NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 25. November 2024  

Fenster schließen

Lokales
Walter Herrmann vom Vorwurf der Beleidigung eines Israel-Lobbyisten freigesprochen
Kriminell? Kaum noch eine Frage
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Im Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Beleidigung ist Walter Herrmann, Betreiber der Kölner Klagemauer für Frieden und Menschenrechte, der den zionistischen Israel-Lobbyisten Gerd Buurmann in einem Flugblatt als kriminell bezeichnet hatte, vom Amtsgericht Köln freigesprochen worden. Nicht gänzlich freizusprechen ist dagegen die Kölner Staatsanwaltschaft. Sie ist den Tatbeständen, die in aller Öffentlichkeit von den unfairen, unlauteren, wenn nicht kriminellen Methoden zeugen, die sich gegen die Klagemauer und deren Betreiber richten, nicht nachgegangen. Das Urteil des Amtsgerichts lässt den Schluss zu, dass es kaum noch eine Frage ist, ob die Verwendung des Attributs „kriminell“ gerechtfertigt ist, und dass Ermittlungen der Staatsanwaltschaft angebracht wären.


Walter Herrmann nach der Verhandlung vor dem Kölner Amtsgericht
Alle Fotos: arbeiterfotografie.com (Anneliese Fikentscher, Andreas Neumann, Karl-Heinz Otten)

Mörderische Träume

„Die fünfzehnjährige Tina Grey hat einen Albtraum, in dem sie von einer Gestalt mit Messerklingen an der rechten Hand durch einen dunklen Heizungskeller gejagt wird. Gerade als er sie erreicht, wacht sie schreiend auf und stellt fest, dass sie vier Schnitte in ihrem Nachthemd hat, die genau zu dem Geschehen in ihrem Traum passen.“ So ist die Handlung eines Films mit dem Serienmörder Freddy Krueger beschrieben, dessen deutsche Fassung den Titel „Mörderische Träume“ trägt.

An diese mörderischen Fantasien knüpft die website von Gerd Buurmann an. Als nächstes Opfer des Serienmörders Freddy Krueger wird Klagemauer-Mitwirkender Klaus Franke beschrieben: „Ach, wie es der Zufall wollte, rief mich grad Freddy Krueger an. Er war kaum zu verstehen, kaute wohl. Ob ich wohl einen Tip für ihn hätte, frug er. Ich verwies ihn auf Fr*ankes Wohnkeller, und Freddy Krueger murmelte, das sei ja gar nicht weit...“ Die Adresse des Hauses, in dem Klaus Franke wohnt, ist in einer Weise angegeben, dass sie ohne größere Schwierigkeiten auffindbar ist. Um was für einen Sachverhalt handelt es sich hierbei? Um einen Mordaufruf? Eine Morddrohung? Eine Mordankündigung? Ist das kriminell? Das dürfte kaum eine Frage sein.


Klaus Franke und Walter Herrmann

Von diesen mörderischen Träumen war ab dem 4. April 2013 auf der website von Gerd Buurmann zu lesen. Am 22. April 2013 sind wir auf sie aufmerksam geworden. Zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung war die Passage verschwunden. Warum mag Gerd Buurmann sie gelöscht haben?

Mit Benzin übergiessen und anzünden

„Meine Fantasie: Eines Tages geht am hellichten Tag ein empörter Wutbürger an die Hetzmauer, übergießt sie mit etwas Benzin und entzündet sie.“ „Kann man doch nur noch anzünden, das Zeug...“ Auch das sind Sätze von der website des Gerd Buurmann. Auch sie beziehen sich auf die Kölner Klagemauer für Frieden und Menschenrechte.

Wie sind sie zu beurteilen? Wie ist das Übergießen und Anzünden von Benzin im öffentlichen Raum mit starkem Publikumsverkehr zu werten? Ist das nur Sachbeschädigung? Oder kann so eine Aktion auch eine Gefährdung von Leib und Leben mit sich bringen und Auswirkungen haben, die als fahrlässige Tötung oder noch gravierenderes Delikt einzustufen sind? Ist das kriminell? In einem Rechtsstaat dürfte das keine Frage sein.

Der erste der beiden Sätze war ab dem 20. April 2013 auf der website des Gerd Buurmann zu lesen. Der zweite ist dort bereits seit dem 21. September 2011 zu finden. Während der erste mittlerweile gelöscht ist, befindet sich der zweite dort immer noch.

Krikel-krakel und umstürzen

„Ich strich das Gepränge mim’ Stift dick durch, Krikel-Krakel mitten drauf auf die Schnörkel der Hamas-Gutfinder, und dann stürzte ich den Podest mitsamt Listen um. Mit Schmackes, Gepolter und Überzeugung. Die Blätter flogen.“ Auch das ist ein Text auf der website des Gerd Buurmann. Er bezieht sich auf die Unterschriftenlisten an der Klagemauer für Frieden und Menschenrechte. Ein Robert Cohn rühmt sich mit diesen Zeilen seiner Tat – seit dem 21. September 2011 bis heute. Ist das kriminell? Das ist kaum eine Frage. Es handelt sich um das Eingeständnis einer Sachbeschädigung, die sich gegen mehr als hunderttausend Stimmen für einen gerechten Frieden in Palästina richtet.

