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Baden-Württemberg: Grün-Rot führt Kooperation Bundeswehr/Schulen fort
Kultusminister Stoch im Selbstgespräch
Von Dietrich Schulze
Der folgende Bericht erscheint angesichts der Schreckensmeldungen aus Gaza und der Ukraine als kleinkarierte Friedenstüftelei. Der Krieg um die Köpfe beginnt aber in den Schulen und Hochschulen. Deswegen sind die Bestrebungen für militärfreie Bildungseinrichtungen nach wie vor von grundsätzlicher Bedeutung. Es hatte den Anschein, als ob in Baden-Württemberg ein Pilotprojekt zur Friedenserziehung in den Schulen des Landes durchgesetzt werden kann. Dieser Anschein trügt.
Quelle: wikipedia und Berghoff Foundation
Online-Flyer Nr. 470 vom 06.08.2014
Baden-Württemberg: Grün-Rot führt Kooperation Bundeswehr/Schulen fort
Kultusminister Stoch im Selbstgespräch
Von Dietrich Schulze
Der folgende Bericht erscheint angesichts der Schreckensmeldungen aus Gaza und der Ukraine als kleinkarierte Friedenstüftelei. Der Krieg um die Köpfe beginnt aber in den Schulen und Hochschulen. Deswegen sind die Bestrebungen für militärfreie Bildungseinrichtungen nach wie vor von grundsätzlicher Bedeutung. Es hatte den Anschein, als ob in Baden-Württemberg ein Pilotprojekt zur Friedenserziehung in den Schulen des Landes durchgesetzt werden kann. Dieser Anschein trügt.
Quelle: wikipedia und Berghoff Foundation
Der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat die CDU-Politik von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (GRÜNE) und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (GRÜNE) für den Bereich der Schulen gerade auf ein neues fürchterliches Niveau gehoben, mittels Inkraftsetzung der CDU-Kooperationsvereinbarung Bundeswehr/Schulen von 2009 unter neuem Etikett.
Die anerkannte Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr - Lernen für den Frieden“, die von Beginn an die ersatzlose Kündigung der CDU-Vereinbarung fordert, hat sich vom Minister auf einem pfiffigen Pfad ins Abseits führen lassen. Bei den Verhandlungen über eine „Gemeinsame Erklärung zur Friedensbildung“ sitzt dem Minister für die Kampagne ausgerechnet ein „Bildungsexperte“ gegenüber, der eine ähnliche Sorte von „Friedens- und Sicherheitspolitik“ vertritt, wie der Minister sie praktiziert. Dieser seit Monaten vor sich hin schleichende Prozess ist in der letzten Woche aufgrund von Dokumenten öffentlich sichtbar geworden.
Diese Verhandlungsfarce mit Friedensetikett muss unverzüglich beendet werden, damit die Kampagne zu ihren mehr als berechtigten Grundsätzen zurück kehren und einen kraftvollen Beitrag zum Antikriegstag 2014 leisten kann.
Kurzer Rückblick
Dabei hatte alles im letzten Herbst hoffnungsvoll mit einer beachteten Tagung „Lernen für den Frieden“ am 9. November im Dietrich-Bonhoeffer-Haus der Evangelischen Studentengemeinde in Karlsruhe begonnen. Daraufhin hatte die DFG-VK eine PM herausgebracht und der Autor hatte berichtet [1]. Am 22. Januar gab es dann eine inhaltlich wertvolle Aktionskonferenz. Der vom Autor vorgelegte Reader enthielt einen ausführlich begründeten Antrag für eine Demo Anfang 2014 nach dem Vorbild vom 20. Oktober 2012. Dazu konnte sich die Konferenz nicht durchringen, orientierte aber auf eine Aktion „Friedensbildung statt Militärwerbung“ bei der Bildungsmesse didacta am 25. März in Stuttgart. Von den vielen TeilnehmerInnen bei den Konferenzen blieben sechs Wackere übrig, die am Messe-Eingang Flugblätter verteilten, verbunden mit kurzen Megaphon-Durchsagen [3]. Die GEW machte auf ihrem didacta-Stand auf die Aktion aufmerksam. Danach hatten sich diejenigen in der Kampagne durchgesetzt, die ausschließlich reden wollten, ohne das jemals mit Aktionen zu verbinden.
