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Drei Jahre nach dem Kölner Urteil zur Genitalen Selbstbestimmung
Demonstration für die Kinder
Von Frank Clemens
Am 7. Mai jährt sich die Verkündung eines Kölner Urteils zur Genitalen Selbstbestimmung zum dritten Mal, das 2012 auch Jungen dieses Recht zugesprochen hat. Es ist inzwischen weltweit zu einem Symbol für die Selbstbestimmungsrechte des Kindes unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Tradition geworden.
Sicherung der psychosozialen Unterstützung Betroffener inkl. einer Verpflichtung der Krankenkassen zur Kostenübernahme.
Online-Flyer Nr. 509 vom 06.05.2015
Drei Jahre nach dem Kölner Urteil zur Genitalen Selbstbestimmung
Demonstration für die Kinder
Von Frank Clemens
Am 7. Mai jährt sich die Verkündung eines Kölner Urteils zur Genitalen Selbstbestimmung zum dritten Mal, das 2012 auch Jungen dieses Recht zugesprochen hat. Es ist inzwischen weltweit zu einem Symbol für die Selbstbestimmungsrechte des Kindes unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Tradition geworden.
Deshalb findet am 7. Mai, dem WORLDWIDE DAY OF GENITAL AUTONOMY, in Köln eine Kundgebung ab 11:00 Uhr vor dem Landgericht, Luxemburger Straße 101, die ab 12.45 Uhr auf dem Wallrafplatz am WDR-Funkhaus ihren Höhepunkt erreichen wird.
Aus diesem Anlass fordern die Veranstalter:
Schutz aller Kinder weltweit vor jeglicher Verletzung ihrer körperlichen und sexuellen Integrität!
Einhaltung und Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention Art. 2 (Schutz vor Diskriminierung), Art. 3 (Vorrang des Kindeswohls) und Art. 24, Absatz 3 (Abschaffung schädlicher Bräuche).
Rücknahme der gesetzlichen Erlaubnis für nicht-therapeutische Vorhautamputationen ("Beschneidungen") an Jungen in Deutschland, Entschädigungen der Betroffenen für die mit dem Gesetz verlorenen Rechte sowie Bereitstellung von Geldern zur weiteren Erforschung der lebenslangen Folgen.
einen nationalen Aktionsplan zum systematischen und koordinierten Schutz gefährdeter Mädchen.
Kundgebung vor dem Kölner Gerichtsgebäude 2014
Foto: Stefan Schritt
Sicherung der psychosozialen Unterstützung Betroffener inkl. einer Verpflichtung der Krankenkassen zur Kostenübernahme.
Erweiterung der internationalen Hilfsprogramme auch auf Jungen, die z.B. in Afrika von schwersten Verletzungen und Tod in Folge ritueller Vorhautamputationen bedroht sind.
Das Kölner Urteil
Am 7. Mai 2012 bewertete das Kölner Landgericht eine medizinisch nicht indizierte "Beschneidung" an einem nicht einwilligungsfähigen Jungen als rechtswidrig. Dies war nur folgerichtig, denn auch Kindern standen in Deutschland die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und gewaltfreie Erziehung zu. Warum hätten diese Rechte gerade vor dem Intimbereich haltmachen sollen, und dann auch noch exklusiv nur vor dem von Jungen?
Was ist eine sogenannte „Beschneidung“ bei Jungen?
Dieser eigentlich verharmlosende Begriff steht für die Amputation („amputare“: ringsherum abschneiden) der Vorhaut, die den Verlust von durchschnittlich 50 % der gesamten Penishaut und des für sexuelle Empfindungen sensibelsten Teils mit sich bringt und die natürliche Physiologie des Penis sowie dessen Erscheinungsbild irreversibel verändert.
Eine Menschenrechtsverletzung wird per Gesetz Teil der Erziehung
Der Deutsche Bundestag entschied am 12.12.2012 als Reaktion auf das Kölner Urteil in einem Hauruckverfahren: "Beschneidungen" an Jungen aus jeglichem Grunde sind legal. Dies wurde im Recht der sogenannten elterlichen Personensorge festgelegt. Ein völliger Widerspruch zu sämtlichem übrigen gesetzlichen Schutz von Kindern und gleich mehrfacher Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.
Weltweiter Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung
Weibliche Genitalverstümmelung betrifft allein auf dem afrikanischen Kontinent ca. 125 Millionen Frauen und Mädchen. Weltweit sind es eher doppelt so viele. Ihnen wird zumeist ein Teil ihres Genitals abgeschnitten und in einigen Regionen auch die dadurch entstehende Wunde so vernäht, dass eine natürliche Geburt äußerst schmerzhaft und lebensgefährlich wird. Auch weitere gesundheitliche Folgen wie Inkontinenz, Fistelbildung, posttraumatische Symptome und viral übertragbare Krankheiten führen dazu, dass laut WHO ein Viertel der Betroffenen an den Folgen oder direkt beim Eingriff stirbt.
