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Der Turm zu Basel – Ein Buch von Adam LeBor über die BIZ
Wie eine US-geführte Bank den Faschismus finanzierte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
„[Diese Bank] finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis. Ihre Mitarbeiter, wie etwa [US-Banker] Thomas McKittrick und Per Jacobsson, übergaben den Nazis wichtige Wirtschaftsinformationen – oft mit dem Wissen der alliierten Behörden. Die Bank verkörperte die zynischste Form des Kapitalismus; als Millionen von Menschen starben, hielt sie die Finanzkanäle offen, die über die Frontlinien verliefen. Nach 1945 prägten die BIZ und ihre Ausschüsse die Finanzwelt der Nachkriegszeit in erheblichem Ausmaß. Im Hintergrund stellte die Bank die Mechanismen und die technische Expertise zur Verfügung, die für den finanziellen Aspekt des europäischen Einigungsprojekts notwendig waren. Ohne die BIZ gäbe es den Euro nicht. Sie brachte die Europäische Zentralbank hervor...“ So steht es in einem Buch von Adam LeBor über die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Es trägt den Titel "Der Turm von Basel".
Fotomontage von John Heartfield „Wir beten an die Macht der Bomben“ aus AIZ, 12. April 1934
Die Situation in der Zeit des Nationalsozialismus ist einfach und klar. Auf der einen Seite stand der Faschismus. Und auf der anderen Seite standen die Staaten, die die Welt von Faschismus und Holocaust befreien wollten. Das glauben wir. Das sollen wir glauben – bis heute.
Der Holocaust: kein Verbrechen, das hätte gestoppt werden müssen
Was ist diesbezüglich dem Buch des britischen Autors Adam LeBor zu entnehmen? War es Ziel der USA, die Verbrechen Nazi-Deutschlands zu stoppen? Das Buch gibt eine Antwort: In den Vorstandsetagen und Clubs des US-Finanzkapitals, der Wall Street, gab es kein Unbehagen wegen der Judenverfolgung oder der Konzentrationslager.
War es Ziel Großbritanniens, die Verbrechen Nazi-Deutschlands zu stoppen? Das Buch gibt eine Antwort: Am 5. Januar 1939, fast zwei Monate nach den Novemberpogromen, der so genannten Reichskristallnacht – den vom Naziregime organisierten Gewaltverbrechen gegen die deutschen Juden – kam Montagu Norman, Gouverneur der Bank of England, nach Berlin, wo er von Hitlers Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht zu einer privaten Feier empfangen wurde.
Im Jahresbericht der BIZ von 1939 werden die Judenverfolgung der Nazis und die systematische, staatlich beaufsichtigte Plünderung von jüdischen Unternehmen als rein technische Fragen behandelt. Die BIZ gab einer Zentralbank, der deutschen Reichsbank, die sich des Diebstahls und der Enteignung jüdischer Geschäfte durch Staatsterror schuldig machte und staatlich abgesegnete Finanztricks vollführte, einen Anstrich von Rechtschaffenheit.
Emil Puhl, Vizepräsident der Reichsbank, BIZ-Verwaltungsratsmitglied und "Freund" des US-amerikanischen BIZ-Präsidenten Thomas McKittrick, und der Schwede Per Jacobsson, Chefökonom der BIZ, später – ab 1956 – Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds IWF, genießen am 7. Dezember 1942 gemeinsam ihr Mittagsmahl „nur einen kurzen Spaziergang von den Tresoren entfernt, in denen der geplünderte Reichtum Europas und seiner ermordeten Juden aufbewahrt wurde“.
Auschwitz III Monowitz, die riesige Chemie- und Bunafabrik der IG Farben, in der Konzentrationslagerinsassen Sklavenarbeit verrichteten, basierte in Teilen auf US-amerikanischem Fachwissen. Die "deutsche" IG Farben war mit US-Kapital verwoben. IG Farben operierte in den USA unter dem Namen General Aniline and Film (GAF). Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Walter Teagle, der Präsident von Standard Oil; Edsel Ford, Präsident von Ford Motors; Charles E. Mitchell, Vorsitzender der National City Bank; und Bankier Paul Warburg.
Die Technologie von IBM, die Hollerith-Maschinen genannten Computer-Prototypen von IBM, spielten eine entscheidende Rolle für die Katalogisierung und Identifikation von Juden in Europa und somit für die Organisation des Holocaust. IBM-Boss Thomas Watson nahm 1937 von Hitlers Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht den "Verdienstorden vom Deutschen Adler" in Empfang.
