".
Bundeswehr-PR
Wie die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei mitteilt, richten sich die mehr als 800 Werbe- und Propagandaveranstaltungen überwiegend an Kinder und Jugendliche, die für den Dienst in den deutschen Streitkräften rekrutiert werden sollen. So besuchen die für die Personalwerbung zuständigen "Karriereberater" des Militärs rund 120 gewerbliche Messen und Ausstellungen, 200 Schulen und 140 bei den Arbeitsagenturen angesiedelte "Jobcenter" respektive "Berufsinformationszentren". Hinzu kommen mehr als 160 Auftritte der "Jugendoffiziere" der Bundeswehr, die insbesondere mit der militärpolitischen Propaganda gegenüber Schülern befasst sind. Sie bieten unter anderem "sicherheitspolitische Seminare" im Rahmen des Politik- und Sozialkundeunterrichts an und organisieren das meist mehrere Tage dauernde Strategiespiel "POL+IS" ("Politik und Internationale Sicherheit").[1] Hierbei werden nicht zuletzt militärische Gewaltmaßnahmen simuliert - bis hin zur Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen (german-foreign-policy.com berichtete [2]).
Zugang zu Schulen: "Selbstverständlich"
Die neuerliche Propaganda- und Werbeoffensive der deutschen Streitkräfte entspricht der Neuausrichtung der Truppe zur global agierenden Interventions- und Besatzungsarmee, die ihren Personalbedarf nicht mehr aus Wehrpflichtigen, sondern aus Freiwilligen deckt. Grundlegend hierfür ist wiederum die Akzeptanz von Militär und militärischer Gewalt bei der Bevölkerung im Allgemeinen und bei potenziellen Rekruten im Besonderen. Der unlängst zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD vereinbarte Koalitionsvertrag trägt dieser Strategie explizit Rechnung. Wörtlich heißt es hier: "Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich."[3]
Jugendliches Unverständnis
Auch den "Jugendoffizieren" selbst erscheint es dringend erforderlich, die militärpolitische Propaganda zu forcieren, um die von der Berliner Führung gewünschten Einstellungen bei Schülern durchzusetzen. So beklagen sie in ihrem aktuellen "Jahresbericht" unter anderem, "Bedrohungen" wie "Internationaler Terrorismus oder Migration" würden von Jugendlichen, "wenn überhaupt, nur abstrakt wahrgenommen". Als "alarmierend" bezeichnen sie zudem die "Reaktionen vieler Schülerinnen und Schüler auf die Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU" im Jahr 2012: "Von Unverständnis bis hin zu Ablehnung und 'Wut' war fast alles vertreten." Die Auffassung, bei der EU handele es sich um einen "Stabilitätsanker für Frieden und Sicherheit", habe man der Zielgruppe erst "umfassend vermittel(n)" müssen, heißt es. Gleichzeitig kamen die "Jugendoffiziere" nicht um den Befund herum, dass die überwiegende Zahl der von ihnen agitierten Heranwachsenden das nationale Militärbudget "generell" für "zu hoch" hält und das Führen von Kriegen für den ungehinderten Zugriff auf natürliche Ressourcen ablehnt: "Auch die Verdeutlichung des Zusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Abhängigkeit und notwendigem sicherheitspolitischen Engagement änderte hieran nichts."[4]
Militärfreie Schulen
Gegen die neuerliche Propaganda- und Werbeoffensive der Bundeswehr formiert sich indes entschiedener Widerstand. Mittlerweile haben sich bundesweit zehn Schulen für "militärfrei" erklärt und jeder Zusammenarbeit mit den Streitkräften eine klare Absage erteilt - nicht zuletzt in Bezug auf Besuche von "Jugendoffizieren" und "Karriereberatern". Drei von ihnen wurden dafür im vergangenen Jahr stellvertretend für das Bündnis "Schulen ohne Bundeswehr" mit dem renommierten "Aachener Friedenspreis" geehrt.[5] Zur Begründung führte das Vergabekomitee aus: "Wir wollen den Mut und die Courage der Schülerinnen und Schüler, der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer ... würdigen und gleichzeitig ein Signal gegen den Mainstream der Militarisierung in unserer Gesellschaft setzen. Unsere Vorstellung ist, dass junge Menschen sich für Freiheit und Gerechtigkeit in Frieden, ohne Gewalt und Krieg, stark machen." Wie die Juroren erklärten, könne eine "auf Friedenserziehung orientierte Bildungspolitik und Ausbildung" von Soldaten "nicht gewährleistet werden, zumal diese ihrer Arbeitgeberin, der Bundeswehr, verpflichtet und damit deutlich interessengeleitet sind".[6]
