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Arbeit und Soziales
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.
Kapitalismus pur
Von Franz Kersjes
Franz Kersjes ist seit einigen Jahren Herausgeber der Welt der Arbeit im Internet (www.weltderarbeit.de) und war von 1980 bis 2001 Landesvorsitzender der IG Druck und Papier und der IG Medien in NRW. Seit dem Ende seiner Gewerkschaftsarbeit engagiert er sich bei attac, amnesty international und bei Greenpeace. Sein Motto ist: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Hier ein aktueller Artikel aus seiner WdA.
Waffenexporte
Online-Flyer Nr. 479 vom 08.10.2014
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.
Kapitalismus pur
Von Franz Kersjes
Franz Kersjes ist seit einigen Jahren Herausgeber der Welt der Arbeit im Internet (www.weltderarbeit.de) und war von 1980 bis 2001 Landesvorsitzender der IG Druck und Papier und der IG Medien in NRW. Seit dem Ende seiner Gewerkschaftsarbeit engagiert er sich bei attac, amnesty international und bei Greenpeace. Sein Motto ist: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Hier ein aktueller Artikel aus seiner WdA.
Obwohl Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) kürzlich eine restriktivere Rüstungspolitik angekündigt hatte, hat die Bundesregierung erneut Rüstungsexporte in beträchtlichem Umfang an arabische Staaten wie Katar, Algerien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. Darunter sind Länder, die im Verdacht stehen, in der Vergangenheit die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) unterstützt zu haben. Skrupellos werden nun erneut Waffen an Staaten mit hochproblematischer Menschenrechtslage genehmigt. Das zeigt auch: Dem Geschwätz des SPD-Vorsitzenden Gabriel ist nicht zu trauen.
Steuerflucht
In Deutschland werden jährlich rund 100 Milliarden Euro an Steuern hinterzogen – mehr als dreimal so viel, wie für „Hartz IV“ ausgegeben wird. Das Geld, das dringend für Bildung, Kultur und Soziales gebraucht würde, wird stattdessen in den Oasenländern vermehrt. So werden die Reichen immer reicher und die Armen ärmer. Das geltende Recht, sowohl im Inland als auch international, lädt zur Steuerflucht ein und muss grundlegend verändert werden. Dem Staat fehlt viel Geld, um seine Aufgaben zu finanzieren. Der Investitionsstau allein bei der kommunalen Infrastruktur – Kanalisation, Schul- und Verwaltungsgebäude, Frei- und Hallenbäder, Sportstätten, Krankenhäuser, Feuerwachen, Straßen, Brücken – ist enorm. Er beträgt laut Deutschem Institut für Urbanistik über 700 Milliarden Euro – ein Reparatur- und Erneuerungsbedarf, der sich seit Jahren hinzieht und vergrößert.
Sozialpartnerschaft?
Die Eigentümer der Produktionsmittel bestimmen weitgehend die Lebens- und Arbeitsbedingungen der meisten Menschen. Sie entscheiden, ob produziert wird, was produziert wird, wo produziert wird und wie produziert wird. Kapital zu investieren oder zu verleihen ist immer mit dem Ziel verbunden, eine hohe Rendite zu erzielen. Das Konzept des Shareholder Value verlangt, dass der Betriebszweck vorrangig den Interessen seiner Eigentümer zu dienen hat. Der Wert des Unternehmens soll maximiert werden. Da ist für „soziale Marktwirtschaft“ kein Platz. Und der Auftrag unseres Grundgesetzes, dass „Eigentum verpflichtet“, hat beim Profitstreben der Kapitalbesitzer keine Chance.
Einkünfte von Konzernchefs
In Deutschland kassieren die Vorstände der 30 DAX-Konzerne im Durchschnitt jährlich 147mal soviel wie ein ungelernter Hilfsarbeiter (Vollzeit, sozialversichert). Den Wert haben Forscher auf Grundlage von Zahlen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) errechnet. Danach haben sich die Vorstandschefs von Deutschlands führenden Aktiengesellschaften zuletzt im Schnitt 5,9 Millionen Dollar genehmigt. Ganz vorne steht VW-Chef Martin Winterkorn mit 15 Millionen jährlich.
Manager-Renten
Vorstände sollen ihr Unternehmen nachhaltig voranbringen: Perspektiven für Beschäftigung und Standorte schaffen, im Einklang mit der Umwelt die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern. „Das ist die Messlatte, die die Mitbestimmung an die Arbeit von Top-Managern anlegt“, sagt Lasse Pütz, Mitbestimmungsexperte der Hans-Böckler-Stiftung. Daran müsse sich auch die Vergütung orientieren.