Der im US-Kriegsministerium tätige, spätere Weltbankpräsident (1947-1949) und US-Hochkommissar (1949-1952) John McCloy nutzte seinen Einfluss auf US-Kriegsminister Henry Stimson, um eine Bombardierung von Auschwitz durch die US Air Force zu verhindern. Sowohl Regierungen wie auch jüdische Organisationen wussten, dass das Lager eine industrielle Todesfabrik war. Es wäre verhältnismäßig einfach gewesen, die wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte und Gaskammern zu zerstören. McCloy wusste es zu verhindern.
1944 entstand in den USA ein detaillierter Bericht über das Verhalten des Außenministeriums während des Krieges. Er trug den Titel "Bericht an den Minister über die Billigung des Judenmords durch diese Regierung". Aber Versuche, die Kriegsverbrechen der Nazis publik zu machen und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, wurden hintertrieben. Zu denen, die dafür sorgten, dass Nachrichten über den Holocaust unterdrückt wurden, gehörten der stellvertretende US-Außenminister Breckinridge Long und Gene Hackworth, Rechtsberater im US-Außenministerium.
Das alles ist dem Buch "Der Turm von Basel" hinsichtlich des Holocaust zu entnehmen. Die "Befreier" waren seine Förderer. Und was ist noch dem Buch zu entnehmen? Es sind beispielsweise folgende Erkenntnisse.
Der Übergang zu etwas anderem: zur Herrschaft des Finanzkapitals
Eine kleine Clique von Financiers, die keiner Regierung Rechenschaft schuldeten und sich meist gut kannten, hatte eine beispiellose ökonomische und politische Macht angehäuft. Lenin hatte diese aufkommende Macht des Finanzkapitals erkannt, als er 1916 schrieb: „Der alte Kapitalismus hat sich überlebt. Der neue ist ein Übergang zu etwas anderem... Das 20. Jahrhundert ist also der Wendepunkt vom alten zum neuen Kapitalismus, von der Herrschaft des Kapitals schlechthin zu der Herrschaft des Finanzkapitals.“
Von Peregrine Worsthorne, Stiefsohn von Montagu Norman, des Gouverneurs der Bank of England, ist zu erfahren: „Weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg beteiligte sich die Finanzwelt am Konflikt.“ Das dürfte heißen: das Finanzkapital stand über dem "Konflikt", steuerte ihn womöglich und ließ sich zumindest nicht ihn hineinziehen.
Thomas McKittrick war der dritte US-amerikanische Präsident der BIZ. Er stand im Zentrum des Netzwerks aus Beziehungen zwischen der Wall Street, der amerikanischen Industrie und Nazi-Deutschland.
Artikel 10 des BIZ-Grundgesetzes besagt: „Die Bank, ihr Eigentum, ihre Aktiven sowie alle Einlagen und andere ihr anvertrauten Werte sind in Friedens- und Kriegszeiten ausgenommen von allen Maßnahmen, wie Enteignung, Requirierung, Beschlagnahme oder Einziehung, Verbot oder Beschränkung der Ausfuhr oder Einfuhr von Gold oder Devisen und von allen anderen ähnlichen Eingriffen.“
In Washington und London war man sich der Allianz zwischen der BIZ und Hitler-Deutschland bewusst. Ihre Aufgabe war es, die transnationalen Finanzkanäle offen zu halten. „Basel war hierfür der perfekte Ort... Einige Kilometer entfernt kämpften und verendeten die Soldaten der Nazis und der Alliierten. Der BIZ war das alles egal.“ Die Haupt-Architekten der 1930 gegründeten Bank waren Montagu Norman, Gouverneur der Bank of England, und Hjalmar Schacht, Präsident der Reichsbank.
1951 konnte der ehemalige Reichsbankpräsident und Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft Hitlers, Hjalmar Schacht, bei einer unfreiwilligen Landung ohne Probleme aus Israel abreisen. Erst im Nachhinein gab es einen Sturm der Entrüstung, als bekannt wurde, dass Hitlers Bankier durch den "jüdischen Staat" gereist war, ohne verhaftet zu werden.