Demonstration durch Köln 2014
Foto: Stefan Schritt
Auch die symbolischen Formen weiblicher Genitalverstümmelung werden vorgenommen, um die Sexualität der Mädchen und Frauen zu reduzieren, ihre Jungfräulichkeit bzw. eheliche Treue zu sichern und die Rolle der Frau in der Gesellschaft als Besitztum ihrer Familie und ihres Ehemannes weiter zu festigen. Da weibliche Genitalverstümmelung oft als Voraussetzung für eine Eheschließung gilt und immer jüngere Mädchen betroffen sind, ist diese Menschenrechtsverletzung eng mit Frühehe, Bildungslosigkeit und häuslicher Gewalt verknüpft.
Die Situation in Deutschland
In Deutschland, wo es mindestens 2500 gefährdete Mädchen und 25.000 betroffene Frauen gibt, ist weibliche Genitalverstümmelung seit 2013 durch §226a StGB explizit verboten.
Vorhautamputationen an Jungen – die Debatte geht weiter
Keines der in Deutschland mit der völligen Legalisierung von Vorhautamputationen in §1631d BGB angeblich anvisierten Ziele – "Rechtssicherheit" (gemeint war die der Eltern, nicht der Jungen), Sicherstellung medizinischer Standards, ein Ende der Debatte – konnte bisher eintreten. Zudem kann ein angeblicher „Rechtsfrieden“ nur als zynisch bewertet werden, wenn er die Betroffenen, die allein den Eingriff erdulden und lebenslang die Konsequenten tragen müssen, schutz- und rechtlos stellt, während die Entscheidungsträger, die Erwachsenen, von jeglicher rechtlicher Verantwortung entbunden sind.
Tote und schwerverletzte Jungen in Afrika – die Welt schweigt
Immer wieder berichten Medien über Hunderttausende schwerverletzte und tote Jungen bei rituellen Vorhautamputationen in Afrika. „Gesundheits“programme auf der Basis höchst umstrittener Studien sehen zur angeblichen HIV-Prävention „Beschneidungen“ an Millionen Afrikanern vor. Eine mündige Eigenentscheidung und seriöse Aufklärung über Risiken und Alternativen sind dabei nur selten gegeben.
In den USA entscheiden sich Eltern zunehmend, ihre Söhne mit unverletzten und vollständigen Genitalien aufwachsen zu lassen. Trotzdem werden dort noch immer ca. 50% aller neugeborenen Jungen zwangsbeschnitten - zumeist sogar ohne wirksame Betäubung.
Betroffene Männer melden sich zu Wort – weltweit!
Immer mehr betroffene Männer finden den Mut, über psychische und physische Spätfolgen der ohne ihr Einverständnis erfolgten Vorhautamputation zu sprechen. Oft empfinden sie den Zustand ihres Penis als verstümmelt. Sie fühlen sich ohne Notwendigkeit oder aus fragwürdigen Gründen (dies schließt viele Fälle der noch immer oft viel zu früh und leicht gestellten OP-Indikation "Vorhautverengung" ein) eines intakten, unversehrten Körpers beraubt. Vielfach wird von Verlust sexueller Sensibilität, Narbenbildung, Schmerzen und erheblichen Problemen für das Sexualleben berichtet. In den USA handelsübliche Geräte, die mittels mühsamer jahrelanger Dehnverfahren die Beschwerden wenigstens abmildern helfen können, werden konstant steigend nachgefragt. Keinem Menschen fällt es leicht, über Verletzungen in seinem Intimbereich zu sprechen - auch und gerade Männern nicht.
Der Facharbeitskreis Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V. - “Eine Stimme für Betroffene”, fordert die entsprechenden ärztlichen Fachrichtungen auf, sich diesen Problemfeldern zu öffnen und Betroffenen Hilfen anzubieten: "Unsere Info-Seite mit weiterführenden Links zu u.a. aktueller Fachliteratur aus Deutschland, der Türkei, den USA u.v.a., Zeugnissen von Betroffenen, Filmen, Aufklärungsbüchern und -broschüren und Vortrags-Videos internationaler Wissenschaftler finden Sie hier: http://genitale-selbstbestimmung.de/info.
Hass und Menschenfeindlichkeit: Bei uns keine Chance!
Wir begrüßen jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland und empfinden dieses als Bereicherung unseres Zusammenlebens.
Wir verwahren uns dagegen, dass unser Einsatz für die Rechte aller Kinder auf genitale Selbstbestimmung von einigen Wenigen genutzt wird, um ihren Hass auf religiöse und kulturelle Minderheiten auszuleben.
MOGIS fordert in diesem Zusammenhang auch alle Protestierenden auf, sich deutlich von Pauschalisierungen und Menschenhass zu distanzieren und immer wieder deutlich zu machen, dass es nur um das Wohl, die körperliche Unversehrtheit und das Recht des Kindes auf Selbstbestimmung gehen kann. (PK)
Online-Flyer Nr. 509 vom 06.05.2015