"Bundeswehr und Pazifisten an Schulen auf Augenhöhe“
Aktionen sind naturgemäß mit Informationen an die Öffentlichkeit verbunden. Eine Kette von Reden mit Ministern und Ministerialbeamten über solche Grundsatzthemen wie Friedenserziehung an Schulen zieht sich in die Länge und hat im Falle Baden-Württemberg diejenigen in der Kampagne in die Vorhand gebracht, die dem Minister doch bitte nicht mit einer Veröffentlichung der Streitpunkte in die Parade fahren wollten. Der Minister registrierte diese Zurückhaltung wohlwollend, dachte aber nicht daran, seinerseits gegenüber der Presse Zurückhaltung zu üben. Und genau so kam es. Am 11. Juni lancierte Minister Andreas Stoch in den baden-württembergischen Zeitungen die Botschaft "Bundeswehr und Pazifisten an Schulen auf Augenhöhe“. Perfiderweise war das kurz nach der dritten Gesprächsrunde Minister/Kampagne. Nichts ahnend hatte der Geschäftsführer der DFG-VK Baden-Württemberg der Presse auf Anfrage erklärt, dass die Gespräche auf gutem Wege seien. Nachdem der Schock verdaut war, gab die Kampagne eine Presse-Mitteilung heraus. Sie halte an der Forderung nach ersatzloser Kündigung der „Kooperationsvereinbarung Bundeswehr/Schulen“ fest. Die Presse dachte nicht daran, das zu berichten. Und der Minister ließ sich nicht lumpen. Am 10. Juli übermittelte er der Kampagne seinen furchtbaren Entwurf einer „Gemeinsamen Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in den baden-württembergischen Schulen“. Das Rauschen im Kampagnen-Wald verstärkte sich. Ungerührt von alledem übermittelte der Minister der Kampagne am 27. Juli die Ausführungsbestimmungen zur „Kooperationsvereinbarung Schule/Bundeswehr“, dem privilegierten Zugang von Jugendoffizieren zu den Schulen.
Dissidenz in der Kampagne wird öffentlich
Nun platzte einem zweiten Kampagnen-Mitstreiter der Kragen. Die Kooperationsvereinbarung stelle eine Verschärfung dar. Die Jugendoffiziere werden als Vermittler von Friedenspolitik gepriesen. Die Gespräche über die Friedensbildung seien vor diesem Hintergrund nichts anderes als ein Alibi, den Zugang der Jugendoffiziere zu den Schulen zu rechtfertigen. Deswegen der Vorschlag, die Gespräche platzen zu lassen. Und noch ein Dritter aus der Kampagne unterstützte die Forderung, den nächsten Gesprächstermin am 1. August platzen zu lassen. Nachdem dazu außer Vorwürfen vom Kampagnenrat keine Reaktion erfolgte, hielt es der Autor am 31. Juli für erforderlich, die Öffentlichkeit zu informieren. Der blog Trueten, der schon zu den beiden benannten Tagungen Material veröffentlicht hatte, stellt meine Kritik verbunden mit einer Handreichung zu den zitierten Dokumenten am gleichen Tag unter dem Titel „Ausstieg aus Mitmachfalle Friedensbildung Schulen“ ins Netz [4].
Bildungsexperte und Friedenspädagoge Uli Jäger
Ein weiterer kompetenter Kritiker hatte kurz darauf einen hochinteressanten Hinweis übermittelt, der den kontinuierlichen Abstiegsprozess der Kampagne seit März auf ganz neue Weise zu erklären vermag. Uli Jäger (Foto siehe oben) ist von Beginn an Mitglied im Verhandlungsteam der Kampagne. Seine Profession: Director Peace Education, Berghof Foundation / Friedenspädagogik Tübingen. Niemand in der Kampagne hat ihm offenbar genauer auf die Finger geschaut.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung
In einem von der Bundeszentrale für politische Bildung 2010 herausgegebenem Arbeitsblatt für Schulen zum Thema "Afghanistan kontrovers" [5] fragt er als Autor eingangs: „Warum engagiert sich Deutschland überhaupt in einem fremden Land und warum militärisch und nicht nur mit zivilen Mitteln?“ und „Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wirft nicht nur zentrale friedens- und sicherheitspolitische Fragen auf …. Bundeswehr beteiligt sich an den internationalen Truppen, die Terror bekämpfen und für stabile Verhältnisse sorgen sollen." Nach langem Hin und Her kommt er zu der außerordentlich überzeugenden Antwort auf seine Eingangsfrage: "Eine Bewertung des Afghanistaneinsatzes ist angesichts der Komplexität des Konfliktes, der vielfältigen Interessen unterschiedlicher Akteure und der differenzierten Handlungsoptionen sehr schwierig." Der Friedens- und Konfliktforscher ist also ratlos, weil alles zu komplex ist. Raus aus dem Interventionskrieg, das ist einfach zu platt und zu plump. Die Komplexitätsbehauptung, eine äußerst pfiffige Interpretation von militärischer Außenpolitik.