Freiherr von Schröder: Verbindungsmann des internationalen Kapitals
Auch, was den Bankier Kurt Freiherr von Schröder betrifft, ist das Buch von Adam LeBor ergiebig und aufschlussreich. So ist unter anderem Folgendes zu erfahren.
Der US-Konzern ITT wurde zu einem der mächtigsten Unternehmen der Welt und hatte größere Beteiligungen in Deutschland, einige davon in der Rüstungsindustrie. Die ITT brauchte einen gut vernetzten Bankier, der sich um ihre Interessen und Tochtergesellschaften kümmerte. Sie fand einen: Kurt Freiherr von Schröder. Kurt Freiherr von Schröder war nach Einschätzung von Adam LeBor einer der mächtigsten und einflussreichsten Bankiers in Nazi-Deutschland, ein Mitglied jener Dynastie, deren Imperium die Bankhäuser J. Henry Schröder in London und Schrobanco in New York umfasste, in dessen Geschäftsleitung 1937 Allen Dulles trat. Es war der Allen Dulles, der später während des Krieges Gesandter des US-Geheimdienstes Office of Strategic Services (OSS) in Bern und nach dem Krieg CIA-Direktor wurde.
Zwischen 1923 und 1939 reiste Kurt Freiherr von Schröder regelmäßig nach London. Während seiner Aufenthalte in London handelte Schröder Kredite für den Industriekonzern Flick aus, dessen Vorsitzender, Friedrich Flick, die NSDAP mit Geld versorgte. Das erinnert an den Historiker Antony C. Sutton, der in "Wallstreet und der Aufstieg Hitlers" schreibt: „Der kritische Punkt besteht darin, dass es sich bei den deutschen Industriellen, die Hitler finanzierten, überwiegend um Direktoren von Kartellen mit amerikanischen Verbindungen, Besitz, Beteiligungen und einer Form von Verbindung durch Tochtergesellschaften handelte.“
Im Januar 1933 arrangierte Schröder in seiner Kölner Villa ein Treffen, das half, Hitler an die Macht zu bringen. Schröder wurde von Hjalmar Schacht in den Verwaltungsrat der BIZ berufen. Schließlich wurde BIZ-Verwaltungsratsmitglied Kurt Freiherr von Schröder, der Hitler zur Macht verholfen hatte, in der Uniform eines SS-Gefreiten in einem französischen Kriegsgefangenenlager entdeckt. Ein deutsches Gericht verurteilte ihn zu drei Monaten Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Mehr zur Rolle von Kurt Freiherr von Schröder ist dem in der NRhZ erschienenen Artikel "Auf den Spuren des Hitler-Faschismus und seiner Finanzquellen – Wer war Kurt Freiherr von Schröder?" zu entnehmen. Die darin beschriebenen Erkenntnisse decken sich im Wesentlichen mit denen im Buch von Adam LeBor.
Abs und Blessing: das anglo-amerikanische Imperium im Rücken
Interessant ist auch, was bei Adam LeBor über zwei Koryphäen der Finanzwelt im westlichen Nachkriegsdeutschland zu erfahren ist.
Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank war der mächtigste Geschäftsbankier in Nazi-Deutschland. Als Verantwortlicher für das Auslandsgeschäft der Deutschen Bank während des Krieges war Abs der Angelpunkt der europaweiten Plünderung und leitete die Arisierung jüdischer Banken und Unternehmen. In den zwölf Jahren Hitler-Faschismus vervierfachte sich das Vermögen der Bank. Abs saß im Aufsichtsrat von Dutzenden Firmen, darunter die IG Farben. Nach dem Krieg war Abs drei Monate im Gefängnis, bevor er freigelassen wurde, ohne jemals angeklagt zu werden. Der mächtigste Geschäftsbankier des Dritten Reiches wurde im neuen Westdeutschland mit Bundeskanzler Adenauer wieder zu einem der einflussreichsten Bankiers.
Die deutsch-jüdische Schriftstellerin und Philosophin Hannah Arendt bezeichnete die Bürokraten, die den Holocaust organisierten, als Schreibtischmörder. Auch Blessing war nach Auffassung von Adam LeBor ein solcher Schreibtischmörder.
