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"Unsere Medien" glauben lieber weiter BND-Präsident Gerhard Schindler
MH17 - Ein totgeschwiegenes Dementi
Von Ralph Hartmann
Endlich wissen wir, wer am 17. Juli die malaysische Boeing über dem Bürgerkriegsgebiet in der Ostukraine abgeschossen hat und für den Tod der 298 Insassen verantwortlich ist. Unser fabelhafter Geheimdienst hat es aufgedeckt, und kein Geringerer als sein Chef, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, hat darüber am 8. Oktober das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages höchst vertraulich informiert.
Online-Flyer Nr. 484 vom 12.11.2014
"Unsere Medien" glauben lieber weiter BND-Präsident Gerhard Schindler
MH17 - Ein totgeschwiegenes Dementi
Von Ralph Hartmann
Endlich wissen wir, wer am 17. Juli die malaysische Boeing über dem Bürgerkriegsgebiet in der Ostukraine abgeschossen hat und für den Tod der 298 Insassen verantwortlich ist. Unser fabelhafter Geheimdienst hat es aufgedeckt, und kein Geringerer als sein Chef, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, hat darüber am 8. Oktober das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages höchst vertraulich informiert.
Trümmer der malaysischen Boeing MH17
NRhZ-Archiv
Doch nichts ist so geheim, dass es das Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel nicht in Erfahrung bringt und alsbald der Öffentlichkeit mitteilt. Nach diesen Informationen hat der BND-Präsident, gestützt auf eine „detaillierte Analyse“ und „umfangreiche Belege“, nachgewiesen, dass prorussische Separatisten auf einem ukrainischen Militärstützpunkt ein Buk-Luftabwehrraketensystem erbeutet hatten und damit die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH17 in der Nähe der Großstadt Donezk abschossen.
Kaum hatte der Spiegel diese sensationelle Nachricht publik gemacht, stürzten sich die Meinungs machenden Medien darauf, um die Öffentlichkeit über die furchtbare Missetat der prorussischen Kräfte zu unterrichten. Allen voran schlug, wie nicht anders zu erwarten, Springers Kampfblatt Bild zu und informierte unter der in Riesenlettern gedruckten Schlagzeile: „BND sicher: Es waren Putins Schergen!“ Im Text prangerte das Blatt dann nicht nur die Separatisten in der Ostukraine, sondern ganz nebenbei auch die russische Regierung an: „Schon unmittelbar nach der Tragödie gab es Mutmaßungen über einen Abschuss durch prorussische Milizen. Seitdem beschuldigen sich die russische und die ukrainische Regierung gegenseitig, für den Absturz verantwortlich zu sein. Der BND legt sich jetzt fest: Russische Darstellungen, wonach die Rakete von ukrainischen Soldaten abgefeuert wurde und ein ukrainischer Jagdbomber in der Nähe der Passagiermaschine geflogen sei, seien falsch. ‚Es waren pro-russische Separatisten‘, zitierte der Spiegel aus dem Vortrag des BND-Chefs.“
So wie Bild informierten auch die „seriösen Blätter“, wenn auch weniger reißerisch aufgemacht, aber bemerkenswert unisono, über die Untat der prorussischen Kräfte. Während die Frankfurter Allgemeine titelte „BND: Prorussische Separatisten schossen Passagiermaschine ab“, überschrieb die Frankfurter Rundschau: „BND: Prorussische Separatisten schossen Flugzeug ab“. Und das Handelsblatt informierte unter der Schlagzeile: „BND: Prorussische Separatisten schossen MH17 ab“. Über die Reaktion der beschuldigten prorussischen Kräfte berichteten die bundesdeutschen Medien, wenn überhaupt, nur am Rande. Dabei hatten deren führende Vertreter unmittelbar nach der Spiegel-Veröffentlichung die Schuldzuweisung für den Abschuss der malaysischen Passagiermaschine energisch zurückgewiesen und unterstrichen, dass das angeblich erbeutete und zum Abschuss genutzte Luftabwehrsystem „Buk“ höchst kompliziert sei und die Kämpfer in ihren Reihen nicht die nötigen ausgebildeten Spezialisten hätten. Erhärtet wurde diese Darstellung durch den Moskauer Militärexperten Igor Korotschenko, der in einem Interview mit dem Fernsehsender Rossija 1 feststellte: „Ein Bergarbeiter, der mühsam das Handhaben einer Kalaschnikow erlernt hat, kann das technisch komplizierte Buk-System kaum bedienen. Offiziere werden für die Betreuung solcher Raketenkomplexe fünf Jahre ausgebildet.“
Diese und andere Einwände gegen die Darstellung des BND suchte man in der bundesdeutschen Medienwelt vergeblich. Weshalb sollte man auch über die Reaktion der schuldbeladenen Russen informieren? Es genügte doch die Meldung, dass der BND die Schuldigen am schrecklichen Geschehen, die prorussischen Separatisten, ausgemacht hat.
Bedauerlicherweise gab es zum BND-Bericht noch ein anderes, für die an Russophobie Leidenden nicht gerade erfreuliches Dementi, und das ausgerechnet von den Freunden in Kiew, genauer vom Kommando der ukrainischen Luftstreitkräfte. Veröffentlich wurde es auf der Website des ukrainischen Verteidigungsministeriums: „Das Kommando der Luftstreitkräfte der Ukraine erklärt offiziell, dass die Informationen, laut denen die Terroristen das Luftabwehrraketensystem Buk M1 von einem Truppenteil der ukrainischen Luftstreitkräfte erbeutet haben, nicht stimmen. Das Personal, die Technik und die Waffen des Fla-Raketenregiments, das im Gebiet Donezk stationiert war, waren bereits am 29. Juni 2014 auf Beschluss des Luftwaffenchefs der Ukraine zur Erfüllung von Aufgaben in andere Regionen verlegt worden. Als die Terroristen das Gelände des Truppenteils betraten, war dort nur noch veraltete und betriebsunfähige Automobiltechnik vorhanden.“
Dieses Dementi, das die Falschmeldungen und den ganzen Hokuspokus des Bundesnachrichtendienstes und der ihm dankbar und brav folgenden Medien ins Reich der Phantasie beförderte, wurde totgeschwiegen; sowohl vom BND als auch von Presse, Funk und Fernsehen. Frei nach dem Motto: Nur Dumme gestehen ihre Lügen ein, kluge Lügner schweigen. (PK)
Ralph Hartmann hat diesen Artikel in der Zweiwochen-Zeitschrift Ossietzky 23/2014 vom 7.11.2014 veröffentlicht, deren Redaktion wir für die Genehmigung zur Wiedergabe danken.
Online-Flyer Nr. 484 vom 12.11.2014