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Lokales
Quarzwerke in Frechen wollen den Buschbeller Wald vernichten
Abholzen für Sand
Von Peter Kleinert

Im Buschbeller Wald recken 140 Jahre alte Eichen und Buchen ihre knorrigen Äste empor, viele geschützte Arten wie Pirol, Mittelspecht und Feuersalamander leben dort vom Menschen ungestört. Dieses Kleinod der Natur ist einer der letzten Altwälder rund um Köln. Wegen seiner Artenvielfalt könnte er unter dem Schutz der EU stehen. Stattdessen droht ihm der Untergang durch die Quarzwerke in Frechen bei Köln, die den Wald jetzt wegen dem darunter liegenden Sand abholzen wollen.

Diesen Wald wollen die Quarzwerke in Frechen abholzen, um an mehr Sand zu kommen
Foto: Tanja Keßels BUND
 
Dabei ist der Abbau des Quarzsandes nicht nur aus Artenschutzgründen falsch, erklärt die Umweltinitiative "Rettet den Regenwald". Die Wirtschaft brauche den Sand aus dem Buschbeller Wald schlicht nicht. Weltweit werden pro Jahr unvorstellbare 15 Milliarden Tonnen Sand abgebaut, mehr als von jedem anderen Rohstoff. Vor allem die Bauindustrie lechzt danach. Für ein Einfamilienhaus werden 200 Tonnen Sand benötigt. Angesichts dieser Größenordnung sei es eine völlig abwegige Idee, für relativ wenig Sand einen artenreichen Wald zu opfern. Zudem in einer Region, in der kaum mehr Wald steht.
 
Eine Petition mit bereits 48.660 UnterstützerInnen finden Sie auf der Webseite https://www.regenwald.org/aktion/960/die-duemmste-idee-abholzen-fuer-sand
Über die Folgen des Geschäfts mit dem Sand weltweit finden Sie auf dieser Webseite weitere Informationen:
 
Sand weltweit begehrter Rohstoff
 
Wie viel Wald bedroht ist, ist nicht klar. Laut Berechnung des BUND sind es 84 Hektar. Die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Abbau verdiene den Namen nicht. Pirol, Mittelspecht und andere geschützte Tier- und Pflanzenarten seien nicht berücksichtigt worden. Auf die Erforschung der Fledermäuse sei „verzichtet“ worden. „Hierdurch konnte die Schutzwürdigkeit des Waldes ignoriert werden“, sagt Naturschützerin Tanja Keßels vom BUND. Auch bei einer Artenschutzprüfung 2012 seien etliche Arten nicht aufgeführt worden.
 
Nach Protesten wurde die Genehmigung für weitere Rodungen bereits zweimal verzögert. Am 15.8. wird es endgültig ernst. Geben die Behörden grünes Licht, wird der Wald wohl in den kommenden vier Jahren weiter geplündert.
 
Sand ist der am meisten vernachlässigte Rohstoff der Welt. Auf der politischen Tagesordnung stehen der Verlust der Böden, die Verschmutzung der Luft und der Mangel an Wasser. Eine Sand-Krise? Nie gehört. Dabei wird Sand tatsächlich knapp. Brauchbarer zumindest. Die Körner Arabiens und der Sahara sind nämlich für kaum etwas gut, am wenigsten für Beton, der aus Sand und Zement besteht. Dabei ist es insbesondere die Bauindustrie, die nach immer größeren Sandmengen verlangt. Weltweit werden jedes Jahr 15 Milliarden Tonnen Sand gefördert – mehr als von jedem anderen Rohstoff. Damit ließe sich eine 27 Meter hohe und ebenso breite Mauer rund um den Äquator ziehen. Im Boomland China ist der Betonverbrauch laut UNEP in 20 Jahren um 437 Prozent gestiegen.
 
Die Bauindustrie lechzt nach Sand
 
Der Hunger nach Sand ist gewaltig: Für den Bau eines Einfamilienhauses werden 200 Tonnen davon benötigt, ein Kilometer Autobahn verschlingt 30.000 Tonnen. Allein China hat 2013 rund 146.000 Kilometer Straßen gebaut, wenn auch nicht gänzlich in Autobahn-Qualität.
 
Sand – hauptsächlich Siliziumdioxid – steckt nicht nur in Beton. Er wird für Glas, Computerchips, Solarzellen, Reinigungsmittel, Papier, Kosmetika und vieles mehr gebraucht. Unsere Gesellschaft ist auf Sand gebaut.
 
Deutschland ist ein Sand-Exporteur: 2012 wurden laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 2.089.000 Tonnen vor allem aus Frankreich und den Niederlanden importiert. Ausgeführt wurden aber 9.737.000 Tonnen, überwiegend in die Niederlande und nach Belgien.
 
Einfach zugängliche Quellen sind jedoch nahezu erschöpft. Daher sind Abbaufirmen auf der Suche nach immer neuen Claims. Tagebaue verschandeln jedoch die Landschaft und sind unpopulär. Flüsse auszubaggern, gefährdet ganze Ökosysteme, senkt den Grundwasserspiegel und steigert das Hochwasserrisiko. Daher stammt der meiste Sand, den die Industrie verbraucht, aus dem Meer. Tausende riesiger Schwimmbagger durchpflügen die Küstengewässer und graben in bis zu 50 Metern Wassertiefe Sand ab. Bis zu 400.000 Kubikmeter schafft einer dieser Kolosse am Tag.
 