Im April 1939 trat er in den Vorstand der deutschen Tochter von Unilever ein, einem gigantischen niederländisch-britischen Hersteller von Öl und Fett. Als Deutschland im folgenden Jahr in den Niederlanden einfiel, wurde Blessing zu einem der drei Verantwortlichen für die Geschäfte von Unilever im gesamten Reich. Unterdessen gründete Hermann Göring, Chef der Luftwaffe und verantwortlicher Minister für den Vierjahresplan, die Kontinentale Öl-Aktiengesellschaft, um die Ölreserven in Zentraleuropa und im Balkan auszubeuten. Zusammen mit Reichsbankpräsident Walther Funk und Heinrich Bütefisch von der IG Farben wurde Blessing in den Vorstand der Kontinentalen Öl AG berufen. Wie die IG Farben basierte die Kontinentale Öl auf Plünderung, Ausbeutung, Sklaverei und Mord. Als Finanzdirektor der Kontinentalen Öl AG war Blessing das Epizentrum dieses Geflechts aus Tod und Profit. Er leitete die Übernahme neuer Unternehmen im Osten.
Blessing wurde am Ende des Krieges inhaftiert. Doch Blessing hatte mächtige Verbündete im Hintergrund: Allen Dulles und Thomas McKittrick. Im September 1945 reichte Dulles eine neue weiße Liste ein. Sie war in die Kategorien A und B eingeteilt. Der erste Name auf der B-Liste war Karl Blessing. Blessing wurde nicht der Kriegsverbrechen angeklagt, die er begangen hatte. Stattdessen kam er mithilfe von Allen Dulles auf freien Fuß und kehrte zu seinem früheren Job bei Unilever zurück. 1958 wurde er Bundesbankpräsident und kehrte damit zur BIZ zurück. So schließt sich der Kreis.
EU: Vorstellungen eines Nazi-Bankiers werden wahr
„Die europäische Wirtschaftseinheit [wird] kommen, denn ihre Zeit ist da.“ Das äußerte im Jahr 1943 Walther Funk, Nationalsozialist, Wirtschaftsminister, Reichsbankpräsident und BIZ-Verwaltungsrat. Walther Funk folgte Hitlers Forderung, mit dem "Kleinstaatengerümpel" aufzuräumen: „Es muss die Bereitschaft bestehen, wirtschaftliche Interessen der einzelnen Staaten denen der europäischen Gemeinschaft unterzuordnen.“ Der Reichsbankpräsident verfasste ein Arbeitspapier mit dem Titel "Die wirtschaftliche Neuordnung Europas". In der BIZ wurde es von Per Jacobssons Mitarbeitern übersetzt und am 26. Juli 1940 an Bankpräsident Thomas McKittrick übergeben. Heute ist aus Funks "Europäischer Großraumwirtschaft" die Eurozone geworden. Die technischen Vorbereitungen hatten Jahrzehnte zuvor begonnen – spätestens 1964, als der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten sich zum ersten Mal in der BIZ traf.
Adam LeBor resümiert: „Ohne die BIZ gäbe es den Euro nicht. Sie brachte die Europäische Zentralbank hervor, eine Bank, die weder dem Europaparlament noch irgendeiner Regierung Rechenschaft schuldet, obwohl sie die Geldpolitik von siebzehn Ländern kontrolliert.“ (PK)
Das besprochene Buch (auf deutsch und im englischen Original):
Adam LeBor: Der Turm zu Basel. BIZ – die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte", Rotpunktverlag, Zürich 2014 – Übersetzung der englischsprachigen Originalausgabe
Adam LeBor: Tower of Basel – The Shadowy History of the Secret Bank That Runs the World" (Die dunkle Geschichte der Geheimbank, die die Welt führt), Public Affairs (Member of the Perseus Books Group), New York, 2013
Vorab-Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 13 (Juni 2015) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
Weiterführende Artikel:
Auf den Spuren des Hitler-Faschismus und seiner Finanzquellen
Wer war Kurt Freiherr von Schröder?
