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Aktueller Online-Flyer vom 22. Dezember 2024  

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Lokales
„In betenden Händen ist die Waffe vor Missbrauch sicher“ (Kapitel 3 und Ende)
Unheiligsprechung von Kardinal Meisner
Von Werner Rügemer

Aus Anlass des Rücktritts von Joachim Meisner als Kölner Erzbischof brachten wir in den beiden letzten Ausgaben die Kapitel 1 und 2 seiner notwendigen Unheiligsprechung. Dabei ging es um seine ersten vier Sünden als Befürworter christlicher Kreuzzüge, als Lobredner für den korrupten Kölner Ex-Oberbürgermeister und bundesdeutschen Kanzler Konrad Adenauer, als Lebens- und Menschenfeind sowie als Anbeter des Mammons. Nun folgt als letztes das Kapitel 3 mit zwei weiteren schweren Sünden.
 
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de


 
Populistische Elitenkirche
 
Meisner tat gern volksnah. Kein Kind in erreichbarer Nähe konnte sich vor dem Tätscheln des Hinterkopfs retten. Die Kölner Karnevalistenvereine ließ er im Dom – trotz Verbots jeglicher Kopfbedeckung und auffälliger Kleidung – in vollem Jecken-Wichs antreten, mit Narrenkappe und kurzröckigem Tanzmariechen. Meisner tanzte auch gern mit der Narrenkappe herum und vergab jedes Jahr am Aschermittwoch den Karnevalisten alle einschlägigen Sünden.
 
Doch der Populist Meisner weiß, dass die Kirche, wie sie ist, auf einem sterbenden Ast sitzt. Das Befragungsinstitut Sinus Sociovision stellte fest: Das untere Drittel der Bevölkerung im Kölner Erzbistum hat sich von der Kirche ganz verabschiedet. Getragen wird sie von Menschen, die irgendwie konservativ, meist akademisch gebildet und einigermaßen vermögend sind, dazu über 50 und vor allem über 60 Jahre alt. Mit anderen Worten: mißmutige CDU- und FDP-Stammwähler.
 
Der Kölner Dom lebt vor allem als Marketing-Symbol der Stadt und ihrer Unternehmen. Die umworbenen täglich etwa 10.000 Touristen aus christlichen und unchristlichen Weltregionen bringen Geld. Mit Hund, Currywurst, Eistüte und klingelnden Handys latschen sie respektlos und hastig fotografierend im Dom herum. Die Einnahmen gefielen dem Kardinal, aber er weiß: Die Zukunft der von ihm, Woytila und Ratzinger erstrebten Christlichkeit liegt woanders.
 
Seit seinem Antritt organisierte er die Gegenbewegung. Wer nicht aktiv der neuen Linie diente, musste raus. Er nahm das Katholisch-Soziale Institut (KSI) an die Kandare, nachdem dort vorsichtige Kritik an der Kluft zwischen arm und reich geäußert wurde. Er sperrte der lammfrommen Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung das Geld ebenso wie der betulichen Karl Rahner-Akademie.
 
Der schon von seinen Vorgängern aufgenommenen Elitentuppe Opus Dei wies der populistische Elitenchrist dagegen eine große Kölner Kirchengemeinde mit einer der schönsten romanischen Kirchen zu: St. Pantaleon. Während der Messen ist der Parkplatz gefüllt mit Limousinen der Oberklasse. Inzwischen werden 30 kleinere fundamentalistische „Gemeinschaften“ aus Bistumsgeldern üppig gefördert: Monastische Gemeinschaft von Jerusalem, Omnia Christo/Legio Mariens, Legionäre Christi, Regnum Christi, Neokatechumenaler Weg, Laienspiritaner, Kapuziner-Terzianerinnen, Fokolar-Bewegung, Nightfever, Gemeinschaft Emmanuel und andere. Sie agieren scheinbar lautlos im Verborgenen und sind der Kölner Bevölkerung so gut wie unbekannt.
 
