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Rechtsformen demokratischer Beteiligung an Kommunalbetrieben
Erste Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates
Von Ulrike von Wiesenau
Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Initiativen und gesellschaftlichen Organisationen haben sich am 30.1. in der ersten Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates über verschiedene mögliche Rechtsformen demokratischer Beteiligung an Kommunalbetrieben informiert, um den Diskussionsprozess um die geeignete künftige Rechtsform und die Organisationsstruktur der rekommunalisierten Berliner Wasserbetriebe voranzutreiben.
Online-Flyer Nr. 444 vom 05.02.2014
Rechtsformen demokratischer Beteiligung an Kommunalbetrieben
Erste Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates
Von Ulrike von Wiesenau
Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Initiativen und gesellschaftlichen Organisationen haben sich am 30.1. in der ersten Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates über verschiedene mögliche Rechtsformen demokratischer Beteiligung an Kommunalbetrieben informiert, um den Diskussionsprozess um die geeignete künftige Rechtsform und die Organisationsstruktur der rekommunalisierten Berliner Wasserbetriebe voranzutreiben.
In den 14 Jahren nach dem Privatisierungsbeschluss von 1999 – die Berliner Wasserbetriebe waren zu 49,9% an die Konzerne RWE und Veolia verkauft worden – war die Tätigkeit der Berliner Wasserbetriebe der Gewinnmaxi-mierung untergeordnet. Obwohl das Land Mehrheitseigner der Wasserbetriebe blieb, lag die technische und kaufmännische Leitung vollständig in privater Hand. Die Verträge dieser "Öffentlich-Privaten Partnerschaft" (PPP) waren geheim, sie enthielten eine Gewinngarantie für die Konzerne und wurden erst unter dem Eindruck des vom Berliner Wassertisch erzwungenen Volksentscheides vom Senat veröffentlicht. Im Herbst 2012 kaufte das Land Berlin die RWE-Anteile zurück, die Veolia-Anteile folgten im Dezember des letzten Jahres.
Erste Arbeitssitzung des Berliner Wasserrates
Quelle: Berliner Wassertisch
Nun, da die Wasserbetriebe wieder im Eigentum des Landes Berlin sind, fordert der Berliner Wassertisch eine Umstrukturierung der nach wie vor als komplexe Holding organisierten Berliner Wasserbetriebe, die eine möglichst breite Beteiligung der Bevölkerung gewährleistet. Aus den Erfahrungen der Privatisierung ergibt sich die Notwendigkeit einer Verständigung über die Praxis der Bürgerbeteiligung in Deutschland und im Ausland sowie über die Grenzen und Möglichkeiten der Berliner Gesetzgebung zu Kommunalbetrieben. Vorzüge und Nachteile der Rechtsformen des Eigenbetriebes, der Anstalt des öffentlichen Rechts und der gemeinnützigen GmbH sind im Hinblick auf eine Ermöglichung von Transparenz und Einflussnahme direkter Demokratie zu untersuchen. Die Impulsreferate von Dr. Carsten Herzberg (Universität Potsdam), Dr. Michael Efler („Mehr Demokratie“ e.V.) und Gerhard Seyfarth (Berliner Wassertisch) lieferten entscheidende Fakten für eine fundierte Positionierung.
Lobbyisten entgegentreten
Die anschließende Diskussion ergab einen Konsens darüber, dass die zukünftig kommunalen Berliner Wasserbetriebe vollständig im Gemeineigentum unter direkter Einbeziehung der Bevölkerung zu leiten sind und nicht der Gewinnmaximierung unterliegen dürfen. Konsens bestand auch darüber, dass die Wahl der Rechtsform erst am Ende des Entscheidungsfindungsprozesses stehen kann und zunächst geklärt werden muss, wie weit die direkte Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger auf die Wasserbetriebe gehen kann und soll. Unabweisbar erscheint eine direktdemokratische Beteiligung, da die Erfahrung mit der Berliner Teilprivatisierung erwiesen hat, dass die alleinige Kontrolle durch das Parlament nicht ausreicht, dass die repräsentative Demokratie nicht mehr imstande ist, die Erosion eines von der entfesselten Ökonomie unterminierten Gemeinwesens zu verhindern und einer immer massiveren Einflussnahme von Lobbyisten entgegenzutreten.
Zur Berliner Wassercharta, die Zielvorstellungen für eine transparente, sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und direkt-demokratische Wasserwirtschaft enthält, sind zahlreiche Änderungsvorschläge eingegangen, die Mitte Februar in der Arbeitsgruppe Rekommunalisierung gesichtet werden. In der zweiten Arbeitssitzung am 27. Februar wird es um die Klärung der fachlichen Fragen in Bezug auf die Forderung nach einem Zustandsbericht zur Infrastruktur der Berliner Wasserbetriebe und die daraus folgenden nötigen Investitionen gehen.
Leitbild für weitere Rekommunalisierungen
Die Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe und die Gründung des Berliner Wasserrates haben weltweit Beachtung gefunden und werden mit großem Interesse verfolgt. Eine globale Rekommunalisierungs-Bewegung schaut auf die deutsche Hauptstadt, denn mit der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe besteht hier die einzigartige Chance, ein Modell der direkten Beteiligung an einem öffentlichen Unternehmen zu entwerfen, das eine Vorreiterrolle auf dem Weg zur Wiederherstellung des Primats der Politik einnehmen und Leitbild für weitere Rekommunalisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge sein kann. (PK)
Weitere Informationen unter: www.berliner-wassertisch.net
Autorin Ulrike von Wiesenau ist Pressesprecherin der Initiative Berliner Wassertisch und war maßgeblich am Entwurf der Kampagne des erfolgreichen Berliner Wasser-Volksentscheids beteiligt. Die Demokratie-Expertin berät Organisationen und Initiativen im Bereich der Daseinsvorsorge und der direkten Demokratiebewegung.
Online-Flyer Nr. 444 vom 05.02.2014