NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 22. November 2024  

Fenster schließen

Inland
Steinmeier trifft auch den ukrainischen Faschistenführer in der Botschaft
Vom Stigma befreit
Von Hans Georg

Die deutsche Außenpolitik vollzieht eine Zäsur und öffnet sich erstmals für eine demonstrative Kooperation mit Kräften der extremen Rechten. Am 20. Februar ist der Berliner Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit dem ukrainischen Faschistenführer Oleh Tiahnybok in den Räumen der deutschen Botschaft in Kiew zusammengetroffen. Unmittelbar flankiert von Tiahnybok stellte Steinmeier sich anschließend für die internationale Öffentlichkeit zu einem offiziellen Presse-Shooting. Wie das Auswärtige Amt auf seiner eigenen Webseite mit einem Bild bestätigt, nahm Tiahnybok, Vorsitzender der rechtsextremen Partei Swoboda, an den mehrstündigen gemeinsamen Verhandlungen über den bewaffneten Umsturz in der Ukraine mit zwei weiteren Oppositionsführern gleichberechtigt teil.
 
Bekannte Tatsachen
 
Vor dem jetzigen Verhandlungspartner der deutschen Außenpolitik, dem antisemitischen Rassisten und NS-Wiedergänger Oleh Tiahnybok, hat german-foreign-policy.com in zahlreichen Berichten wiederholt gewarnt.[1] Die Inhalte sind kein Geheimwissen geblieben und wurden auch in anderen Medien mehrmals vermerkt. Trotz der im Auswärtigen Amt bekannten Tat- sachen über den vermeintlichen Freiheitskampf der Anführer des bewaffneten Umsturzes hat sich Berlin für einen Weg entschieden, der mit den Verhand-lungen zwischen Steinmeier und Tiahnybok sichtbar geworden ist. Zitate aus führenden deutschen Medien zeigen, was Berlin wusste, als es diesen verhängnisvollen Weg des Zusammenwirkens mit den Erben der NS-Kollobarateure, den Mördern an Millionen Polen und Sowjetbürgern, an orthodoxen Russen und jüdischen Ukrainern beschritt. (
 
"Moskaus jüdische Mafia"
 
Unter der Überschrift "Klitschkos rechte Hand" schrieb beispielsweise die "Süddeutsche Zeitung" am 7. Februar 2014 über den Berliner Verhandlungspartner Tiahnybok: "Parteichef Tjagnibok beklagte 2004 offen den Einfluss der 'jüdischen Mafia Moskaus' auf sein Land. ... Das Simon-Wiesenthal-Zentrum setzte Tjagnibok im Jahr 2012 auf den fünften Platz seiner Liste der schlimmsten Antisemiten weltweit, der Jüdische Weltkongress bezeichnet seine Partei Swoboda als neonazistisch und stellt sie in eine Reihe mit der griechischen Chrysi Agvi, Goldene Morgendämmerung, und der ungarischen Jobbik." Über Tiahnyboks frühere Partei, die "Sozial-Nationale Partei der Ukraine" (SNPU), schreibt die "Süddeutsche": "Die offizielle Bezeichnung der Partei-Ideologie lautet Sozial-Nationalismus. ... Ungeniert bediente sich die Partei auch der Symbolik des Dritten Reichs. ... Tjagnibok wurde 1998 als Direktkandidat in das Parlament von Lwiw gewählt. Die Stadt gilt bis heute als Neonazi-Hochburg." 2004 transformierte sich die SNPU in "Swoboda" ("Freiheit"); auch diese hielt, wie es in der "Süddeutschen" weiter heißt, unter Tiahnyboks Führung "enge Kontakte zu anderen rechten Parteien, insbesondere zum französischen Front National".[2]

"Rechtsradikale übernehmen die Opposition"
 
Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD) warnt vor Swoboda, die seit mehr als einem Jahr eng mit den beiden anderen ukrainischen Oppositionsfraktionen - "UDAR" (Witali Klitschko) und "Vaterland" (Arsenij Jatsenjuk) - kooperiert. Sie bediene sich "antisemitischer, fremdenfeindlicher und rassistischer Rhetorik", schreibt die Stiftung.[3] Berichte weisen darauf hin, dass vor allem Swoboda von der Radikalisierung der Proteste profitiert. "Rechtsradikale übernehmen Klitschkos Opposition", hieß es schon im Januar; die Partei entwickle sich zum "Auffangbecken für alle Desillusionierten, denen Klitschko nicht radikal genug gegen Janukowitsch vorgeht. Die Gründe für diesen Zustrom sind im Kern dieselben kampferprobten Mittel, die vor mehr als 80 Jahren den Siegeszug der NSDAP in Deutschland vorbereiteten".[4] Tatsächlich handelt es sich um eine Organisation, die nicht nur mit Klitschko, sondern auch mit der deutschen NPD kooperiert. So hat eine Swoboda-Delegation Ende Mai die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag besucht. Man wolle die künftige Zusammenarbeit "auf allen Ebenen intensivieren", hieß es anschließend. An der Zusammenkunft war unter anderem der damalige NPD-Parteivorsitzende Holger Apfel beteiligt. Ein Foto zeigt ihn mit einem Funktionär der Swoboda-Partei, deren Vorsitzender sich am Mittwoch gemeinsam mit Steinmeier ablichten ließ.
 
