Kölner BürgerInnen planen neue rechtsrheinische Stadtbahn
Informationsveranstaltung im Stadtteil Mülheim
Von Roland Schüler
Die Verkehrsprobleme nehmen drastisch zu in Köln, weil die Einwohnerzahl wächst und neue Gebiete wie in Mülheim-Süd erschlossen werden. Unaufschiebbare Brückensanierungen verschärfen die Situation. Eine Bürgerinitiative hat die neue rechtsrheinische Nord-Süd-Straßenbahn ersonnen, um zur Lösung beizutragen. Am 23.10. lud sie in Mülheim-Süd – mitten im Geschehen – zur Information und Diskussion ein. Das Hotel »New Yorker« liegt direkt an der künftigen Straßenbahntrasse und stellte den Konferenzsaal kostenfrei zur Verfügung für die 70 BesucherInnen der Veranstaltung.
Historisches Foto der geplanten Straßenbahntrasse
Quelle: Bürgerinitiative
Zur Vorgeschichte
Anfang des Jahres trafen sich im Fraktionsbüro der Grünen Bezirksvertreter die »nachbarschaft-köln-mülheim-nord«, die Initiative zum RRX-Halt in Mülheim und des VCD (Verkehrsclub Deutschland). Thema war der öffentliche Personennahverkehr. Im Speziellen: Wie kann ein zukünftiger S-Bahn-Halt »Berliner Straße« und ein RRX-Halt in Köln-Mülheim vorangebracht werden? Und es wurde weiter gedacht. Der VCD und die Bezirksvertretung Mülheim haben in den letzten Jahren eine Stadtbahnverbindung im Entwicklungsgebiet Mülheim-Süd gefordert. Erreicht wurde aber nichts. Die Idee: Warum dann nicht zusammen mit den Bürgern und Bürgerinnen aus Mülheim sich Gehör zu verschaffen.
Seitdem wurde das kühne, neue Projekt in vielen Gesprächen vorgestellt, ein breites Bündnis kam zustande: VCD Regionalverband Köln, die nachbarschaft-köln-mülheim-nord e.V., die SSM (Sozialistische Selbsthilfe Mülheim), Geschichtswerkstatt Mülheim e.V., Initiative Rettet unsere Veedel, Initiative RRX- Köln-Mülheim, Initiative Rendsburger Platz, Heimat für Alle e.V., Pro Bahn Rhein-Sieg mit Unterstützung von OV Mülheim Bündnis 90/Die Grünen, FDP Mülheim, Mülheimer Bürgerliste, Raum13 gGmbh, OV Linke in Mülheim und die Piraten. Weitere werden noch folgen.
Kleinbahn in Mülheim
Helmut Goldau vom Mülheimer Geschichtsverein blickte in seinem Vortrag zurück. Die Mülheimer Kleinbahn in der eigenständigen Stadt Mülheim am Rhein konnte von 1894 bis 1911 ein großes Netz aufbauen. Das reichte bis nach Opladen und führte auch über die Deutz-Mülheimer Straße. Hier an der Stadtgrenze zu Köln musste in den ersten Jahren noch ausgestiegen werden, die Stadtgrenze zu Fuß überquert werden, bevor dann mit Kölner Straßenbahnwagen weitergefahren werden konnte. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Netz wieder in Betrieb genommen, doch schrittweise immer weiter verringert. Heute fahren auf dem »Rumpfnetz« die Linien 3 und 4, während die Linien 13 und 18 über die Mülheimer Brücke ins Linksrheinische fahren.
Neue Straßenbahnen in Europa
Wie kann eine moderne Straßenbahn aussehen? Christoph Gronek berichtete anhand vieler Fotos über die Wiederentdeckung der Straßenbahn im In- und Ausland. In Frankreich fahren Straßenbahnen in städtebaulich sensiblen Innenstädten, wie dem zentralen Platz Kléber in Strassburg oder vor der Kathedrale in Orléans. Die Bilder überzeugten: So schön kann auch die Deutz-Mülheimer Straße mit den Industriedenkmälern aussehen.
Die neue Rechtsrheinische Stadtbahn
Die Straßenbahn über die Deutz-Mülheimer Straße von Mülheim nach Deutz ist das zentrale Herzstück der neuen Nord-Süd-Straßenbahn im Rechtsrheinischen. Hier im Mülheimer Süden entwickelt sich ein neues Viertel mit Wohnen, Arbeiten, Kultur, und da ist eine Anbindung mit der Straßenbahn unabdinglich. Doch die Initiative denkt größer: Roland Schüler vom VCD Köln begeisterte mit dem Gedanken einer Straßenbahn von Flittard bis Deutz/Poll. So können die Verkehrs- und Umweltprobleme in Mülheim konsequent und nachhaltig gelöst werden und es wird auch Raum für neue Entwicklungen in Wohnen und Arbeiten geschaffen.