Manipulation und Rufmord

Seit dem 15. August 2010 ist auf der website des Gerd Buurmann davon zu lesen, „dass Walter Herrmann vor dem Kölner Dom eine Karikatur zeigen darf, auf der eine Jude ein Kind isst und sein Blut trinkt“. Vielfach – in diesem und zahlreichen weiteren im Jahr 2010 erschienenen Artikeln – blendet Gerd Buurmann den Umstand, dass die Karikatur Teil einer Zeitungspublikation über die Proteste gegen das israelische Gaza-Massaker vom Winter 2008/2009 war, aus und verknüpft so mit der aus dem Zusammenhang gerissenen Karikatur den Vorwurf des Antisemitismus. Im Dezember 2010 wird auf Basis dieser "Information" eine von "Spitzen" der Kölner Gesellschaft (darunter Bürgermeister und Kirchenobere) unterzeichnete, gegen die Klagemauer gerichtete Resolution in die Öffentlichkeit gebracht. Der Ruf von Walter Herrmann wurde damit ernsthaft beschädigt.


Jerusalem Post mit manipulierend wiedergegebenem Foto der Klagemauerkarte

Gerd Buurmann zeigt in seinem Artikel vom 15. August und weiteren 2010 erschienenen Veröffentlichungen, in denen er die Karikatur zum Thema macht, die Karikatur nicht. Stattdessen verlinkt er auf fremde websites, im Text vom 15. August auf die Jerusalem Post. Überschrift des Artikels, auf den verwiesen ist: „Köln toleriert antisemitische Ausstellung“. Der Tatbestand der Manipulation ist offensichtlich. Die Klagemauerkarte ist derart beschnitten, dass der Eindruck erweckt wird, Walter Herrmann hätte tatsächlich die isolierte Karikatur gezeigt. Wesentliche Teile des auf der Klagemauerkarte zu sehenden Fotos und die Bildunterschrift fehlen. In anderen Buurmann'schen Texten führt die Verlinkung zwar auf Fotos mit der gesamten Klagemauerkarte, aber immer ist die Darstellung so klein, dass die Bildunterschrift unlesbar bleibt.


Walter Herrmann

In seinem vor Gericht vorgetragenen Plädoyer führt Walter Herrmann aus: „Ein Foto ist immer ein Ausschnitt. Um es korrekt interpretieren zu können, muss man den Kontext kennen, in dem das Foto steht. Im vorliegenden Fall war der Kontext: 'Protestaktion in Indien gegen die Israelische Militäroperation Gegossenes Blei, bei der ca. 1400 Gaza-Bewohner ums Leben kamen'. Sobald man das Fotomotiv aus diesem Kontext herauslöst und in einen anderen Kontext stellt – in diesem Fall: 'Hetze generell gegen Juden' – liegt Manipulation vor. Ziel der Manipulation war offensichtlich, das Klagemauerprojekt für einen gerechten Frieden in Palästina in Verruf zu bringen.“ Rufmord ist dafür eine nahe liegende Bezeichnung.

Freispruch für Walter Herrmann

Im Gegensatz zur anwesenden Staatsanwältin hatte sich Richterin Nadja Gaedke ein Bild vom Charakter der Buurmann’schen website gemacht. Die Richterin konnte also – sofern Passagen nicht gelöscht waren – sich ein Urteil über den – vorsichtig ausgedrückt – zweifelhaften Charakter der website gebildet haben. Dazu gehört auch, dass auf der Buurmann’schen website Walter Herrmann und Klaus Franke beleidigende und verunglimpfende Begriffe wie „Judenhasser“ derart massiv in Erscheinung treten, dass diese der Richterin nur schwer verborgen geblieben sein können.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um eine politische Auseinandersetzung handelt und vonseiten des angeblich Beleidigten mit nicht gerade fairen Methoden vorgegangen wurde, berief sich Amtsrichterin Nadja Gaedke – entgegen des von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafmasses von 15 Tagessätzen zu 15 Euro – auf den Paragrafen 193 des Strafgesetzbuchs, stellte damit den Aspekt der Meinungsfreiheit über alle anderen Aspekte und befand auf Freispruch.


Walter Herrmann

Walter Herrmann hatte sich mit der Bezeichnung „kriminell“, die er als umgangssprachlich verstanden wissen wollte, gegen die unlauteren, gegen die Klagemauer gerichteten Attacken von Gerd Buurmann spontan zur Wehr gesetzt.

