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Baden-Württemberg Spitze der Friedensbildungs-Bewegung für Schulen
Vorbildlicher Kultusminister
Von Dietrich Schulze

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist am 30. Oktober 2014 zwischen Kultusminister Andreas Stoch und 14 überwiegend kirchlichen Gruppen der Friedensbewegung eine wegweisende „Gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung in den baden-württembergischen Schulen“ [1] abgeschlossen worden.

Die glücklichen Unterzeichner der Friedensbildungs-Erklärung
Quelle: km-bw.de
 
Ärgerlicherweise wollten sich die Mitglieder der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Baden-Württemberg der Erklärung laut einer Befragung nicht anschließen. Wie ihr Geschäftsführer Roland Blach erklärte, will die DFG-VK sogar an der Kündigungsforderung zur Kooperationsvereinbarung Schule/Bundeswehr festhalten. Haben diese Pazifisten denn immer noch nicht begriffen, wo die Reise hingeht? Wieso folgen sie nicht den kirchlichen Kreisen, die sich endlich bewegt haben?
 
Inzwischen äußert sich die Presse über die Erklärung, beginnend mit einem Artikel im Staatsanzeiger [2] Mitte November und fortgesetzt in der bundesweit bekannten Samstags-taz-Beilage KONTEXT [3] am Nikolaustag unter dem beispielhaften Titel „Krieg und Frieden in der Schule“. Schlüssel-Zitat: „Die gemeinsame Erklärung beruht auf einem umfassenden Verständnis einer „Erziehung zur Friedensliebe“. Die daraus abgeleiteten Handlungsfelder der Friedensbildung an Schulen umfassen ein breites Spektrum: Es reicht von Maßnahmen der Gewaltprävention über die Beschäftigung mit friedens- und gewaltfördernden Strukturelementen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bis hin zur Auseinandersetzung mit friedens- und sicherheitspolitischen Fragestellungen in einer globalisierten Welt.“
 

Kultusminister Andreas Stoch
Der Minister hatte natürlich nach der ebenso wegweisenden Fortsetzung der Kooperationsvereinbarung Schulen/Bundeswehr darauf geachtet, dass hier keine Widersprüche entstehen. Jedes Kind weiß heute aufgrund der jahrelangen verantwortungsbewussten Tätigkeit der Jugendoffiziere in den Schulen, dass zu den „sicherheitspolitischen Fragestellungen“ die weltweit Frieden schaffenden Bundeswehreinsätze zählen.
Und in KONTEXT hatte einer der Jugendoffiziere die NATO mit den Drei Musketieren vergleichen. „Einer für alle, alle für einen.“ Welch treffendes und schönes Bild von unserem Schutz- und Trutz-Bündnis, das sich immer mehr ausdehnt und weltweit für Frieden sorgt. Gegen die ewigen Nörgler „Bundeswehr und NATO - Töten und Sterben“ zitiert die KONTEXT-Autorin sehr eindrucksvoll die Befürworter „verfassungsrechtlich legitimiertes Organ, das den Frieden für Deutschland und seine Partner sichert, zur Not am Hindukusch.“
 
Ganz untergegangen ist in der öffentlichen Debatte die monatelange Vorarbeit der Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr – am Wochenende“. Man wird von der Kampagne bald noch weitere einschlägige Ideen hören, eventuell zum 70. Jahrestag der Befreiung die Losung „Nie wieder totaler Krieg! Total zivilisierter Krieg für den Frieden jetzt!“
Und Baden-Württemberg hat auch an den Hochschulen ähnliches auf dem Gebiet der Friedensbildung vorzuweisen, zum Beispiel Honorarprofessor Wolfgang Ischinger an der Universität Tübingen. Er hält dort seit Jahren Vorlesungen zur internationalen Krisendiplomatie, wenn alle Stricke reißen natürlich mit der Bundeswehr. Er ist Leiter der jährlichen NATO-Friedenskonferenz (sorry „Sicherheitskonferenz“) Anfang Februar in München, gegen die unverbesserliche Pazifisten jährlich demonstrieren [4].
 
Ischinger ist auch ein TOP-Experte für den zitierten Hindukusch. Er war es nämlich, der 2001 als Botschafter in Washington Bundeskanzler Schröder mit der Forderung nach „uneingeschränkter Solidarität“ mit den USA für die Bundeswehrbeteiligung am Friedenseinsatz in Afghanistan mobilisiert hatte. Seinen Kritikern, die seine Unterstützung der Auslandseinsätze der Bundeswehr monierten und seine Abberufung wegen der Tübinger Zivilklausel forderten, hatte er es 2011 im Tübinger Tagblatt [5] tüchtig eingeschenkt:
„Es ist doch gerade das Ziel solcher Missionen, der Bevölkerung in Krisengebieten eine friedlichere Zukunft zu ermöglichen. Entspricht das denn nicht dem Gedanken der Zivilklausel? Die Anwendung militärischer Gewalt ist nie unproblematisch und darf immer nur Ultima Ratio sein – aber die Welt, in der wir leben, ist leider kein friedliches Paradies. Es ist eine Welt mit Diktatoren, nuklearer und konventioneller Aufrüstung, mit schrecklichen Bürgerkriegen, Piraten und Terroristen. Da erscheint die Anwendung militärischer Macht manchmal – leider – unumgänglich, um Frieden wiederherzustellen.“
 
Besser konnte niemand, auch nicht der Kultusminister, die deutsche Friedens- und Sicherheitspolitik auf den Punkt bringen.
Baden-Württemberg, vollgepackt mit Friedensbildungskompetenz. Von Baden-Württemberg lernen, heißt siegen lernen. 
Das alles sei eine Satire, könnte man meinen. Um Gottes willen, das ist der Ernst des Lebens. Wer das nicht glauben will, möge bitte hier [6] nachschauen. (PK)
 
Quellen:
[1] http://www.km-bw.de/site/pbs-bw-new/get/params_Dattachment/2089259/2014 10 30 Erklärung zur Stärkung der Friedensbildung.pdf
[2] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20141202st.pdf
[3] http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/192/krieg-und-frieden-in-der-schule-2587.html
[4] http://sicherheitskonferenz.de/de/Aufruf-SiKo-Proteste-2015
[5] http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/tuebingen_artikel,-Wolfgang-Ischinger-will-die-Diskussion-mit-seinen-Kritikern-_arid,148705.html
[6] http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20631
 
 

Dr.-Ing. Dietrich Schulze (Jg. 1940) war nach 18-jähriger Forschungstätigkeit im Bereich der Hochenergie-Physik von 1984 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender im Forschungszentrum Karlsruhe. 2008 gründete er mit anderen in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit sowie in der Initiative „Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“ und publizistisch tätig.


Online-Flyer Nr. 488  vom 10.12.2014



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