Ein Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention
Auch die Kinderrechtsorganisation "Terre des Hommes" hat sich entsprechend positioniert. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) fordert sie ultimativ den "Stopp jeder Art von militärischer Werbung und Rekrutierung bei Minderjährigen": "Jedes Jahr erreichen alleine die Jugendoffiziere und Wehrdienstberater der Bundeswehr rund 300.000 bis 400.000 Schüler, darunter auch Kinder von gerade einmal elf Jahren. Doch die Werbung für Militäreinsätze widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention, die auch Deutschland unterschrieben hat."[7] Eltern werden in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sie bei der Schule ihres Kindes eine "Befreiung" vom "Unterricht mit Beteiligung der Bundeswehr" aus Gewissensgründen beantragen können. Des Weiteren macht "Terre des Hommes" die Erziehungsberechtigten auf die Möglichkeit aufmerksam, den Einwohnermeldeämtern die Weitergabe der Adressdaten ihrer Söhne und Töchter an die Truppe zu untersagen; andernfalls erhielten die Kinder im Alter von sechzehn Jahren automatisch ein "Werbeschreiben für den freiwilligen Dienst in den Streitkräften".[8]
Kooperationsvereinbarungen
Für Ende dieses Monats plant die von Gewerkschaften und Friedensinitiativen unterstützte Kampagne "Schulfrei für die Bundeswehr - Lernen für den Frieden" eine "Aktionskonferenz" in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart. Im Zentrum der Veranstaltung stehen die von mittlerweile acht Kultusministerien mit den deutschen Streitkräften geschlossenen "Kooperationsvereinbarungen", die "Jugendoffizieren" sowohl einen exklusiven Zugang zum Unterricht als auch eine Beteiligung an der Ausbildung von Lehramtsanwärtern garantieren (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Wie die Initiatoren der Konferenz erklären, wolle man "mit geeigneten Aktionen und mit Nachdruck" für die "Kündigung" derartiger Verträge sorgen. (PK)
[1] Deutscher Bundestag, Drucksache 18/141, 06.12.2013.
[2] S. dazu Zielgruppengerecht.
[3] Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 18. Legislaturperiode. Berlin 2013.
[4] Bundesministerium der Verteidigung - Presse- und Informationsstab: Jahresbericht der Jugendoffiziere der Bundeswehr 2012. Berlin 13.05.2013.
[5] Durch Beschluss der jeweiligen Schul- bzw. Gesamtlehrerkonferenz für "militärfrei" erklärt wurden die Käthe-Kollwitz-Schule in Offenbach am Main, das Robert-Blum-Gymnasium und die August-Sander-Schule in Berlin, die Martin-Buber-Schule in Heppenheim, die Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf, die Bertolt-Brecht-Schule in Darmstadt, die Geschwister-Scholl-Gesamtschule, das Gymnasium Vogelsang und das Mildred-Scheel-Berufskolleg in Solingen sowie die Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum. Den "Aachener Friedenspreis" erhielten die Käthe-Kollwitz-Schule, das Robert-Blum-Gymnasium und die Hulda-Pankok-Gesamtschule, wobei die amtierende Rektorin der zuletzt genannten Bildungseinrichtung die Annahme der Ehrung verweigerte.
[6] Preisträger 2013: Internationale Schule in Dohuk und "Schulen ohne Bundeswehr" - Robert-Blum-Gymnasium (Berlin), Käthe-Kollwitz-Schule (Offenbach a. M.). www.aachener-friedenspreis.de.
[7] Die Bundeswehr wirbt um Kinder; www.tdh.de.
[8] Bundeswehr an Schulen: Was können Sie tun? www.tdh.de.
[9] S. dazu Migranten an die Front, Bundeswehr, jugendgerecht und Militärfreie Bildung.
Diesen Beitrag haben wir mit Dank von german-foreign-policy übernommen:
Online-Flyer Nr. 441 vom 15.01.2014