Dieser „Friedenspädagoge“ sitzt also dem Minister gegenüber, einem Minister, der ebenfalls die Gleichsetzung von Friedens- und Sicherheitspolitik auf seiner Agenda hat. Andreas Stoch kann nur nicht so intelligent palavern wie Uli Jäger. Der Minister sitzt demnach seinem wortgewandten alter ego gegenüber. Vereinfacht ausgedrückt: Der Minister privilegiert die Bundeswehr an Schulen und führt Selbstgespräche über die Friedensbildung. Schluss mit der Farce!
Das war nur ein Papier, könnte eingewandt werden. Vielleicht ist es etwas verunglückt. Studieren Sie doch bitte selber das ganze Jäger-Latein im Internet.
Offener Brief zum Antikriegstag 2011
Das eine sind wie gesagt die Reden, das andere die Handlungen. Nur eine weitere Rückbesinnung dazu, ein vom Autor mit initiierter Offener Brief [6] zum Antikriegstag 2011 an die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg Theresia Bauer, an die Präsidenten der Uni Tübingen und des KIT Karlsruhe zu den Themen • Verzicht auf Militärforschung an Hochschulen • Zivilklausel in das Landeshochschulgesetz und in das KIT-Gesetz • Studierendenvotum und Verfassungsauftrag respektieren • Keine Kern- und Waffenforschung unter einem Dach • Zivilklausel der Uni Tübingen schützen. Unterzeichnet ist der Offene Brief von 20 Gruppen und 60 Personen. Schauen wir einmal, wer an der Uni Tübingen unterzeichnet hat: Dr. Hartmut Blum, Akademischer Oberrat und Dr. Volker Harms, Akademischer Oberrat a.D. - keine Spur vom Friedensforscher Uli Jäger. Interessant hingegen, wer von den jetzt aktiven Kampagnen-Mitstreitern unterzeichnet hatte: Hagen Battran, GEW Baden-Württemberg, Roland Blach, DFG-VK Baden-Württemberg und Paul Russmann, Ohne Rüstung Leben.
Halt, hier ging es doch um die Hochschulen und nicht um die Schulen. Das stimmt, aber der Zusammenhang ist seit langer Zeit offensichtlich und in beiden zuvor genannten Tagungen am 9. November 2013 und am 22. Januar 2014 waren beide Bereiche bewusst thematisch vertreten.
Foto: privat
Friedenspädagoge Gregor Lang-Wojtasik als Vorbild
Gibt es denn überhaupt Friedenspädagogen, die praktisch handeln, die sich die SchülerInnen und LehrerInnen zum Vorbild nehmen können? Ja, die gibt es. Nur ein prominentes Beispiel: Prof. Dr. Gregor Lang-Wojtasik an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Er fordert eine Zivilklausel für die PH, weil er die künftigen PädagogInnen auf einen verantwortungsvollen Weg bringen möchte. Lesen Sie bitte sein Grußwort zur Aktionskonferenz (Reader im Zitat [2] Seiten 2-4 bzw. Handreichung im Zitat [4] Seite 16).
Seine Eingangsworte mögen mein Schlusswort sein: „»Es gibt keinen Weg zum Frieden – Frieden ist der Weg!«. Dieses Zitat, das Mohandas K. Gandhi (bekannter als Mahatma Gandhi) zugeschrieben wird, verdeutlicht klar, was unsere Reise sein kann. Wir müssen klar machen, wofür wir stehen und damit einschließen, wogegen wir votieren! Denn Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg oder eine wie auch immer geartete Sicherheit. Vor dem Hintergrund der mahnenden deutschen Geschichte geht es darum, konstruktive Alternativen der Konfliktlösung jenseits (militärischer) Gewalt als pragmatische Visionen lebbar zu machen.“ (PK)
Online-Flyer Nr. 470 vom 06.08.2014