An einer Zukunftsperspektive arbeiten – im Geiste Nelson Mandelas

Nach der Gerichtsverhandlung gab es für Walter Herrmann und seine Unterstützer Gelegenheit, die Situation einzuschätzen und Perspektiven zu entwickeln. Ein in diesem Zusammenhang geäußerter Gedanke orientiert darauf, eine gemeinsame Zukunft von Palästinensern und Israelis in einem Staat mit gleichen Rechten und Chancen für alle – vergleichbar dem, was in Südafrika nach langem Kampf möglich geworden ist – stärker ins öffentliche Bewusstsein zu tragen.

Dass ein gerechter Frieden in Palästina nicht auf rassistischen Prinzipien fußen kann, liegt auf der Hand. „Zu fordern ist deshalb nicht das Existenzrecht des Staates Israel, sondern das Existenzrecht für Israelis und Palästinenser in gleicher Weise... Insbesondere wir Deutsche haben die Pflicht, Stellung zu beziehen. Deutschland hat eine Mitschuld am Entstehen Israels und dem damit verbundenen Schicksal der palästinensischen Bevölkerung... Die Lehre, die wir aus unserer Vergangenheit ziehen müssen, besteht darin, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit generell zu verurteilen sind, wo immer sie geschehen.“ (aus Resümee „Frieden und Existenzrecht für Israelis und Palästinenser“ zur vom 26. bis 28. November 2010 in Stuttgart durchgeführten Palästina-Konferenz)
(PK)

Weitere Artikel zur Auseinandersetzung um die Kölner Klagemauer:


Prozess wegen Vorwurfs, den Israel-Lobbyisten Buurmann beleidigt zu haben
Replik auf eine Gegendarstellung von Gerd Buurmann
Walter Herrmann in NRhZ-Flyer Nr. 444  vom 06.02.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20000

Prozess wegen Vorwurfs, den Israel-Lobbyisten Buurmann beleidigt zu haben
Kriminell? – Das ist die Frage
Walter Herrmann in NRhZ-Flyer Nr. 442 vom 22.01.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19932

Kölner Klagemauer für Frieden und Menschenrechte
Die Stadt und ein gefährlicher Zionist
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann in NRhZ-Flyer Nr. 403 vom 24.04.2013
Darin heißt es u.a.:
„Kriminell? Der Israel-Lobbyist [Buurmann] hat am 20.4.2013 übrigens mitgeteilt, dass er nicht kriminell genannt werden will. Er berührt damit die Frage, ob jemand, der die Verbrechen eines Staates deckt, für die Verbrechen mitverantwortlich gemacht werden kann und deshalb als kriminell zu bezeichnen ist. Und es stellt sich die Frage, ob jemand, der gewalttätigen, faschistoiden Fantasien Raum gibt, als kriminell zu bezeichnen ist. 'Meine Fantasie: Eines Tages geht am hellichten Tag ein empörter Wutbürger an die Hetzmauer, übergießt sie mit etwas Benzin und entzündet sie.' Das ist auf der website des Herrn Buurmann zu lesen. Gegen diese und weitere vergleichbare Äußerungen läuft eine Strafanzeige. Auch stellt sich die Frage, ob jemand, der verkappte Mordaufrufe veröffentlicht, als kriminell zu bezeichnen ist.“
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18984

Kölner Klagemauer für Frieden und Menschenrechte
OB Roters gegen freie Diskussion
Walter Herrmann in NRhZ-Flyer Nr. 402 vom 17.04.2013
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18948

Offener Brief an Kölns OB Jürgen Roters und weitere "Freunde" der Klagemauer
Stéphane Hessel war anderer Meinung
Walter Herrmann in NRhZ-Flyer Nr. 396 vom 06.03.2013
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18816

Verurteilung im Prozess wegen Messerattacke auf Walter Herrmann
Der dritte Zeuge
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann in NRhZ-Flyer Nr. 391 vom 30.01.2013
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18713

"Überall zuerst den Schwächsten dienen"
Offener Brief der Initiative Kölner Klagemauer an Herrn OB Jürgen Roters und die Unterzeichner der im Internet veröffentlichten Resolution gegen die Kölner Klagemauer, Dezember 2010
http://www.arbeiterfotografie.com/israel/index-israel-0049.html


Texte zur gemeinsamen Zukunft mit gleichen Rechten und Chancen

Stuttgarter Erklärung
mit mehr als 1000 Unterzeichnern
http://www.arbeiterfotografie.com/stuttgarter-erklaerung.pdf

Frieden und Existenzrecht für Israelis und Palästinenser
Resümee von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann zur Frage, was mit der vom 26. bis 28. November 2010 in Stuttgart durchgeführten Palästina-Konferenz deutlich geworden ist
http://www.arbeiterfotografie.com/resuemee-stuttgarter-konferenz.pdf

Ein Staat für ALLE seine Bürger
Präambel der Erklärung zur Gründung einer Republik im historischen Palästina
http://www.arbeiterfotografie.com/praeambel-ein-staat-fuer-ALLE-seine-buerger.pdf

Online-Flyer Nr. 446  vom 19.02.2014



Startseite           nach oben