SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Lokales
Offener Brief zur Arbeit in der Archäologischen Zone am Kölner Rathaus
"Ausgraben mit dem Bagger sofort stoppen!"
Von Maureen Carroll, Johannes G. Deckers und Ulrich Klein
"Eine der größten archäologischen Zonen Europas entsteht! Die Stadt Köln und das Land Nordrhein-Westfalen realisieren im Rahmen der Regionale 2010 auf und unter dem Rathausplatz eine Museumslandschaft von ca. 10.000 qm insgesamt und 7.500 qm Ausstellungsflächen. Von den gewaltigen Ruinen des römischen Statthalterpalastes bis zu den fragilen Resten eines der bedeutendsten jüdischen Stadtquartiere Europas wird das weltliche Herzstück der Kölner Stadtgeschichte präsentiert…" Mit diesem Text unter einem Bild von OB Jürgen Roters und einem Internetvideo (1) wirbt die Stadt Köln für dieses einzigartige kulturgeschichtliche Projekt. Hier zur aktuellen Ausgrabungsmethode ein kritischer Offener Brief von drei Wissenschaftlern an den Kölner OB, die mit der Archäologie Kölns unmittelbar befasst waren.
Kölner OB Jürgen Roters
Sehr geehrter Herr Oberbürger-meister Roters, wie wir soeben erfahren mussten, wird der Bereich des Grabungsgeländes der Archäologischen Zone, auf dem früher das Grabungszelt gestanden hat, nun mit dem Bagger ausgegraben. Über diese Grabungsmethode sind wir sehr erstaunt und alarmiert. Das hat folgende Gründe:
Online-Flyer Nr. 477 vom 24.09.2014
Offener Brief zur Arbeit in der Archäologischen Zone am Kölner Rathaus
"Ausgraben mit dem Bagger sofort stoppen!"
Von Maureen Carroll, Johannes G. Deckers und Ulrich Klein
"Eine der größten archäologischen Zonen Europas entsteht! Die Stadt Köln und das Land Nordrhein-Westfalen realisieren im Rahmen der Regionale 2010 auf und unter dem Rathausplatz eine Museumslandschaft von ca. 10.000 qm insgesamt und 7.500 qm Ausstellungsflächen. Von den gewaltigen Ruinen des römischen Statthalterpalastes bis zu den fragilen Resten eines der bedeutendsten jüdischen Stadtquartiere Europas wird das weltliche Herzstück der Kölner Stadtgeschichte präsentiert…" Mit diesem Text unter einem Bild von OB Jürgen Roters und einem Internetvideo (1) wirbt die Stadt Köln für dieses einzigartige kulturgeschichtliche Projekt. Hier zur aktuellen Ausgrabungsmethode ein kritischer Offener Brief von drei Wissenschaftlern an den Kölner OB, die mit der Archäologie Kölns unmittelbar befasst waren.
Kölner OB Jürgen Roters
Quelle: wikipedia/ Raimond
Spekking/ C-BY-SA-4.0
Spekking/ C-BY-SA-4.0
Es handelt sich um einen Bereich, in dem zweifelsfrei erhebliche Befunde zu erwarten sind, was wir aus den verdienstvollen Grabungen von Prof. Gundolf Precht und Prof. Otto Doppelfeld bereits wissen. Ihre Befunde sind in den späteren Grabungen stets in guter Erhaltung zu Tage getreten. Es wäre unseriös zu behaupten, dass es im Fall des jetzt anstehenden Grabungsabschnitts anders sein werde. Darüber hinaus ist daran zu erinnern,
dass die reichen, neuen und unerwarteten Ergebnisse der jüngeren Grabung, die von Dr. Sven Schütte geleitet wurde, auf den umsichtigen und vorsichtigen Grabungsmethoden beruhten, die er hier konsequent anwandte. Vor allem die sorgfältige Untersuchung des Schutts der älteren Grabungen und das vorsichtige Abtragen der unberührten Schichten erbrachten einzigartige Funde und Befunde. Es genügt, an die für die Kulturgeschichte Kölns wie auch für jene des Judentums so bedeutsamen Schiefertafeln zu erinnern, die mit
hebräischen und mittelhochdeutschen Texten beschriftet sind. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Die auf den oft recht kleinen Fragmenten von Schieferplatten eingeritzten Beschriftungen sind nur dann zu erkennen, wenn diese, Stück für Stück, untersucht und von Hand gereinigt werden. Bei einem maschinellen Abtragen dieser Schichten mit einem Bagger wird der größte Teil derartiger Funde naturgemäß unentdeckt bleiben und zusätzlich zerstört werden. Schon die jetzt noch anstehenden Profile dieser Schichten zeigen, wie sich Beiratsmitglieder persönlich überzeugen konnten, dass in ihnen nicht nur Fragmente derartiger Schiefertafeln, sondern auch noch weitere wichtige Funde wie etwa Spolien aus dem Synagogenbau stecken: Hier ist ausschließlich eine von Hand betriebene Ausgrabung angebracht und zu verantworten.
Da es im Ermessen des verantwortlichen Grabungsleiters steht, die für eine
wissenschaftliche Erhebung des Befundes beste Grabungsmethode anzuwenden, möchten wir Herrn Dr. Trier dringend bitten, die für diesen sensiblen und absehbar fundreichen Grabungsabschnitt bereits bewährte und ergebnisreiche Methode einer Ausgrabung von Hand vorzuziehen.
Gestatten Sie, dass wir uns mit einem offenen Brief an Sie wenden. Wir wählen diese Form aus zwei Gründen: Als Wissenschaftler, die mit der Archäologie Kölns unmittelbar befasst waren, verfolgen wir die Grabung mit großen Interesse. Da bedauerlicherweise der wissenschaftliche Beirat als das angemessene Forum für einen wissenschaftlichen Austausch schon lange nicht mehr einberufen wurde, melden wir uns nun auf diese Weise in der Hoffnung, dass unsere Bedenken ernst genommen werden. Es gilt hier Schaden abzuwenden und dem unwiederbringlichen Verlust von historischen Dokumenten vorzubeugen. Das `Ausgraben´ mit dem Bagger muß sofort gestoppt werden!
Es ist ausschließlich das Interesse an der Kulturgeschichte Kölns und die Verantwortung für eine möglichst genaue Dokumentation aller Zeugnisse ihrer Vergangenheit, die die Unterzeichnenden, auch (ehemalige) Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats, veranlassen, mit diesem Brief öffentlich Stellung zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. Maureen Carroll, Sheffield
Prof. Dr. Johannes G. Deckers, München
Ulrich Klein M.A., Marburg
(PK)
Online-Flyer Nr. 477 vom 24.09.2014