NRhZ Nr. 479 vom 08.10.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20855
Wie der Weltkrieg der Nazis finanziert wurde
BIZ: Zentrum einer weltweiten Verschwörung des reaktionären Finanzkapitals
NRhZ Nr. 490 vom 24.12.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21134
Befreiungsideologie 70 Jahre nach Ende des Hitler-Faschismus
Das Böse züchten und dann die Welt davon befreien
NRhZ Nr. 509 vom 06.05.2015
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21590
Online-Flyer Nr. 511 vom 20.05.2015
Der Turm zu Basel – Ein Buch von Adam LeBor über die BIZ
Wie eine US-geführte Bank den Faschismus finanzierte
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
„[Diese Bank] finanzierte den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis. Ihre Mitarbeiter, wie etwa [US-Banker] Thomas McKittrick und Per Jacobsson, übergaben den Nazis wichtige Wirtschaftsinformationen – oft mit dem Wissen der alliierten Behörden. Die Bank verkörperte die zynischste Form des Kapitalismus; als Millionen von Menschen starben, hielt sie die Finanzkanäle offen, die über die Frontlinien verliefen. Nach 1945 prägten die BIZ und ihre Ausschüsse die Finanzwelt der Nachkriegszeit in erheblichem Ausmaß. Im Hintergrund stellte die Bank die Mechanismen und die technische Expertise zur Verfügung, die für den finanziellen Aspekt des europäischen Einigungsprojekts notwendig waren. Ohne die BIZ gäbe es den Euro nicht. Sie brachte die Europäische Zentralbank hervor...“ So steht es in einem Buch von Adam LeBor über die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Es trägt den Titel "Der Turm von Basel".
Fotomontage von John Heartfield „Wir beten an die Macht der Bomben“ aus AIZ, 12. April 1934
Die Situation in der Zeit des Nationalsozialismus ist einfach und klar. Auf der einen Seite stand der Faschismus. Und auf der anderen Seite standen die Staaten, die die Welt von Faschismus und Holocaust befreien wollten. Das glauben wir. Das sollen wir glauben – bis heute.
Der Holocaust: kein Verbrechen, das hätte gestoppt werden müssen
Was ist diesbezüglich dem Buch des britischen Autors Adam LeBor zu entnehmen? War es Ziel der USA, die Verbrechen Nazi-Deutschlands zu stoppen? Das Buch gibt eine Antwort: In den Vorstandsetagen und Clubs des US-Finanzkapitals, der Wall Street, gab es kein Unbehagen wegen der Judenverfolgung oder der Konzentrationslager.
War es Ziel Großbritanniens, die Verbrechen Nazi-Deutschlands zu stoppen? Das Buch gibt eine Antwort: Am 5. Januar 1939, fast zwei Monate nach den Novemberpogromen, der so genannten Reichskristallnacht – den vom Naziregime organisierten Gewaltverbrechen gegen die deutschen Juden – kam Montagu Norman, Gouverneur der Bank of England, nach Berlin, wo er von Hitlers Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht zu einer privaten Feier empfangen wurde.
Im Jahresbericht der BIZ von 1939 werden die Judenverfolgung der Nazis und die systematische, staatlich beaufsichtigte Plünderung von jüdischen Unternehmen als rein technische Fragen behandelt. Die BIZ gab einer Zentralbank, der deutschen Reichsbank, die sich des Diebstahls und der Enteignung jüdischer Geschäfte durch Staatsterror schuldig machte und staatlich abgesegnete Finanztricks vollführte, einen Anstrich von Rechtschaffenheit.
Emil Puhl, Vizepräsident der Reichsbank, BIZ-Verwaltungsratsmitglied und "Freund" des US-amerikanischen BIZ-Präsidenten Thomas McKittrick, und der Schwede Per Jacobsson, Chefökonom der BIZ, später – ab 1956 – Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds IWF, genießen am 7. Dezember 1942 gemeinsam ihr Mittagsmahl „nur einen kurzen Spaziergang von den Tresoren entfernt, in denen der geplünderte Reichtum Europas und seiner ermordeten Juden aufbewahrt wurde“.
Auschwitz III Monowitz, die riesige Chemie- und Bunafabrik der IG Farben, in der Konzentrationslagerinsassen Sklavenarbeit verrichteten, basierte in Teilen auf US-amerikanischem Fachwissen. Die "deutsche" IG Farben war mit US-Kapital verwoben. IG Farben operierte in den USA unter dem Namen General Aniline and Film (GAF). Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Walter Teagle, der Präsident von Standard Oil; Edsel Ford, Präsident von Ford Motors; Charles E. Mitchell, Vorsitzender der National City Bank; und Bankier Paul Warburg.
Die Technologie von IBM, die Hollerith-Maschinen genannten Computer-Prototypen von IBM, spielten eine entscheidende Rolle für die Katalogisierung und Identifikation von Juden in Europa und somit für die Organisation des Holocaust. IBM-Boss Thomas Watson nahm 1937 von Hitlers Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht den "Verdienstorden vom Deutschen Adler" in Empfang.