Ökologische Folgen für Flüsse, Seen und Meere
 
Ob in Flüssen, Seen oder im Meer – der Abbau von Sand hat erhebliche ökologische Folgen:
Mit ihren Saugrüsseln schädigen und zerstören Schwimmbagger Flora und Fauna am Meeresboden, mit unabsehbaren Auswirkungen für Fische und die Nahrungskette. Feines Material, das von den schwimmenden Sandmaschinen nicht aufgenommen wird, legt sich wie ein dünner Schleier über den Grund und erstickt dort lebende Arten, während an der Wasseroberfläche die Dieselmotoren lärmen.
 
Weil Sand in die Gräben und Senken, die die Bagger hinterlassen, rutscht und sie füllt, werden selbst entfernt liegende Strände angegriffen. Zudem ändern sich Strömungen, verschwinden Sandbänke und brechen Wellen viel näher an der Uferlinie als zuvor. Auf den flachen Inseln der Malediven genauso wie in marokkanischen Touristenorten und in Miami Beach.
 
Das Ausbaggern eines Flusses zerstört Ökosysteme und kann den Grundwasserspiegel empfindlich senken, sodass nahe Äcker trocken werden. Im Extremfall können Flüsse sogar versiegen. Zudem ändern sich Strömungen im Fluss und kollabieren Uferböschungen. Durch den Sandabbau in Flüssen gelangt weniger Sediment in die Meere, was wiederum Strände schrumpfen lässt.
 
Die Abhängigkeit von Sand trägt indirekt sogar zum Klimawandel bei, wenn man die Herstellung von Beton einberechnet. Laut UNEP sind bis zu fünf Prozent des globalen CO2-Ausstoßes auf die Verwendung von Sand zurück zu führen.
 
Auch Menschen leiden unter den Folgen des Sandabbaus. Fischer zwischen Indonesien und der Bretagne verlieren wichtige Fanggründe, Landwirte fruchtbare Äcker. Küstenbewohner müssen ihre Häuser aufgeben, weil Wellen die Fundamente unterspülen. Touristen bleiben weg, wenn Strände verschwinden oder gar absichtlich, wenn auch illegal, abgegraben werden.
 
Sand ist ein globales Geschäft
 
Sand ist ein globales, undurchsichtiges Geschäft voller Tücken. Ausgerechnet Dubai importiert riesigen Mengen aus Australien. Das Wüstenemirat geht so verschwenderisch mit dem Rohstoff um wie kaum eine andere Nation. Für die Aufschüttung der künstlichen Inseln „The Palm“ und „The World“ wurden Hunderte Millionen Tonnen Sand verbaut. Hinzu kommen prestigeträchtige Wolkenkratzer wie der 828 Meter hohe Burj Khalifa – ein (Alb-)traum aus Stahlbeton.
 
Der Wüstensand, über den der Staat reichlich verfügt, ist für die Bauindustrie wertlos. Die Körner sind vom Wind rund und glatt geschliffen und haften nicht aneinander. Beton kann man damit nicht herstellen. Der Meersand vor der Küste Dubais reicht jedoch nicht aus, den enormen Bedarf des Bausektors zu decken. Was bleibt ist der Import.
 
Größter Importeur der Welt ist jedoch Singapur. Seitdem der Stadtstaat boomt, wird immer mehr Land dem Meer abgerungen. Der Sand für die Landgewinnung wird aus den Nachbarländern heran geschafft. Man schätzt, dass die Hälfte der Lieferungen aus illegalen Quellen stammt. Die große Nachfrage treibt die Preise – das lockt das organisierte Verbrechen an. Ermittler sprechen schon von einer "Sand-Mafia". Der Sandhunger Singapurs wird sogar dafür verantwortlich gemacht, dass 24 indonesische Inseln gänzlich von den Seekarten ausradiert werden mussten. Der Untergang von Land führt jedoch zu Streitigkeiten über Seegrenzen: Wem gehören die Fischgründe, wo keine Insel mehr ist?
 
Keine Alternativen zu Sand in Sicht?
 
"Rettet den Regenwald“ fordert, den Sandverbrauch erheblich zu reduzieren. Recyclingmaterial wie Schutt kann für den Straßenbau verwendet werden. Zudem bieten sich alternative Baustoffe wie Holz und Stroh an. Zudem stellt sich die Frage, ob die Sanierung von Altbauten sinnvoller ist als der Neubau von Gebäuden. Auch Staudämme können eine wichtige Quelle für Sand sein: Die Mauern halten Sedimente aus Flüssen zurück. Die Seen lassen sich ausbaggern, freilich zu einem hohen Preis.
 
Schließlich ist ein seltenes Gut gefragt: Moral. Rund um den Globus ziehen Spekulanten Bürotürme und Wohnung hoch, die dann leer stehen, während hunderte Millionen Menschen in Slums hausen. (PK)

 


Online-Flyer Nr. 469  vom 30.07.2014



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