Erste Parteiverbote
 
An dem Treffen der Swoboda-Delegation mit NPD-Politikern nahm, wie die NPD berichtet, nicht nur der Abgeordnete Mychajlo Holowko aus der Werchowna Rada in Kiew teil, sondern auch zwei Stadträte aus der westukrainischen Großstadt Ternopil (250.000 Einwohner). In Ternopil hatte Swoboda schon 2009 bei Regionalwahlen gut 35 Prozent der Stimmen erhalten. Der Bürgermeister der Stadt, Sergej Nadal, wollte ursprünglich ebenfalls teilnehmen, musste jedoch kurzfristig wegen anderweitiger Verpflichtungen absagen. Nadal hatte kurz zuvor der NPD-Parteizeitung "Deutsche Stimme" ein Interview gewährt, in dem er äußerte, die "Expansion europäischer Interessen" dürfe "nicht an der ukrainisch-polnischen Grenze haltmachen", sondern müsse "bis an die Grenze Russlands weitergehen". In Ternopil wurde kürzlich - auch dank der Stärke der NPD-Partnerpartei Swoboda - ein zentraler Platz in "Platz der Helden des Euromajdan" umbenannt. Zudem sind erste Verbote für (in Ternopil) oppositionelle Tätigkeiten ausgesprochen worden. So ist es in der Stadt nun verboten, Symbole der "Partei der Regionen" oder der "Kommunistischen Partei" zu zeigen oder für eine der beiden Parteien Aktivitäten zu entfalten (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Die Kräfte, die oppositionelle Parteien nicht dulden wollen, sind tragende Kräfte der sogenannten demokratischen Opposition.
 
Legitimiert
 
Noch vor wenigen Tagen hat die Friedrich-Ebert-Stiftung darauf aufmerksam gemacht, dass die enge Kooperation nicht zuletzt von Witali Klitschko, einem Zögling der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU), mit Swoboda deren Positionen neue Anerkennung verschafft. Klitschko habe "Swoboda in den Augen der Öffentlichkeit vom Stigma befreit, sie legitimiert", warnt die Stiftung; damit habe er den Eindruck erweckt, "als sei sie als Partner mit anderen Parteien gleichwertig". Die "Süddeutsche Zeitung" bestätigt: "In den vergangenen Wochen stand Oleg Tiagnibok in der Tat stets selbstverständlich neben Klitschko und Arseni Jazenjuk von Julia Timoschenkos Vaterlandspartei."[6] Am vergangenen Mittwoch hat sich die Berliner Außenpolitik der Legitimierung Tiahnyboks und Swobodas angeschlossen.
 
Weitere Berichte und Hintergrundinformationen zur aktuellen deutschen Ukraine-Politik finden Sie unter folgenden http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58805: Protestbündnis für Europa, Probleme der Ostexpansion, Ein breites antirussisches Bündnis, Termin beim Botschafter, Expansiver Ehrgeiz, Zukunftspläne für die Ukraine, Unser Mann in Kiew, Die militärische Seite der Integration, Integrationskonkurrenz mit Moskau, In die Offensive, Die Expansion europäischer Interessen, Nützliche Faschisten, Oligarchen-Schach, Der Mann der Deutschen und Koste es, was es wolle.(PK)
 
[1] S. dazu Vaterland und Freiheit, Eine Revolution sozialer Nationalisten, Termin beim Botschafter und Nützliche Faschisten.
[2], [3] Hannah Beitzer: Klitschkos rechte Hand. www.sueddeutsche.de 07.02.2014.
[4] Rechtsradikale übernehmen Klitschkos Opposition. www.n-tv.de 22.01.2014.
[5] S. dazu Die Expansion europäischer Interessen.
[6] Hannah Beitzer: Klitschkos rechte Hand. www.sueddeutsche.de 07.02.2014.
 
Diesen Artikel haben wir mit Dank von http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58805 übernommen


Online-Flyer Nr. 447  vom 26.02.2014



Startseite           nach oben