Sie bestehen vielfach aus Laien, sind aber direkt der rechten, sehr rechten Hand Meisners, Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, unterstellt. Sie leben entweder in mönchischer Gemeinschaft oder konkurrieren als Ehepaare um die höchste Zahl der Kinder. Gemeinsam ist ihnen: Sie feiern die mystische Verwandlung des Leichnams Christi und das Bußsakrament und pflegen den Marienkult: Die Gottesmutter Maria, die von keinem Manne „berührt“ und somit ohne Sünde ist („unbefleckte Empfängnis“), wird ohne das Jesulein dargestellt. Bei einer Feier des Neokatechumenalen Wegs gab Meisner das Programm bekannt: „Eine Familie von Euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“
 
Das war die fünfte schwere Sünde: gegen die Gleichheit aller Menschen vor Gott, dem Gesetz und der Ewigkeit.
 
Beten auf dem Maidan
 
Auch auf andere Weise setzt das Erzbistum Meisners Erbe fort. Seit zwei Jahrzehnten organisiert er den katholischen Ritt nach Osten. Dafür bekam er die Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen und wurde Ehrenritter des Deutschen Ordens. 2013 gründete das Erzbistum die Kardinal Meisner-Stiftung. Sie soll die Priesterausbildung in Osteuropa finanzieren.
 
Meisner leitet seit 1993 die Katholische Stiftung RENOVABIS (Psalm 104: Renovabis faciem terrae = du wirst das Gesicht der Erde erneuern). Sie wurde vom Zentralkomittee (!) der deutschen Katholiken gegründet, Ziel: „christlicher Neuanfang“ in den ex-sozialistischen Staaten. Bisher wurden 19.000 Projekte mit gut 500 Millionen Euro finanziert.
 
Am 9.12.2013 schickte RENOVABIS eine Solidaritätsadresse an die katholischen Bischöfe in der Ukraine: Der „Weg nach Europa“ müsse offenbleiben. Am 19.12.2013 verbreitete RENOVABIS den bedauernden Bericht ihres ukrainischen Korrespondenten: „Maidan verliert an Schwung.“ Am 20.2.2014 die Wende: „Kirchen sind auf dem Maidan sehr präsent – Interview mit Erzbischof Vijtyshyn zur aktuellen Situation in der Ukraine“. Der Bischof teilte begeistert mit, seine Kirche unterstützte die Demonstranten, die Priester beteten im kirchlichen Ornat und mit dem Kreuz in der Hand mitten unter ihnen. In der Nähe von auch neofaschistischen und antisemitischen Demonstranten scheinen sie sich nicht unwohl gefühlt zu haben.
 
Dass der Rabbi von Kiew die Juden aufruft, so schnell wie möglich zu flüchten – das soll RENOVABIS‘ Ostritt nicht aufhalten. Als Meisner Juden für ungeeignet hielt, Mitglied der CDU zu werden, kam kein Protest einer israelischen Regierung. Meisner darf auch zukünftig alles, was den Mächtigen des „Westens“ dient.
 
Das war die sechste schwere Sünde: Komplizenschaft mit korrupten Oligarchen und deren menschenfeindlichen Helfern.
 
Nachsatz: Nach eigenem Bekunden geht Meisner alle vier Wochen zur Beichte. Seinen Beichtvater hat er selbst ausgewählt. Wenn wir uns vergegenwärtigen, was er selbst als Sünde bezeichnet - was beichtet er dann wohl? Und was nicht? Und warum so oft?
 
Von Werner Rügemer erschien 2012 in 7. Auflage „Colonia Corrupta“ (Verlag Westfälisches Dampfboot.) Darin ist der erwähnte Briefwechsel des Autors mit Kardinal Meisner und weiteres zum Kölner Erzbistum veröffentlicht. Sie finden diesen auch in der NRhZ Nummer 431 vom 06.11.2013 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19629 (PK)


Online-Flyer Nr. 451  vom 26.03.2014



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