Teil einer Skizze der Rechtsrheinischen Stadtbahn
Quelle: Bürgerinitiative
Die Straßenbahn beginnt in Flittard /Stammheim auf den vorhandenen Gleisen der Güterbahn. Hier fuhr früher der »KongoExpress« die Menschen zum Arbeitsplatz ins Chemiewerk. Das Böcking-Gelände erhält dann eine Anbindung an das Schienennetz, welches vor 15 Jahren versprochen wurde. Der NRW Schadstoff-Hot-Spot »Clevischer Ring« wird entlastet. Am Wiener Platz gibt es dann Umstei. gemöglichkeiten zu den heutigen KVB-Linien. Das Entwicklungsgebiet Mülheim-Süd wird zentral über die Deutz-Mülheimer Straße erschlossen, dann erhält die Messe-Nord ebenfalls eine Haltestelle. An der Haltestelle Messe/Osthallen kann nochmals auf die Linien 3und 4 ins Linksrheinische umgestiegen werden. Die neue Straßenbahn fährt dann nach der Eisenbahnbrücke weiter nach rechts in die Olpener Straße, um den Bahnhof Deutz anzubinden. Dieser ICE- und IC-Haltepunkt, wo auch alle Regionalbahnen und alle S-Bahnen halten, ist ein wichtiger Anbindungspunkt. Vor hier geht es dann bequem nach Mülheim-Süd und Mülheim-Mitte. Und Flittard/Stammheim hat eine Anbindung an den rechtsrheinischen Teil des Hauptbahnhofs. Und ein Umsteigen in die KVB-Linien 1 und 9 in die Innenstadt ist problemlos möglich.
Die Planung der Initiative geht weiter. Sie kann sich eine Verlängerung über die Mindener Straße/Deutzer Freiheit vorstellen, um dann auf den Gleisen der Linie 7 zum Deutzer Hafen und nach Poll zu fahren. Und so würde auch dem südlichen, rechtsrheinischen Raum eine Anbindung an den Bahnhof Deutz ermöglicht.
Damit dies alles zusammenpasst, ist die neue Straßenbahn eine Niederflurbahn, damit barrierefreie Bahnsteige an der Güterbahn, die Verlängerung der Bahn nach Poll, wo auch schon die Niederflurbahn Linie 7 fährt, möglich werden. Auf diese Weise kann sich die Rechtsrheinische Straßenbahn besser in das Stadtbild einfügen.
Die Nord-Süd-Straßenbahn kann überhaupt die Grundlage für ein eigenständiges rechtsrheinisches Straßenbahnnetz geben. Straßenbahn von Mülheim/Wiener Platz zum Bahnhof Mülheim und dann über die Frankfurter Straße nach Ostheim und Porz oder nach Neu-Brück. Vieles ist denkbar, so auch eine Verlängerung von Flittard in den Chem-Park und nach Leverkusen ins Stadtzentrum.
Von der Idee begeistert
Die Versammlung zeigte sich insgesamt von der Idee begeistert und es gab eine hohe Zustimmung. Und was noch wichtiger ist: weitere Parteien, Gruppen, Initiativen, Projektentwickler und Einzelpersonen wollen mitmachen bei der neu gegründeten »ARGE Umweltverbund Mülheim«. Denn die Idee ist das eine, sie muss noch umgesetzt werden. Doch wo ein kreativer Wille ist, da sind auch Schienen.
P.S. Am gleichen Tage der Veranstaltung wurde in der Presse eine Information von der Verwaltung lanciert, auch sie denke an eine Stadtbahn von Flittard bis Mülheim-Süd. Der Dezernent für Verkehr und Stadtplanung Herr Höing habe dies jüngst mit den Spitzen der Politik abgesprochen. Wohl in einem Zimmer des technischen Rathauses. Planungskultur der Verwaltung! Dem haben wir eine demokratische Kultur entgegengesetzt. (PK)
Roland Schüler ist aktiv im VCD und im Kölner Friedenbildungswerk. In der Bezirksvertretung Lindenthal ist er in der Fraktion der Grünen und stellvertretender Bürgermeister.
Die Präsentation zum Vortrag von Roland Schüler zur neuen »Rechtsrheinischen Straßenbahn« steht zum Download bereit unter http://www.muelheimerhafen.com/2015/10/30/nord-s%C3%BCd-bahn-konzept
Online-Flyer Nr. 535 vom 04.11.2015