Der im US-Kriegsministerium tätige, spätere Weltbankpräsident (1947-1949) und US-Hochkommissar (1949-1952) John McCloy nutzte seinen Einfluss auf US-Kriegsminister Henry Stimson, um eine Bombardierung von Auschwitz durch die US Air Force zu verhindern. Sowohl Regierungen wie auch jüdische Organisationen wussten, dass das Lager eine industrielle Todesfabrik war. Es wäre verhältnismäßig einfach gewesen, die wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte und Gaskammern zu zerstören. McCloy wusste es zu verhindern.
1944 entstand in den USA ein detaillierter Bericht über das Verhalten des Außenministeriums während des Krieges. Er trug den Titel "Bericht an den Minister über die Billigung des Judenmords durch diese Regierung". Aber Versuche, die Kriegsverbrechen der Nazis publik zu machen und die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, wurden hintertrieben. Zu denen, die dafür sorgten, dass Nachrichten über den Holocaust unterdrückt wurden, gehörten der stellvertretende US-Außenminister Breckinridge Long und Gene Hackworth, Rechtsberater im US-Außenministerium.
Das alles ist dem Buch "Der Turm von Basel" hinsichtlich des Holocaust zu entnehmen. Die "Befreier" waren seine Förderer. Und was ist noch dem Buch zu entnehmen? Es sind beispielsweise folgende Erkenntnisse.
Der Übergang zu etwas anderem: zur Herrschaft des Finanzkapitals
Eine kleine Clique von Financiers, die keiner Regierung Rechenschaft schuldeten und sich meist gut kannten, hatte eine beispiellose ökonomische und politische Macht angehäuft. Lenin hatte diese aufkommende Macht des Finanzkapitals erkannt, als er 1916 schrieb: „Der alte Kapitalismus hat sich überlebt. Der neue ist ein Übergang zu etwas anderem... Das 20. Jahrhundert ist also der Wendepunkt vom alten zum neuen Kapitalismus, von der Herrschaft des Kapitals schlechthin zu der Herrschaft des Finanzkapitals.“
Von Peregrine Worsthorne, Stiefsohn von Montagu Norman, des Gouverneurs der Bank of England, ist zu erfahren: „Weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg beteiligte sich die Finanzwelt am Konflikt.“ Das dürfte heißen: das Finanzkapital stand über dem "Konflikt", steuerte ihn womöglich und ließ sich zumindest nicht ihn hineinziehen.
Thomas McKittrick war der dritte US-amerikanische Präsident der BIZ. Er stand im Zentrum des Netzwerks aus Beziehungen zwischen der Wall Street, der amerikanischen Industrie und Nazi-Deutschland.
Artikel 10 des BIZ-Grundgesetzes besagt: „Die Bank, ihr Eigentum, ihre Aktiven sowie alle Einlagen und andere ihr anvertrauten Werte sind in Friedens- und Kriegszeiten ausgenommen von allen Maßnahmen, wie Enteignung, Requirierung, Beschlagnahme oder Einziehung, Verbot oder Beschränkung der Ausfuhr oder Einfuhr von Gold oder Devisen und von allen anderen ähnlichen Eingriffen.“
In Washington und London war man sich der Allianz zwischen der BIZ und Hitler-Deutschland bewusst. Ihre Aufgabe war es, die transnationalen Finanzkanäle offen zu halten. „Basel war hierfür der perfekte Ort... Einige Kilometer entfernt kämpften und verendeten die Soldaten der Nazis und der Alliierten. Der BIZ war das alles egal.“ Die Haupt-Architekten der 1930 gegründeten Bank waren Montagu Norman, Gouverneur der Bank of England, und Hjalmar Schacht, Präsident der Reichsbank.
1951 konnte der ehemalige Reichsbankpräsident und Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft Hitlers, Hjalmar Schacht, bei einer unfreiwilligen Landung ohne Probleme aus Israel abreisen. Erst im Nachhinein gab es einen Sturm der Entrüstung, als bekannt wurde, dass Hitlers Bankier durch den "jüdischen Staat" gereist war, ohne verhaftet zu werden.