Ein erheblicher Teil der Bezahlung erfolgt in Form von Pensionszusagen. So haben etwa die 30 DAX-Unternehmen 2013 im Durchschnitt für jedes ihrer aktiven Vorstandsmitglieder etwa 500.000 Euro für die betriebliche Rente zurückgestellt. Das entsprach etwa 57 Prozent der Festbezüge, wie eine Auswertung des Vergütungsexperten Heinz Evers im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zeigt.(1) Die Frage ist, ob diese Art der – weitgehend leistungs- und erfolgsunabhängigen – Vergütung zu einer nachhaltigen Unternehmensführung passt.
Evers stellt immerhin einige positiv zu bewertende Veränderungen fest: Mit neu berufenen Vorständen werde heute oft ein geringeres Leistungsniveau vereinbart als bei Altvorständen. Schaut man auf die längerfristige Entwicklung der Vorstandspensionen, so sei zu konstatieren, dass der Aufwärtstrend der jüngeren Vergangenheit gebrochen ist.
Heute würden die Ruhegelder zudem zunehmend als Teil der Gesamtvergütung wahrgenommen – und nicht als pauschale Zusatzleistung. Besonders bemerkenswert ist Evers zufolge, dass acht Unternehmen aus dem MDAX sowie der DAX-Konzern Beiersdorf die besondere betriebliche Altersvorsorge für Vorstände ganz abgeschafft haben.
Allerdings spricht der Experte von einer „anhaltenden Intransparenz der Versorgungsaufwendungen“. Und das, obwohl die Aufsichtsräte sich nach dem deutschen Corporate Governance Kodex seit 2013 verpflichtend mit diesem Thema beschäftigen müssen.
Lasse Pütz sieht Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten durch die neuesten Zahlen herausgefordert, in Zukunft noch stärker auf die Gesamtvergütung für Vorstände zu schauen, inklusive der Versorgungsbausteine für das Alter. Auch diese müssten so gestaltet sein, dass Vorstände belohnt würden, „die erkennbar den langfristigen Erfolg des Unternehmens mit Zukunftsperspektiven für Beschäftigung und Standorte im Auge haben und nicht nur das Wohl der Aktionäre des Unternehmens“. Oder solche, die Krisen ohne Beschäftigungsabbau durchgestanden haben. Zudem sollten die Versorgungsansprüche in einem angemessenen Verhältnis zu den Ansprüchen aller Mitarbeiter stehen. Großzügige pauschale Ruhegelder ohne Bezug zur längerfristigen Unternehmensentwicklung seien jedenfalls nicht mehr zeitgemäß.
Was Ex-Vorstände die Unternehmen kosten
Insgesamt 7,9 Millionen Euro hat das durchschnittliche DAX-Unternehmen 2013 an die früheren Mitglieder seines Vorstands gezahlt, so Vergütungsfachmann Heinz Evers. Damit gaben die Konzerne für die Renten ihrer einstigen Spitzenmanager noch einmal knapp 40 Prozent der Summe aus, die sie den aktiven Vorstandsmitgliedern überwiesen. Zusätzlich flossen pro Unternehmen im Schnitt 3,1 Millionen Euro in die Rückstellungen für das künftige Ruhegeld der heute aktiven Spitzenmanager – rund 500.000 Euro pro Person.
Erstmals liefert Evers’ Analyse auch Daten für die 47 mittelgroßen Konzerne, die im MDAX notiert sind: Sie wendeten im Durchschnitt 1,8 Millionen Euro für die Pensionszahlungen an ihre ehemaligen Vorstandmitglieder auf. Hinzu kamen 1,2 Millionen Euro, die ein durchschnittliches MDAX-Unternehmen allein 2013 für die künftigen Pensionen seiner aktiven Vorstandmitglieder zurücklegte.
Die Altersgrenzen für die Vorstandspensionen steigen nach der Auswertung seit einigen Jahren wieder an. Allerdings zahlen nach wie vor zwei Drittel der Firmen, bei denen sich das Pensionsalter erfassen ließ, ab 63 Jahren oder sogar schon früher.
Unterm Strich haben alle DAX- und MDAX-Konzerne aktuell 3,6 Milliarden Euro für die Renten ihrer ehemaligen Vorstände zurückgestellt. Für die aktiven Spitzenmanager summieren sich die Rückstellungen noch einmal auf 1,2 Milliarden Euro.
Und sonst im Land? Alles ruhig? Kein Aufstand? Doch: Der DGB protestierte mit Presseerklärungen (!) gegen die wachsende Armut. - Die so genannten Eliten im Land sind beruhigt.
(1) Quelle: Heinz Evers: Betriebliche Altersversorgung von Vorstandsmitgliedern in DAX- und M-DAX-Unternehmen, Auswertung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, September 2014. www.boecklerimpuls.de
Online-Flyer Nr. 479 vom 08.10.2014