Freiherr von Schröder: Verbindungsmann des internationalen Kapitals
Auch, was den Bankier Kurt Freiherr von Schröder betrifft, ist das Buch von Adam LeBor ergiebig und aufschlussreich. So ist unter anderem Folgendes zu erfahren.
Der US-Konzern ITT wurde zu einem der mächtigsten Unternehmen der Welt und hatte größere Beteiligungen in Deutschland, einige davon in der Rüstungsindustrie. Die ITT brauchte einen gut vernetzten Bankier, der sich um ihre Interessen und Tochtergesellschaften kümmerte. Sie fand einen: Kurt Freiherr von Schröder. Kurt Freiherr von Schröder war nach Einschätzung von Adam LeBor einer der mächtigsten und einflussreichsten Bankiers in Nazi-Deutschland, ein Mitglied jener Dynastie, deren Imperium die Bankhäuser J. Henry Schröder in London und Schrobanco in New York umfasste, in dessen Geschäftsleitung 1937 Allen Dulles trat. Es war der Allen Dulles, der später während des Krieges Gesandter des US-Geheimdienstes Office of Strategic Services (OSS) in Bern und nach dem Krieg CIA-Direktor wurde.
Zwischen 1923 und 1939 reiste Kurt Freiherr von Schröder regelmäßig nach London. Während seiner Aufenthalte in London handelte Schröder Kredite für den Industriekonzern Flick aus, dessen Vorsitzender, Friedrich Flick, die NSDAP mit Geld versorgte. Das erinnert an den Historiker Antony C. Sutton, der in "Wallstreet und der Aufstieg Hitlers" schreibt: „Der kritische Punkt besteht darin, dass es sich bei den deutschen Industriellen, die Hitler finanzierten, überwiegend um Direktoren von Kartellen mit amerikanischen Verbindungen, Besitz, Beteiligungen und einer Form von Verbindung durch Tochtergesellschaften handelte.“
Im Januar 1933 arrangierte Schröder in seiner Kölner Villa ein Treffen, das half, Hitler an die Macht zu bringen. Schröder wurde von Hjalmar Schacht in den Verwaltungsrat der BIZ berufen. Schließlich wurde BIZ-Verwaltungsratsmitglied Kurt Freiherr von Schröder, der Hitler zur Macht verholfen hatte, in der Uniform eines SS-Gefreiten in einem französischen Kriegsgefangenenlager entdeckt. Ein deutsches Gericht verurteilte ihn zu drei Monaten Haft wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Mehr zur Rolle von Kurt Freiherr von Schröder ist dem in der NRhZ erschienenen Artikel "Auf den Spuren des Hitler-Faschismus und seiner Finanzquellen – Wer war Kurt Freiherr von Schröder?" zu entnehmen. Die darin beschriebenen Erkenntnisse decken sich im Wesentlichen mit denen im Buch von Adam LeBor.
Abs und Blessing: das anglo-amerikanische Imperium im Rücken
Interessant ist auch, was bei Adam LeBor über zwei Koryphäen der Finanzwelt im westlichen Nachkriegsdeutschland zu erfahren ist.
Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank war der mächtigste Geschäftsbankier in Nazi-Deutschland. Als Verantwortlicher für das Auslandsgeschäft der Deutschen Bank während des Krieges war Abs der Angelpunkt der europaweiten Plünderung und leitete die Arisierung jüdischer Banken und Unternehmen. In den zwölf Jahren Hitler-Faschismus vervierfachte sich das Vermögen der Bank. Abs saß im Aufsichtsrat von Dutzenden Firmen, darunter die IG Farben. Nach dem Krieg war Abs drei Monate im Gefängnis, bevor er freigelassen wurde, ohne jemals angeklagt zu werden. Der mächtigste Geschäftsbankier des Dritten Reiches wurde im neuen Westdeutschland mit Bundeskanzler Adenauer wieder zu einem der einflussreichsten Bankiers.
Die deutsch-jüdische Schriftstellerin und Philosophin Hannah Arendt bezeichnete die Bürokraten, die den Holocaust organisierten, als Schreibtischmörder. Auch Blessing war nach Auffassung von Adam LeBor ein solcher Schreibtischmörder.
Im April 1939 trat er in den Vorstand der deutschen Tochter von Unilever ein, einem gigantischen niederländisch-britischen Hersteller von Öl und Fett. Als Deutschland im folgenden Jahr in den Niederlanden einfiel, wurde Blessing zu einem der drei Verantwortlichen für die Geschäfte von Unilever im gesamten Reich. Unterdessen gründete Hermann Göring, Chef der Luftwaffe und verantwortlicher Minister für den Vierjahresplan, die Kontinentale Öl-Aktiengesellschaft, um die Ölreserven in Zentraleuropa und im Balkan auszubeuten. Zusammen mit Reichsbankpräsident Walther Funk und Heinrich Bütefisch von der IG Farben wurde Blessing in den Vorstand der Kontinentalen Öl AG berufen. Wie die IG Farben basierte die Kontinentale Öl auf Plünderung, Ausbeutung, Sklaverei und Mord. Als Finanzdirektor der Kontinentalen Öl AG war Blessing das Epizentrum dieses Geflechts aus Tod und Profit. Er leitete die Übernahme neuer Unternehmen im Osten.
Blessing wurde am Ende des Krieges inhaftiert. Doch Blessing hatte mächtige Verbündete im Hintergrund: Allen Dulles und Thomas McKittrick. Im September 1945 reichte Dulles eine neue weiße Liste ein. Sie war in die Kategorien A und B eingeteilt. Der erste Name auf der B-Liste war Karl Blessing. Blessing wurde nicht der Kriegsverbrechen angeklagt, die er begangen hatte. Stattdessen kam er mithilfe von Allen Dulles auf freien Fuß und kehrte zu seinem früheren Job bei Unilever zurück. 1958 wurde er Bundesbankpräsident und kehrte damit zur BIZ zurück. So schließt sich der Kreis.
EU: Vorstellungen eines Nazi-Bankiers werden wahr
„Die europäische Wirtschaftseinheit [wird] kommen, denn ihre Zeit ist da.“ Das äußerte im Jahr 1943 Walther Funk, Nationalsozialist, Wirtschaftsminister, Reichsbankpräsident und BIZ-Verwaltungsrat. Walther Funk folgte Hitlers Forderung, mit dem "Kleinstaatengerümpel" aufzuräumen: „Es muss die Bereitschaft bestehen, wirtschaftliche Interessen der einzelnen Staaten denen der europäischen Gemeinschaft unterzuordnen.“ Der Reichsbankpräsident verfasste ein Arbeitspapier mit dem Titel "Die wirtschaftliche Neuordnung Europas". In der BIZ wurde es von Per Jacobssons Mitarbeitern übersetzt und am 26. Juli 1940 an Bankpräsident Thomas McKittrick übergeben. Heute ist aus Funks "Europäischer Großraumwirtschaft" die Eurozone geworden. Die technischen Vorbereitungen hatten Jahrzehnte zuvor begonnen – spätestens 1964, als der Ausschuss der Zentralbankpräsidenten sich zum ersten Mal in der BIZ traf.
Adam LeBor resümiert: „Ohne die BIZ gäbe es den Euro nicht. Sie brachte die Europäische Zentralbank hervor, eine Bank, die weder dem Europaparlament noch irgendeiner Regierung Rechenschaft schuldet, obwohl sie die Geldpolitik von siebzehn Ländern kontrolliert.“ (PK)
Das besprochene Buch (auf deutsch und im englischen Original):
Adam LeBor: Der Turm zu Basel. BIZ – die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte", Rotpunktverlag, Zürich 2014 – Übersetzung der englischsprachigen Originalausgabe
Adam LeBor: Tower of Basel – The Shadowy History of the Secret Bank That Runs the World" (Die dunkle Geschichte der Geheimbank, die die Welt führt), Public Affairs (Member of the Perseus Books Group), New York, 2013
Vorab-Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 13 (Juni 2015) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.
Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/
Weiterführende Artikel:
Auf den Spuren des Hitler-Faschismus und seiner Finanzquellen
Wer war Kurt Freiherr von Schröder?
NRhZ Nr. 479 vom 08.10.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20855
Wie der Weltkrieg der Nazis finanziert wurde
BIZ: Zentrum einer weltweiten Verschwörung des reaktionären Finanzkapitals
NRhZ Nr. 490 vom 24.12.2014
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21134
Befreiungsideologie 70 Jahre nach Ende des Hitler-Faschismus
Das Böse züchten und dann die Welt davon befreien
NRhZ Nr. 509 vom 06.05.2015
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21590
Online-Flyer Nr. 511 vom 20.05.2015